Personalprobleme der Bundeswehr: Lieber nicht drüber reden

Die Bundeswehr hat ein Personalproblem, das ist kein Geheimnis – oder doch? Die Bundestags-Wehrbeauftragte Eva Högl beklagte erst am vergangenen Wochenende öffentlich, dass in vielen Verbänden nur die Hälfte der Dienstposten besetzt sei. Doch das Verteidigungsministerium will über damit zusammenhängende Fragen nicht öffentlich Auskunft geben, noch nicht einmal darüber, wie die Arbeit der Personalwerber beurteilt wird.

Die Aussagen der Wehrbeauftragten im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur lassen an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig. Das Personalproblem sei das wichtige Thema für das das Jahr 2025, sagte Högl. Und sie bekräftigte die bekannte Einschätzung, dass der Truppe bis zur – derzeitigen – Zielgröße von 203.000 rund 20.000 Soldaten und Soldatinnen fehlen.

Im Gegensatz dazu will allerdings das Verteidigungsministerium zu dem Thema überhaupt nichts sagen. Die Frage, wie viele Soldaten aus welchen Gründen ihren Dienst abbrechen, die Frage, wie viele weibliche Bewerberinnen es gibt, die Frage, wie die Arbeit der Karriecenter evaluiert wird – ja selbst die Frage Wann beabsichtigt die Bundesregierung dem Parlament die Evaluation des Einsatzweiterverwendungsgesetzes vorzulegen? kann aus Sicht des Wehrressorts keinesfalls offen beantwortet werden. Denn der Gegner liest ja mit.

Die Argumentation ist in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion (Bundestagsdrucksache 20/14270) nachzulesen. 96 Detailfragen zum Personalproblem der Bundeswehr hat die Opposition gestellt, öffentlich beantwortet wird keine einzige: In der umfangreichen Gesamtschau aller Darstellungen auf sämtliche Fragen und damit einhergehender Informationen ist nicht auszuschließen, dass sich hieraus ein Lagebild ableiten lässt, welches geeignet ist, sich nachteilig auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland auszuwirken, begründet das Ministerium seine Ablehnung. Immerhin könnten die Abgeordneten die als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch eingestuften Antworten im Parlamentssekretariat erhalten.

Das ist bei einem Teil der gestellten Fragen schlicht lächerlich: Die Antwort auf die Frage Worin unterscheidet sich der neue Basiswehrdienst vom Freiwilligen Wehrdienst in rechtlicher, inhaltlicher, zeitlicher und organisatorischer Dimension? wird das Ministerium so oder so öffentlich geben müssen, wenn man diesen neuen Wehrdienst umsetzen will – es sei denn, die Einführung eines geheimen Zwangsdienstes wäre geplant, dessen rechtlicher Rahmen nicht bekannt werden soll. Eigentlich bislang kaum vorstellbar.

Auch die Frage Wie viele Soldatinnen und Soldaten werden aktuell auf Dienstposten verwendet, die nicht zwingend eine militärische Ausbildung voraussetzen? möchte das Ministerium unter Verweis auf mögliche Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland bei Kenntnisnahme durch Unbefugte nicht beantworten. Ob die Einstufung wirklich auf Sicheitsbedenken beruht oder ob die Antworten schlicht einen Teil der Bevölkerung verunsichern könnten – wer weiß das schon.

Die Bundestags-Drucksache gehört übrigens auf Wiedervorlage. Denn es könnte ja sein, dass die Fraktion, die diese Anfrage gestellt hat und keine öffentliche Antwort bekam, nach der Bundestagswahl eine maßgebliche Rolle spielt. Und dann wird interessant, wie die damit umgeht.

(Archivbild Juli 2021: Rekrutinnen beim Gelöbnis vor dem Bendlerblock – wie viele Frauen sich für die Bundeswehr bewerben, will das Verteidigungsministerium aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgeben – Sebastian Wilke/Bundeswehr)