Sicherheitshalber der Podcast #90 Syrien und Nahost | Mental gesund und zuversichtlich, trotz Krisen, Krieg, Atomangst? | Buchtipps
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 90, der letzten Folge des Jahres 2024, sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich mit Florence Gaub – und zwar in beiden Segmenten! Eine Premiere. Zuerst erklärt Florence die Lage in Syrien nach dem Sturz Assads. Wer ist nun an der Macht? Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung für die Region? Welche für Russland? Was sind die Interessen Israels und der Türkei? So viel steht fest: Die Zukunft Syriens ist offen, und um die Zukunft geht es auch im zweiten Teil.
Darin diskutieren wir mit Florence, wie man trotz der in vielerlei Hinsicht schwierigen Lage geistig gesund und hoffnungsvoll mit Blick auf die Zukunft bleibt. Das geht nämlich durchaus – auch oder vielleicht gerade dann, wenn man Sicherheitspod macht und hört.
Abschließend, wie immer zum Jahresende, die allseits bekannten und beliebten Buchtips.
Die Sicherheitspod Crew wünscht allen Hörerinnen und Hörern schöne Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr. Auf Wiederhören 2025!
Syrien und Nahost: 00:03:05
Positiv in die Zukunft: 00:52:18
Fazit: 01:21:20
Buchtips: 01:22:40
Web: https://sicherheitspod.de/
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Unsere Gesprächspartnerin: Florence Gaub
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Florence_Gaub
Twitter/X: https://x.com/FlorenceGaub
Thema 1: Syrien und Nahost
Markus Bickel: Angriff auf Irans Atomprogramm: Israel wartet auf grünes Licht von Trump, Security Table, 16.12.2024
Thema 2: Positiv in die Zukunft
Economist: Sun Machines: Solar, an energy source that gets cheaper and cheaper, is going to be huge, 20.06.2024
Buchtips:
Frank:
Edward Geist: Deterrence under Uncertainty: Artificial Intelligence and Nuclear Warfare
Gerhard Roth: Über den Menschen
Carlo:
Stephen King: You Like It Darker
Franz-Stefan Gady: Die Rückkehr des Krieges: Warum wir wieder lernen müssen, mit Krieg umzugehen
Rike:
Christian Gruenler: EUROCAN 2033
Angela Merkel: Freiheit: Erinnerungen 1954 – 2021
Florence:
Hannah Ritchie: Hoffnung für Verzweifelte: Wie wir als erste Generation die Erde zu einem besseren Ort machen
Frank Biess: Republik der Angst: Eine andere Geschichte der Bundesrepublik
Emily Tesh: Some Desperate Glory
Thomas:
David Petraeus, Andrew Roberts: Conflict: A Military History of the Evolution of Warfare from 1945 to Gaza
BlueSky:
Sicherheitspod: @sicherheitspod.bsky.social
Rike: @rikefranke.bsky.social
Frank: @drfranksauer.bsky.social
Carlo: @carlomasala1.bsky.social
Thomas: @twiegold.bsky.social
Zu den ISR Zerstörungen SYR Wehrmaterials und einen möglichen Angriff auf das IRN Nuklearprogramm: auch wenn man es in DEU nicht wahrhaben will sind diese Aktionen in jedem Fall völkerrechtswidrig.
Es mag in der Geschichte hierzu Vorbilder geben – die Zerstörung der DNK Flotte durch GBR 1801 und der FRA Flotte in Mers-el-Kébir 1940, beides Mal durch GBR, aber das macht es nicht besser, obwohl es aus Sicht ISR natürlich verständlich ist.
DEU muß sich ehrlich machen: gilt das Primat der „rules-based international order“ (quasi gesinnungsethisch) oder das Gesetz der Nützlichkeit aus Sicht des jeweiligen Akteurs (verantwortungsethisch) ?
Ich weiß, es ist unbequem, aber die die Annektion / Besetzung der GOLAN Höhen durch ISR wird genau so begründet wie die RUS Besetzung der KRIM (nationale Sicherheitsinteressen).
Ist es nicht, da es sich augenscheinlich um Äpfel und Birnen handelt. Sie können objektiv keinerlei ernsthafte Bedrohung Russlands durch die Ukraine (oder die NATO, wenn sie gleich mit diesem Märchen einsteigen wollen) auch nur hypothetisch darlegen. Durch die iranische Terror-Achse in der Region, zu der auch das Assad-Regime zählte, gab und gibt es hingegen eine konkrete und hinlänglich beweisbare Bedrohungslage. Und gerade mit einem (ehemaligen?) Djihadisten na der neuen syrischen Spitze und verschiedensten außerstaatlichen Akteuren im Land, die sich gerne an „herumliegender“ leistungsfähiger Militärtechnik bedienen, sollte die Staatsräson von Israel auf der Hand liegen.
Das ist eben das Problem mit „ruled-based-international order“ oder gerne auch dem Primat des Völkerrechts.
Es ist eine Fiktion. Wir konnten uns das (nur gerade so eben noch) leisten, als der Westen unangefochten dominierte. In einer Welt, in der jeder Staat seine Interessen (und sei es „nur“ der eigene Schutz) durchsetzen muss und wir unsere Regeln nicht ohne Kraftanstrengung durchsetzen können, taugt das Konzept eher wenig.
Was ausdrücklich nicht bedeuten soll, dass jeder Staat einfach machen sollte was er will und was er kann. Jeder Staat, wir ebenso wie China, RUS etc, hat seine Moral. Und wenige Menschen stehen morgens auf und nehmen sich vor, heute so einmal richtig böse Dinge zu treiben. Nur liegt die Deutung, was „gut“ und „böse“ sei, subjektiv bei jedem Menschen, jeder Gesellschaft..
In dieser Problemlage sollten wir uns dazu bekennen, unsere Werte da zu „leben“ wo wir es können. Und gleichzeitig nicht zu unterschlagen, dass es ggf. wenig nette Mittel und Methoden braucht, zeitgleich unsere Werte und unsere begründeten Interessen durchzusetzen.
Dann erspart man sich das Herumgeeiere, das uns außerhalb unseres eigenen Einflussbereichs sowieso kaum jemand abnimmt.
Ich weiß oft gar nicht mehr, was ich denken soll, wenn ich meinen pol. Kompass über ag.net
ausrichten lassen möchte.
So viele unterschiedliche Meinungen und Erklärungen. Nicht einfach.
@Pham Nuwen
Es geht mir um das individuelle Bedrohungsgefühl des jeweiligen Akteurs, bei der causa KRIM war der Hauptgrund die Sicherung der Flottenbasis.
Was ist schon objektiv ?
„Besetzung der GOLAN Höhen durch ISR wird genau so begründet wie die RUS Besetzung der KRIM“
Wobei die drusischen Bewohner auf den Golanhöhen durchaus zufrieden mit der Annexion sind, gerade vor dem Hintergrund der Geschehnisse in den letzten Jahren. Der Anteil drusischer Mitglieder in den israelischen Streitkräften ist wohl auch höher als im allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt.
Ok, auf der Krim könnte man vielleicht auch noch argumentieren, dass ehemalige Schwarzmeerflottenangehörige eher zu Russland tendieren und Moskaus‘ Bemühungen, die Krim zu einem russischen Mallorca zu machen, Früchte getragen haben. Die Sanktionen waren dort ja auch nur symbolischer Natur. Das trifft aber sicherlich nicht auf den Donbass zu und ganz bestimmt nicht auf die große Eskalation seit 2022.
Die Bundesrepublik leistet sich ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, welches beim Innenministerium angesiedelt ist. Die geben u.a. auch Broschüren zum Thema Vorsorge raus. Das Thema war nie weg, interessierte lange Zeit allerdings nicht. Dumm ist, wenn man sich als Bürger nach den Empfehlungen des Amtes richtet und das Innenministerium, die vorgesetzte Behörde, dann diesen Bürgern vorwirft, dem Staat nicht zuzutrauen, die bei einer Katastrophe auftretenden Probleme zu lösen. Reden die miteinander? Ich wohne an der Elbe und habe zwei Jahrhunderthochwasser mitgemacht. Ich brauchte das BBK nicht, um auf die Idee zu kommen, mich vorzubereiten. Ich werde allerdings oft gefragt, wenn ich erwähne, dass ich vorbereitet bin, ob ich ein Prepper sei. Nein, bin ich nicht. Allerdings sind auch nicht alle Prepper rechts. Es gibt aber welche, die übertreiben es in meinen Augen. Aber wir sind ein freies Land. Den Leuten muß endlich mal reiner Wein eingeschenkt werden, ohne dass man Panik auslöst. Bei einem flächendeckenden Wintereinbruch, wie es ihn zum Jahreswechsel 1978/79 im Norden Deutschlans gab, ist Haben besser als Brauchen. Aber bloß keine Zumutungen! Das könnte ja Wählerstimmen kosten. Die Welt bricht ja schon zusammen, wenn X nicht funktioniert. Dann ist Panik!
Machtvakua :-).
@Thomas Melber sagt:
18.12.2024 um 11:00 Uhr
„Zu den ISR Zerstörungen SYR Wehrmaterials und einen möglichen Angriff auf das IRN Nuklearprogramm: auch wenn man es in DEU nicht wahrhaben will sind diese Aktionen in jedem Fall völkerrechtswidrig.“
In beiden Fällen ist das weniger eindeutig als es scheint. Der Iran hat Israel über seine Proxys angegriffen. Ich schätze, da könnte man unter Völkerrechtlern eine ganz nette Debatte führen ob, in welchem Umfang usw. Vergeltung angemessen ist. Zudem waren da noch die Angriffe mit den ballistischen Raketen.
Und es gilt ja nicht „auf einen Angriff darf nur mit EINEM Angriff geantwortet werden“.
Zu Syrien: Zwischen Israel und Syrien gibt/gab es einen Waffenstillstandsvertrag, keinen Friedensvertrag. Zudem gibt es aktuell de facto keine syrische Regierung die das Militär des Landes und seine Waffen umfänglich kontrolliert. Das heißt auch hier kann man vermutlich ganz gepflegt streiten.
Am Ende ist es egal: die „regelbasierte Weltordnung“ ist ein westliches, aufgeklärtes Konzept, dass wir selbst in den letzten Jahrzehnten mit Füßen traten. Wir können es jetzt nur schwer aufrecht erhalten. Eben weil wir uns in den letzten Jahren selbst nicht dran hielten. „Inter arma enim silent leges“ sagten die Römer, scheinbar gilt das immer noch.
Zu Syrien: „Assad war zu schwach“
Ja war er. Er hat zwar gestützt auf die Luftwaffe, einige Eliteeinheiten, die russischen Truppen und vom Iran/Hisbollah gestützte Milizen in Damaskus Präsident spielen können, aber die Macht in der Fläche hatten lokale Milizen unter Führung der lokalen Eliten. Man hatte sich beiderseitig arrangiert. Das galt nicht nur militärisch, auch wirtschaftlich. Geld bekam Assad fast nur vom Drogenverkauf. Russland und Iran/Hisbollah waren geschwächt, da hat die HTS, mit türkischer Unterstützung, seine Chance erkannt. Der rasche Totalzusammenbruch des Assad- Regimes war aber das Ergebnis, dass die lokalen Eliten und ihre Milizen die Front gewechselt haben. Damit ist vorgezeichnet, dass die HTS entweder genauso schwach sein wird wie Assad, oder der Bürgerkrieg erst richtig losgeht.
Ein Staat im westlichen Sinn, erst recht ein demokratischer Staat, ist in weiter Ferne. Eher droht das Libysche Szenarium mit mehreren Machtzentren, wovon eins Staat spielt.
@Thomas Melber
Keine verantwortungsbewusst handelnde Regierung wird in Fällen, in denen die Regelungen des Völkerrechts mit vitalen nationalen Interessen kollidieren, das Völkerrecht über diese Interessen stellen. Die Israelis haben bei ihrem Vorgehen in Syrien sicherlich gegen das Völkerrecht verstoßen, dafür aber mit einiger Wahrscheinlichkeit Dschihadisten den Zugriff auf Massenvernichtungswaffen verwehrt. Die Vorstellung, dass abstrakte Absichtserklärungen zwischen Staaten wichtiger sein könnten als der Schutz des eigenen Staates vor existenziellen Bedrohungen, ist Ausdruck verantwortungslosen Denkens.
Eine „regelbasierte internationale Ordnung“ hat davon abgesehen nie existiert, wird auf absehbare Zeit auch nicht existieren, und wäre auch durch Passivität gegenüber der oben erwähnten Bedrohung nicht geschaffen worden. Man sollte bei so wichtigen Themen wie der Sicherheitspolitik nicht von Fiktionen und Illusionen ausgehen.
Für mich entscheidend ist doch, das der Westen, seine Dienste und die wenigen noch global, rational denkenden Politiker erneut völlig blind auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Oder liegt es daran, dass wir gerne weggeschaut haben aus Furcht vor dem Realitätscheck bei unserer Völkerrechtsgläubigkeit, die nur die entscheidenden Akteure vor Ort herzlich wenig kümmert, aber die wir wie eine heilige Monstranz vor uns tragen um nicht zu sagen mühsam schleppen ? Nun kann man gewiss moralinsauer mit erhobenem Zeigefinger Gespräche führen, wenn denn überhaupt noch jemand zuhören möchte. Am deutschen Wesen muss nicht die Welt, auch nicht der nahe Osten und schon gar nicht Israel genesen. Diese Selbsterkenntnis wäre schon einmal hilfreich.
Das Russland in Syrien überrascht wurde, ist eher ein westlicher Wunschtraum als Realität. Der bisher nützliche Idiot Assad war es einfach nicht mehr wert. Das nennt man auch konsequente, völkerrechtsverbindende verständnisvolle Realpolitik, nämlich schlicht und einfach die Rettung vor dem Knast! Schön, das mag dem einen oder Anderen zu wenig sein, ist aber schon sehr viel,
@Bravo November: Art. 25 GG
@AoR
Der Art. 25 GG gehört m.E. zu den GG-Artikeln, die im Wesentlichen nur gut gemeinte Rhetorik ohne wirkliche Kraft darstellen, weil dahinter z.B. undefinierte Begriffe stehen. Die „allgemeinen Regeln des Völkerrechtes“, die der Artikel erwähnt, sind solch ein undefinierter Begriff. Die gängigen GG-Kommentare vermuten, dass hier ggf. das Völkergewohnheitsrecht gemeint sein könnte. Dieses geht u.a. von einem Verbot aus, Nuklearwaffen einzusetzen oder deren Einsatz anzudrohen. Das hat den deutschen Staat aber nicht daran gehindert, Vorkehrungen zu treffen, um im Ernstfall genau das zu tun, weil wirksame Abschreckung ein existenzielles nationales Interesse darstellt. Im Ernstfall würde man vermutlich dank der mutmaßlich bewusst schwammig gehaltenen Begriffe im Art. 25 GG ein tragfähiges Konstrukt finden, dass dies legitimiert, falls das dann noch jemanden interessieren sollte. Hier liegt daher m.E. ein gutes Beispiel dafür vor, dass auch der deutsche Staat im Ernstfall sein Überleben für wichtiger hält als die Regelungen des Völkerrechts.
@AoR
Auch das GG kann man ändern; heute gerade passiert.
Recht ist immer eine Ableitung der gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht umgekehrt.
Ja, “ German Angst“. Zu Recht oder übertrieben?
Gerade kommen die Meldungen über den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg rein Ein Schläfer? Verwirrter Einzeltäter? Man weiß es noch nicht.
Vielleicht ist etwas Vorsicht und Angst geboten und nicht übertrieben? Bataclan lässt grüßen (@RikeFranke).
Aus meiner Sicht fehlt aus meiner Sicht die wirkliche Reflektion der Realität. Ukrainische Drohnenkräfte sollen einen massiven Einfluss auf den Vormarsch der Rebellen gehabt haben – warum findet das in der Diskussion keinen Einfluss? Nach der weitgehenden Vernichtung der Hisbolla durch Israel war die Stabilität des Regimes in Syrien in Frage gestellt – weil die Kapazitäten der Russen waren durch den Ukraine-Krieg mehr als eingeschränkt.
Damit war die Ende des Assad-Regimes vorgegeben.
Nur wenn ich gerade der Diskussion folge – nichts ist schwachsinniger als der maximale Ausbau der Solarenergie. Spätestens im Winter zu Zeiten der Dunkelflaute führt die Solarenergie zu einer Maximierung der Folgekosten!
[Hatten wir Solarenergie als Thema, oder geht’s nur darum, die eigene Ideologie überall einzubringen? T.W.]
@nicolo15
„Für mich entscheidend ist doch, das der Westen, seine Dienste und die wenigen noch global, rational denkenden Politiker erneut völlig blind auf dem falschen Fuß erwischt wurden.“
Was machen wir eigentlich, falls das NATO-Mitglied Türkei einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen ein Nachbarland führen sollte, um die Grenze zu Syrien dorthin zu verlagern, wo sie in neueren Schulbüchern der Türkei abgebildet ist? Also klassischer Irredentismus genau wie in der Ukraine?
Hat da jemand realpolitiktaugliche Vorschläge? Sanktionen?
@Segestes/@Bravo November: Zu erörtern ob das Völkerrecht/Völkervertragsrecht tatsächlich entgegen SiPo Interessen steht wäre die Debatte? Finde ich übrigens garnicht!
Aber hey, wir konstatieren umgehend “kann man ändern” ist alles “unverständliches Zeugs” ist dann schon ziemlich arg … und im Zeichen der Zeit!
@AoR
Es gibt sicherlich Teile des humanitären Völkerrechts, deren Durchsetzung nicht nur im Einklang mit nationalen Interessen ist, sondern diesen sogar aktiv dient. Die absichtliche Tötung Unbeteiligter in einem bewaffneten Konflikt zu unterbinden ist z,B. nicht nur eine Forderung des HVR, sondern auch aus strategischen Erwägungen sehr sinnvoll.
Dies gilt aber nicht für alle Regelungen des HVR, etwa solche, die z.B. veraltet sind und deshalb unter den Bedingungen des Kampfes gegen irregulären Feind mit absurden Forderungen verbunden sein können, zumindest wenn man sie so auslegt wie deutsche Stellen es auf Wunsch der Politik tun. Hier muss entweder die Politik lernen, so pragmatisch zu agieren wie z.B. die Amerikaner, oder den Mut haben, aus bestimmten Abkommen und Verträgen auszusteigen, wenn der Widerspruch zu nationalen Interessen zu groß wird. Ein Beispiel dafür sind mögliche künftige Ausstiege einiger europäischer Staaten aus der Ottawa-Konvention, weil diese aufgrund veränderter sicherheitspolitischer Lage jetzt Anti-Personenminen einsetzen möchten.
@AoR
Arg ist die Diskussion über Änderungen bzw. die Ignorierung des Rechts und insbesondere des Völkerrechts nur für denjenigen, der an das Ende der Geschichte geglaubt hat.
Auch die „Erfinder“ des Völkerrechts haben in der Geschichte immer wieder gegen ihr eigenes Recht verstoßen, wenn elementare Sicherheitsinteressen bedroht waren, oder sie es zumindest glaubten. Beispiele gibt es genug und dürften bekannt sein.
Ich denke, jetzt ist gut mit „Völkerrecht brauchen wir nicht“, humanitäres Völkerrecht sei Gefühlduselei und ähnliches. Klar kann man Diktatoren aus aller Welt den roten Teppich ausrollen und sie zu ihrem Tun beglückwünschen, besonders clever ist das nicht und jetzt ist es hier auch genügend gefeiert worden.
@Hans-Joachim Zierke
Ich glaube, Sie haben da bereits zwei Klassiker genannt. Das Natomitglied Türkei greift in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg das Natomitglied Griechenland an. Fangen wir an zu beten, oh Herr stehe uns bei?
Gern noch ein nicht wirklich unrealistisches Szenario dazu.
Das Natomitglied Türkei greift völkerrechtswidrig Israel an, um seine muslimischen Brüder in Gaza und im Libanon zu schützen. Wir kommen aus dem Beten gar nicht wieder raus? Ist es das?
@Nicolo15
Ein solcher Vorgang wurde deutlich unwahrscheinlicher, als Frankreich in der letzten Krise zwei Rafale nach Kreta sowie eine Fregatte entsandte, und anschließend Rafale zeitnah aus eigenem Streitkräftebestand an Griechenland lieferte. Da die Türkei aus politischen Gründen hunderte Jetpiloten rausgeschmissen hat, und dann noch sich selbst aus dem F35-Programm, ist Griechenland in der Luft überlegen. Die damalige Reaktion Frankreichs ist zudem keine Garantie, aber ein starker Indikator, daß Frankreich nicht nur beten würde.
Anders sieht es aus, falls die Türkei eine Revision der Grenzziehung im Vertrag von Sèvres durchsetzen möchte. Nachdem die russischen Stützpunkte verschwunden sind, ist das einzige Hindernis die derzeitige Präsenz der USA, aber dieses Problem wird voraussichtlich in einem Monat wegfallen. Danach gilt vermutlich: „Never let a good crisis go to waste.“ So, wie es Israel in kleinem Maßstab bereits vorgemacht hat.
Nachdem EU und USA nicht den Willen aufgebracht haben, die Ukraine ihren Verteidigungskrieg gewinnen zu lassen, danach Israel beim Annektieren syrischen Territoriums zugesehen haben, und demnächst der Türkei beim Annektieren zusehen werden, wäre ich sehr überrascht, wenn nicht weitere Länder dies als Einladung bzw. Freigabe verstünden, ihre jeweilige terra irredenta heimzuholen.