RC N Watch update: Deutscher Fallschirmjäger in Baghlan gefallen
Bei einem Selbstmordanschlag in der nordafghanischen Provinz Baghlan ist am Donnerstag ein deutscher Fallschirmjäger gefallen, sechs weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Die Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 313 aus dem niedersächsischen Seedorf bewachten eine Zufahrtsstraße nahe des Dorfes Aka-Khel nördlich des PRT Pol-e-Khumri, als sich ihnen ein Selbstmordattentäter näherte und sich in die Luft sprengte. Der Gefallene ist ein 26-jähriger Oberfeldwebel.
Nach übereinstimmenden Berichten von Spiegel Online und der Bild-Zeitung war der Attentäter als Bauer verkleidet und hatte sich den Soldaten genähert, als sie ihr geschütztes Fahrzeug verlassen hatten. Einer der zwei schwer Verletzten soll nur geringe Überlebenschancen haben.
Die Soldaten der Task Force Kunduz, des so genannten Ausbildungs- und Schutzbataillons, hatten erst vor kurzem den Einsatz in der Provinz Baghlan von den Gebirgsjägern übernommen, die die Quick Reaction Force des Regionalkommandos Nord gestellt hatten.
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg berichtete während einer laufenden Parlamentsdebatte den Abgeordneten von dem Anschlag. Mit dem Gefallenen in Baghlan erhöht sich die Zahl der deutschen Gefallenen in diesem Jahr in Afghanistan auf acht: Im April waren drei Soldaten bei Kundus und vier Soldaten ebenfalls in Baghlan ums Leben gekommen.
Nachtrag: nach dem Anschlag begann offensichtlich ein Feuergefecht, wie die 2. Aktualisierung der Bundeswehr-Meldung zeigt.
Mein Beileid den Angehörigen und den überlebenden Kameraden wünsche ich beste Besserung!
Zur taktisch/strategischen Bewertung:
Kurz nördlich von Pol-e-Khumri fließen die A76 von Uzbekistan über Mazar-e-Sharif nach Kabul und die Straße von Tajikistan über Kunduz nach Kabul zusammen. Wer immer diese beiden Versorgungswege in einem Schlag angreifen will ist an der Stelle des Zusammenflusses dieser Ströme richtig positioniert.
Leider ist auf den öffentlich verfügbaren Karten, hier die Übersicht (pdf) (rechts unten der Zusammenfluss)) nicht der genaue Ort identifizierbar an dem das Gefecht stattfand. Die Satellitenkarte per Google maps zeigt an das die Gegend geographisch definitiv ein Engpass ist der versorgungstechnisch nicht zu umgehen ist.
Anzumerken ist zudem das letztes Wochenende auch ein amerikanischer Soldat dort gefallen ist.
Mit den vermehrten Angriffen in Pakistan, ca. 140 Spritlaster sind in den letzten Tagen dort durch Anschläge vernichtet worden, verlegt sich durch Ausweichen der Schwerpunkt der NATO Logistik in den Norden. Dieser wird dann auch zum Schwerpunkt des Gegners im Gefecht.
Leider hat die NATO das anscheinend nicht antizipiert. Zigtausende Soldaten bemühen sich derzeit jeweils diesen oder jenen irrelvanten Landbezirk rund um Kandahar zu erobern, während die Sicherung des Nachschubs zusammengewürfelten Teileinheiten überlassen wird.
Die Russen haben das besser gemacht. Da waren jeweils dedizierte Brigaden mit entsprechend unterstellten Einheiten für die jeweiligen Versorgungswege zuständig und haben diese, wenn auch unter Verlusten, gut koordiniert und aktiv verteidigt.
Eine Kombination aus deutschen Fajas und amerikanischen Pios unter jeweils eigenem Kommandostrang der irgendwann in Brüssel zusammenläuft ist da ungeeigneter.
Manchmal ist es schon unheimlich … heute gegen 16:00 Uhr Dienstschluss im Marinestützpunkt … beim Verlassen des Gebäudes mit Blick auf die Fregatten die Frage „Warum denn Halbmast?“ … und im Auto dann die Nachricht über den gefallenen Kameraden … da hört man mal ein paar Stunden keine Nachrichten und dann wieder soetwas!
Mein tiefempfundenes Beleid den Angehörigen und allen Freunden und Bekannten!!!
@b
„Mit den vermehrten Angriffen in Pakistan, ca. 140 Spritlaster sind in den letzten Tagen dort durch Anschläge vernichtet worden, verlegt sich durch Ausweichen der Schwerpunkt der NATO Logistik in den Norden. Dieser wird dann auch zum Schwerpunkt des Gegners im Gefecht.“
So funktioniert das nicht. Die Aufständischen sind kein einheitlich geführter militärischer Akteur, bei dem eine zentrale Führung militärische Einheiten verlegt. Auf Landesebene können die Aufständischen nicht tagesaktuell reagieren. Eine gewisse Schwerpunktbildung findet zwar statt, aber sie spielt sich im Zeitraum von Monaten und innerhalb begrenzender Faktoren wie z.B. einer ethnischen Basis ab. Diese Schwerpunktsetzung haben die Aufständischen bzgl. Kunduz/Baghlan schon seit langem in die Wege geleitet, und die Resultate sind ab ca. Anfang 2009 sichtbar. Die Bundeswehr hat sie gewähren lassen, als die Tötung oder Gefangennahme einzelner Personen noch gravierende Wirkung gezeigt hätte.
@S.W.
Leider muss ich Ihnen in Teilen widersprechen.
Richtig mag sein, dass es keine zentrale Führung gibt, die EInheiten verlegt. es gibt aber sehr wohl zwei Tendenzen:
1. Einzelne Führer werden zentral gesteuert eingesetzt, diese unterstützen lokale Gruppierungen mit ihrem Know-How.
2. Durch Absprachen untereinander sind die Insurgents (INS) sehr wohl in der Lage, nicht nur tagesaktuell, sondern stundenaktuell zu reagieren und Verstärkungskräfte örtlich und zeitlich begrenzt zuzuführen.
Richtig ist Ihre Aussage, das die Schwerpunktbildung der INS im Raum des RC-North insgesamt schon vor längerer Zeit in die Wege geleitet wurde.
@Commander
Die stunden- und tagesaktuelle Reaktion auf Vorfälle findet meines Eindrucks nach vielleicht noch auf Distriktebene und unmittelbar darüber hinaus statt, aber auf landesweiter Ebene?
Zur weiteren Einschätzung der Gegend:
Der McClatchy Journalist Jonathan S. Landay war im August und Anfang Oktober in der Gegend und hat zwei sehr gute Berichte dazu.
Die Amerikaner haben wohl eine örtliche Warlord Miliz aufgestellt deren Effekt es ist u.a. den Taliban neues Personal zu liefern.
Taliban’s growth in Afghanistan’s north threatens to expand war
Afghan, U.S. forces face growing insecurity in key province
@ b
Auf dieser Karte ( http://www.aims.org.af/maps/topomaps_bg/PJ42-14.pdf ) ist Aka Khel zu identifizieren. Hinweis: äusserster südlicher (unterer) Kartenrand, etwa auf Höhe 40′ ist der Ort des Anschlags zu lokalisieren.
@E.R. – danke
(eben die Karte ich oben auch verlinkt – gibt es öffentlich bessere?)