Bundestag macht – rechtlich – Weg für Brigade in Litauen frei
Der Bundestag hat noch rechtzeitig vor der Auflösung des Parlaments die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufstellung der geplanten Bundeswehr-Kampfbrigade in Litauen geschaffen. Die Abgeordneten billigten das entsprechende Abkommen mit dem baltischen Land. Außerdem stimmte eine breite Mehrheit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für Soldaten und Soldatinnen unter anderem in diesem Einsatz zu.
Das Gesetz zu dem Abkommen vom 13. September 2024 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Litauen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (Bundestagsdrucksache 20/14020), das der Bundestag am (heutigen) Freitagmorgen mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Union bei Enthaltung der AfD abschließend verabschiedete, war vor allem in Litauen selbst dringend erwartet worden. Das litauische Parlament hatte der Vereinbarung bereits am 3. Oktober vergangenen Jahres zugestimmt.
Das im September 2024 unterzeichnete Abkommen regelt den Rechtsstatus der deutschen Soldaten und Soldatinnen und gibt darüber hinaus der Bundeswehr zahlreiche Rechte im Land. Es ist die erste gesetzliche Regelung dieser Art in der Bundesrepublik.
Allerdings ist es nicht die erste im Ausland aufgestellte Einheit der Bundeswehr: Die Stationierung eines deutschen Jägerbataillons als Teil der deutsch-französischen Brigade in Illkirch in Frankreich konnte ohne Gesetz vollzogen werden. Als Grund für den Unterschied dafür nennt das deutsche Verteidigungsministerium:
Nach dem Wortlaut des Artikel 59 Abs. 2 Grundgesetz sind Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Vereinbarungen dann erforderlich, wenn innerstaatliche Gesetzte geändert werden müssen (z.B. Steuergesetze, oder Meldegesetze, oder Zustellvorschriften für amtliche Mitteilungen) oder Rechte oder Pflichten von innerstaatlichen Rechtssubjekten geändert werden.
Im Falle des deutsch-litauischen Abkommens gibt es Veränderungen im Doppelbesteuerungsrecht und bei Zustellvorschriften, sodass es eines Zustimmungsgesetzes bedarf. Solche Veränderungen bedurfte es für das Bataillon in Illkirchen nicht.
Neben der international bedeutsamen Zustimmung des Bundestages zu dem Abkommen wurde innenpolitisch vor allem die breite Zustimmung zum so genannten Artikelgesetz wichtig. Die Abgeordneten billigten – mit einzelnen Änderungen – zahlreiche Neuregelungen, die den Dienst in der Bundeswehr allgemein und in der geplanten Brigade Litauen im Besonderen attraktiver machen sollen.
Dabei geht es nicht zuletzt um Anpassungen der so genannten Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV), mit denen Mehrarbeit auch einfacher als bisher finanziell ausgeglichen werden kann. Im Hinblick insbesondere auf Litauen werden mit dem Gesetz auch sozialrechtliche Verbesserungen für mit ins Ausland gehende Familienangehörige geschaffen – das soll das Interesse am freiwilligen Dienst in der Brigade steigern.
Mit den zusätzlichen Änderungen, die die Fraktionen im Bundestag parteiübergreifend einbrachten, wird zudem die Vergütung für Soldaten in Alarmbereitschaft ausgeweitet. Vor allem aber wird die finanzielle Versorgung nach einem Dienstunfall auch für diejenigen in der Truppe erweitert, die nicht Berufssoldaten sind – also für den überwiegenden Teil der Soldaten und Soldatinnen.
Der rechtliche Rahmen ist nun (endlich) gegeben, mir stellen sich als a. D. einige Fragen: Werden Mindestverpflichtungszeiten vorausgesetzt? Wird das Personal des Aufstellungsstabes (ca. 140 Soldaten/Soldatinnen) in die Brigadestruktur übernommen oder „übernehmen“ fortan die auf den jeweiligen Dienstposten ausgeplanten Uniformträger? Ich denke, dass die Freiwilligenmeldungen aktuell ziemlich ausgeschöpft sind, folglich ein „Heldenklau“ wie auch immer der aussieht, beginnt. Der Gedanke, dass die Einheiten im Inland leer gelutscht werden um die Litauen-Brigade auf 100% Personal zu bringen nimmt m. E. stetig zu.
@Panzerballett sagt:
31.01.2025 um 16:18 Uhr
So ist der Plan, denn die ToD ist für alle i.d.R. 3 Jahre, wenn im Einzelfall nicht etwas Anderes gilt.
Zum 01.04.2025 werden ja die ersten richtigen Einheiten in Dienst gestellt.
Dies ist ja nichts Neues für die Bw.
Bei ca. 20.000 vakanten Dienstposten, unterschiedlichen Prioritäten, welche Einheiten, wie, wann einsatzbereit sein müssen… hat das BAPersBw ja keine Andere Wahl. Menschen herbeizaubern … die es nicht gibt, hat noch niemand geschafft.
Und die PzBrig 45 ist nun einmal ein
vom Minister priorisiertes „Leuchtturmprojekt“.
Deshalb finden sich im Artikelgesetz insbesondere Punkte die den dort Eingesetzten zu Gute kommen sollen.
In der Hoffnung, dass dies zu mehr Freiwilligkeit führt.
Genügt dies nicht, nun dann wird es zu „zwangsweisen“ Versetzungen kommen. Egal ob der/die Soldat/in , bzw. deren Familie dies will.
[Technischer Hinweis: für
bitte spitze Klammern nehmen, sonst wird das nichts. T.W.]
Da diese Punkte auch etwas untergegangen sind……
Bei den Verhandlungen ging es insbesondere um eine Verbesserung der (Einsatz-)Versorgung. Ein Kernaspekt davon ist die Gleichstellung von Berufssoldaten beim Unfallruhegehalt: Das Unfallruhegehalt gem. § 42 oder § 88 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) können im Falle der unfallbezogenen Dienstunfähigkeit nunmehr auch diejenigen Berufssoldaten beziehen, die einen Unfall noch im Status eines Soldaten auf Zeit erlitten haben. Von dieser Gesetzesänderung profitieren etwa Soldaten auf Zeit, die nach einer psychischen oder physischen Verwundung über das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz (EinsatzWVG) Berufssoldat geworden sind. Einher geht dies mit einer signifikanten Erhöhung der monatlichen Bezüge. Das ist aus meiner Sicht eine angemessene Würdigung dafür, dass sie zum Schutz unserer Werte Leib und Leben riskiert haben. Zugleich setzen wir ein Zeichen der Fürsorge, wenn wir viele verwundete Kameraden besser versorgen, sollte es Ihnen nicht mehr möglich sein, Dienst zu leisten. Wichtig ist mir dabei zu betonen: Gerade auch diejenigen Berufssoldaten, die bereits aufgrund von unfallbezogener Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, oder deren Hinterbliebene können einen Antrag auf die verbesserten Bezüge stellen.
Auch für alle anderen Soldaten verbessern wir die einsatzbezogenen Versorgungsleistungen: Wer bei einem Einsatzunfall keinen Anspruch auf das erhöhte Unfallruhegehalt hat, für den erhöhen wir den vormaligen Sockelbetrag der Ausgleichszahlung (gem. § 90 SVG) von 30.000 Euro auf 50.000 Euro. Zudem passen wir den Betrag für jedes zurückgelegte Dienstjahr an: von 6.000 Euro auf 7.500 Euro. Auch in dieser Rechtsänderung sehe ich ein Zeichen von Wertschätzung unseren Soldaten gegenüber, damit in der Statusgruppe der Soldaten auf Zeit eine möglichst in hohem Maße angemessene Versorgung zu erreichen. Die Anhebung dieser Beträge kämen etwa auch unseren Reservistendienstleistenden in entsprechenden Schadensfällen zugute.
Zudem erweitern wir in bestimmten Konstellationen den Anwendungsbereich des EinsatzWVG: Kameraden, die im Reach-Back Bild -und Tondokumente aus einem Einsatzgebiet einer besonderen Auslandsverwendung auswerten und auch diejenigen Berufssoldaten, Beamte und Tarifbeschäftigte, die die Bundeswehr auf eigenen Wunsch hin verlassen haben, bevor eine psychische Verwundung bei Ihnen diagnostiziert wurde, sind von nun an vom Anwendungsbereich erfasst. Diese politischen Forderungen haben wir erstmals im Antrag zur Einführung eines nationalen Veteranentages und zur Verbesserung der Versorgung von Veteranen und deren Familien formuliert und heute in Gesetzesform umgesetzt. Als zusätzliche Verbesserung der Rehabilitation löst die Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen nicht mehr die zeitliche Begrenzung der Schutzwirkung des EinsatzWVG aus.
Weitere wesentliche Verbesserungen zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft durch unseren Änderungsantrag lauten im Überblick:
– Formulierung „besondere Gefährlichkeit einer Diensthandlung“ in § 84 SVG wird gestrichen: Spezialkräfte und Teilnehmer mehrtägiger Übungen erhalten eine einmalige Unfallentschädigung auch dann, wenn die Diensthandlung nicht besonders gefährlich war,
– Möglichkeit der tageweisen Berechnung der Alarmierungsvergütung, sollte kein vollständiger Monat erreicht sein,
– Alarmierungsvergütung und sog. Ausnahmetatbestandszuschlag können in voller Höhe nebeneinander gewährt werden (keine Konkurrenz zwischen den beiden Ansprüchen),
– Rechtsgrundlage zur Zahlung einer Alarmierungsvergütung auch an Reservistendienst Leistende wird eingefügt,
– Aufnahme einer Evaluierungsklausel: Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie im Hinblick auf die Einrichtung automatisierter und antragsloser Langzeitkonten
Zuletzt möchte ich mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie so beharrlich auf die Missstände hingewiesen haben. Denn dies hat letztlich den politischen Prozess und unsere Verhandlungsposition für Sie gestärkt. Ich freue mich daher, wenn wir weiterhin in Kontakt bleiben und uns gemeinsam für zusätzliche Verbesserungen der Einsatzversorgung einsetzen.
@Markus
sagt:
01.02.2025 um 14:31 Uhr
„Ein Kernaspekt davon ist die Gleichstellung von Berufssoldaten beim Unfallruhegehalt: Das Unfallruhegehalt gem. § 42 oder § 88 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) können im Falle der unfallbezogenen Dienstunfähigkeit nunmehr auch diejenigen Berufssoldaten beziehen, die einen Unfall noch im Status eines Soldaten auf Zeit erlitten haben.“
Dieser sehr positiven Entscheidung
kann auch ich nur beipflichten.
Insbesondere auch der Möglichkeit
der Anwendung auf bereits entlassene Kameraden und deren Hinterbliebene.
Achtung:
Es muss ein Antrag (!!) gestellt werden!
Wer also entsprechende Personen
kennt… Kameraden/innen oder Hinterbliebene… Info bitte weiter geben.
Und, was viele BS nicht wissen, oder
überlesen, dass erhöhte Unfallruhegehalt wird nur gezahlt, wenn eine Entlassung auf Grund DU erfolgt.
Verbleibt der BS bis zu seiner normalen Pensionierung im Dienst, was ja grundsätzlich das Ziel der medizinischen Rehabilitation ist, erhält er nur die normale Pension wie jeder andere BS.
Wow. Elf Änderungen im parlamentarischen Verfahren. Zusätzlich zum an sich bereits guten Gesetz. Da hat der DBwV gute Überzeugungsarbeit geleistet. Respekt und Danke.
Was passiert denn im Fall eines russischen Angriffs auf Litauen?
Wird diese Brigade dann „dauerhaft“ gegenhalten oder bedarf es dafür eines Beschlusses des Bundestags mit 2/3 – Mehrheit (die es nicht geben wird wenn die aktuellen Umfragen zutreffen)?
Oder ist es sogar so, dass der Bundestag mit einfacher (?) Mehrheit die Bridge im Krisenfall abziehen kann, Stichwort Parlamentsarmee?
@Timo: „Gegenhalten ohne Beschluss“ Diese würde voraussetzen, dass der Angriff durch RUS plötzlich und ausschließlich auf litauischem Gebiet erfolgt und keinerlei Kampfhandlung deutschen Boden beträfe, zum Beispiel Angriffe auf NATO – Einrichtungen in D, Flughäfen, etc., die sofort den V-Fall nach 115a Abs 4 GG auslösen würden. Viel spannender ist die Frage, ob für den Spannungsfall nach Art 80a Abs 1 Satz 2 im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen wäre. D.h., ALLLLLE Maßnahmen, die „mob-abhängig“ für die Litauenbrigade vorzubereiten sind, müssten so geplant werden, dass sie ohne eine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art 80a GG ausgelöst werden können. Zum Beispiel die Sicherstellung von See- und Lufttransportraum oder von die militärische Nutzung von ziviler Infrastruktur in Privateigentum für die Logistik-Drehscheibe Deutschland. Oder die unbefristete Einberufung von nichtaktiven Sicherungsverbänden aus Reservisten. Oder direkt und sehr provokant als Frage formuliert: Könnte Moskau – im Fall der Fälle -über seine beiden Parteien im Bundestag bei vorhandener Sperrminorität nach entsprechenden Wahlausgängen – einfach die Ausrufung des Spannungsfalles und damit die deutsche Mobilmachung blockieren? Das wäre im Juli 1914 der feuchte Traum Januschkewitschs gewesen.
@Windlicht, die Frage wäre aber auch, was würde es bringen? Dann würde zwar vielleicht die Bundeswehr entsprechend träge reagieren, die restliche Nato dürfte das nicht unbedingt ausbremsen.
Zumal es noch Art 80a Abs 3 gibt und so wie ich den lese gilt der Spannungsfall damit auch als festgestellt wenn die Nato mit Zustimmung der Bundesregierung entsprechende Vorbereitungen trifft.
An die Völkerrechtler: ist der Art. 42, 7 EUV dem GG vorrangig ? D.h. wäre nicht quasi automatisch der Verteidigungsfall auszurufen und die Beteiligung des BT rein deklaratorisch ?
(7) Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.
@Thomas Melber sagt: 03.02.2025 um 12:35 Uhr
Lesen Sie nochmal ganz langsam und laut den letzten Satz des von Ihnen zitierten Teils des Absatz 7 vor. Dann haben Sie die Antwort.
Ansonsten lesen Sie mal hier, da wird das ab Kapitel 2 sehr schön herausgearbeitet mit jeder Menge an Quellenverweisen in den Fußnoten.
https://www.bundestag.de/resource/blob/645868/dc4693de6aaff54d814b7a4e9a4a524c/WD-2-036-19-pdf-data.pdf
Oh schön, wieder ein LEGAD-Faden. Da geselle ich mich gern dazu: Die Brigade wird stehen und kämpfen, anstatt im Falle eines Angriffes auf Litauen auf das Gutachten der Winkeladvokaten oder gar auf Parlamentsmandate zu warten. Alles andere entspricht weder Abkommen noch Gesetz, und schon garnicht den strategischen Notwendigkeiten.
@J10
Davon gehe ich aus, es wäre aber gut, dies bereits im Vorfeld entsprechend vorzubereiten, wie auch den Einsatz in LTU gg. „Grüne Männchen“ / Schutz KRITIS, u.a. auf Anforderung von LTU.
@Pio-Fritz
Danke für die Info.
@J10: Das sind genau die verschiedenen „Sphären“: Ja, die Brigade würde bei direktem Angriff sicher kämpfen, wenn es darauf ankäme. Aber die Frage ist eben, in welcher Qualität und Quantität und mit welcher formalen Legitimation Vorbereitungen und Unterstützungen geleistet werden können. RUS würde hier bereits eine deligitimierende Diskussion mit fehlender Mehrheit im BT und eine deutliche Verzögerung erheblich nutzen. Und schon würden (noch vor dem ersten Schuss!) die Putinknechte von deutscher Eskalation und verfassungswidrigem Einsatz des Militärs sprechen… Und in einem modernen Krieg sind gesellschaftliche Destabilisierung und Delegitimation eigene Operationsgebiete.
@Windlicht 04.02.2025 um 7:48 Uhr:
Abkommen und Gesetz reichen aus. Ich verstehe einfach nicht, warum wir Deutschen im übertragenen Sinne immer noch eine Bahnsteigkarte kaufen wollen, wenn ein Bahnhof im Handstreich besetzt werden soll. Der politische Wille und das politische Signal der aktuellen BReg sind klar: Deutschland steht in Zukunft mit Landstreitkräften dauerhaft in Litauen, um dort das Bündnisgebiet mit militärischer Gewalt zu verteidigen, sollte dies notwendig sein. Alles andere ist genau die Schaffung künstlicher Probleme, die real nicht existieren, sondern nur Ansatzpunkte für ggf. extern angefachte Verwirrung stiften, die Sie vermeinen zu vermeiden. Andersherum wird ein Schuh draus: Einfach mal den vorauseilenden Selbstbeschränkungsgehorsam des höheren Wehrbeamtentums hinter sich lassen und sagen: Wenn der Tag kommen sollte, an dem der Feind einfällt, stehen wir bereit, auch und gerade in Litauen.
@ Pio-Fritz
Mich wundert, ob es zu dem Thema in Ihrem zitierten Dokument nicht etwas Neueres (Ergaenzung) gibt?
Seit 2019 hat es durch die NATO-Mitgliedschaft von Schweden und Finland eine Veraenderung der Lage gegeben.
Cheers