Merkposten: Doch schnell zur Raketenabwehr? (Korrektur)
Trotz aller öffentlichen Aussagen von der Spitze des Verteidigungsministeriums, die Pläne für ein neues Raketenabwehrsystem müssten zunächst mal geprüft werden, scheint Zug im Kamin: Bereits am kommenden Mittwoch will der Verteidigungsausschuss des Bundestages einen Bericht des Ministeriums zur möglichen Beschaffung des israelischen Systems Arrow 3 diskutieren. Allerdings geht diese Debatte auf den Wunsch einer Oppositionspartei zurück und ist kein Vorstoß des Ministeriums.
Der Punkt steht praktisch als letzter auf der Tagesordnung, die der Bundestag veröffentlichte:
Ein Bericht zu einem möglichen anderen System, Terminal High Altitude Air Defense (THAAD) aus den USA, ist auf der Tagesordnung nicht vorgesehen.
Update/Korrektur: Dass ausschließlich ein Bericht des Ministeriums zu Arrow 3 auf der Tagesordnung steht, liegt daran, dass eine Oppositionspartei nur den Bericht zu diesem Waffensystem angefordert hat. Nach Informationen von Augen geradeaus! setzte die AfD die Berichtsbitte auf die Tagesordnung.
Generalinspekteur Eberhard Zorn hatte allerdings noch am vergangenen Wochenende in der Welt am Sonntag (Link aus bekannten Gründen nicht) zur Planung für die künftige Luftverteidigung in Deutschland und Europa erklärt:
Die dritte Schicht bezieht sich auf den Schutz vor Raketen, die etwa in Kaliningrad stehen, die berüchtigten Iskander. Sie können fast alle Ziele in Westeuropa erreichen, und es fehlt ein Abwehrschirm. Die Israelis und die Amerikaner verfügen über die entsprechenden Systeme. Welchem von beiden geben wir den Vorzug? Schaffen wir es, ein Gesamtsystem in der Nato aufzubauen? Diese Fragen müssen wir nun beantworten.
Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte in der vergangenen Woche bei ihrem Besuch in den USA betont, zunächst müsse die Bedrohung konkret analysiert werden, ehe über weitere Schritte für eine Beschaffung entschieden werde.
In den vergangenen Tagen waren Abgeordnete des Verteidigungsausschusses bei der Herstellerfirma Israel Aircraft Industries (IAI) zu Besuch gewesen.
(Archivbild: Feb. 25, 2013 – The Israel Missile Defense Organization (IMDO) and the U.S. Missile Defense Agency (MDA) completed a successful flight test of the Arrow-3 interceptor missile – United States Missile Defense Agency)
Vorsicht bei der Schlussfolgerung, der Bericht kann auf Bitte einer Oppositionsfraktion im Lichte der aktuellen Meldungen erfolgen.
Es ist Wahlkampf, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wählen demnächst.
Da muss man sich doch als Aktiv, agierend, Staatstragend usw präsentieren.
Ob das Sinn ergibt, können die Experten nach den Wahlen diskutieren.
Dem Journalistischen Wohlwollen kann man sich sicher sein-genau so wie Mutti und Steini.
Zur Not wird dann die Kommentarfunktion abgeschaltet.
Und ich habe auch noch an die Neutralität geglaubt und gespendet.
[Abgesehen davon, dass es OT ist: Nur weil ein Rand-Topic, der Sie besonders interessiert, nicht eingebracht und kommentiert werden kann, ist die Neutralität weg… hm. Tja, schade. Und ich glaube immer noch an die Rationalität… T.W.]
@none sagt: 04.04.2022 um 23:03 Uhr
Die Aussage aus Ihrem etwas kryptischen Kommentar habe ich nicht verstanden. Können Sie das bitte etwas näher erläutern?
Nicht nur von einer Oppositionsparte – die LINKE hat den TOP ebenfalls beantragt. Und das ganze leider ohne (schriftlichen) Bericht – die Damen und Herren im BMVg schreiben nicht so gerne über Themen, bei denen sie eigentlich Auskunft geben müssten, die ihnen aber nicht liegen … ;)
[Danke für die Ergänzung; das wusste ich leider noch nicht. T.W.]
Na ja, wie lange dauert denn eine „zügige“ Prüfung?
Die Leistungsfähigkeit der beiden Systeme sowie das ungefähre Preisschild sollte dem Generalinspekteur ja wohl mittlerweile hinreichend bekannt sein. Die Geometrie Europas und die Leistungsfähigkeit der russischen wohl auch. Welches Element fehlt also noch um eine Entscheidung zu treffen.
Gemäß meinem Prinzip Konkurrenz zuzulassen, befürworte ich aber sowieso, dass hier keine Auswahlentscheidung getroffen wird, sondern dass man einfach zügig von der Leistung her zwei vergleichbare Angebote einholt, dann den Preis verhandelt und dann einfach eine Grundbefähigung herstellt. Das ganze Thema Integration in den europäischen Kontext halte ich für wichtig aber nicht dringlich. Ich bin mir sicher, dass sich beide Systeme integrieren lassen.
Mal kurz ne Frage:
Wenn Iskander doch angeblich „fast alle Ziele in Westeuropa“ erreichen kann, dann stimmt doch was nicht mit der angeblichen Reichweiteangabe der Russen?
Gibt es dafür irgendeine offizielle Position des Westens? Putin Trolle „korrigieren“ ja gerne, dass das gar keine Mittelstreckenraketen wären….
Jerusalem Post:
„ISR und USA stimmen Verkauf von Arrow 3 an DEU zu“. Es fehlt jetzt noch die Entscheidung zur Beschaffung aus Berlin.
andere Themen wären meiner Meinung nach aktuell deutlich dringlicher (2. Los Puma fixieren, Munitionsbestände (mit Panzerabwehr, Luftabwehr FK, usw.) auffüllen).
Andererseits ist das ein Thema dass man gut losgelöst von allem anderen voranbringen kann. Der Kauf, Lieferung und Aufbau von 3-4 Systemen zum Schutz Deutschlands und Mitteleuropas kann wohl in 2-3 Jahren erfolgen. Der Vorteil wäre dass man damit auch die direkten Nachbarn (vor allem Polen) gut schützen kann. Die Kosten dafür sollten wohl auch überschaubar sein, bzw. das Geld hierfür ist durch den Sonderetat ja da… ich gehe bei ARROW3 noch immer von 2-3 Mrd € Gesamtkosten aus (für 3-4 Systeme).
Die komplette Integration ins NATO BMD Programm kann man dann im Nachgang angehen… das ist dann quasi das Feintuning. Technisch wird/soll es wohl möglich sein… unterschiedliche Radare und Effektoren sind hierfür ja auch eher von Vorteil.
Habe ich ja schon einmal geschrieben:
Die Planung zu einem Raketenabwehrschirm (für Mittelstreckenraketen und ICBMs) sind nicht neu.
Sie haben aber auch große Nachteile und damit meine ich nicht die Kosten!
Welche Varianten gibt es denn:
1. Ein zu kleiner Abwehrschirm (Sattigungsangriff sehr leicht möglich) kostet nur und hat keinen Nutzen. Natürlich kann der Schirm jedes Jahr in der Batterieanzahl wachsen, durch uns oder durch NATO-Partner.
Aber dann kommen wir zu
2. Ein vollumfänglicher Abwehrschirm, der den Namen verdient, wird dann Russland ganz logisch dazu zwingen müssen auf andere Waffen umzuschwenken (forschen und bauen und in die Armee einführen).
Entweder sind es dann fortschrittlichere Hyperschallraketen wie Kinshal (Abwehrschirm teilweise nutzlos) oder diese Gleitflugkörper für die Stratosphere wie Awangard (Abwehrschirm nutzlos) oder die Unterwassertorpedos mit Atomsprengkopf und Nuklearantrieb (natürlich nur nützlich gegen Hafenstädte/Meerengen).
Am Ende erreicht man nur einen Rüstungswettlauf, weil der Gegner (egal wie wirtschaftlich am Boden er ist) einfach dieses nukleare Gleichgewicht aufrecht erhalten wird. Um jeden Preis.
Armee geht da vor Autobahnbau oder Bevölkerungswohlstand.
Gleichzeitig muss bezweifelt werden, dass Arrow 3 Raketen überhaupt in der Lage sind gegen die aktuellsten (!) russischen Mittelstrecken- und Langstreckenraketen erfolgreich zu wirken.
Das sind keine SCUDs mehr und auch die russischen Ingenieure haben was drauf.
Dann sind diese Abwehrsysteme sehr anfällig, weil sie Satellitendaten (Aufklärungsdaten) benötigen.
Ein Gegner könnte also die Option ziehen, die Aufklärungssatelliten dafür zu beschießen.
Aber das wäre ein absolutes Desaster, denn Weltraumschrott in großen Dimensionen (Weltraumschrott vermehrt sich durch Kollisionen ja immer stärker) könnte unsere gesamte Menschheit 50 Jahre in die Vergangenheit katapultieren. Ohne Satelliten geht heutzutage fast nichts mehr.
Die Jerusalem Post meldet gerade das die USA und Israel beide zugestimmt haben, das Deutschland das System kaufen könnte.
„Germany has received approval from Israel and the United States to purchase the Arrow-3 missile defense system, The Jerusalem Post has learned.“
https://www.jpost.com/israel-news/article-703266
Der GI erklärt: „Iskander“ Jetzt bekommt das Hand und Fuß.
Demnach ist zu klären, kann Arrow 3 das?
Zudem, NATO beginnt in der Türkei und Finnland, Norwegen wären sicher auch gerne beteiligt.
Wäre da nicht eher die EU als WaSys-Steller besser geeignet? Bei den absehbaren Dimensionen, wäre es da nicht anzustreben, beim Hersteller einzusteigen?
Was hilft im Hyperschallbereich?
Hört sich immer noch an wie Frustshopping.
@
Tom Cruise sagt:
05.04.2022 um 11:40 Uhr
“
Am Ende erreicht man nur einen Rüstungswettlauf, weil der Gegner (egal wie wirtschaftlich am Boden er ist) einfach dieses nukleare Gleichgewicht aufrecht erhalten wird. Um jeden Preis.
Armee geht da vor Autobahnbau oder Bevölkerungswohlstand.
“
Allerdings würde man Ihnen dann vorhalten, dass das Wettrüsten schon einmal den Ostblock in den Ruin getrieben hat, was zu dessen Zerfall führte.
Außerdem muss man sich fragen wie viele Waffen die noch konstruieren können unter den bestehenden und vermutlich weiter anhaltenden Embargos.
Klar, wenn China und Indien der RF wohl gesonnen blieben und auch entsprechende Teile liefern würden, dann könnten die guten russ. Ingenieure wohl auch was draus machen. Aber nach bisherigem Stand würde das alles technologisch sehr weit hinter dem Westen zurück stehen.
Insofern eine müßige Diskussion ob und was Wettrüsten bringen würde. Eine Raketenabwehr nutzt ja vor allem auch im konservativen nicht-nuklearen Gefecht. Hätte die Ukraine eine bessere Rakentenabwehr, könnten wohl wesentlich mehr RF-Flugkörper abgefangen werden.
„Hört sich immer noch an wie Frustshopping.“
Oder auch Aktionismus.
Der Öffentlichkeit gegenüber so tun, als würde man jetzt was bewirken.
Egal ob es was nützt oder nicht, hauptsache was machen. Meist in Form von Ankündigungen oder Käufen.
Wirklich sinnvolle Aktionen sind aber eben langfristiger Natur, benötigen vorherige Absprachen (politische) und sind auch oft politische und wirtschaftliche Kompromisse. (nicht nur auf Militärwesen bezogen)
Das alles macht Arbeit und irgendein Waffensystem kaufen, geht da schneller.
@all
Aufgrund der Angaben von Luftwaffeninspekteur Gerhartz in Israel (danke für die Leserhinweise) gibt’s dazu eine Neufassung; bitte die Debatte ggf. dort fortsetzen.
Unsere Politiker in Berlin sehen sich eben einer hohen Bedrohung ausgesetzt:
„Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Florian Hahn (CSU), fordert die Anschaffung von Raketenabwehrsystemen nach israelischem Vorbild. Konkret spricht er von „einen Iron Dome für Berlin““ … „“Mit unseren derzeitigen Mitteln wären wir nicht in der Lage, unsere Hauptstadt effektiv vor Raketenbeschuss zu beschützen““, (Tagesspiegel vom 06.03.2022)
Da freut man sich doch als Nicht-Berliner, insbesondere wenn man an einem Ort wohnt, der wahrscheinlich auf Zielliste ROT steht!
[Klar können wir jetzt die Interviews der vergangenen Wochen, Monate, Jahre wieder hochholen. Bringt das was? T.W.]
regard: Interkontinentalraketen – üblicher Bauart
(also nicht „Hyperschall“, oder dergl.)
Frage: rechnet man gegen das Gebiet Westeuropas* eigentlich für den FdF nicht mit Einsatz russ. ICBM (bzw. SLBM). Denn, obzwar diese Mittel laut Definition eher für den Einsatz auf Entfernungen über 5.000 km vorgesehen sind, also Normalfall über den Nordpol gegen Nordamerika, heißt das ja nicht, das sie nicht auch auf kürzere Strecke eingesetzt werden „könnten“.
Und wie sieht es da mit einer „Abwehrmöglichkeit“ aus ? Wie man mitbekommen hat, sind doch sämtliche Vorstellungen, sich dagegen aktiv wehren zu können, eher Illusion bzw. direkt die „strategische Stabilität“ oder halt Abschreckung an sich, untergrabend, oder ?
Gilt das nun nicht mehr oder soll gar aus Stimmungsgründen (unangebrachte) Zuversicht vermittelt werden, danke.
(*heute in der DLF Presseschau gehört, dass sich ein russ. Presseorgan wieder, in der nun schon hinlänglich bekannten notorisch-idiotischen Art, brüstete, Russland könne – im Ggs. zu Serbien [1999] Westeuropa „zerschlagen“ oder dgl.)