Das doppelte Leben des Josef Blotz
Im Grunde genommen hat Josef Blotz einen Scheissjob schwierigen Job. Der Brigadegeneral ist ja nicht nur der offizielle Sprecher der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan, sondern auch deutscher Offizier. Das führt dann zu Problemen, wenn die Sichtweise des NATO-Kommandos der ISAF (das ja nicht zuletzt vom NATO-Rat, das heisst mit Zustimmung der Bundesregierung, autorisiert ist) in Einzelheiten von der deutschen, oft innenpolitisch geprägten Sichtweise abweicht.
(Foto: ISAFmedia via flickr)
Vor ein paar Wochen hat das Blotz schon mal Probleme beschert, als er nämlich in einer Videokonferenz mit deutschen Journalisten eine andere Ansicht vertrat als der Wehrbeauftragte Helmut Königshaus und sich deshalb mit Forderungen aus der FDP nach seiner Ablösung konfrontiert sah. Allerdings: Der Brigadegeneral hält sich bei seinen Aussagen an den Rahmen, den ihm seine Aufgabe als Sprecher eines multinationalen Kommandos vorgibt. Wenn die nicht hundertprozentig mit der deutschen Haltung übereinstimmen – ist ihm dann der Vorwurf zu machen?
Ein ähnliches Problem könnte dem deutschen ISAF-Sprecher jetzt wieder drohen. Im Interview mit dem Berliner Tagesspiegel nahm er auch zu dem gezielten Vorgehen gegen erkannte Führer von Aufständischen Stellung:
Es ist völlig klar und verständlich, dass Extremisten, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, unsere Soldaten zu erschießen und in die Luft zu sprengen, verfolgt und bekämpft werden müssen. Wenn man über Informationen verfügt, wo solche Extremisten zu finden sind, muss versucht werden, diese auszuschalten, noch bevor sie unsere Soldaten angreifen können. Genau darum geht es. Das ist im Wesentlichen die Aufgabe von Kräften, die speziell dafür ausgebildet, ausgerüstet und trainiert sind.
Nun hat, laut Tagesspiegel, der General das im Zusammenhang mit dem Einsatz deutscher Spezialkräfte gesagt. Und da wird’s heikel: Die gezielte Tötung von Gegnern beim Einsatz am Hindukusch ist zwar auch nach Ansicht der Bundesregierung völkerrechtlich zulässig – aber: Deutschland hat den nationalen Vorbehalt angemeldet, dass sich die Bundeswehr allenfalls an der Festnahme, aber nicht an der gezielten Tötung beteiligt:
Hinsichtlich der letztendlichen Fragestellung der gezielten Tötung ist es in der Tat so, dass diese Möglichkeit im Regelwerk der NATO bzw. des ISAF-Einsatzes vorgesehen ist und dass sich Deutschland in diesem speziellen Fall eine Selbstbeschränkung auferlegt. Diese Selbstbeschränkung beinhaltet, dass Personen auf diesen Ziellisten nur mit der Empfehlung der Gefangennahme der amerikanische Terminus lautet „capture“ nominiert werden und dass auch die eigenen Spezialkräfte die Taskforce 47 nur in diesem Sinne antreten und wirken.
sagte der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Kapitän z.S. Christian Dienst, am 28. Juli vor der Bundespressekonferenz.
Ich wüsste jetzt gerne: hat Blotz den Begriff ausschalten tatsächlich im Hinblick auf die deutschen Spezialkräfte in Afghanistan gebraucht – oder doch auf ISAF insgesamt? Und wenn er die Deutschen, also das KSK, meinte: was heisst in diesem Zusammenhang ausschalten?
Nachtrag: Klarer wird es, wenn man das ganze Interview liest und nicht nur die oben verlinkte Nachrichtenfassung des Tagesspiegels.
Ich muss wirklich anerkennend zugeben, dass es wohl kein Land außer unserem gibt, dass so formvollendet und mit fanatischer Gründlichkeit sein eigenes Militär demontiert, wie wir es tun.
Anstatt durch solche Aussagen ein Umdenken in der Politik mit nachfolgender Änderungen der Satzungen und Gesetze zu forcieren, wird stattdessen der jeweilige Offizier in die Öffentlichkeit gezerrt und verurteilt. Wie konnte er auch an der Allwissenheit an der Bundestagsfront zweifeln?
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass…
Wir haben gegenwärtig die Situation, dass deutsche Politiker per Bundestagsbeschluss Soldaten einen Auftrag erteilt haben, ihnen aber das für die Erledigung dieses Auftrags notwendige Mandat verweigern.
Von zu geringer Mannstärke und unangemessener Ausrüstung will ich gar nicht anfangen.
Die von der Politik formulierten Ziele für Afghanistan sind nach sicherheitspolitischem Sachverstand nur zu erreichen, wenn u.a. Extremisten, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, unsere Soldaten zu erschießen und in die Luft zu sprengen, verfolgt und bekämpft werden. Dies beinhaltet die gezielte Tötung von konkreten Zielpersonen.
Wenn die Politik das nicht wünscht, so darf sie keine Befehle erteilen, die das erfordern.
Aber offenbar ist die Situation in unserem Land noch schlimmer.
Die Politik erteilt wohl wissend per Bundestagsbeschluss und Nato-Rat den Auftrag für gezielte Tötungen, distanziert sich dann aber innenpolitisch von ihren eigenen Beschlüssen.
Nennt man so was nicht Verrat an den eigenen Soldaten im Einsatz?
Verstößt ein Dienstherr, in letzter Konsequenz also der Bundestag, nicht gegen seine Fürsorgepflichten gegenüber den eigenen Leuten, wenn er seine Soldaten in einen Kampfeinsatz schickt, der mit bereitgestellten Mitteln (Mandat, Mannstärke, Ausrüstung) nicht zu gewinnen ist?
Guten Morgen,
ist doch einwandfrei klargestellt. General Blotz sagt eindeutig, dass deutsche Spezialkräfte NUR im Zusammenhang mit der Gefangennahme (capture) in Erscheinung treten. Begründet durch den „national caveat“, also die freiwillige Selbstbeschränkung.
In allen anderen Punkten: Zustimmung mit Sun Tzu.
Grüsse
Nun ein ISAF-Sprecher spricht für die ISAF und nicht für die BW, dass ist doch wohl logisch. Nur die FDP scheint es nicht zu verstehen. Wenn Deutschland glaubt nur halb an einem Mandat teilzunehmen, dann sollten wir es lieber lassen. Das sich dies unsere Verbündeten überhaupt bieten lassen und nicht sagen, dann geht mal lieber Brunnen bohren, wir brauchen hier Soldaten, ist mir unverständlich.