Fürs Archiv: Bundeswehr nimmt israelisches Arrow-System in Betrieb

Die Bundeswehr hat die ersten Teile des israelischen Luftverteidigungssystems Arrow in Betrieb genommen. In Holzdorf-Schönewalde südlich von Berlin erklärte die Luftwaffenführung die Anfangsbefähigung, die Initial Operating Capability (IOC) für das System, mit dem weit reichende ballistische Raketen erkannt und abgewehrt werden sollen. Der Einstieg in dieses israelische System mit US-Technologie war in Deutschland seit 2022 diskutiert worden; Mitte 2023 hatte der Bundestag die ersten Mittel dafür bereitgestelt. Die israelische Industrie lieferte in vergleichsweise kurzer Zeit, trotz der Prioritäten des Krieges in Gaza.

In der israelischen Presse wurde im Hinblick auf die heutige Übergabezeremonie in Holzdorf nicht nur hervorgehoben, dass der Arrow-Export mit einem Finanzvolumen von fast vier Milliarden Euro der größte bisherige Rüstungsexport Israels ist. In den offiziellen Reden von israelischer Seite habe auch eine Rolle gespielt, wie das Land gut 80 Jahre nach der Shoa nun zur Verteidigung Deutschlands beitrage:

“As a second-generation Holocaust survivor, I stand here deeply moved because a ballistic missile defense system, developed by the finest Jewish minds in Israel’s aerospace industry, out of our existential necessity, will now help defend Germany,” Baram said at the ceremony, according to remarks provided by the Defense Ministry.

zitierte die Times of Israel den Direktor des israelischen Verteidigungsministeriums, Amir Baram.

Das deutsche Verteidigungsministerium erklärte ausführlich, warum dieses System gegen eine Raketen-Bedrohung beschafft wurde, die nach Ansicht mancher Fachleute weniger dringend angegangenen muss als die Abwehr von Mittelstreckenraketen:

Heute hat die Bundeswehr am Standort Schönewalde mit dem Arrow-Luftverteidigungssystem (AWS-G: Arrow Weapon System – Germany) die Anfangsbefähigung erreicht.
Damit erweitern wir die Luftverteidigungsarchitektur („Zwiebelschalenprinzip“) oberhalb des Abfangbereichs der vorhandenen Patriot-Systeme um die „Territoriale Flugkörperabwehr“.
Bundesminister [Boris] Pistorius dazu: „Mit dem neuen Arrow-System erweitern wir unsere Luftverteidigung um die äußere Schale. Wir erlangen damit erstmals die Möglichkeit zur Frühwarnung und zum Schutz unserer Bevölkerung und Infrastruktur vor weitreichenden ballistischen Raketen. Mit dieser strategischen Fähigkeit, die im Kreis unserer europäischen Partner einmalig ist, sichern wir unsere zentrale Rolle im Herzen Europas. Damit schützen wir also nicht nur uns, sondern auch unsere Partner. Wir stärken damit den europäischen Pfeiler der NATO und übernehmen ein NATO-Planungsziel. Wir zeigen, Deutschland übernimmt Verantwortung.“ 
(…)
Im Falle eines möglichen Konflikts ist Deutschland aufgrund der zentralen geografischen Lage potentiell durch ballistische Waffensysteme großer Reichweite bedroht. Mit der Beschaffung des AWS-G erlangen wir erstmals die Fähigkeit zur Frühwarnung vor und Bekämpfung von exoatmosphärisch, also außerhalb der Erdatmosphäre (> 100 km) anfliegenden Flugkörpern. In der Zielstruktur kann das System das gesamte Territorium Deutschlands, unsere Bevölkerung und kritische Infrastruktur gegen diese ballistischen Raketen, rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr schützen.
Deutschland hat mit seiner zentralen Lage für das Bündnis im Falle eines Konfliktes eine besondere Rolle. Wir werden wichtige Truppen- und Materialbewegungen und die logistische Versorgung der Alliierten durch und in unserem Land sicherstellen. Mit Arrow schützen wir also auch diese „Drehscheibe Deutschland“.
Der Betrieb des AWS-G ist eine Dauereinsatzaufgabe der Luftwaffe, die dafür Hand in Hand mit den Heimatschutzkräften, aber auch mit den Behörden der Inneren Sicherheit zusammenarbeitet.
Das durch Deutschland beschaffte AWS-G besteht aus einem Kontrollzentrum, Radargeräten und Abschussvorrichtung mit dem für diese Aufgabe optimierten Abfangflugkörper vom Typ Arrow 3.
Es wurde in einer israelisch-amerikanischen Kooperation entwickelt und nun erstmalig durch Israel exportiert. Dies ist ein deutliches Signal der Verbundenheit und binationalen Partnerschaft zwischen Israel und Deutschland.
Das System wird nun in einer Anfangsbefähigung betrieben. In den nächsten Monaten und Jahren werden zusätzliche Einsatzstellungen in Deutschland aufgebaut und das System so erweitert. Dafür werden aktuell bereits weitere Standorte vorbereitet. Die Verteilung auf mehrere strategisch ausgewählte Standorte bietet eine optimale Abdeckung des gesamten Territoriums der Bundesrepublik, eine hohe Wirksamkeit sowie die notwendige Resilienz im Falle von Ausfällen, Störungen oder Sabotage.
Wir bitten um Verständnis, dass weitere Einzelheiten zum System der militärischen Geheimhaltung unterliegen.

Wegen dieser Geheimhaltung sagte die Bundeswehr auch nicht so laut, dass die Zeremonie in Holzdorf zumindest zum Teil eine Scharade war. Denn das dort aufgebaute Raketenwerfer-System mit den Arrow3-Abfangraketen war vor allem Show: entscheidener Punkt der Installation in der Anaburger Heide sind nicht die Raketen, sondern die Radarstellung. Das Green Pine-Radar, wesentlicher Teil des Luftverteidigungssystems Arrow, erlaubt der Luftwaffe in bisher nicht mögliche Reichweiten für die Erfassung von Flugkörpern. Nicht ohne Grund hob Pistorius in seiner Aussage hervor, dass die Bundeswehr mit der Beschaffung erstmals die Fähigkeit zur Frühwarnung vor und Bekämpfung von exoatmosphärisch, also außerhalb der Erdatmosphäre (> 100 km) anfliegenden Flugkörpern erlange – die Frühwarnung nannte er offensichtlich bewusst als besondere Fähigkeit.

Die Abfangraketen werden dann irgendwo anders stehen und ganz sicherlich nicht direkt neben dem Radar. Auch wenn das bei der heutigen Zeremonie so aussah.

(Foto: Feierliche Erklärung der Anfangsbefähigung; im Hintergrund die Kuppel des Radars – Francis Hildemann/Bundeswehr)