Aufnahmerituale in Pfullendorf: Gericht bestätigt Entlassungen (Neufassung, Nachtrag)

Nach den im Januar bekannt gewordenen entwürdigenden Aufnahmeritualen im Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Entlassung von vier Soldaten bestätigt. In diesen Fällen ging es nicht um die ebenfalls bekannt gewordenen Umstände bei der Sanitätsausbildung, sondern ausschließlich um Rituale unter Mannschaftssoldaten, die zur Stammbesatzung des Ausbildungszentrums gehörten.

Die offizielle Mitteilung des Gerichts vom (heutigen) Donnerstag zu der am (gestrigen) Mittwoch ergangenen Entscheidung:

Die Entlassung von vier Soldaten des Ausbildungszentrums Spezielle Operationen in Pfullendorf wegen ihrer Teilnahme an Aufnahmeritualen war rechtens. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage der Soldaten gegen ihre Entlassung nach dreistündiger Verhandlung ab.

Die vier jungen Männer, zwei Soldaten auf Zeit sowie zwei Freiwillig Wehrdienstleistende, waren wegen ihrer Beteiligung an sogenannten Taufen neuer Kameraden entlassen worden. Einen Einblick in das ihnen vorgeworfene Fehlverhalten gaben u.a. Videos, die von einem der Soldaten aufgenommen worden waren. Sie geben zwei der Vorfälle wieder, die sich zwischen Oktober 2016 und Januar 2017 ereignet haben sollen. Nach Angaben der Soldaten zeige ein Video das Üben einer Gefangennahme. Ein anderes Video zeigt, wie ein Soldat in Uniform mit ABC-Maske im Gesicht zwei zivil gekleidete und auf Stühle gefesselte Männer in der Dusche abspritzt.
Das Gericht kommt vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Das Verhalten der Kläger stelle eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung dar. Insbesondere liege ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht und gegen das Gebot der gegenseitigen Achtung und zu vertrauensvollem Verhalten vor. Von einer freiwilligen oder vom Einverständnis getragenen Teilnahme der „Täuflinge“ könne nicht ausgegangen werden. Der Verbleib der Kläger im Dienst würde zu einer Gefährdung der militärischen Ordnung führen. Durch Aufnahmerituale könnten eingeschworene Zirkel in der Truppe entstehen, die die Einsatzbereitschaft der Truppe schwächten. Außerdem sei die Gefahr der Nachahmung groß. Es müsse dem Dienstherren freistehen, einer solchen Disziplinlosigkeit entgegenzuwirken. Die Bundeswehr müsse durch die Entlassungen Zeichen setzen dürfen, um derartigen Vorfällen entgegenzuwirken.
(Aktenzeichen: VG Sigmaringen 5 K 1899, 1934, 3459 und 3625/17 vom 19.07.2017)

Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor; deshalb gibt es auch noch keine offizielle Aussage dazu, auf welche rechtlichen Grundlagen das Gericht die Entscheidung stützt.

Nachtrag: Auf Nachfrage von Augen geradeaus! erläuterte ein Gerichtssprecher:

Für die Zeitsoldaten gilt § 55 Abs. 5 SG (Ermessen: „kann“), für die Freiwillig Wehrdienstleistenden gilt § 58 h SG (mit § 75 Abs. 1 Nr. 5 SG), wobei letztere zu entlassen sind (kein Ermessen).

Soldatengesetz §55
Soldatengesetz § 58 h
Soldatengesetz §75

Das Verteidigungsministerium hatte bereits unmittelbar nach dem Urteil reagiert:

Das Gericht hat klar bestätigt: Jemanden einen Sack über den Kopf zu ziehen und ihn zu fesseln – das ist ein klarer Verstoß gegen das Gebot des respektvollen Miteinanders und gegen die Kameradschaft. Hier werden Würde, Ehre und Unverletzlichkeit der Person eines Kameraden missachtet. Würde man solche Vorfälle dulden, stünde die Geschlossenheit der Truppe und damit die militärische Ordnung in Frage.

Der dpa-Bericht aus der Verhandlung ist hier bei n-tv nachzulesen.

Die Vorwürfe hatte das Heer so beschrieben:

Außerdem wurde bekannt, dass es im Ausbildungszentrum wiederholt im Zuge sogenannter „Aufnahmerituale“ zu Misshandlungen von Soldaten gekommen ist. Dies geschah zwischen Mannschaftsdienstgraden. Vorgesetzte waren nach derzeitigem Stand der Ermittlungen an den Geschehnissen nicht beteiligt.
Den eindeutig identifizierten Tätern wurde durch den Disziplinarvorgesetzten sofort die Ausübung des Dienstes einschließlich des Tragens der Uniform untersagt. Gleichzeitig wurde in allen Fällen die fristlose Entlassung aus der Bundeswehr eingeleitet. Das ist möglich, weil es sich bei den Betroffenen um Soldaten mit einer Dienstzeit unter vier Jahren handelt.
Am 24.01.2017 erfolgte die Abgabe an die Staatsanwaltschaft Hechingen durch die truppendienstlichen Vorgesetzten wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung, gefährlichen Körperverletzung, Gewaltdarstellung und Nötigung.

Das heutige Verfahren war ein reines Verwaltungsverfahren, es ging um die fristlose Entlassung und nicht um die bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Vorwürfe strafbaren Verhaltens.

(Archivbild: Staufer-Kaserne in Pfullendorf – Bundeswehr/Michael Frick)