Fünf Jahre Aussetzung der Wehrpflicht: Ein Zurück ist kaum vorstellbar

Rekruten bei der Bundeswehr | Recruits at the Bundeswehr

Fünf Jahre ist es am (kommenden) Freitag her, dass die Wehrpflicht in Deutschland endete: Zum 1. Juli 2011, so hatte der Bundestag am 24. März 2011 beschlossen, wurde der seit Gründung der Bundeswehr 1956 geltende Pflichtdienst für Männer in den Streitkräften ausgesetzt. Und wer kurz vor diesem fünften Jahrestag mit Generalen vor allem des Heeres redet, hört eine gewisse Erleichterung darüber, dass die Bundeswehr nicht mehr im halb- oder dreivierteljährlichen Rhythmus einen neuen Schwung junger Männer zu Soldaten ausbilden muss. Bei einer durchschnittlichen Verpflichtungszeit auch der Mannschaften im Heer von neun Jahren, so rechnete Inspekteur Jörg Vollmer vor, greift die Truppe lieber auf länger dienendes Personal zurück: Der Ausbildungsaufwand wäre mit der derzeitigen Bundeswehrgröße kaum zu stemmen.

Dieser Ausbildungsaufwand war auch einer der Gründe, die 2010 die politische Entscheidung für die Aussetzung – nicht Abschaffung – der Wehrpflicht bestärkten. Der andere war die kaum noch durchzusetzende Wehrgerechtigkeit: Von den wehrpflichtigen Männern, die den Dienst mit der Waffe verweigerten, wurde der überwiegende Teil zum Zivildienst eingezogen. Wer einfach abwartete, hatte gute Chancen, dass die damals zwar noch größere, aber gegenüber den Zeiten des Kalten Krieges deutlich geschrumpfte Bundeswehr nicht auf ihn zurückgreifen würde.

Durchsetzen konnte, auch das sollte nicht vergessen werden, die Aussetzung der Wehrpflicht nur ein Politiker aus dem konservativen Lager. Der damalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg schaffte es, seine eigene Partei, die CSU, und dann auch die Schwesterpartei CDU von diesem Schritt zu überzeugen. Im Dezember 2010 verständigte sich dann die damalige schwarz-gelbe Koalition auf diesen Schritt – nach dem Umschwenken der Koalitionsparteien kein so großes Problem mehr, denn die FDP hatte sich schon länger dafür ausgesprochen. Die Debatte in der entscheidenden Abstimmung im Bundestag bestritt dann aber Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maiziere – der CSU-Politiker hatte zwischenzeitlich wegen der Plagiate in seiner Doktorarbeit zurücktreten müssen.

Eine prophezeite Folge dieser Entscheidung trat übrigens nicht ein: Es mussten nicht reihenweise Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen dicht machen, weil ihnen die Zivildienstleistenden und damit die (billigen) Arbeitskräfte fehlten. Und der statt des Zivildienstes etablierte Bundesfreiwilligendienst, so freut sich die zuständige Familienministerin Manuela Schwesig, erwies sich als echtes Erfolgsmodell.

Wenn die Debatte über die Wehrpflicht, ihre Aussetzung und eine mögliche Reaktivierung, zum fünfjährigen Jahrestag ihres vorläufigen Endes erneut geführt wird (auch hier bereits im Bällebad), dann hat das natürlich auch mit der geänderten sicherheitspolitischen Lage zu tun, mit dem Gefühl von Bedrohung und Überlegungen für eine stärkere Betonung von Abschreckung. Allerdings verkennt das die tatsächliche Situation der Bundeswehr, die nicht nur mit der erneuten Ausbildung von Wehrpflichtigen schlicht personell überfordert wäre. Auch die Materiallage ist nicht so, als ob die Truppe unbedingt kurzfristig um Zehntausende aufwachsen könnte.

Eine andere Frage ist natürlich, ob die Truppe mit der raschen Aussetzung – zwischen der politischen Entscheidung für das Ende der Wehrpflicht und dem Inkrafttreten lag noch nicht mal ein Jahr – nicht schlicht überfordert wurde und die dann dringend nötige Nachwuchswerbung zu spät beginnen konnte. Allerdings ist das nach fünf Jahren müßig. Wenn sich das System nach einem halben Jahrzehnt noch nicht eingeschwungen hat, hätte auch eine längere Vorbereitungszeit nichts genützt.

Der Deutsche Bundeswehrverband hat sich auch zu Wort gemeldet – und sein Vorsitzender Andre Wüstner sagte der dpa: Die Aussetzung der Wehrpflicht erfolgte vollkommen unüberlegt und war vor allem mit Blick auf die gesellschaftliche Dimension in puncto Dienst für die Gemeinschaft ein enormer Fehler. Die integrative Wirkung von Wehr- und Zivildienst fehle der Gesellschaft – und billiger oder effektiver sei die Truppe auch nicht geworden. Unter den Stimmen und Stellungnahmen zur Wehrpflicht, die die Bundeswehr auf ihrer Webseite gesammelt hat, finden sich ebenfalls Gegner – aber auch Befürworter der Aussetzung.

Ein schnelles Zurück zur Wehrpflicht allerdings ist nicht in Sicht. Denn dafür wäre mindestens so viel gemeinsamer politischer Wille nötig wie zur Aussetzung. Und die Frage wäre noch immer nicht beantwortet: Was, außer einem recht vage gehaltenen Sinn eines (Zwangs)Dienstes für die Gemeinschaft, wäre damit erreicht?

(Die Europäische Menschenrechtskonvention, die militärische Zwecke ausdrücklich von einem Verbot von Zwangsdiensten ausnimmt, lasse ich mal außen vor – aber auch dazu müssten die Befürworter einer allgemeinen Dienstpflicht etwas sagen.)

Nachtrag 30. Juni: Zu dem Thema – und zum Zustand der Bundeswehr – gibt es ein ausführliches Interview mit dem Bundeswehrverbandsvorsitzenden Wüstner im Deutschlandfunk.

(Archivbild September 2010: Wehrpflichtige warten auf die Essensausgabe waehrend einer Gelaendeuebung in der Allgemeinen Grundausbildung in  Ferdinand-von-Schill-Kaserne in Torgelow – Thomas Koehler/photothek.net)