Und dann war da noch… der Verteidigungshaushalt
Wie so vieles in diesen Tagen wäre auch das unter normalen Umständen für eine große eigene Berichterstattung gut: Das Bundeskabinett hat heute die Eckwerte für den Bundeshaushalt der kommenden Jahre beschlossen. Für den Verteidigungshaushalt entscheidend: Der Einzeplan 14 muss danach weiterhin, wie im Sommer vergangenen Jahres beschlossen, den Einsparbeitrag von 8,3 Milliarden Euro bringen – auch wenn es sicher scheint, dass damit die Bundeswehr, selbst verkleinert, nicht auf eine tragfähige finanzielle Grundlage gestellt wird.
Aus dem Eckwertebeschluss:
Die Bundesregierung hat in der Kabinettklausur vom 6./7. Juni 2010 eine Reform der Bundeswehr angestoßen. Die inzwischen beschlossene Aussetzung der Einberufung zum Grundwehrdienst und die schrittweise Reduzierung der Personalstärke der Streitkräfte sowie des Zivilpersonals führen zu erheblichen, auf der Zeitachse steigenden Minderausgaben. Das Bundeskabinett hat am 15. Dezember 2010 in diesem Zusammenhang eine Zielgröße für den Personalumfang der Streitkräfte von bis zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten – einschließlich Freiwilliger – beschlossen. Der vorgeschlagene Eckwertebeschluss, der bereits eine Streckung des im letzten Jahr einvernehmlich beschlossenen Einsparvolumens um ein Jahr bis Ende 2015 vorsieht, orientiert sich dabei an einem Streitkräfteumfang in Höhe von 175.000 bis
185.000 Soldatinnen und Soldaten. Damit trägt er sowohl dem Koalitionsbeschluss als auch den beschlossenen finanzpolitischen Notwendigkeiten angemessen Rechnung. Mehrausgaben ergeben sich aufgrund eines zusätzlichen Mietbedarfs ab 2012 im Rahmen des Einheitlichen Liegenschaftsmanagements. Im Ergebnis wird der Verteidigungshaushalt seinen im vergangenen Jahr beschlossenen Konsolidierungsbeitrag im Finanzplanungszeitraum 2011 bis 2015 in Höhe von 8,3 Mrd. € und somit seinen Beitrag zu den erforderlichen Einsparungen im Bundeshaushalt erbringen. (Hervorhebung von mir, T.W.)
… und die Zahlen des Finanzplans bis 2015 für den Einzelplan 14, in Milliarden Euro (übrigens ist da auch jeweils eine Mehrausgabe schon eingeplant: Liegenschaftsbezogene Ausgaben für Gebäude und Grundstücke, die sich in der Verwaltung und Bewirtschaftung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bundesanstalt) befinden bzw. ab dem Jahr 2012 neu auf die Bundesanstalt übertragen werden, sind im Bundeshaushalt 2012 und im Finanzplan bis 2015 bedarfsgerecht zu veranschlagen.):
2011 – 31,55
2012 – 31,68
2013 – 31,35
2014 – 30,95
2015 – 30,43
Was das konkret für die Streitkräfte bedeutet? Da warte ich mal die Berechnungen der Finanzexperten ab.
Der Bundeswehrverband schlägt bereits Alarm:
Kirsch: Einspar-Vorgaben nach wie vor utopisch und unseriös
Berlin – Der Deutsche BundeswehrVerband zeigt sich enttäuscht von der Entscheidung des Bundeskabinetts, weiterhin auf dem Sparbeitrag der Bundeswehr von 8,3 Milliarden Euro zu bestehen. Der Bundesvorsitzende Oberst Ulrich Kirsch: „Diese Regelung wird der Herkules-Aufgabe der Bundeswehr-Reform in keiner Weise gerecht. Wir haben diese Sparvorgaben immer als utopisch und unseriös bezeichnet. Daran ändert die zeitliche Streckung um ein Jahr nichts!“
Bundesregierung und Bundestag müssen wissen, dass die gewünschten attraktiven, jederzeit weltweit einsetzbaren Streitkräfte in der vom Kabinett festgelegten Stärke von bis zu 185 00 Mann so auf keinen Fall finanzierbar sind, so Kirsch. „Die Menschen in der Bundeswehr sehen den Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit und zweifeln immer mehr an der Glaubwürdigkeit politischer Entscheidungen.“
Das war wohl absehbar. Doch angesichts dieser „erforderlichen Einsparungen“ wird immer deutlicher, warum hohe Marineoffiziere bereits Ende 2010 hinter vorgehaltener Hand verkündeten: „Leisten können wir uns lediglich eine Bundeswehr mit maximal 110000 Soldaten.“
Nach diesem Bericht der „Welt“ bleiben die finanziellen Vorgaben weiterhin vage.
„Welche sicherheitspolitischen Anforderungen künftig auf die Bundeswehr zukommen werden, das hat der neue Minister de Maiziére nun mit an den Anfang der Reform gezogen. Dies müsse im Einklang stehen mit der neuen Truppenstärke und auch mit den finanziellen Vorgaben der Bundesregierung.“
http://www.welt.de/politik/deutschland/article12850356/Regierung-ruegt-Gorch-Fock-Bericht-als-einseitig.html
Ich schäme mich dafür dieser Regierung in den Sattel geholfen zu haben.
Nochmal wertfrei zum Vergleich die Zahlen der Verteidigungshaushalte unserer beiden europäischen Nachbarländer Frankreich und Großbritannien, die uns wirtschaftlich am ähnlichsten sind:
Frankreich: 66 Mrd. $ (2,3% des BIP) 347.000 Soldaten (inkl. 100.000 Gendarmerie) bei 65 Mio. Einwohnern.
Großbritannien: 60,5 Mrd. $ (2,2% des BIP) ca. 210.000 Soldaten bei 61,7 Mio. Einwohnern.
Wir liegen bei 46 Mrd. $ und 1,3% des BIP. Auf dem Niveau von ca. 2,2 % des BIP müssten wir einen Etat von rund 80,6 Mrd. $ haben, was in etwa 58 Mrd. € entsprechen würde.
@Flosch: Danke für den Vergleich. Ich fände es angemessen, wenn wir demnächst eine Rechnung für diese staatliche Kriegsdienstverweigerung bekämen.
@Sascha
Wer soll die den bezahlen ???
:-)
Man darf nie vergessen:
All diese Kürzungen im Verteidigungshaushalt sind nur möglich, da sich Deutschland immer noch auf die NATO oder ehrlicher ausgedrückt, auf die überlegenen Fähigkeiten der US-Army verlässt.
Aber eigentlich sollte das wirtschaftliche Schwergewicht Deutschland auch seinen adäquaten Beitrag zu Sicherheitsvorsorge leisten. Wie lange geht das noch gut ?
@ Hohenstaufen, flosch
Nö, die Kürzungen sind möglich, weil Europa schlicht und ergreifend keine Gefahr von Außen droht, die es mit den europäischen Streitkräften auch nur annähernd aufnehmen könnte. Da braucht es nichtmal die Amerikaner.
Statt Zahlenspielen mit beliebig ausgewählten Nachbarstaaten sollte man sich vielleicht an der Bedrohungslage orientieren?
Wobei ja der Vergleich gerade mit GB und Frankreich ja recht gelegen kommt: Das sind die Staaten mit überproportionalen Haushalten, nicht zuletzt weil sie sich Luxus-Ausgabeb wie Atomwaffen und Flugzeugträgern leisten.
Staaten wie die Niederlande wären wohl näher am Streitkräfteprofil der Bundeswehr dran. Aber um die Frage, was mit welchen Mitteln möglich ist scheint es ja nicht zu gehen – da ist es fast schon ironisch, dass die eigentlich „ineffektiven“ kleinen Streitkräfte oft mehr Soldaten in den Einsatz schicken können.
Mal anhand der ISAF-Beteiligung:
Dänemark: 750 von 18.000 (4,17%)
Niederlande: 1770 von 44.000 (4,02%)
Kanada: 2830 von 67.756 (4,18 %)
Deutschland: 5350 von 235.000 (2.28%).
Nimmt man das Personal in der Wehrverwaltung noch dazu wird das Verhältnis noch schlechter…
@ J.R.
Europa konnte ohne die Hilfe der USA nicht mal die Vertreibungen und die Massenmorde beim Zerfall Ex-Jugoslawiens stoppen. Das war erst durch die Mitintervention der USA möglich.
Und ob Europa ganz allein Erpressungsversuchen an seinen östlichen Rändern seitens eines nationalistischen Russlands widerstehen könnte wage ich zu bezweifeln.
Es hört sich auch immer so einfach an: man kann sich ja auch auf die Nato verlassen…
Man muss dem Bündnis aber auch etwas zurückgeben.
Und genau das ist schon jetzt unzureichend möglich.
Hier ein Beispiel aus der Luftwaffe:
Die Nato-Forderung an Flugstunden für eine einsatzbereite Luftfahrzeugbesatzung eines Jagdbombers liegt bei mindestens 180 Flugstunden pro Jahr.
Die Luftwaffe kann aber nur für EINIGE Besatzungen 120 Flugstunden sicherstellen.
Und die Flugstunden werden noch weiter gekürzt. Kann man die Besatzungen da noch guten Gewissens in einen Einsatz schicken?
@Hohenstaufen: Liegt wohl eher am mangelnden Willen als an mangelnden Fähigkeiten…
Ich fasse es nicht!
Der öffentliche Dienst der Länder bekommt Gehaltserhöhungen, während den Soldaten das Weihnachtsgeld und Gehaltserhöhungen ausgesetzt werden. Und dann das…da frage ich mich doch welchen Stellenwert wir in der Politik genießen! Und ich wähle bewusst das Wort Politik und nicht nur Regierung! Das Treueverhältnis zwischen Staat und Soldat wird immer mehr zur Einbahnstraße. Noch die war das so deutlich wie jetzt!
Wahnsinn!
Völlig nüchtern betrachet, will diese Regierung nicht im großen Konzert der anderen Nachbarländer mitspielen. Daher ist der sog. Level of Ambition eigentlich recht übersichtlich. Nur ist er per Weißbuch oder verteidigungspolitischen Richtlinien wesentlich höher. Nun soll das was kleiner und weniger Geld hat in der Zukunft dies richten sollen. Wohl kaum. Daher wird mein seine Ambitionen auf mehr zügeln.
Afghanistan ist in den meisetn Politikerköpfen schon abgehakt, da wir ja 2014 das Land verlassen haben.
Ich halte diesen immer noch verbrieften hohen Anspruch, der auf nackte Wahrheit und Realität trifft, für sehr gefährlich für den Soldatenberuf. Ohne mehr Geld, ohne zusätzliche Apzeptanz (so etwas wie Ehre…), ohne Realitätssinn in der Führung, Weggang des Preußischen Gehorsams..usw. wird doch das Berufsbild seine letzten Charme verlieren. Geld bewirkt eben doch noch einiges, wenn das aber schon nicht mehr fließt … gute Nacht!
@ J.R.: Grundsätzlich empfinde ich den Vergleich mit unseren niederländischen Nachbarn als durchaus sympathisch. Die Großmachtallüren unserer europäischen Atommächte sind m. E. eher unangebracht, da auch sie ohne die U.S. of A. im Rücken nicht wirklich strategisch handlungsfähig sind.
Allerdings lebt man -das weiß ich von eben dort- im Königreich NL auch schon seit langem von der Substanz. Die Auswirkungen auf den Qualitätsstandard sind -im Vergleich zu den 1980-90er Jahren- ähnlich katastrophal wie bei uns. Im Grunde wäre es kostengünstiger und der Bevölkerung gegenüber ehrlicher, auf Streitkräfte ganz zu verzichten. Warum dies dennoch nicht geschieht ist offensichtlich. Den Preis werden wir vermutlich irgendwann alle zahlen.