Keine Wehrpflicht, aber zu viele Soldaten?
Sei vorsichtig, was Du wünschst – es könnte in Erfüllung gehen, lautet ein altes Sprichwort. Wenn es so weiter geht, wie es sich bis zum vergangenen Wochenende abzeichnete, hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg genau dieses Problem. Denn nachdem sein CSU-Parteivorsitzender Horst Seehofer seine ablehnende Haltung zum Ende der Wehrpflicht aufgegeben hat und auch die hessische CDU auf diesen Kurs einschwenkt, scheint immer mehr klar: Den Wehrdienst herkömmlicher Form, mit gemusterten und zwangsweise (ja, es ist so) eingezogenen Rekruten wird es wohl bald nicht mehr geben.
Allerdings: die Konservativen, die nun das Ende der Wehrpflicht akzeptieren, nach bislang hinhaltendem Widerstand, hätten gerne ein wenig mehr als die bislang von Guttenberg favorisierten 156.000 Zeit- und Berufssoldaten plus 7.500 freiwillg Wehrdienst Leistende.
Und da kommt das Problem auf den Minister zu. Wenn ihm die beiden konservativen Parteien, seine eigene und die CDU, zwar das Ende der Wehrpflicht zugestehen, aber zugleich deutlich mehr Soldaten als in seinem Lieblingsmodell verordnen – kommt er finanziell wieder an die gleichen Grenzen wie vorher. Denn dass der fränkische Ressortchef diese Wehrform und diese Zahl ausgewählt hat, hat ja nicht zwingend mit seiner Vorliebe für bestimmte Zahlen zu tun. Sondern damit, dass er die absehbaren – ausgereizten – finanziellen Spielräume des Einzelplans 14 ein bisschen erweitern will.
So gesehen bleibt’s spannend. Dass die C-Parteien auf seinen Kurs bei der Wehrpflicht einschwenken, heisst für Guttenberg noch lange nicht, dass er das bekommt, was die Truppe braucht: Eine Finanzierung, die sie handlungsfähig macht. Eine schöne große Bundeswehr ohne Wehrpflicht und ohne Geld bringt’s ja auch nicht.
Nachtrag: Jetzt gibt’s die Meldungen, das CDU-Präsidium zeige eine Präferenz für die Abschaffung (wohl eher: das Aussetzen) der Wehrpflicht. Interessant wird ja, was unterm Strich rauskommt – Wehrform und Truppenstärke und Struktur zusammengenommen…
Meine Prognose:
1. Modell 4 (Aussetzung der Wehrpflicht und Freiwillige) mit viel mehr Soldaten, als derzeit geplant.
2. Bereitstellung von viel mehr Geld für die BW, als derzeit zur Verfügung steht.
3. Fähigkeitserweiterung der BW mit völlig neuartiger und modernster Ausrüstung.
Die bisherigen Konzepte und die von zu Guttenberg ausgesprochene Empfehlung sind als Diskussionsgrundlage (vgl. dazu die Positionspapiere z.B. der SPD) zu verstehen, daher sehe ich da durchaus noch Möglichkeiten, dass die Anzahl aller Soldaten der zukünftigen Bundeswehr noch nicht in Stein gemeißelt ist. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidgungen auf den Parteitagen getroffen werden und vorallem welche Entscheidungen im Ministerium vorbereitet und schliesslich im Bundestag überhaupt mehrheitsfähig sind.
Aber das die Bundeswehr auf einmal sehr viel besser finanziell ausgestattet werden soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. Grundlage ist der Kabinettsbeschluss zur Haushaltskonsolidierung, der klare Vorgaben macht, in welche Richtung es gehen soll. Ob und wie das Verteidigungsministerium diese Vorgaben überhaupt realisieren kann, ist weiterhin offen und daher ist eher unwahrscheinlich, dass das Ministerium auf einmal einen erweiterten finanziellen Handlungsspielraum bekommen sollte. Insbesondere vor dem Hintergrund eines möglichen Attraktivitätsprogramms für die Streikräfte, was nur wieder die Personalkosten in die Höhe treibt, die man eigentlich reduzieren will.
Auch vermag ich keine kommende Fähigkeitserweiterung zu erkennen. Die bestehende Ausrüstung der Bundeswehr wird sich noch stärker an den Einsatzerfordernissen ausrichten (gepanzerte Fahrzeuge, DMR etc.) und wird punktuell schrittweise verbessert werden. Ich gehe eher davon aus, dass man evtl. über eine Verlagerung von Fähigkeiten auf eine europäische/NATO Ebene verstärkt nachdenken wird (Lufttransport, Seeüberwachung etc.). Auch hier wird letztendlich der politische Wille und die finanzielle Ausstattung entscheidend sein, wohin der Weg führen wird. Aber ohne eine mittelfristige Konzeption, was die Bundeswehr im Rahmen der Außen- und Sicherheitspoltik leisten soll, ist das kein wirklich überzeugender Ansatz.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die anstehende Abschaffung der Wehrpflicht in erster Linie von einem Haushaltssparpaket angestoßen wurde. Es geht darum, Geld einzusparen. Ich weiß auch nicht, wo eine parlamentarische Mehrheit für eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts kommen soll.
Wahlen werden gewonnen mit dem Sozialhaushalt: Mehr Geld für Kitas, Rentner und Familien, das bringt Stimmen. Eurofighter, Fregatten und U-Boote dagegen bringen höchstens Stimmen bei EADS- und Wertarbeitern.
Zynisch gesagt: Das Motto „Klein aber fein“ wird durch die Guttenbergschen Pläne zur Hälfte erreicht werden…
Hallo Herr Wiegold,
ich gebe zu, ich bin abgesehen von der Tagesschau überhaupt nicht im Thema Bundeswehr und gerade zufällig über Zeit online auf diesen Blog gekommen. Zuerst einmal Gratulation dazu und dass die Unterstützung der regelmäßigen Lesern augenscheinlich nicht ausbleibt!
Vielleicht können Sie mir eine Frage in aller Kürze beantworten: Was passiert mit der – mehr oder weniger – großen Anzahl an Soldaten, um die nach Gutenberg die Bundeswehr verkleinert werden soll? Wie hoch wird der Anteil derer sein, die altersbedingt aufhören können zu arbeiten? Welche Möglichkeiten und Unterstützung haben jüngere Soldaten? Z.B. im Falle einer Existenzgründung etc.?
Vielen Dank und viele Grüße
S. Kessler
Hallo Herr Kessler,
diese Frage kann Ihnen, fürchte ich, im Moment noch niemand beantworten – und das ist ein Thema, das viele Soldaten umtreibt. Erwartungen gibt es an ein neues Personalanpassungsgesetz, de facto also eine Abfindungsregelung (um nicht goldener Handschlag zu sagen…). Was aber wiederum Geld kostet…
Unterm Strich: eine der vielen, vielen Fragen, die im Hinblick auf die künftige Größe und Struktur der Bundeswehr noch offen sind.
Hallo Herr Wiegold,
vielen Dank für das Feedback!
Wo informieren sich Soldaten über so etwas? Gibt es eine Abteilung oder eine Art Gründungs- oder Berufsberater, die Soldaten vor dem Ausstieg die Möglichkeiten aufzeigt und z.B. beim Aufbau einer Existenzgründung beratend zur Seite steht?
Ich habe bislang nur mitbekommen, wie ehemalige Zeitsoldaten anschließend verhältnismäßig lang finanziell unterstützt wurden, jedoch nie davon gehört, dass diese auch ein wenig an die Hand genommen würden.