Energiesicherheit und Cyberwar
Für alle, die’s verpasst haben: Gestern abend hat Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg im ZDF heute-journal in einem Interview nach dem NATO-Ministertreffen sehr grob die neue Marschrichtung angedeutet: Energiesicherheit und auch die Sicherheit der Datennetze gehörten künftig mit auf die Agenda.
Schnell das Interview noch mal anschauen, ehe es vielleicht nicht mehr im Netz ist: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1164894/Neue-Gefährdungslagen-für-Bundeswehr
Und vorsichtshalber eine (wenn auch nicht ganz vollständige) Abschrift des Interviews
Frage: Was wird einfacher und was wird schwieriger für die NATO und vor allen Dingen für die Bundeswehr?
Antwort: Die Bundeswehr muss sich in den kommenden Jahren an den neuen Herausforderungen, den neuen Gefährdungen ausrichten. Das gilt natürlich auch für die NATO. Von daher sind in meinen Augen schon erste wichtige Weichenstellungen vorgenommen worden mit Blick auf den NATO-Gipfel in Lissabon, wo es darum geht, auch neue Gefährdungslagen wie beispielsweise Energiesicherheit oder auch die Sicherheit des Internets und der Netze mit auf die Agenda zu nehmen.
Verteidigungsminister zu Guttenberg (l.) mit US-Verteidigungssekretär Robert Gates am 14. Oktober beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel. Foto REUTERS/Thierry Roge via picapp
Frage: Was braucht ein Deutschland, das zum ersten Mal in seiner Geschichte an allen Grenzen von Freunden umgeben ist in Zukunft? Eine Arte Fremdenlegion von 10.000 Mann, die man in die Ferne schicken kann?
Antwort: Nein. Wir brauchen eine Bundeswehr, die sich im Bündnis natürlich auch engagiert – aber die gen auso für die eigene Landesverteidigung und beispielsweise auch für den Schutz vor Katastrophen wie Hochwasser und Schneekatastrophen und ähnlichem da ist… Aber wir müssen auch weiterhin damit rechnen, im Ausland eingesetzt zu werden…
Frage: Was sagen Sie den freiwilligen Soldaten, den Berufssoldaten, die Sie in Zukunft verstärkt brauchen?
Antwort: Zunächst einmal auf einen hoffentlich noch attraktiveren Arbeitgeber…
Frage: Gleichzeitig müssen Sie abends in den Nachrichten sehen, wie das erfolgreichste Bündnis der Geschichte in Afghanistan an die Grenzen des Scheiterns gerät…
Antwort: … In Afghanistan ist es weiterhin ganz notwendig, dass wir uns von Illusionen, von Traumbildern verabschieden, und dass wir uns Ziele setzen, die auch erreichbar sind… Hier sind wir zuversichtlich, dass im nächsten Jahr mit der Übergabe der Verantwortung und damit mit der Abzugsperspektive begonnen werden kann für die NATO. Wann die Abzugsperspektive uns trifft, ist allerdings in der Hinsicht noch offen.
Frage: Das heißt, Sie können den zukünftigen Soldaten da keine klaren Versprechungen machen?
Antwort: … Wenn Klarheit herrscht, wird das entsprechend kommuniziert.
Frage: Ihr Name wird in aller Munde geführt – in einem ganz anderen Zusammenhang. Wie schätzen Sie sich selbst ein? Könnten Sie Kanzler?
Antwort: … Was am nächsten liegt, ist, dass ich Bundesverteidigungsminister sein darf, hier gerade eine große Reform anstoßen durfte. Die umzusetzen, erwarten die Soldaten von mir… Es wäre völlig anmaßend, über Dinge nachzudenken, über die manche in bizarren Gedankenwelten gerade nachdenken.
„die Sicherheit des Internets und der Netze“
Was hat die Sicherheit des allgemeinen Internets bitte mit militärischer Verteidigung zu tun?
Das die NATO im V-Fall auch gegnerische Netzwerke angreifen möchte ist mir klar. Aber das zivile Internet ist von Natur aus nicht militärisch schützbar. Da gibt es also nichts zu „verteidigen“.
Was also stellt man sich da vor Herr Minister?
Ebenso wie Krankenhäuser als Reserve Stromaggregate haben, müssen Unternehmen und Behörden ihre Netze halt so gestalten das sie im Notfall vom ungeregelten öffentlichen Internet unabhängig sind. Das kann aber nicht Aufgabe des BMVg sein.
(Oder soll der gesamte militärische Ansatz zu „Cyber“ der jetzt anläuft dazu dienen über die Hintertür eine absolute Netzkontrolle einzuführen?)
Man muss ja nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen.
Wo sich mir nur der Magen umdreht ist das Wort „Energiesicherheit“ in Verbindung mit Sicherheitspolitik. Klar, Pipelines, Seewege usw. sollen geschützt werden.
Aber das Wort lässt sich auch sehr einfach weiter auslegen. War es nicht eine Bundeswehrstudie (eine Seltenheit^^), die im Spiegel aufgetaucht ist, bei der es um die Rolle der Rohstoffversorgung geht?
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,714878,00.html
Et voila madames et monsieurs.
Auch wenn wir momentan den Gedanken des Rohstoffkrieges vermutlich mit einem Lächeln abtun, möchte ich bei uns keine Entwicklung in diese Richtung sehen.
Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass (neben z.B. gesellschaftspolitischen Fragen) bewegende Themen in einen wirtschaftspolitischen Kontext gebracht werden.
Ich finde das falsch. Klar sind Rohstoffe und Energieträger wichtig. Aber dafür Blut zu vergießen… Nicht cool.
Hmm… Mir fällt auf, ich hab das Rad auch sehr weit gedreht, dafür dass ich am Anfang geschrieben habe, man solle nicht gleich das Schlimmste denken ^^ Aber egal.
Energiesicherheit ist schlicht keine Aufgabe für Militärs. Wass soll die tun? Erdölquellen anektieren und Pipelinerouten freibomben?
Wenn man’s mit Energiesicherheit ernst meint, dann führt am Energiesparen und dem Umstieg auf nachhaltige Energiequellen kein Weg vorbei.
Nur allzuernst scheint es Schwarz-Gelb damit nicht zu nehmen. Da wird erstmal bei der Gebäudesanierung zurückgerudert, und den Energieversorgern die auf nachhaltige Stromquellen umsteigen wird in den Rücken gefallen.
Ein Minister, der da die Energiesicherheit zur Aufgabe deutscher Soldaten erklärt, macht sich in meinen Augen lächerlich.
@J.R.
„Energiesicherheit“ stellt man ganz bestimmt nicht so her wie die Bundesregierung es versucht:
– Ausstieg aus allen Technologien, die zu vertretbaren Kosten genug Energie für die Bedürfnisse eines Industriestaates produzieren können
– Zwangsdurchsetzung unzuverlässiger Energieträger, die zum Import französischer Atomkraft zwingen und gigantische Summen an Subventionen verschlingen (obwohl Deutschland dringend sparen müssten, wenn das Schicksal überschuldeter Staaten wie Griechenland abgewendet werden soll)
– Zwang zur Gebäudesanierung mit erwarteten Folgekosten, die die der deutschen Einheit übertreffen werden.
Energiesicherheit ist tatsächlich keine militärische Aufgabe. Es sollte aber auch keine Aufgabe grünlinker Ideologen (in diesem Fall in der CDU) sein, die damit Deutschland ruinieren.
Ihr beiden wieder :)
Ich bin in der CDU und bin im Grunde für regenerative Energien :) Man muss halt gucken, was man machen kann, nech. Grundsätzlich ist das ein langer Weg, aber ein sinnvoller.
Ich leugne zwar fleißig den Klimawandel, aber ich finde auch dumm, Sachen zu verbrennen oder strahlende Abfälle zu produzieren, die dann nicht weit von mir eingebunkert werden. Letztenendes sind wir wieder beieinander, wenn wir sagen, dass wir keinen Tausch machen: „Blut für Energie“. Auf lange Sicht ist es doch eh erstrebenswert größtenteils autonom zu sein, in Energiefragen. Deshalb finde ich auch diese „Sahara-Sun“-Idee zum Weglaufen.
@Niklas
„…strahlende Abfälle zu produzieren, die dann nicht weit von mir eingebunkert werden.“
Wäre man nicht auch aus der Wiederaufarbeitungstechnologie ausgestiegen, würde es dieses Problem so nicht geben. Aber ich bin schon wieder off topic und gelobe Zurückhaltung.
Energiesicherheit und Datennetze als NATO-Themen? *seufzt*
Zur „Energiesicherheit“ kann ich, nur Volker Pispers zitieren:
„Wir schützen nicht nur das, was uns gehört. Wir schützen auch das, was wir gern hätten.“
Tolle Aussicht, in imperiellem Stil Ressourcen schützen (also unter den Nagel reissen) die in Nicht-NATO-Staaten liegen? Im Verteidigungsbereich darf man wohl alles vorschlagen, solange es für den eigenen Staat/Bündnis gut ist.
Zum Thema Internet kann ich nur ein facepalm machen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch nicht für Militärs die gern mehr Macht und Einfluss hätten.
[…]und beispielsweise auch für den Schutz vor Katastrophen wie Hochwasser und Schneekatastrophen und ähnlichem da ist[…]
Das ist doch ureigene THW-Aufgabe. Dafür brauchen wir keine Armee, wenn dann müsste man Mittel von der Armee zum THW umverlagern.
Ohne derzeit selbst Position zu beziehen, möchte ich aus eigener Erfahrung aus Gesprächen mit Kameraden feststellen, dass die (amerkanischen) Gründe für Golfkrieg Nr. 1 durchaus eher geteilt wurden, als die Begründungen für jegliches Engagement auf dem Balkan.
Aus militärischer Sicht zur Energiesicherung darf zum einen sicherlich festgestellt werden, dass der möglichen Substitution fossiler Energieträger auch mittel- bis langfristig noch Grenzen gesetzt sind. Intern sind auf absehbare Zeit weder schwere Gefechtsfahrzeuge noch Lfz mit alternativem Antrieb verfügbar. Insbesondere im Luftfahrtbereich ist festzustellen, dass es dort seit 15 Jahren keinen signifikanten Fortschritt gab.
Hinsichtlich der Sicherheit von Datenentzen, ist die Abhängigkeit der Industriestaaten von elektronischer Datenübermittlung eklatant. Meiner Einschätzung wären die Folgen einer erfolgreichen, nachhaltigen Störung dieses Datenverkehrs deutlich größer als die Folgen der Bankenkrise. Somit müssen alle Optionen solchen Bedrohungen zu entgegenzutreten geprüft werden. Das die Optionen u.a. stark davon beeinflusst sind von welchem Terretorium eine solche Bedrohung letztlich ausgeht, ist aus meiner Sicht klar. Dennoch muss allen nicht ebenbürtigen/prä-nuklearen Gegnern klar gemacht werden, dass man ob der möglichen Konsequenzen eines solchen Angriffs auch vor militärischer Gewalt nicht halt machen würde (und zwar BEVOR das Kind in den Brunnen gefallen ist).
Ich denke mal „Energiesicherheit“ ist ein Zugeständnis an die Osteuropäer, damit irgend etwas beschlossen wurde, dass in irgendeiner Form ein bischen als Kriegsdrohung gegen Russland ausgelegt werden kann.
Das beruhigt die Polen und Balten, die ja eigentlich der NATO beigetreten sind um den kalten Krieg 1000 km weiter östlich weiterzuführen;)
@ S.W.
Punkt für Sie.
@ J.R.
Das stimmt natürlich.
Ich war auch schon wieder beim worst case.
Verwandt mit dem Thema ist auch Rohstoffsicherung. Man beäuge mal die guten alten Coltan-Vorkommen im Kongo. Die dürften bei den grausigen Ereignissen dort eine Rolle spielen. Vielleicht hat ja auch der ein oder andere Großschürfer da seine Finger im Spiel.
Aber ich will nicht spekulieren. Ich bin nur von der Verbindung von wirtschaftlichen Belangen mit Sicherheitspolitik abgeschreckt.
@nicklas „Ich bin in der CDU und bin im Grunde für regenerative Energien :) “
Es gibt keine regenerativen Energien, das widerspricht sämtlichen Regeln der Thermodynamik. 90% der nutzbaren Energien auf dieser Welt stammen aus Kernfusion in der Sonne. 10% stammen aus radioaktiven Materialien die sich aus der lokalen Urnova erhalten haben. Regenerativ ist da garnichts.
Was es gibt: Freie und ungenutzte Energie.
Witziges Detail am Rande: Bei der Kohleförderung wie bei jedem Bergbau wird gasförmiges radioaktives Thorium in grossen Mengen frei, d.h. gelangt in die Athmosphäre. Dieses Thorium hat zehnmal mehr Energie wie die eigentlich geförderte Kohle.
@Crass Spektakel
Wenn das die Kanzlerin wüsste!
Dann ist es halt freie Energie. Natürlich haben Sie Recht. Der Begriff „regenerative Energie“ ist schon zu einem Selbstläufer geworden.