Finnland übt Gesamtverteidigung (und sperrt dafür ne Woche die Autobahn)
In diesen Zeiten schaut man schon genauer hin, was das neue NATO-Mitglied Finnland mit seiner langen Grenze zu Russland für seine Verteidigung tut. Für Ende Juli hat das finnische Heer eine Übung angekündigt, an der neben dem Militär alle möglichen Behörden, Kommunen und ein Baukonzern teilnehmen. Und ein Teilstück der Autobahn von der russischen Grenze westwärts wird für eine Woche gesperrt.
Die Mitteilung des Heeres vom (heutigen) Dienstag:
Bereitschaftseinheiten der Bodentruppen trainieren in Süd- und Nordfinnland
Die Bereitschaftseinheiten der Bodentruppen werden vom 21. bis 26. Juli in der Region Kaakonkulma im Rahmen der Übung South 2/24 unter der Leitung der Land War College und vom 22. bis 26. Juli in der Region Kaamanen-Näätämö im Rahmen der Übung Ryske unter der Leitung der Jääkäri Brigade trainieren.
Die Übung South 2/24 wird die Fähigkeit der Bereitschaftseinheiten zur Zusammenarbeit mit den Verteidigungsabteilungen, dem Grenzschutz und anderen Behörden verbessern. Ein besonderer Schwerpunkt der Übung wird die Interaktion mit anderen Behörden in einer schnellen Situation sein. An der Übung nehmen Truppen der Landkriegsschule, der Karelischen Brigade, der Kainuu-Brigade, der Panzerbrigade, der Pori-Brigade, des Kartin-Eisregiments und der Küstenbrigade sowie das Hauptquartier der Landstreitkräfte teil. Insgesamt werden rund 1700 Personen und etwa 300 Fahrzeuge an der Übung teilnehmen. Die Übung umfasst Kooperationsübungen mit den Behörden und Vorbereitungen für die Übung in Zusammenarbeit mit dem Grenzschutz, der finnischen Verkehrsbehörde, dem regionalen Entwicklungszentrum Südostfinnlands, Fintraffic, der Polizei Südostfinnlands, der Wohlfahrtsregion Kymenlaakso, der Gemeinde Virolahti und YIT. [Ein Baukonzern, T.W.]
Neben den Übungs- und Schießplätzen der Streitkräfte werden die Übungsteams auch auf öffentlichen Plätzen tätig sein, unter anderem im Bereich der Autobahn 7. Während der Übung wird die Autobahn 7 zwischen der Anschlussstelle Kattiläinen und der Anschlussstelle Vaalimaa vom 22. Juli um 8 Uhr morgens bis zum 30. Juli um 16 Uhr nachmittags gesperrt. Der gesperrte Abschnitt der Autobahn 7 ist durch die Umleitung 170 gekennzeichnet. Die Übungstruppen und ihre Ausrüstung werden auch auf anderen öffentlichen Straßen zu sehen sein, wenn sie sich auf den Hin- und Rückmarsch begeben.
Bei der Übung South 2/24 wird geflogen.
Die Übung RYSKE der Bereitschaftseinheit der Jägerbrigade wird die Einsatzfähigkeit der Bereitschaftseinheit in der Region Kaamasen verbessern. An der Übung werden Truppen der Jääkäri-Brigade und der norwegischen Streitkräfte teilnehmen. Die Gesamtstärke der Übung beträgt etwa 250 Personen und 25 Fahrzeuge.
Die Übungen sind Teil der jährlichen Ausbildungsaktivitäten des Ausbildungsplans und werden zweimal im Jahr stattfinden.
(übersetzt mit deepl.com)
Interessant, wenn auch angesichts der schon vor dem NATO-Beitritt bestehenden Verteidigungsbereitschaft des Landes kaum überraschenden Übung ist nicht nur die Einbindung vieler nicht-militärischer Akteure. Auffällig ist die einwöchige Sperrung eines Stücks der Autobahn, die die Verbindungsachse von Wyborg in Russland bis zur finnischen Hauptstadt Helsinki darstellt.
Was in diesem Umfeld die Interaktion mit anderen Behörden in einer schnellen Situation bedeutet, ist vorstellbar. Auf die Nachricht zu dieser Übung bin ich durch einen Tweet (oder wie das inzwischen heißt) von Charly Salonius-Pasternak vom Finnish Institute of International Affairs gestoßen, der unter anderem auf eines hinweist: Die finnischen Hauptverkehrsstrecken, schreibt er, seien an neuralgischen Punkten wie Brücken mit vorbereiteten Sprengschächten versehen, die sehr schnell aufmunitioniert werden könnten. Das gab’s hierzulande vor Jahrzehnten auch mal.
(Grafik: Karte mit der Autobahn A7 von der finnisch-russischen Grenze bis nach Helsinki; die Anschlussstellen, zwischen denen die Autobahn für die Übung gesperrt wird, sind markiert – Karte OpenStreetMap)
So geht Gesamtverteidigung!
Nur zur Info: auch die Schweiz hat letztens eine Autobahn gesperrt da ein Teilstück in einen Behelfsflugplatz umgewidmet wurde:
https://www.srf.ch/news/schweiz/luftwaffenuebung-auf-der-a1-heute-rollen-auf-der-a1-kampfjets-die-wichtigsten-antworten#:~:text=Das%20Wichtigste%20zur%20%C3%9Cbung&text=Juni%202024%2C%2021%20Uhr%2C%20bis,live%20(siehe%20weitere%20Informationsbox).
Allerdings nicht für einen solch‘ langen Zeitraum („nur“ drei Tage).
(Ups, beim Löschen des Massenanfalls von Spam habe ich glaube ich auch irrtümlich einen echten Kommentar entfernt. Bitte um Nachsicht, ggf. noch mal einstellen. Sorry. )
Bevor jetzt alle darüber lobend herfallen, und ia Finnland macht viel richtig….
Erstens ist die Grenze zu Russland zu, die Autobahn folglich leer. Zweitens läuft direkt parallel dazu eine Landstraße an der die Anwohner sowieso entlangfahren. Es ist also in etwa so spektakulär als wenn die Bundeswehr auf den Zubringern der A45 Brückenneubauten wochenlang üben würde… Da fährt momentan auch nix.
Die Finnen sind heute das, was die alte Bundesrepublik bis 1989 notgedrungen war.: sie stehen direkt am potenziellen Gegner. Und unsere damaligen Übungsszenarien und -intensitäten waren, bei einer angenommenen Vorwarnzeit von drei Tagen, vermutlich ähnlich umfassend. Erst die Teilnahmen an WINTEX/CIMEX 1987 und 1989 haben mir seinerzeit den gesamtgesellschaftlichen Ansatz unserer Gesamt-Verteidigungsplanungen vor Augen geführt. Zugleich jedoch deren Unglaubwürdigkeit hinsichtlich Flüchtlingsbewegungen aus dem grenznahen Raum (ich stamme aus dem Dannenberger Zipfel und hätte u.a. diesen als Angehöriger der 3. PzDiv verteidigt) und der tatsächlich deutlich zu wenig vorhandenen Zivilschutzmöglichkeiten sehr eindeutig aufgezeigt.
Oops…
Jetzt kommen diese „Sprengschächte“ aus dem kalten Krieg wieder…
Die gibt es bisweilen noch in älteren westdeutschen Autobahnbrücken. Das waren entweder 500 bis 1000 kg TNT oder auch nukleare Sprengsätze an Autobahndreiecken oder Kreuzen.
#schauder#
Nach den F16 Problemen ( wo stationieren bei den hohen Anforderumgen an die Start und Landebahn-Qualität ) in der Ukraine bin ich sicher das zumindest die Diskussionen über die Behelfsflugplätze auf dt. Autobahnen die es im kalten Krieg noch zahlreich gab in militär. Planungskreisen wieder angelaufen ist…
Behelfsflugplätze auf Autobahnen gab es auch in der ehemaligen DDR. Die kannten unsere und wir deren. In den ersten Wochen nach der Vereinigung bin ich im Dienstwagen mit einer low level flying map der NATO gefahren, die hatte sichtbare Geländemarken und hohe Bauwerke, Hochspannungstrassen und natürlich Straßen, bestimmte Abschnitte der Autobahn waren als emergency / reserve landing spot markiert.
Vor Ort real erkennbar an Parkplätzen am oberen und unteren Ende ohne Unterteilung (flache Teerung oder Betonfläche!) und Zufahrt dazu aus dem Gelände neben breiter Ausfahrt / Auffahrt auf die Autobahn. Auf der Autobahn komplette Teerung oder Beton auch in der Mitte und entfernbare Leitplanke.
Das mit der Behelfspiste auf der Autobahn gab’s in den 80ern bei Ahlhorn auch öfter. Und auch anderswo, etwa in Schleswig-Holstein waren viele Autobahnen mit längeren geraden Teilstücken und herausnehmbaren Leitplanken in der Mitte hierfür vorbereitet.
Ja ja die Behelfslandeplätze auf der Autobahn… Schweden, Polen, Balten und Finnen brauchen die…. wir heute nicht mehr sondern genug FlaRak um die Plätze zu schützen über die dann die NATO Logistik rollt oder die Amis nach der Atlantik überquerung aufgenommen werden.
Ausweich Plätze braucht man in Frontnähe wenn man befürchten muss das die regulären Plätze von feindlicher Luftlande Truppe bedrängt werden.
@Azza sagt: 10.07.2024 um 0:39 Uhr
„Bevor jetzt alle darüber lobend herfallen, und ia Finnland macht viel richtig….“
man kann natürlich immer das berühmte Haar suchen…. Ein wesentlicher Unterschied zu Finnland – wir haben gar keine nennenswerte Reserve, die da üben kann. Deshalb brauchen wir das auch nicht.
Wer Sarkasmus findet, darf diesen behalten.