Sicherheitshalber der Podcast #86: Realismus und Realität – wozu Theorien gut sind | War die ganze Rüstungskontrolle fürn Arsch?
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 86 sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich zuerst über Theorie und Praxis. Was können politikwissenschaftliche Theorien der Internationalen Beziehungen leisten, was nicht? Welche Perspektiven eröffnen sie auf den russischen Krieg gegen die Ukraine? Warum ist es auch für Nicht-WissenschaftlerInnen vielleicht ganz praktisch, von verschiedenen theoretisch informierten Perspektiven schon mal gehört zu haben, um sich in Debatten besser zurechtzufinden?
Im zweiten Segment fragen wir uns, ob das mit der Rüstungskontrolle vielleicht alles ein naives Unterfangen und ein Selbstbetrug war. Warum wird Rüstungskontrolle gemacht – und welche Ziele werden mit ihr verbunden? Welche Bedingungen müssen für Rüstungskontrolle gegeben sein? Wie und wann geht’s mit ihr weiter? Abschließend wie immer der Sicherheitshinweis, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit Wahlen in Österreich, Drohnenregeln in der Bundeswehr, der Marine im Mittelmeer und einer Nukleardoktrinänderung in Russland.
Feedback zur letzten Folge: 00:02:14
Theorie: 00:13:00
Rüstungskontrolle: 00:47:46
Fazit: 01:30:17
Sicherheitshinweise: 01:33:10
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Thema 1: Theorie und Praxis
Gert Krell 2023: Theorien in den Internationalen Beziehungen, in: Staack, Michael: Einführung in die Internationale Politik – Studienbuch, DrGruyter, 27-76. (Abschnitt 2: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine aus der Sicht der IB-Theorie, 55-69).
Stephen Walt 1998: International Relations: One World, Many Theories, in: Foreign Policy Nr. 110, 29-34.
Sabine Fischer 2023: Die chauvinistische Bedrohung: Russlands Kriege und Europas Antworten. Econ.
Janice Gross Stein 2023: Escalation Management in Ukraine: “Learning by Doing” in Response to the “Threat that Leaves Something to Chance”, in: Texas National Security Review 6 (3), 29-50.
Richard Ned Lebow 2022: International Relations Theory and the Ukrainian War, in: Analyse&Kritik 44 (1), 111-135.
Joseph S. Nye Jr. 2008: International Relations: the Relevance of Theory to Practice, in: Christian Reus-Smit and Duncan Snidal (Hrsg.): Oxford Handbook of International Relations. Oxford University Press, 648-660.
Alexander Wendt 1992: Anarchy is what States Make of it: The Social Construction of Power Politics, in: International Organization 46 (2), 391-425.
Thema 2: Rüstungskontrolle
Gustav Gressel, Under the gun: Rearmament for arms control in Europe, ECFR, 28 November 2018
Rosert, Elvira/Sauer, Frank 2023: Dilemma mit Streuwirkung, in: die tageszeitung, No. 37, 22.07.2023, 15.
Rosert, Elvira/Sauer, Frank 2021: How (not) to stop the killer robots: A comparative analysis of humanitarian disarmament campaign strategies, in: Contemporary Security Policy 42 (1): 4-29.
Sauer, Frank 2020: Konventionelle Rüstungskontrolle und neue Technologien, in: Metis Studien Nr. 19, September 2020.
Thomas C. Schelling and Morton H. Halperin 2014 (1961): Strategy and Arms Control.
Thomas C. Schelling 1966: Arms and Influence, New Haven, CT.
Thomas C. Schelling 1979 (1960): The Strategy of Conflict, Cambridge, MA.
Justinas Žilinskas, When Security Prevails: Lithuania Votes to Withdraw from the Convention on Cluster Munitions, Lieber Institute, West Point, 13.08.2024.
Sicherheitshinweise:
Carlo: Steigt Österreich aus dem ESSI aus?
Frank: Russland ändert seine Nukleardoktrin, http://kremlin.ru/events/president/news/75182
Rike: Einsatzgrundsätze für Drohnen? Fehlanzeige, https://augengeradeaus.net/2022/04/parlamentarier-billigen-drohnen-bewaffnung-fuer-die-bundeswehr-unter-strengen-auflagen/
Thomas: Deutsche Fregatte ‚Hamburg‘ im Mittelmeer im Einsatz mit US-Docklandungsschiff
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Carlo tröötet nicht.
Thomas
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Thomas‘ Sicherheitshinweis hat keinen Link verlinkt… ;)
Kleine Anmerkung zum ersten Teil des Podcasts:
Ich versteige mich mal zu der Bemerkung das dies den überwiegenden Teil des real existierenden Stammpublikums ( zumindest in dieser epischen Breite ) eher weniger angesprochen haben dürfte.
Gleichwohl fand ich es recht interessant. Aber etwas mehr Kant, Nietzsche und Sartre wäre durchaus möglich gewesen ;-)
Zum traurigen zweiten Teil:
In der Tat, wie Frank Sauer bemerkte, Abrüstung as we know it for many decades is dead. Punkt.
Und ja, wenn man extrem pessimistisch ist dann verlässt man sich nicht auf Artikel 5 der Organisation dessen Name nicht genannt werden darf…
Dann braucht man selber die Bombe, die Langstreckenrakete und auch den Flugzeugträger.
Es gibt da einen interessanten Spiegelartikel vom 21.02.2018 in dem freigegebene alte US-Papiere aufgearbeitet werden. Der gute, alte Adenauer und später F.J.Strauss in Tateinheit mit etlichen FDP-Politikern wollten die deutsche Bombe.
Und selbst die „neutrale“ Schweiz hatte in den 1950ern ein Atomwaffenprogramm.
Es bleibt zu hoffen das diese Zeiten vorbei sind.
Zum angesprochenen Thema B und C – Waffen:
In der Tat ist es oft so das hier der militärische Nutzen den angerichteten Schaden, auch in der Reputation, nicht aufwiegt.
Trotzdem hatte z.B. Russland mit der SS-18 Satan Langstreckenrakete die Option auf einen Sprengkopf mit fast zwei Tonnen (!) eines VX Nervengases. Diese Menge hätte rein theoretisch für über eine Milliarde Tote gereicht…
Und noch ein Punkt zu diesen Raketenangriffen diverser Gruppierungen/Länder auf Israel.
Vor kurzem wurde in einer bekannten deutschen Talkshow die durchaus berechtigte Frage gestellt warum denn Israel in aller Ruhe mit Kampfflugzeugen alles mögliche bombardiert, aber nie abgeschossen wird…
Die anderen hätten doch angeblich über 100.000 Raketen. Warum dann Null Flugabwehr die doch auch mit Raketen funktioniert ?
Die Antwort ist simpel:
Das sind (fast) alles Billigrakten, weitgehend ungelenkt. Zumindest so ungenau das viele aufs freie Feld einschlagen.
Die nächste Stufe wären Raketen die unbewegliche Ziele am Boden recht sicher treffen. Dann kämen langsame Flugziele wie Drohnen. Und am Ende der Ingenieurskunst dann extrem schnell manövrierende Flugabwehrraketen mit Bodenradar und Feuerleitrechner.
Die hat die Hamas schlicht nicht…
Bleibt auch hier zu hoffen das der „Austausch“ zwischen dem Iran und Russland keine Verschiebung in Richtung HighEnd-Flarak oder Schlimmeres bedeutet…
Und noch ein allerletzter Punkt bei dem mir auch regelmäßig der Hut hochgeht: Minen.
Selbst die Bundeswehr legt grosse ( natürlich abgezäunte ) Minenfelder um Camps bei Auslandseinsätzen. Spart extrem viel Wachpersonal. Und dient in der Tat der Sicherheit des eigenen Personals.
Irgendwie scheint es ganz ohne nicht zu gehen…
Guter Tipp noch mit dieser Veranstaltung in Wien mit dem Sicherheitshalber Podcast Live. Ich werde vermutlich kommen…
@ Apollo 11 Interessehalber: Was für Minen meinen Sie?
Mir hat auch der erste Teil sehr gut gefallen. Ausdrücklich: Danke dafür! Mir ist klar, dass das wahrscheinlich an der interessierenden Breite der Hörerschaft vorbeigeht. Es gibt aber nicht viele Gelegenheiten, auch mal die Theorien hinter den Stellungnahmen, Analysen etc. in Presse, Funk und Fernsehen auf das wesentliche reduziert erläutert zu bekommen.
Nachtrag: Mit Minen meine ich grundsätzlich ALLE Minen. Gross, klein, zu Wasser oder zu Lande.
Völlig egal wie berechtigt die Verlegung auch sein mag. Die Dinger sind auch viele Jahrzehnte später noch lebensgefährlich. Und ja, auch sich selbstzerstörende Minen haben Funtionsstörungen. Und auch die besten Verlegepläne bringen nichts wenn sie nicht zur Entminung genutzt werden. Aus welchen Gründen auch immer.
Schaut man sich die Entwicklung in diversen Internet-Artikeln an wird es teils unglaublich perfide. Von Springminen im Vietnamkrieg bis zu nicht detektierbaren Glasminen im Hürtgenwald in WW2.
Aber die Bemerkung von Frank Sauer über den ehrenwerten Einsatz von Lady Diana gegen Minen trifft es recht gut.
In Krisengebieten interessiert das regelmäßig niemanden.
@Apollo 11 sagt: 03.10.2024 um 20:36 Uhr
Sie haben aber schon mitbekommen, daß Anti-Personenminen mit der Ottawa-Konvention 1997 geächtet wurden? Und das 164 Staaten diese ratifiziert haben?
Ich meine nur wegen WW2 und Vietnam und so?
Minensperren (nicht Felder) werden ausschließlich gegen Fahrzeuge angelegt. Und sie werden dokumentiert und auch wieder aufgenommen, zumindest bei der Bw.
@Pio-Fritz
Zumindest im KOSOVO wurde das Camp noch mit einem Minengürtel abgesichert, es kann aber sein, daß dies vor 1997 war.
Wenn die Verlegung deutlich angezeigt ist sehe ich auch kein Problem damit. Problematisch ist natürlich die ungewollte bzw. undokumentierte Verschiebung, z.B. durch Hochwasser.
@Pio-Fritz
In der Tat, bei der Bundeswehr hab ich die wenigsten Bedenken…
Und auch beim Ottawa-Abkommen wird immer der übliche Fehler gemacht und mit der Anzahl der unterzeichneten Staaten argumentiert.
Interessant ist eher die Liste der Nichtunterzeichner.
Bspw. die USA, China, Indien, Russland.. Oder auch in der Vergangenheit fürchterlich betroffene Staaten wie Vietnam…
Zusammengerechnet sind das Staaten mit Milliarden von Menschen.
Ist ein guter Anfang, zugegeben.
Die Gesamtsituation kann ich aber, wie Lady Di, nicht wirklich gut finden…
@Apollo 11
„…Selbst die Bundeswehr legt grosse ( natürlich abgezäunte ) Minenfelder um Camps bei Auslandseinsätzen. Spart extrem viel Wachpersonal. Und dient in der Tat der Sicherheit des eigenen Personals.
Irgendwie scheint es ganz ohne nicht zu gehen…“
Also sorry, auch wenn hier in den OT abgedriftet wird, aber dass kann ich als Teilnehmer von Einsätzen bei KFOR, ISAF, RSM und EUTM so nicht stehen lassen.
Es ist schlichtweg falsch und unwahr.
Die Bw sichert ihre Camps nicht mit Minen, ganz gleich welcher Art; weder bei rein national noch multinational genutzten Camps.
Und bevor jemand zuckt, dass man so etwas nicht laut aussprechen dürfte, weil der „Feind“ dadurch Erkenntnisse erlangen könnte. Das weiß Jeder.
Wie kommen Sie zu solch einer Aussage?
023 hatte Deutschland sogar die Präsidentschaft der Ottawa-Konvention inne. Da wäre es Wunder, wenn dann deutsche Streitkräfte Anti-Personenminen um ihre Feldlager verlegten. Die deutschen Bestände sind seit 1997 zerstört.
@JFST
Die Bw sichert ihre Camps nicht mit Minen, ganz gleich welcher Art; weder bei rein national noch multinational genutzten Camps.
Ah, guter Einwand. Ich bin jetzt nicht sicher ob die BW zur Sicherung von Camps bei Auslandseinsätzen früher Minen verlegt hat.
Ich bin recht sicher das es mal BW-Einheiten in durch Minen gesicherten Feldlagern gab…
Das die BW seit der Gültigkrit des Ottawa-Abkommens keine Antipersonen-Minen mehr besitzt steht ausser Frage…
Sollte die BW bei Auslandseinsätzen nie Minen verlegt haben würde mich das sehr freuen…
@ Thomas Melber Der Kosovo-Einsatz fing 1999 an. Ich war 1999/2000 da. Ich kann mich an keine Minensperren im Bereich deutscher Feldlager erinnern. Ich denke, Apollo 11 hat sich hier ein bisschen verrannt.
Auch Krieg hat Regeln. Für die Regeln gibt es Gründe. Es wäre schon gut, wenn man sich die Gründe für diese Regeln in das Gedächtnis ruft. Im Fall der Streumunition liegt der Grund in den Folgen der Nutzung von Streumunition. Es wäre schön wenn Humanismus das ausschlaggebende Argument wäre. Die verstümmelten Menschen erleiden nicht nur ein schreckliches Schicksal, sie sind auch für die betroffenen Gesellschaften eine finanzielle Belastung. Den Begriff „Schweineteuer“ kann man auch hinsichtlich der Beseitigung der vielen Blindgänger anwenden. Die Räumung ist nicht nur teuer sondern auch langwierig. Die betroffenen Gebiete können solange nicht wirtschaftlich genutzt werden, solange sie nicht geräumt sind. Gleiches betrifft die Nutzung von Anti-Personen Minen. Seit der Einführung von Anti-Personen Minen gibt es immer noch ehemalige Kriegsgebiete in denen es auch Jahrzehnte später noch Menschen durch Minen verstümmelt werden.
Jeder Krieg endet irgendwann. Die Blindgänger führen den Krieg vor allem gegen die Zivilbevölkerung weiter.
Das Verbot von Streumunition und Anti-Personen Minen ist für jeden Staat sinnvoll, der damit rechnen muss, diese Waffen auf eigenem Territorium einzusetzen.
Hinsichtlich der Äusserungen von Ulrike Franke: Nationen wie die USA und Russland, zu deren Strategie es gehört Kriege lieber auf dem Territorien anderer Staaten zu führen, haben natürlich keinen Grund irgendwelche Rücksicht zu nehmen. In diesem Zusammenhang muss man natürlich auch Uran-Munition diskutieren. Solange man Staaten, wie die USA oder Russland nicht zur Verantwortung ziehen kann (Stichwort: Realismus) für die Folgen des Einsatzes dieser Waffen, solange wird sich daran auch nichts ändern.
Was die Abrüstungsverträge anbetrifft, so kann man diese nicht isoliert sehen. Der INF Vertrag hing in seiner Wirksamkeit mit dem ABM Vertrag zusammen, der wiederum mit dem START Abkommen zusammenhängt. Der ABM Vertrag verlangte eine Limitierung von Abwehrsystemen gegen ballistische Interkontinentalraketen. In Verbindung mit dem START Vertrag eine sinnvolle Maßnahme, um die gegenseitige Abschreckung aufrecht zu erhalten und gleichzeitig das Potential, „den Schutt noch fünfmal umzudrehen während wir längst verdampft sind“ zu begrenzen.
START und ABM ließen eine Lücke für ein weiteres Wettrüsten, die Mittelstreckenraketen. Der INF Vertrag regelte dieses Problem. Das war auch deshalb wichtig, weil damalige ABM Systeme, wegen der kurzen Flugzeit der Kurz- und Mittelstreckensysteme, kaum geeignet waren, vor Angriffen mit diesen Raketen zu schützen.
Die Verhandlungen zum INF Vertrag waren langwierig und ab 1999 schon gab es gegenseitige Vorwürfe, sich nicht and die Vereinbarten Regeln zu halten.
Was dem INF Vertrag in jedem Fall die Grundlage entzog, das war die einseitige Kündigung des ABM Vertrags durch die USA im Jahr 2001, um im großen Stil neue ABM Systeme zu entwickeln und in Ländern Osteuropa zu installieren. Ohne ein eigenes ABM System bestand für die russische Seite eigentlich nur eine Möglickeit, bei der nuklearen Abschreckung nicht ins Hintertreffen zu geraten, und diese bestand in der Entwicklung von Trägersystemen, die das amerikanische ABM System überwinden konnten. Das haben sie dann mit dem Iskandersystem auch erreicht. Aber bei dessen Einführung war der INF Vertrag schon von beiden Seiten gekündigt worden.
Ich halte diese Entwicklung für umso tragischer, weil die Entwicklung des ABM Sytems auf amerikanischer Seite aufgrund technischer Probleme letztlich gescheitert ist. Die russische Seite hat zudem mit der Entwicklung der Hyperschallraketen zusätzlich neue Maßstäbe gesetzt. Diesen Rüstungswettlauf und vor allem die damit verbundenen Kosten hätten sich beide Seiten wortwörtlich sparen können. Mehr Sicherheit, vor allem für die europäischen Staaten hat man so jedenfalls nicht erreicht.
Interessante Diskussion hier:
Abrüstung: Ich denke, dass beide Ansichten zutreffen. Ja, Abrüstung im klassischen Sinne ist erstmal tot. Dennoch ist es gut, dass man mit der Geschichte mal begonnen hat, denn sie hat die Arsenale geleert und die Anzahl auf wartbare (!) Mengen reduziert. Kleiner Fortschritt, aber ein Fortschritt.
Minen/Ottawa: Minen sind die mit größte Gefahr auf dem Gefechtsfeld und und besonders danach, wehalb die Ottwa-Konvention sicher wichtig ist – überbewerten muss man sie nicht.
Die größten „Minenwerfer“ (USA, Russland, Süd Korea, ..) haben die Konvention NICHT unterzeichnet und die Minen von Liechtenstein, Andorra und Guinea Bissau sind eher vernachlässigbar.
Internationale Verträge allgemein: Es gibt leider nur noch wenige Staaten, die wie Deutschland, an ein regelbasierte Welt glauben.
Regeln sind dafür gemacht, die „Schwachen“ vor den „Starken“ zu schützen – blöd nur, wenn das den „Starken“ das nicht passt, weil er weder moralisch (Weltsicherheitrat), noch sonstwie eine Sanktionierung droht, die ihren namen auch verdient.
Fakt ist: Wer nicht an sich denkt, an den denkt auch sonst niemand. Das hinlänglich zitierte Beispiel der Ukraine, die ihre A-Bomben abgegeben hat (auch, weil sie sie, trotz vorhandener Expertise im Land, nicht sinnvoll hätten warten und einsetzen können), dafür eine „Sicherheitgarantie“ bekommen hat, deren Wertigkeit man täglich in den nachrichten begutachten kann.
Dass die UN auch heute eine „Schwatzbude“ ist (bin mir des Zitats bewusst) und diese Einschätzung vielleicht absehbar die gleichen Auswirkungen haben kann, wie weiland in den 1930er-Jahren, mag ich mir nicht ausmalen.
Es bleibt aber die alte Schulhofregel: Einen Bulli kann man nicht mit Worten (UN) oder wohlwollendem Ignorieren (Appeasement a la BSW, AfD & Co.) zum Einhalten bewegen, sondern nur mit Gewalt, Niederlage und Restriktion. (womit ich keinerlei Erniedrigung a al Versailles 1918 meine).
Zum Podcast: Herzlichen Dank!
Gerade diese „Exkursion zum theoretischen Überbau“ war sehr interssant und wichtig, weil sie zur Vereinheitlichung der Nomenklatur geführt und einige Ansätze erklärt und nicht weiter verklärt hat, auch wenn Carlo Masala an dieser Stelle in den Uni-Erklär-Modus und -Duktus gefallen ist ;-)
Also auch von mir: Mehr Theorie wagen!
„Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit und die Rüstungskontrolle.“
Es wird wohl auch in Zukunft so laufen das ein Land, das angegriffen und nicht direkt überrannt wird, völlig vorhersehbar (fast) sämtliche Waffenarten die sie vorher durch Verträge geächtet hatte plötzlich wieder produziert, einsetzt oder „sich besorgt“..
Noch kurz zum Thema Ukraine und die Bombe(n) anno 1994.
Wie weiter oben von „Bow“ schon anklang gab es viele Gründe für die Ukraine die „Sondermunition“ zurückzugeben.
Eine Atommacht war die Ukraine ja nie da die Atomcodes der Waffen sich in Moskau befanden. Und bei diesen Waffen auf Plutoniumbasis ist der einfach zu konstruierende „Guntype“ ja nicht möglich, sollte man sich mit schnellen Umbaulösungen getragen haben… Das ist heute gottseidank immer noch so…
Zudem tagten die Sicherheitsgremien in den USA seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Permanenz. Es ging um die tausenden von atomaren Sprengköpfen die über den gesamten Warschauer Pakt verstreut waren.
Wer hatte denn da zu welchem Zeitpunkt die Kontrolle ?
Jelzin ? Gorbatschow ? Oder doch irgendwelche lokalen Warlords ?
So klar ist das bis heute nicht.
Klar ist aber heute das die Ukraine vor diesem Hintergrund keine andere Wahl hatte als die stationierten Wasserstoffbomben zurückzugeben.
Ansonsten hätte die völlige politische Isolierung gedroht. Völlig egal welche „Zusicherungen“ es auch gab…
Im damaligen „Friedensklima“ konnte man auch völlig leichtfertig jedwede „Garantie“ abgeben….
Bei der Rüstungskontrolle wurde sich auf die „großen“ Verträge fokusiert. Diese funktionieren nicht mehr, aus verschiedenen gründen und es gibt da keinen alleinigen Schuldigen. Sie würden der heutigen Weltordnung auch nicht mehr richtig gerecht werden. Es fehlen einfach China und Indien als große Militärmächte mit sowohl großem konventionellem als auch atomaren Potential.
Was gerne vergessen wird (auch hier im Podcast) ist das Dayton-Agreement, das aus zwei Teilen besteht. Es ist nicht nur Friedensvertrag, sondern im zweiten Teil auch gleichzeitig Abrüstungsvertrag zwischen den Konfliktparteien. Und das hat gut funktioniert, mal mehr, mal weniger reibungslos, aber die Ziele sind erreicht worden, die Waffen zerstört. Und das ging vom Mörser 76mm bis zum KPz.
Dass das nicht ausreicht, um eine Region in ewigen Frieden zu versetzen ist klar, aber es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin.
@Pio-Fritz:
Danke für die Erinnerung an Dayton – hatte ich komplett nicht mehr auf dem Schirm.
Stimmt aber schon, dass die Abrüstungsszenarien andere sein müssten, wenn es sie denn gäbe.
In den 90ern war die Sicherheitlage so, dass die Panzerwalze der „Soviets“ auf die Panzerwalze der NATO auf deutschem Gebiet getroffen hätte. Das war das einzige gedachte Kriegsszenario überhaupt:
China, Indien & Co. waren maximal Regionalmächte mit niedrigem militärischen Niveau und im Nahen Osten rannten ein paar Freischärler mit RPG7 und AK47 durch die Gegend.
Regional nervig – global unbedeutend, da Reichweite sehr begrenzt.
(Ich weiß, ich polemisiere und vereinfache hier stark)
Heute sind die Bedrohungen vielfältiger, Kriege hybrider und werden allgemein mit einem breiteren Waffenmix geführt, deren Reichweite nicht mehr größenabhängig ist.
Mehr Akteure haben mehr Waffen für verschiedenste Szenarien gebunkert (wörtlich zu nehmen). Und diese sind nicht in ein hinlänglich berechenbares System eingebunden, sondern agieren teils erratisch, teils fanatisch und teils narzisstisch.
Die Variablen sind also exorbitant gestiegen, so dass Waffenkontrolle (abhängig von der geopolitischen Lage) eine einseitge Schwächung bedeuten würde/könnte.
Entscheidend für jegliche Rüstungskontrolle ist doch ein gewisses Grundvertrauen. Egal auf welchen Konflikt wir auch schauen. Es fehlt an einem Mindestmaß an Vertrauen. Dazu muss man natürlich auch mal etwas gönnen können, ein jeder sollte auch mal seinen Stich bekommen. Ein Blick in den Sicherheitsrat der UN lehrt uns aber etwas ganz anderes. Keiner gönnt dem Anderen auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel. So wird das nichts, das ist die alltäglich zu besichtigende Realität.
Noch eine unappetitliche Anmerkung:
Auf arte kam vor kurzem im TV und immer noch in der Mediathek eine Dokumentationen über den Koreakrieg, die drei Diktatoren über Jahrzehnte des Familienclans und die Bombe.
Dargestellt wurde u.a. die nordkoreanische Sicht das der Aufstieg zur Atommacht in einem Fall zur anerkannten UN Veto-Macht führte, ein guter Ansporn…. Etwas verklärt dargestellt aber:
Bekannterweise sind die heutigen „offiziell anerkannten“ 5 Vetomächte eine Auswahl der Siegermächte des zweiten Weltkriegs: USA, GB, F, RUS, China.
Damals 1945 war nur die USA Atommacht. Es folgten die anderen bis in die 1960er Jahre. Alle anderen Atommächte außerhalb dieser fünf ( Indien, Pakistan, Israel & Nordkorea ) sind NICHT mit dem Veto-Recht ausgestattet.
Im Fall von China wurde Taiwan in den 1970ern ausgeschlossen ( wurde vorher mit China in einem genannt ). Anträge gab es seitens China in Permanenz. Ging aber erst durch nachdem die USA nicht mehr dagegen war…
Ob das mit dem Aufstieg zur Atommacht zusammenhing, wer weiß…
Aber unabhängig davon sind heute die Vorzüge als Atommacht dermassen eklatant das sicher keiner der heutigen neuen Atommächte darauf verzichten würde…
Der wichtigste Stein der Abrüstung wird wohl leider nie eingesetzt werden…
Das Vetorecht im Sicherheitsrat garantiert einerseits den globalen nuklearen Frieden (weil keine der Atommächte, die ständiges Mitglied sind, einseitig so nachhaltig ausgebootet und niedergestimmt werden kann, dass der Griff zur Atombombe attraktiv wäre), andererseits verhindert es einen dauerhaften Frieden unterhalb der Schwelle zum all-out Atomkrieg, weil damit zugleich auch jegliches wirklich wirksame völkerrechtliche Korrektiv gegenüber einer Vetomacht fehlt, die sich schlicht nicht um das Völkerrecht schert.
Beispiele gibt es da auf jeder Seite in der Vergangenheit zu genüge. USA, Frankreich, UK, Sowjetunion/Russland und auch China haben bei jeder Entscheidungsfindung damit einen wirksamen Schraubenschlüssel, den sie jederzeit ins Getriebe werfen können. Ein „Unfall“, wie der Koreakrieg, der bekanntlich nur zustandekam, weil die Sowjetunion ihren Sitz vakant beließ und damals der ständige Sitz Chinas noch durch Nationalchina besetzt war, dürfte in der heutigen Konstellation wohl kaum noch realistisch sein. Irgendwer wird sein Veto immer erklären, und sei es nur, den anderen den weltpolitischen Erfolg nicht zu gönnen.