Zur Dokumentation: Die Koalitionsspitze zu Verteidigungsausgaben

Die Spitze der Ampelkoalition – also Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich auf die Grundzüge des Haushalts fürs kommende Jahr verständigt. Die Verteidigungsausgaben standen nicht unbedingt im Mittelpunkt; klar ist: Verteidigungsminister Boris Pistorius bekommt mit knapp 1,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr weniger als die verlangten 6,5 Milliarden. Ab 2028 (Korrektur, nicht 2008) wird aber ein Verteidigungshaushalt von 80 Milliarden anvisiert.

Zur Dokumentation die Passagen zu diesem Thema aus der gemeinsamen Pressekonferenz von Scholz, Habeck und Lindner am (heutigen) Freitag:

Scholz: Lassen Sie mich drei Punkte des Regierungsentwurfs besonders hervorheben. Punkt eins ist „Sicherheit“ im engeren Sinn. Es geht um eine starke Verteidigung, eine starke Bundeswehr, die Schutz vor den aggressiven Gewaltherrschern unserer Zeit bietet. Deshalb werden wir das Zwei-Prozent-Ziel der Nato in jedem Jahr voll erfüllen. Von 2028 an, also nachdem das Sondervermögen komplett ausgegeben sein wird, wird der reguläre Verteidigungshaushalt dann 80 Milliarden Euro umfassen, um die zwei Prozent weiterhin sicherzustellen. Außerdem: Wir stellen mehr Mittel für die Sicherheit unserer Städte und Dörfer zur Verfügung, für ein Land, in dem sich niemand fürchten muss, mehr Geld für die Ausstattung unserer Polizei, des Technischen Hilfswerks und des Katastrophenschutzes. Das ist ein starkes Signal in unruhigen Zeiten. Auch damit bekämpfen wir gewachsene Unsicherheit im Land.

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Lindner: Der vierte Punkt, vom Bundeskanzler angesprochen: Die Nato-Quote wird im gesamten Finanzplanungszeitraum übertroffen, und wir stellen im nächsten Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich für die Sicherheitsbehörden zur Verfügung, von der Bundespolizei bis – darüber freue ich mich auch als Ressortminister – zum Zoll.

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Frage: Herr Scholz, Sie erwähnten vorhin, dass Sie im Haushalt für 2028 in der Finanzplanung 80 Milliarden Euro für die Bundeswehr eingestellt hätten, also fast 30 Milliarden Euro mehr als jetzt. Haben Sie auch hineingeschrieben, woher das Geld kommen soll, oder überlassen Sie das der Nachfolgeregierung? (…)

Scholz: Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir so wie angekündigt ab dem Zeitpunkt, zu dem das Sondervermögen voraussichtlich verbraucht sein wird, die notwendige Finanzierung der Bundeswehr zu hundert Prozent aus dem Haushalt gewährleisten. Deshalb ist die Steigerung 2028 auf 80 Milliarden Euro für den Bundeswehrhaushalt notwendig. Das ergibt einen entsprechend großen Handlungsbedarf, und ich bewerbe mich darum, ihn zu lösen.

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Frage: Herr Bundeskanzler, unabhängig von der Fraktion, wie zufrieden sind Ihre Minister mit dem jetzigen Kompromiss? Beispielsweise hat Herr Pistorius im Vorfeld einen deutlich höheren Mehraufwand angekündigt. (…)

Scholz: Ehrgeizige Minister wollen immer ganz viel, und das ist gut. Deshalb geht es bei den Haushaltsverhandlungen darum, wie man den Ehrgeiz dafür nutzen kann, dass wir so viele Projekte wie möglich umsetzen können. Das ist auch gelungen. Wir haben uns wie angekündigt und hier auch schon mehrfach erwähnt an der Finanzplanung orientiert. Wir haben aber natürlich überall dort, wo es notwendig war, zusätzliche Mittel mobilisiert, die auch im Haushalt eingestellt sind. Das, denke ich, ist auch die Grundlage dafür, dass jeder sich daranmachen kann, die Vorhaben, die er oder sie hat, umzusetzen. Der Spielraum dafür ist da und auch gewollt. Das gilt für alle einzelnen Bereiche. Deshalb bin ich ganz sicher, dass es uns gelingen wird, diese Dinge in der Politik der Ministerinnen und Minister aller Parteien, die in der Koalition versammelt sind, wiederzufinden.

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Frage: Ich habe eine Frage an Sie alle drei. Der Bundesverteidigungsminister hat 6,7 Milliarden Euro mehr gefordert. Er bekommt jetzt 1,2 Milliarden Euro. Das Zwei-Prozent-Ziel wird offensichtlich nur aufgrund des Sondervermögens eingehalten. Ist das eigentlich im Sinne der Zeitenwende, und ist es im Sinne des Sondervermögens, das in diesem Sinne auszugeben? (…)

Scholz: Zur Frage zur Bundeswehr: Wir haben vorhin schon diskutiert, dass das mit den zwei Prozent und oft auch mehr als zwei Prozent etwas ist, was jetzt jedes Jahr im Bundeshaushalt der Fall sein wird. Ich habe im Deutschen Bundestag ein Sondervermögen für die Bundeswehr als Reaktion auf die Zeitenwende vorgeschlagen, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bedeutet. Noch einmal: Das ist eine Zeitenwende, weil Russland mit seinem imperialen Krieg, mit seiner brutalen Aggression die Verständigung in Europa aufgekündigt hat, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden sollen. – Deshalb müssen wir der Ukraine helfen, deshalb müssen wir aber auch unsere Bundeswehr stark machen. Darum haben wir dieses Zwei-Prozent-Ziel jetzt in einem schnellen Tempo erreicht, und zwar durch die Mittel direkt aus dem Bundeshaushalt und durch die zusätzlichen Mittel, die wir aus dem Sondervermögen nutzen. Es war immer klar, dass uns das Sondervermögen in die Lage versetzt, diesen Fahrtwechsel hin zu den zwei Prozent hinzubekommen, dass wir diese zwei Prozent aber danach, im Jahr 2028, im Jahr 2029, im Jahr 2030 und in allen folgenden Jahren der 30er-Jahre, aus dem Bundeshaushalt finanzieren müssen, ohne Sondervermögen.
Das ist auch für die Bundeswehr sehr zentral und die wichtige Unterstützung bei den ganzen Beschaffungsvorhaben, die jetzt vor uns liegen. Denn wenn man immer nur von einem Jahr ins nächste oder bestenfalls ins übernächste schauen kann, dann kann man keine über lange Strecken angelegten Bestellvorhaben auslösen. Denn diese Bestellungen kommen nicht innerhalb eines Jahr, sondern über eine lange Zeit, sind aber nur im Zusammenhang überhaupt sinnvoll. Es gibt dann Lieferungen in den 20er-, manchmal aber auch erst in den 30er-Jahren. Das machen wir jetzt möglich.
Wenn wir das nächste Mal einen Haushalt aufstellen und dem Bundestag im Sommer des nächsten Jahres vorschlagen, dann wird das auch die Finanzplanung für 2029 beinhalten. Darin werden Sie dann ganz konkret sehen, dass das, was jetzt mit 80 Milliarden Euro für 2028 vorgesehen ist, entsprechend fortgeschrieben wird.
Wir haben für die Bundeswehr im Übrigen in großer Konstanz auch zusätzliche Mittel über das hinaus, was bisher geplant war, mobilisiert, um das Zwei-Prozent-Ziel exakt zu erreichen. Es geht also darüber hinaus, damit man mit den Anforderungen zurechtkommen kann, die sich durch höhere Betriebskosten oder auch durch Beschaffungsvorhaben und gewissermaßen ihre jeweilige Verortung im Zeitraum ergeben. Das ist viel Geld und eine große Aufgabe, die unser ganzes Land stemmen muss. Aber ich sage ausdrücklich: Es ist notwendig, dass wir die Bundeswehr ausreichend ausstatten und zwar nicht einmal kurz mit einem Sondervermögen, sondern dauerhaft.

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Frage: Herr Bundeskanzler, jemand, der nicht so zufrieden ist mit diesem Entwurf, ist Boris Pistorius. Wie haben Sie dem Verteidigungsminister gegenüber verteidigt, dass er so viel weniger bekommt, als er angemeldet hatte?

Scholz: Der Bundesverteidigungsminister bekommt sehr viel mehr, als in der Finanzplanung stand – aus gutem, richtigem Grund; denn er muss es ja schaffen, dass wir die Bundeswehr besser ausstatten und all die Defizite der vergangenen Jahrzehnte aufarbeiten und nachholen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht nur Mittel bereitstellen und auch oberhalb der ursprünglichen Finanzplanung immer gewährleisten, dass das oberhalb der zwei Prozent liegt beziehungsweise dass die zwei Prozent immer erreicht werden, sondern dass wir jetzt eben auch endgültig klar gemacht haben, dass das auch nach Auslaufen des Sondervermögens gilt. Das war bisher, glaube ich, das große Hemmnis für eine gute Weiterentwicklung der Bundeswehr. Da haben bestimmt viele gedacht: Das ist ja schon öfter gesagt worden, und dann sieht man später, dass es ganz anders kommt. Mit der Tatsache, dass wir jetzt mit dem Haushalt für das kommende Jahr und der Finanzplanung, die bis in das Jahr 2028 reicht, genau das abbilden, ist diese Sicherheit entstanden.
Wir haben ja auch gesagt: Die Bundeswehr und der Verteidigungsminister sollen auch das tun, was jeder gute Geschäftsmann, jede gute Geschäftsführerin tut, nämlich Bestellungen auslösen, die nicht nur das nächste Jahr betreffen, sondern auch dazu führen, dass man mit der Rüstungswirtschaft dann auch die notwendigen langfristigen Vereinbarungen treffen kann.

Zusatzfrage: Aber er bekommt schon fünf Milliarden Euro weniger, als er dachte beziehungsweise hoffte?

Lindner: Als er gefordert hat. Als Bundesminister ist es übrigens seine Pflicht, das aus seiner Sicht Wünschbare, Notwendige einzufordern. Haushaltsgespräche werden geführt, um das jeweils vom einzelnen Ressort Geforderte hinsichtlich des Notwendigen und Möglichen zu prüfen. Das ist hier passiert – übrigens im Ergebnis einvernehmlich.