Großer Spaß für Deutschlands Verbündete

Es ist Zufall, dass ich gerade in Paris sitze, wo morgen offensichtlich eine Konferenz zur Durchsetzung der Libyen-Resolution des UN-Sicherheitsrats stattfindet. (Und ich glaube nicht, dass ich da Zugang bekomme.) Aber aus der Ferne macht sich das deutsche innenpolitische Durcheinander bei diesem Thema noch absurder aus.

Phase 1: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschließt ein deutlich härteres Vorgehen gegen Libyen, einschließlich der – begrenzten – Anwendung militärischer Gewalt. Deutschland, derzeit eines der nicht-ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat, enthält sich. (Übrigens: das habe ich heute Nacht falsch geschrieben, wie viele andere auch: Deutschland ist nicht das einzige europäische Sicherheitsratsmitglied, das sich enthielt. Ich zähle jedenfalls Russland auch zu Europa.) Nicht so richtig klar wird: Enthält sich Deutschland aus Überzeugung – oder aus Angst, bei einer Zustimmung auch militärisch mitmachen zu müssen?

Phase 2: Im Bundestag, selbst bei den Koalitionsfraktionen, kommt das deutsche Vorgehen nicht gut an. Und als eine öffentliche Wahrnehmung die Einschätzung der FAZ: Ein diplomatischer Schadensfall höchsten Ausmaßes für Berlin und auch für Westerwelle persönlich.

Phase 3: Bundeskanzlerin Angela Merkel tritt am Freitagnachmittag vor die Presse. Die Enthaltung im Sicherheitsrat bedeutet keine Neutralität, sagt die Kanzlerin. Und dann wird es vollends absurd: Um Verbündete wie Frankreich und Großbritannien und die USA, vielleicht auch die NATO, bei einem möglichen Libyen-Einsatz zu entlasten, zum Beispiel bei den AWACS-Aufklärungsflugzeugen, in denen dann ja auch keine deutschen Besatzungsmitglieder mitfliegen dürften – sollen nun doch deutsche Soldaten in den AWACS über Afghanistan mitfliegen.

Das ist schräg. Aus ziemlich offensichtlichen innenpolitischen Motiven hatte die Bundesregierung im Januar darauf verzichtet, das zur Erneuerung anstehende Afghanistan-Mandat der Bundeswehr um den AWACS-Einsatz zu erweitern. Das könnten die Verbündeten auch ohne die deutschen Besatzungsmitglieder leisten, obwohl die mehr als ein Viertel der Spezialisten an Bord der Luftraumüberwachungsmaschinen ausmachen. Und jetzt sollen doch Deutsche in den AWACS am Hindukusch mitfliegen. Ein solches Mandat ist ja das kleinere Übel gegenüber einer militärischen Beteiligung gegen Libyen.

Die anderen Nationen, die die AWACS-Besatzungen stellen, hätten schon im Januar eine deutsche Beteiligung erwartet – und ohnehin war nach 90 Tagen eine Bewertung des Einsatzes geplant. Jetzt so zu tun, als ob man sie mit diesem Angebot entlastet, ist Augenwischerei.

Mit ein bisschen Glück rettet Gaddafi der Bundesregierung den Arsch: wenn seine angekündigte – und offensichtlich zweifelhafte – Waffenruhe tatsächlich passiert. Dann gibt es keine Einsätze gegen Libyen, die Bundeswehr-Angehörigen müssen die AWACS über dem Mittelmeer nicht verlassen, und dann braucht man ja auch keine Deutschen für die AWACS über Afghanistan. Und damit noch nicht mal ein neues Mandat im Bundestag. also nix passiert.

Ich fürchte, die Verbündeten finden das nicht halb witzig. Allerdings habe ich heute in Paris jemanden getroffen, der höchstes Lob für Madame Merkel hatte: Ein aus Tunesien stammender Gemüseverkäufer. Die deutsche Kanzlerin, meinte er, hätte als einzige begriffen, dass ein Krieg gegen Libyen unsinnig sei. Denn die, die dabei stürben, seien ganz gewiss nicht die Europäer.

Nachtrag: Zur Dokumentation die Abschrift der Pressekonferenz der Bundeskanzlerin am 18. März:

Guten Tag, meine Damen und Herren! Der UN-Sicherheitsrat hat in der vergangenen Nacht die Resolution 1973 zu Libyen verabschiedet. Darin wird zu einem sofortigen Waffenstillstand und einem Ende der Gewalt aufgefordert.

Da sich der Diktator Gaddafi nicht an die entsprechende Aufforderung der vorhergehenden Resolution 1970 gehalten hat, gestattet die neue UN-Resolution nunmehr auch die Anwendung militärischer Mittel zum Schutz der Zivilbevölkerung, insbesondere auch gegen den Vormarsch der libyschen Armee auf Bengasi.

Die Resolution sieht auch eine Flugverbotszone und ein Waffenembargo vor. Darüber hinaus weitet die Resolution ‑ und das auf deutsche Initiative hin ‑ Wirtschaftssanktionen und Reisebeschränkungen gegen den Gaddafi-Clan aus. Die militärischen Mittel sind auf Luftschläge begrenzt. Der Einsatz von Bodentruppen ist nicht gestattet.

Zur Umsetzung der Resolution hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy für morgen zu einem Gipfeltreffen nach Paris eingeladen. Ich werde an diesem Gipfeltreffen teilnehmen. Teilnehmen werden außerdem Vertreter der Arabischen Liga, unter anderem Generalsekretär Amr Mussa, die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens sowie Vertreter der Europäischen Union, so zum Beispiel der britische Premierminister, der italienische Premierminister, der spanische Premierminister, die Premierminister aus Portugal und Dänemark und Belgien sowie Präsident Van Rompuy und die Hohe Vertreterin für Außenpolitik, Lady Ashton. Auch Präsident Obama wird einen Vertreter entsenden.

Deutschland wird sich, wie jeder weiß, nicht an militärischen Maßnahmen beteiligen. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Nur deshalb haben wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Die Ziele dieser Resolution teilen wir uneingeschränkt. Unsere Enthaltung ist nicht mit Neutralität zu verwechseln.

Die internationale Staatengemeinschaft steht zusammen. Es gibt bereits ermutigende Meldungen, dass Herr Gaddafi auf die Resolution reagiert. Die Weltgemeinschaft wird allerdings sehr genau hinschauen, dass es sich hierbei nicht um Ablenkungsmanöver oder Tricks handelt. Wir fordern eine Waffenruhe, und zwar dauerhaft, damit der Krieg von Gaddafi gegen sein eigenes Volk ein baldiges Ende hat.

Frage: Frau Merkel, geben Sie mit der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat nicht auch selbst Handlungsoptionen aus der Hand? Sie haben selbst gesagt, dass Herr Sarkozy zum Gipfel nach Paris eingeladen hat. Wäre es nicht auch an Deutschland gewesen, ähnlich zu handeln?

BK´in Merkel: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben im Vorfeld eine Reihe von Fragen gestellt. Wir haben auch an verschiedenen Stellen unsere Bedenken deutlich gemacht. Einiges ist auch in die Resolution eingeflossen. Wir teilen die Ziele dieser Resolution uneingeschränkt. Wir glauben, dass diese Resolution in ihren Zielen absolut richtig ist.

Die Diskussion über die Frage, wer militärisch teilnimmt und wer nicht, ist für mich jetzt abgeschlossen. Die Resolution ist beschlossen. Sie ist damit sozusagen Gegenstand des Verhaltens der internationalen Gemeinschaft, auch gerade unserer Verbündeter. Deshalb stehen wir mit ihnen natürlich zusammen ‑ unbeschadet der Frage, ob wir uns militärisch beteiligen oder nicht. Deshalb geht es morgen in Paris um die umfassende Umsetzung dieser Resolution. Ich glaube, Deutschland kann viele Beiträge leisten, auch jenseits des militärischen Engagements.

Frage: Ist denn ausgeschlossen, dass es beim Nein zur Teilnahme bei militärischen Einsätzen bleibt, wenn es auch um die AWACS-Flugzeuge geht?

BK´in Merkel: Wir haben unser Nein zu den militärischen Maßnahmen auch im Vorfeld der Abstimmung deutlich gemacht. Deshalb haben wir uns, wie ich schon sagte, auch enthalten. Die Ziele werden uneingeschränkt geteilt.

Worüber wir mit der NATO im Gespräch sind, ist die Frage, ob wir im Rahmen der Gesamtbelastung der NATO Aufgaben übernehmen könnten, zum Beispiel im Bereich von AWACS in Afghanistan. Darüber werden zurzeit seitens des Außenministers und des Verteidigungsministers Gespräche mit der NATO geführt.

Ich will noch einmal betonen: All das, was ich Ihnen vorgetragen habe, auch was wir morgen in Paris vortragen werden, ist natürlich in der gesamten Bundesregierung sowohl mit dem Außen- als auch dem Verteidigungsminister auf das Engste abgestimmt.