Schwere Brigade für Litauen: Zwei Bataillone aus Deutschland gehen ins Baltikum (Zusammenfassung)
Die Bundeswehr will in Litauen dauerhaft eine schwere Kampfbrigade stationieren und dafür zwei bereits bestehende Kampftruppenbataillone aus Deutschland in das baltische Land verlegen. Als drittes Kampfbataillon soll die bereits bestehende multinationale Battlegroup der NATO in die Brigade integriert werden, die Deutschland für den Schutz der NATO-Ostflanke zugesagt hat.
Verteidigungsminister Boris Pistorius machte am (heutigen) Montag die Entscheidung bekannt, das Panzerbataillon 203 aus Augustdorf und das Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach als Kern der neuen Brigade dauerhaft in Litauen zu stationieren. Der Verband mit der Bezeichnung Panzerbrigade 42 soll nach den Worten des Ministers rund 4.800 Soldaten und Soldatinnen stark sein und durch 200 zivile Mitarbeiter aus Deutschland ergänzt werden.
Mit der Festlegung der beiden Bataillone, die aus ihren deutschen Standorten ins Baltikum verlegt werden, nimmt die zugesagte Brigade Struktur an. Pistorius hatte im Juni überraschend angekündigt, dass die Bundeswehr nicht wie zuvor geplant nur rotierende Einheiten aus Deutschland nach Litauen schicken werde, sondern die Brigade dauerhaft dort stationieren wolle. Grundsätzlich hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und der litauische Präsidenten Gitanas Nausėda bereits im vergangenen Jahr auf eine deutsche Verstärkung der NATO-Nordostflanke verständigt; allerdings hatte Litauen darauf gedrungen, dass es eine feste Stationierung geben müsse.
Bislang ist die Bundeswehr bereits mit wesentlichen Teilen der NATO-Battlegroup in der so genannten enhanced Forward Presence (eFP) in Litauen präsent. Diese halbjährlich rotierenden Truppenteile, die außer von Deutschland auch von anderen NATO-Partnern gestellt werden, sollen einen Teil der neuen Brigade bilden – allerdings bis auf Weiteres auch unverändert alle sechs Monate ausgetauscht werden.
Über den endgültigen Stationierungsort der Brigade ist noch nicht entschieden, nach Angaben des Verteidigungsministeriums kommen dafür die Umgebung der litauischen Hauptstadt Vilnius und/oder der Großstadt Kaunas infrage. Dafür war offensichtlich auch ausschlaggebend, dass bei einer dauerhaften Stationierung Möglichkeiten für den Mitzug von Familienangehörigen geschaffen werden müssen – sowohl Kindertagesstätten als auch Schulen sowie Arbeitsmöglichkeiten für die Partner von Soldaten und Soldatinnen.
Die Festlegung auf die Verlagerung von zwei bereits bestehenden Bataillonen aus Deutschland nach Litauen macht deutlich, dass die Bundeswehr mit der angekündigten Neuaufstellung der Litauen-Brigade auf bestehende Organisationsstrukturen zurückgreifen will. Sowohl das Panzerbataillon 203 als auch das Panzergrenadierbataillon 122 werden ihre bestehenden Waffensysteme mitnehmen: Die Panzergrenadiere sind mit dem Schützenpanzer Puma ausgestattet; das Panzerbataillon hatte einen Großteil seiner Leopard 2A6-Kampfpanzer an die Ukraine abgegeben und erhält dafür neue Leopard 2A8, die mit nach Litauen gehen.
Wie die Verlegung von Einheiten und Gerät über die Kampftruppen hinaus ablaufen wird, ist noch offen: Zu der Brigade sollen auch ein Panzerartillerie- und ein Kampfunterstützungsbataillon sowie ein Feldhospital als Role 2 gehören, die voraussichtlich komplett neu aufgestellt werden müssen. Darüber hinaus ist für die Brigade die Unterstützung mit bodengebundener Flugabwehr im Nahbereich vorgesehen, die bislang in der Bundeswehr Mangelware ist.
Die neue Brigade soll voraussichtlich Anfang 2025 formell in Dienst gestellt werden; wie schnell sie komplett aufgestellt sein wird, hängt unter anderem vom Fortschritt beim Aufbau der Infrastruktur ab. Litauen hatte zugesagt, die nötigen Voraussetzungen vor allem für Unterkünfte, Unterbringung des Materials und Übungsmöglichkeiten so schnell wie möglich zu schaffen. Im kommenden Jahr soll laut Verteidigungsministerium im zweiten Quartal ein Aufstellungskommando und im vierten Quartal der Aufstellungsstab in Litauen eingerichtet werden.
Die Litauen-Brigade wird zwar dauerhaft im Baltikum stationiert, soll aber Teil der Kräfte werden, die Deutschland der NATO als schnell verfügbare Einheiten zusagt. Ein Einsatz ist damit nicht auf diese Region beschränkt.
Für den Abzug der beiden Bataillone aus Deutschland sollen die Standorte Augustdorf und Oberviechtach entschädigt werden. In Augustdorf wird dafür das Panzerartilleriebataillon 215 neu aufgestellt; das bereits bestehende Panzerartilleriebataillon 131 wird aus Weiden nach Oberviechtach verlegt.
(Archivbild Februar 2023: Pistorius beim Panzerbataillon 203 in der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf – Thomas Imo/photothek.net)
Die Heeresgruppe Kurland hat 1945 noch gekämpft, als Berlin schon lange kapituliert hat.
Daher würde ich die Lage einer deutschen Brigade im Baltikum nicht so pessimistisch beurteilen. Man muss natürlich ordentlich Versorgungsgüter bevorraten.
@Küstengang01, also mit dem haushoch überlegen wäre ich mir nicht so sicher. Ansonsten haben sie aber recht, die einzige Wahl die die Russen in der Ostsee noch haben werden ist die in wessen Waffenreichweite was sich bewegen wollen.
@Gehilfe Großer Generalstab
„Wo liegt unser SP – bei LV und dann BV“?
Es besteht keine Priorisierung LV vs BV. Beide bilden ein Begriffs- und Verständnispaar der Doktrin des Bündnisses, das sich via Art 5 erklärt. Die PzBrig 42/Litauen wird künftig im Kriegsfall eine BV Funktion an der Ostflanke inne haben und damit gleichzeitig LV durchführen.
Im zentralen „Großer Generalstab“ in Berlin konnten dies strategische Verständnis auch Gehilfen erfassen; die 1. Abteilung befasste sich mit dem russischen Kaiserreich.
Dort ist zwar nicht mehr nachzufragen, kaum aber wäre ein Gehilfe = GenstOffz auf die fatale Künstlichkeit einer Trennung LV oder BV verfallen, bedeutete sie doch die Entkoppelung vom Bündnis in 🇩🇪 gesamtstrategischer Ausrichtung.
Aus den soeben erlassenen VPR:
„Die Russische Föderation bleibt ohne einen fundamentalen inneren Wandel dauerhaft die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum“.
Verstanden werden darf, die RF in Ausrichtung ihrer Militärdoktrin bedroht das Bündnis, damit auch die Bundesrepublik Deutschland als zentralen Partner innerhalb der NATO.
Spannend bleibt die Frage, wie diese beiden Kampftruppenbattalione in Deutschland ersetzt werden. Das Artillerie die Standorte übernimmt, ist eine Sache…aber 2 Brigaden(Herr 2025) in Deutschland haben damit nur noch 3 Kampftruppenbattalione und damit weniger Kampfkraft….
@Glückauf
„Nur“ drei Bataillone an Kampftruppe ist Standard in den Brigaden des Heeres.
Die Zuordnung von einem vierten Btl ist der aktuellen Brigade-Struktur und deren Anzahl geschuldet.
Zwar wäre mit den vierten Btl insgesamt eine weitere DEU Brig aufstellbar, kaum aber bei erforderlichen BrigEinh.
Die zwei bi-nationalen Brig (mech/mittlere), 43 NLD und D/F machen das Dilemma deutlich.
Also, drei Btl Kampftruppe ist gut. Ein Vorteil ergibt sich sogar über die kleinere Führungsspanne für den BrigKdr.
@Panzerballett, 07.11.2023 um 12:08 Uhr
What? LLPzAbwKp 270 ?
Wann und wo sollte diese selbständige Einheit der ehemaligen LLBrig 27/später 31 der Lehrbrigade 9 unterstanden haben?
Des weiteren stolpere ich hierbei über die Größenordnung der Einheit! Wenn überhaupt gab es die Fallschirmpanzerabwehrbataillone (FschPzAbwBtl) 283 (X25), 262 (X26) oder 272 (X27/31)….. eine LLPzAbwKp 270 entzieht sich meiner Kenntnis…
@Heiko Kania
Selbst ich als geschulter, kann mit ihren eigenen Abkürzungen nur beim zweiten Durchlesen einen Zusammenhang erkennen um wen es sich tatsächlich halten soll! Für die Ungeübten/Ungeschulten Mitleser hier, wäre die Verwendung gebräuchlicher Abkürzungen schon fein…
@0815
Die LLPzAbwKp 270, Hindenburg-Kaserne Munster, unterstand in der F-Gliederung der PzLehrBrig 9 zum Zweck der Darstellung der LLPzAbw im Lehrbetrieb und besonders bei regelmäßigem Besuch Alliierter.
Die LLPzAbwKp, meine NachbarKp der PzJgLKp 90, gehörte während eingenommener Heeresstruktur 4 zur L 9 und wurde 1983 in Wildeshausen aufgelöst.
Oberst Henning Glawatz, 1997 Kommandoführer in der Operation Libelle/Albanien, war zu der Zeit mein Kon-ZgFhr als Olt im I./LLPzAbwKp 270.
Die Angaben von @Panzerballett bezüglich der Unterstellung treffen zu 100% zu.
0815 sagt am 12.11.2023 um 14:57 Uhr
„@Panzerballett, 07.11.2023 um 12:08 Uhr
What? LLPzAbwKp 270 ? …“
Heeresstruktur 3 (1970 bis 1979). Mit Einnahme der Heeresstruktur 4 wurden diese aufgelöst und dafür in den Fallschirmjägerbataillonen Fallschirm-Panzerabwehrkompanien gebildet.
[So, danke, – das gilt Ihnen wie den vorangegangenen Kommentaren dazu: diese Details haben wir jetzt in erschöpfender Tiefe hier behandelt. T.W.]
@Wolfgang
„An Russlands Stelle würde ich das als Vorbereitung eines Angriffskrieges Werten. Sind wir schon wieder so weit?“
Was Russland wertet. Als ob wir darauf einen Einfluss hätten. Wir haben lange genug die Augen vor der Realität verschlossen, weil wir einfach nicht sehen wollten, was uns aus dem Friedenstraum hätte reissen können.
Dazu schreibt das ISW am 12.11 : „….while also pursuing long-term restructuring to prepare for a potential future large-scale conventional war against NATO.“
Ja, wir sind wieder soweit, aber nicht weil wir einen Angriffskrieg wollen, sondern weil Russland sich zu einem unberechenbaren Aggressor entwickelt hat. Im Kalten Krieg war die Alt-Herrenriege im Politbüro kalkulierbarer, als dieser chaotische Alleinherrscher Putin.
Wir müssen jetzt alles tun, damit wir nicht wie die Ukrainer eines Morgens aufwachen und feindliche Truppen ins Land marschieren.
Ähnliche Entwicklung an der Süd-Ostflanke? Ein Aufwuchs der Multinational Battlegroup Bulgarien auf Brigadegröße soll geplant sein.
Die Multinational Battlegroup Bulgarien gehört zu den vier, als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, an der NATO-Ostflanke aufgestellten Gefechtsverbänden.
Bisher sind unter Führung des (ITA) 6. Bersaglieri Regiment andere Truppensteller aus Albanien, naturgemäß Bulgarien, aber auch Griechenland und Montenegro beteiligt, sowie Nord-Mazedonien und die USA.
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