Rahmenvertrag für Versorgung eines Truppenaufmarschs durch Deutschland – mit Klausel für den Bündnisfall (m. Nachtrag)
Im Juli vergangenen Jahres war hier etwas über die Ausschreibung der Bundeswehrverwaltung für die zivile Unterstützung von Rast- und Sammelplätzen für einen – vor allem alliierten – Truppenaufmarsch quer durch Deutschland zu lesen. Jetzt wurde mit dem Rüstungsunternehmen Rheinmetall der Rahmenvertrag für den Betrieb dieser Convoy Support Center (CSC) in Höhe von 260 Millionen Euro abgeschlossen. Wichtiges Detail: Der Vertrag gilt auch im Kriegsfall.
Einige Einzelheiten nannte Rheinmetall in dieser Woche:
Mit dem Auftrag übernimmt die Rheinmetall Project Solutions GmbH als erster industrieller Partner im Rahmen des „Operationsplans Deutschland“ der Bundeswehr die Aufgabe des Aufbaus und des Betriebs von Rast- (Convoy Support Center – CSC) und Sammelräumen entlang von Marschrouten. (…)
Die Leistungserbringung durch Rheinmetall beschränkt sich dabei nicht nur auf die Bundeswehr, sondern gilt auch für verbündete Streitkräfte (NATO-, VN-, EU- und Partnership-for-Peace-Staaten). In den Rast- und Sammelräumen erbringt der Düsseldorfer Technologiekonzern dabei unter anderem die folgenden Teilleistungen: Flächenbereitstellung, Bereitstellung und Betrieb von Unterkünften, Sanitäranlagen und Verpflegungseinrichtungen sowie Betrieb von Verkaufseinrichtungen und Betankungsmöglichkeiten, Energieversorgung, Abfallentsorgung, Bewachungsdienstleistungen.
Hintergrund ist ein möglicher Aufmarsch von zehntausenden, wenn nicht hunderttausenden allierten Soldaten, die von Anlandungshäfen an der Nordseeküste an die Ostflanke der NATO verlegen. (An dieser Stelle bleiben die recht aktuellen Überlegungen mal außen vor, inwieweit das Verhalten der USA die in dieser Größenordnung erwarteten Truppenbewegungen noch realistisch erscheinen lässt.)
Ausdrücklich sieht der Vertrag vor, dass die genannten Leistungen auch im Verteidigungs- sowie im Bündnisfall durch Rheinmetall zu erbringen sind. Dabei dürfte der Verteidigungsfall gar nicht im Vordergrund stehen, denn bei dem gelten Sicherstellungsgesetze, die ohnehin die Heranziehung ziviler Leistungen möglich machen. Interessanter ist der Bündnisfall, bei dem Deutschland in der kollektiven Verteidigung der Allianz unterstützt, auch wenn hierzulande kein Kriegszustand herrscht.
Und interessant wird die Frage, ob solche Vertragsklauseln künftig grundsätzlicher Bestandteil aller Dienstleistungsverträge für die Bundeswehr werden. Warten wir mal ab.
Nachtrag: Möglicherweise ist diese Klausel nur für Dienstleistungen neu – aus der Industrie bekomme ich den Hinweis, dass für Beschaffungen das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) eine solche Vorsorgeklausel schon seit Jahren im Vertragsprogramm hat. Gibt auf der Formular-Seite sogar ein Formular (BAAINBw-B 077/10.2017) dafür, da steht u.a. drin:
Die nachfolgenden Bestimmungen sollen die Versorgung der Bundeswehr mit Leistungen durch Auftragnehmer der Bundeswehr aus besonderem Anlass in Krise-, Spannungs- und Verteidigungsfall sowie aus Anlass von sonstigen Einsatzverpflichtungen der Bundeswehr, z. B. im UNO-Auftrag oder aus Bündnisverpflichtungen außerhalb einer Krise sicherstellen. Spannungs- und Verteidigungsfall werden durch Beschluss des Bundestages gemäß Artikel 80a, 115a des Grundgesetzes festgestellt. Der Krisenfall ist nicht notwendig an einen Spannungs- oder Verteidigungsfall gebunden, jedoch dann anzunehmen, wenn erkennbar die territoriale Sicherheit oder Bündnisverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland berührt sind.
1. Wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer das Vorliegen eines besonderen Anlasses angezeigt hat, wird der
Auftragnehmer
a) die Leistungserbringung im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen sowie seiner personellen und
technischen Möglichkeiten ausweiten, insbesondere indem er die betriebliche Arbeitszeit auf bis zu 24 Stunden täglich
(auch an Wochenenden und Feiertagen) verlängert,
b) die Leistungserbringung beschleunigen, indem er vereinbarte oder zu vereinbarende technische Vereinfachungen vornimmt.
c) die Leistungserbringung abbrechen,
d) ihm überlassene Gegenstände herausgeben oder nach Maßgabe des Auftraggebers lähmen, wobei Rückbehaltungs-
oder Pfandrechte nicht geltend gemacht werden können,
e) die in seinem Eigentum befindlichen Vertragsgegenstände und Sonderbetriebsmittel herausgeben bzw. lähmen,
f) besonders geforderte Meldungen über die Leistungserbringung abgeben.
sobald und soweit der Besteller dieses schriftlich verlangt.
(Archivbild: Betankung bei der Demonstration eines CSC mit ziviler Unterstützung am 27. April in Alsfeld in Nordhessen – Foto OSG Desale Asfaha/Bundeswehr)
Macht tatsächlich Sinn. Damit macht man die vorhandenen LogKr frei, um in verbündeten Ländern oder in Aufmarschgebieten CSC´s zu betreiben.
@S4 Offz, richtig. Sinnvoll ist das sicherlich. Wird nur spannend wie schnell kann die Leistung abgerufen werden und kann der Auftragnehmer dann auch schnell genug leisten. Material vielleicht, Personal wird sicher nicht vorgehalten werden.
Und im Ernstfall wäre die Frage wer bewacht die Standorte? Muss man ja auch einplanen das da ein paar „Umweltaktivisten“ gegen den Betrieb der nötigen Generatoren protestieren werden nur das dann statt mit Bauschaum mit einer AK-47 der Unmut geäußert wird.
Man sollte die gesamte Bundeswehr privatisieren. 50 Milliarden werden dann sicher sehr viel effektiver eingesetzt und man bekommt mehr fürs Geld.
Welche Truppen, und vor allem in welche Richtung ?? Nach dem Munich chainsaw massacre sollte klar sein, das da wenig bewegt werden muss.
Hatte ich in einem anderen Forum gepostet:
Wobei: ab 2029 wird es erst richtig interessant … 😎😇 Mir wäre es aber lieber wenn dies von Soldaten erledigt würde die dann auch „Befehl und Gehorsam“ unterliegen. OK, im Falle eines Falles kann man die Contractors, sofern wehrrechtlich verfügbar, auch einziehen. Wäre Drohnenabwehr nicht eine hoheitliche Aufgabe, zumindest analog der Bewachung der Liegenschaften ? Wer stellt hierzu die Wirkmittel und führt die Ausbildung daran durch ?
Im übrigen sind die CSC im Falle eines Falles natürlich legitime (Hochwert-) Ziele.
Angemerkt wurde von einem anderen Foristen, daß Teilvergaben an Unterauftragnehmer ausgeschlossen sein sollten.
Thomas Melber sagt (21.02.2025, 11:32 Uhr):
Volle Zustimmung.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass neben der vertraglich festgelegten „Bewachungsdienstleistung“ durch Rheinmetall auch Soldaten, z.B. aus den Heimatschutzregimentern zur Sicherung von Räumen und Einrichtungen hinzugezogen werden. Sollte das so geplant sein, wäre also auch Infrastruktur für diese Kräfte in räumlicher Nähe zu den CSC sinnvoll.
Grundsätzlich ist es ja nicht neu im Rahmen der LV:
„Sicherstellungsgesetze
Zu den Rechtsvorschriften, die mit Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalles durch den Deutschen Bundestag nach Maßgabe von Art. 80a Abs. 1 GG „entsperrt“ werden können, zählen u. a. folgende Gesetze und Verordnungen:
• Arbeitssicherstellungsgesetz (ASG)
• Verkehrssicherstellungsgesetz (VerkSiG)
• Wirtschaftssicherstellungsgesetz (WiSiG)
• Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG)
• Verordnung zur Sicherstellung des Straßenverkehrs (StrVerkSiV)
• Verordnung zur Sicherstellung des Seeverkehrs (SeeVerkSiV)
• Verordnung über die Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung (EltLastV)
• Mineralölbewirtschaftungs-Verordnung (MinÖlBewV)
• Verordnung zur Sicherstellung des Eisenbahnverkehrs (EBSiV)
• Verordnung zur Sicherstellung des Luftverkehrs (LuftVerkSiV)“
Quelle:
Wissenschaftliche Dienste DBT
„Kurzinformation Spannungsfall und Sicherstellungsgesetze“
Mit dem „Artikelgesetz“ Bundeswehr soll u.a. im Artikel 10 das Arbeitssicherstellungsgesetz (ASG) angepasst werden.
(Änderungen und Begründungen des Gesetzgebers siehe Drucksache 20/13488)
@Flo sagt:
21.02.2025 um 11:14 Uhr
Dafür wird aktuell der OPLAN DEU überarbeitet.
„Der OPLAN DEU bündelt die zentralen Anteile der Landes- und Bündnisverteidigung in Deutschland mit den dafür erforderlichen zivilen Unterstützungsleistungen. Er legt beispielsweise fest, welche Verkehrswege für den Transport genutzt werden, welche Brücken in Betracht kommen und wo Rastplätze eingeplant sind und wie diese geschützt werden müssen. Die Sicherung dieser Verkehrswege muss eng mit Polizei und anderen zivilen Institutionen abgestimmt werden.“
Zu DOC weiter oben:
Können wir nach der Sicherheitskonferenz eigentlich überhaupt noch auf REFORGER (Return of Forces to Germany) zählen – oder wird da künftig für einen Einsatz im Rahmen der NATO gar nichts mehr aus USA an den Atlantikhäfen / FRA Airbase etc. in Europa ankommen? Das beruht ja auf der bisherigen NATO Planung – und die Welt ändert sich grade massiv. Ein paar US-Soldaten im Frieden abziehen ist wenig relevant, wenn im Spannungsfall gar nichts mehr kommen würde/wird. Dann ist der Aufwand nach dem bisherigen Op-Plan DEU wahrscheinlich überdimensioniert, und es wird nur eine „Dreh-Scheibe“ innerhalb Europas. Vielleicht kommen Spanier und Portugiesen neben Belgiern, Holländern und Franzosen, vielleicht noch Briten und Kanadier?
Habe den Eindruck, dass die Realität leider grade (wieder mal) die Planung überholt.
@POO, auch eurpäische Kräfte dürften auf entsprechende Logisitk entlang der Strecke angewiesen sein. Wenn dürfte das also nur Anzahl und Betriebsdauer beeinflussen.
Rheinmetall auf dem Weg zum PMC, „Klein Schwarzwasser von der KÖ“??
Und wie ändern sich dann die Aufträge für den Bereich ZMZ? Da ist(/war?) ja die Lesart bisher, dass die KVK/BVK der LKdos diese Leistungen mit der zivilen Verwaltung koordinieren sollen – ohne bisher entsprechende Regelungen, Vorgaben etc. zu haben. Nicht militärisch, geschweige denn zivil. Von OPlan DEU und Unterstützung der Streitkräfte durch die zivile Verwaltung hat diese bisher auf der zivilen Schiene wenig bis gar nichts gehört.
Es bleibt spannend.
Alles hinfällig, bis auf kleinere Kontingente aus europäischen Staaten wird da nichts mehr kommen.
Die Kavallerie kommt nicht mehr. Die Nachkriegsordnung, die 80 Jahre lang unsere Sicherheit gewährleistet hat, liegt in Trümmern.
Dem US-Regime ist Russland ideologisch näher als die Verbündeten in Westeuropa.
Grundsätzlich erst mal ein sinnvoller Ansatz außerhalb einer Kampfzone nachgeordnete Aufgaben von hoffentlich billigeren und verfügareren Kräften erbringen zu lassen.
Soldaten sind schlicht und ergreifend in ihrer Kernfunktion gefordert, so dass wir es uns nicht leisten können durch sie warme Suppe an den Rastplätzen ausgeben zu lassen.
@S4Offz
Dies macht keine LogKr frei, da im Logistischen System niemals vorgesehen war, eigene originäre Kräfte der SKB oder des Heeres dafür vorzusehen. Das einzige RSOM Btl das wir haben ist dafür ebenfalls ungeeignet, da es den RSOM Prozess im Einsatzgebiet sicherstellen muss.
Falsch ist auch die Einschätzung, dass die „frei werdenden“ LogKr dann im Einsatzgebiet CSCs betreiben könnten. Dafür gibt es die nicht, denn sie stellen die logistische Einsatzbereitschaft im Einsatz sicher. Auch dafür müssen für den Weg dort hin andere Truppen genutzt werden. Ein LogBtl der SKB ist für Folgeversorgung notwendig und nicht für Erstversorgung auf dem Weg in den Einsatz.
@StMarc
Ich glaube, Sie unterschätzen, was „kleinere Kontingente“ auch an Platz und Mitteln benötigen.
Aktuelles Beispiel auf bundeswehr.de: Zwei Flugabwehrsysteme Patriot mit einen Gruppengefechtsstand sind letzten Monat nach Polen verlegt worden. Das waren um die schwere 100 Fahrzeuge plus Angänger, damit bekommte man einen Fußballplatz, der tankt aber Wasser, kein Benzin/Diesel.
Ich denke, andere Einheiten, ob nun die französische Panzerkompanie oder spanische Infanterie-Einheiten haben ein ähnliches Aufkommen an Waffensystemen sowie Führungs-, Wartungs- und Transportfahrzeugen. Es braucht nicht zwangsläufig den Amerikaner…
@JMWSt: Für die Drehscheibe D sind die unterschiedlichen Ebenen zu beachten. Die Rahmenverträge für die CSC sind nicht vorstellbar, ohne lokale/regionale Zuarbeit bzw. Anbindung…. Die KVK werden also mehr als genug zu tun bekommen! Und die zivilen Stellen sind seit Jahren über den OPLAN DEU informiert, schon bevor das Dokument fertig wurde. UND: das ging so alles durch die Presse und kann deshalb hier auch geschrieben werden. Im Gegensatz zu anderen Punkten.
@Windlicht
Das Vertragliche wird nicht von der TerrVbdgOrg erledigt, nicht einmal von den LKdo, sondern von den regional zuständigen BwDLZ.
@Thomas Melber: Ich rede nicht von größeren, überörtlichen Verträgen mit Lieferanten für Essen, Trinken, Tanken, für die wären in der Tat die BwDLZ direkt mit dem Auftragnehmer zuständig. Ich rede von einem bunten Bündel weiterer Aufträge und Aufgaben, die rund um ein CSC bzw. eine NATO-Route anfallen würden und mal mehr, mal weniger hoheitlich wären und zwischen PMC, Kommunen als Behörden, Bundeswehr und marschierender Truppe zu koordinieren wären. Diese Themen werden seit dem Abbruch von Defender 2020 in der ZMZ diskutuiert. Was die Verträge angeht, dürfte es neben den „großen Verträgen“ aber auch immer wieder diese während der Pandemielage geübte – und in späteren Übungen GEübte – Praxis geben: Ortskundige und leistungsfähige zivile Verwaltungen versorgen eingesetzte Truppe schnell und unbürokratisch und in der Nachbereitung wird diese Versorgung dem Bund in Rechnung gestellt. Das Bindeglied zwischen kommunalem Leistungserbringer, militärischem Leistungsempfänger und BwDLZ sind dann die KVK, die in der Regel auch die Erbringung der Leistung dokumentieren bzw. bestätigen und zur Abrechung aufbereiten, wenn die Truppe längst weitergezogen ist oder abgelöst wurde. Die große Struktur entlang der großen Marschstraßen werden sicherlich große Dienstleister erbringen. Aber die Welt einer strategischen Verlegung besteht aus vielen Facetten, um die sich jemand vor Ort kümmern muss. Auch wenn es darum gehen sollte, bei zivilen Stellen um viiieeeel Geduld und gaaaanz viieeel Verständnis für das rasende Arbeitstempo der BwDLZ zu werben. ;-))
@Windlicht sagt:
22.02.2025 um 21:01 Uhr
„Die Rahmenverträge für die CSC sind nicht vorstellbar, ohne lokale/regionale Zuarbeit bzw. Anbindung“
Deshalb wurden ja erste Erfahrungen im Rahmen der Übung „Reliable Supporter 2024“ gesammelt.
Diese sollen in zukünftige Planungen einfließen und zur „Feinjustierung“ des OPLAN DEU in diesen Bereichen dienen.
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blickpunkt/beitrag/neuland-der-zivile-organisationsbereich-iud-auf-uebung
@Felix2: Gutes Beispiel! Ein anderes sehr gutes geschichtliches Beispiel der Organisation von strategischer Logistik und strategischen Märschen sind die russischen Marschstraßen 1812-1814 quer durch Europa. Da steckte ganz viel ZMZ, Multinationalität und auch Arbeit mit PMC drin! Nachzulesen bei Dominic Lieven, Russlands Kampf gegen Napoleon. Die Schlacht um Europa. Erschienen 2011.