Fürs Archiv: Mehr Fehlschüsse der „Hessen“ als bekannt

Bei ihrem Einsatz in der EU-Mission Aspides im Roten Meer hatte die Fregatte Hessen mehr Fehlschüsse zu verzeichnen als bisher bekannt. Nach Darstellung des Fachmediums Marineforum hatten nicht nur die Flugkörper vom Typ Standard Missile 2 (SM2), sondern auch vom Typ Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM) technische Probleme.

Über die Schwierigkeiten an Bord des Kriegsschiffes in der vergangenen Woche berichtete das Marineforum am (gestrigen) Dienstag ausführlich auf seiner Webseite. In dem Beitrag wird erwähnt, dass die Hessen am 27. Februar zwar erfolgreich eine Drohne vermutlich der Huthi-Milizen aus dem Jemen mit ihrer Bordkanone bekämpfte – aber zuvor der Versuch der Abwehr mit ESSM gescheitert war:

Zunächst hatte das Schiff ein unbemanntes Luftfahrzeug auf seinem Radar erfasst und wohl kurz danach mit dem bis zu 30 Seemeilen (55 Kilometer) reichenden Evolved Seasparrow Missile ESSM bekämpft – mit gleichem negativen Ergebnis wie am Vortag – und anschließend die Drohne mit dem 76mm-Bordgeschütz abgeschossen. 15 Minuten später wurde eine weitere Drohne im Anflug erfasst, gegen die das Nahbereichs-Abwehrsystem RAM (Rolling Airframe Missile) angesetzt wurde und das unbemannte System zerstörte.

Am 26. Februar hatte das Schiff eine unbekannte Drohne erfasst und zwei SM2-Abfangraketen darauf abgefeuert. Beide Flugkörper verfehlten das Ziel: eine MQ9 Reaper-Drohne der US-Streitkräfte, die offensichtlich ohne Abstimmung mit den US-Marineeinheiten in dem Seegebiet unterwegs war.

Während die Fehlschüsse mit den SM2 von Verteidigungsministerium und Marine eingeräumt wurden, hatte es keine Angaben zu den Problemen mit der ESSM gegeben.

Die Aussagen von Ministeriumssprecher Michael Stempfle dazu in der Bundespressekonferenz am 28. Februar:

Frage: Könnten Sie vielleicht erklären, was genau passiert ist? Wurde die Fregatte „Hessen“ beschossen, oder wurde ein Frachtschiff beschossen, oder war eine Drohne aus Jemen nach Israel unterwegs? Vielleicht können Sie das ein bisschen erklären.

Stempfle: Ich kann versuchen, dazu etwas zu sagen. Grundsätzlich reden wir von gestern Abend. Da wurden in der Tat zwei Drohnen nacheinander registriert. Das war ungefähr 8 Uhr abends unserer Zeit. Die wurden als unbemannte Drohnen im Abstand von 20 Minuten erfasst und dann erfolgreich bekämpft. Die wurden durch das Radarsystem erkannt und hatten eine unterschiedliche Entfernung. Deswegen gab es auch zwei unterschiedliche Waffen, die da zum Einsatz kamen. Bei der ersten unbemannten Drohne war es das Bordgeschütz. Da wurde die Drohne mit einer 76‑Millimeter-Patrone sozusagen erfolgreich bekämpft. 20 Minuten später wurde dann die zweite Drohne mit einem Nahbereichsverteidigungssystem mit dem Namen RAM bekämpft. So viel kann ich sagen.

(…)

Frage: Ist das eigentlich der erste Vorfall gewesen, seitdem die Fregatte „Hessen“ unterwegs ist? Ich habe es so verstanden, dass das der erste Abschuss von Drohnen ist. Aber es kann ja sein, dass es vorher auch schon einen anderen Zwischenfall gegeben hat.

Stempfle: Es gab in der Tat schon einen Zwischenfall, einen Tag davor. Auch da gab es sozusagen eine Sichtung einer Drohne, bei der zumindest nicht klar war, ob die gefährlich werden könnte. Es gab da eine Abfrage unter den Partnern oder unter den Verbündeten, die dort gemeinsam im Einsatz sind. Es gab auch den Versuch, diese Drohne abzuschießen. Das ist aber dann nicht gelungen. Der Fall hat sich insofern aufgelöst, als es keine Drohne war, die feindlich war, wie sich aber erst im Nachhinein herausgestellt hat. Das war, wie gesagt, am Tag zuvor, vorgestern, von heute aus gerechnet. Die Analyse hat stattgefunden. Es wurde geschaut: Warum konnte man das nicht eindeutig zuordnen? Wenn man so will, ist die Schwäche behoben.

Und die Marine berichtete auf ihrer Webseite am 1. März:

Am 26. Februar 2024 wurde durch die Fregatte eine Drohne mit Lenkflugkörpern bekämpft. Alle Kriterien für die Bekämpfung waren erfüllt: Die Drohne befand sich im direkten Anflug ohne eine Freund-Feind-Kennung. Die Entscheidung zur Bekämpfung erfolgte in enger Koordination mit den im Seegebiet stehenden verbündeten Einheiten und den entsprechenden Befehlsstellen. Die Flugkörper konnten nicht ins Ziel gebracht werden. Dies ist nach Erstbewertung auf einen technischen Fehler an Bord der Fregatte zurückzuführen. Der Fehler wurde rasch identifiziert und konnte unmittelbar behoben werden. Defizite in der Wirkungskette des eingesetzten Waffensystems bestehen nicht.

Am Folgetag, dem 27. Februar 2024, patrouillierte die „Hessen“ im südlichen Roten Meer in der ihr zugewiesenen Region. Gegen 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit erfasste sie eine unbemannte Drohne. Kurz darauf wurde diese erfolgreich bekämpft. Rund eine Viertelstunde später erfasste die Fregatte eine zweite Drohne, die sich im Anflug auf das Schiff befand. Diese wurde ebenfalls erfolgreich bekämpft.

Eine Bestätigung für Einsatz und technisches Versagen der ESSM gibt es offiziell bislang nicht. Auch nach Darstellung des Marineforums wurden die technischen Fehler, die zu den Fehlschüssen der beiden weit reichenden Waffensysteme führten, inzwischen behoben: Für die weiteren Entfernungen wurde die für SM-2 und ESSM gültigen Feuerleit-Algorithmen angepasst.

(Hinweis: In unserer Diskussion des Einsatzes im Roten Meer im  Podcast Sicherheitshalber am gestrigen Dienstag kannten wir den Bericht des Marineforums bei der Aufzeichnung noch nicht und haben diesen Punkt deshalb dort nicht erwähnt)

(Archivbild April 2018: The Sachsen-class German Frigate FGS Hessen (F 221) transits the Atlantic Ocean. Hessen is underway for a scheduled deployment as part of the Harry S. Truman Carrier Strike Group – U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Tyrell K. Morris)