Munition für die Bundeswehr: Einkauf läuft an
Die Engpässe der Bundeswehr vor allem bei großkalibriger Munition sind schon lange kein Geheimnis mehr. Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages in den vergangenen Wochen Geld für die (Nach)Beschaffung von Artillerie- und Panzergranaten freigegeben hat, wurden nun die entsprechenden Verträge unterzeichnet. Zur Dokumentation und fürs Archiv ein Überblick mit Firmenangaben aus dieser und der zurückliegenden Woche:
Aus der Mitteilung von Rheinmetall vom (heutigen) 18. Juli:
Die aus dem Krieg in der Ukraine entstandene Notwendigkeit, die Munitionslager der Streitkräfte wieder zu füllen, bringt Rheinmetall Großaufträge im Bereich der Artilleriemunition.
Die Bundeswehr hat Rheinmetall nun mit der Lieferung großer Stückzahlen an Gefechts- und Übungsmunition für die artilleristischen Kräfte im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro brutto beauftragt. Zwei Verträge darüber wurden nun in Koblenz beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) unterzeichnet.
So hat Rheinmetall einen neuen Rahmenvertrag über die Lieferung von 155mm-Artilleriemunition erhalten, zudem wurde ein bestehender Rahmenvertrag erweitert. Insgesamt ist die Lieferung mehrerer hunderttausend Geschosse sowie von Zündern und Treibladungsmodulen unterschiedlicher Typen vorgesehen. Der neue Rahmenvertrag hat eine Laufzeit bis ins Jahr 2029 und ein potenzielles Auftragsvolumen von rund 1,2 Mrd Euro brutto.
Weiterhin hat die Bundeswehr den bestehenden Rahmenvertrag über DM121-Artilleriegeschosse erweitert. Damit verbindet sich – zusätzlich zum obigen Rahmenvertrag – ein Auftragsvolumen von rund 137 Mio Euro brutto. Der bestehende Rahmenvertrag erhöht sich somit von 109 Mio Euro auf einen Wert von insgesamt 246 Mio Euro brutto.
Das DM 121-Sprenggeschoss mit insensitiven Eigenschaften wird auch für Ausbildung und Übung genutzt.
Erste Bestellungen aus dem genannten Rahmenvertrag für Gefechts- und Übungsmunition sind bereits unmittelbar im Zuge der Vertragsunterzeichnung abgerufen worden. Die Auslieferung dieser Geschosse im Wert von 127 Mio Euro brutto soll kurzfristig erfolgen. (…)
Im Munitionsbereich bietet Rheinmetall eine Munitionsfamilie an, zu der u.a. das Sprenggeschoss DM121, das Nebelgeschoss DM125 und die Suchzündermunition DM702 SMArt (eine Entwicklung mit Diehl Defence) sowie das Übungsgeschoss RH68 und die reichweitenoptimierten Nebelgeschosse RH1901 und RH1902 gehören. Ebenso befindet sich die vielseitige 155mm Assegai Artilleriemunitionsfamilie aus dem Hause Rheinmetall Denel Munition im Produktportfolio. Sie umfasst insensitive Munition (IM), konventionelle Sprenggeschosse (High Explosive/HE) sowie Nebel-, Leucht-, Infrarot-Leucht und weitere Geschosse. Die Assegai-Familie weist in der jeweiligen Konfiguration Boat Tail (BT) und Base Bleed (BB) eine ballistische Gleichheit auf. Diese gewährleistet, dass das gesamte Munitionsspektrum auf die volle Reichweite von rund 40 Kilometern genutzt werden kann. Mit dem Rahmenvertrag wird die bewährte Assegai-Munitionsfamilie in die Bundeswehr eingeführt.
Ebenfalls um 155mm-Munition geht es in der Mitteilung der Firma Diehl Defence vom 12. Juli:
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und die Arbeitsgemeinschaft Diehl Defence / Nammo AS (ARGE DiNa155mm) haben am 10. Juli einen
Rahmenvertrag für die Beschaffung von 155mm Artilleriemunition unterzeichnet. (…)
Bei dem DiNa155mm-Geschoss handelt es sich um ein modernes, in Norwegen entwickeltes und qualifiziertes Sprenggeschoss der neuen Generation, welches in mehreren Ländern eingeführt ist und sich
bereits im Einsatz bewährt hat. Das DiNa155mm ist ein auf Reichweite und Präzision ausgelegtes Geschoss, welches die artilleristischen Fähigkeitsforderungen der konventionellen Rohrartillerie im Bereich Wirkung erfüllt und mit seiner Modularität eine verlässliche und effiziente Flächen- und Punktzielbekämpfung ermöglicht.
Zudem erfüllt das DiNa155mm mit der Deep-Intrusion-Fähigkeit – also die Fähigkeit zur Aufnahme von Zündern mit langer Einschraubtiefe, u.a. zur Aufnahme von Lenkmodulen mit Zündfunktionen wie dem 2DGMArt – eine weitere Kernforderung der Artillerie und unterstreicht darüber hinaus seine Zukunftsfähigkeit.
Mit dem DiNa155mm erhält die Bundeswehr ein modernes und zukunftsfähiges Geschoss aus europäischer Produktion, welches alle Fähigkeitsanforderungen Deutschlands hinsichtlich Reichweite, Modularität und logistische Versorgungssicherheit erfüllt. Es bietet zusätzlich auch die Möglichkeit, moderne Zünder oder aber Kurskorrekturmodule zu adaptieren.
Eine weitere Mitteilung von Rheinmetall, diesmal zur Beschaffung von 120mm-Panzermunition, vom 13. Juli:
Die Bundeswehr hat einen bestehenden Rahmenvertrag mit Rheinmetall zur Lieferung von Panzermunition auf ein Volumen von rund 4 Mrd Euro ausgeweitet. Die Beauftragung unterstreicht die Rolle Rheinmetalls als bedeutender Lieferant der Bundeswehr im Bereich der 120mm-Panzermunition. Die Bestellung bringt das Bestreben der Streitkräfte zum Ausdruck, entstandene Lücken in den Beständen zu schließen und die Munitionsvorräte angesichts der sicherheitspolitischen Lage insgesamt zu erhöhen. Der Rahmenvertrag sieht auch die Lieferung einer signifikanten Menge an Panzermunition für die ukrainischen Streitkräfte vor.
Bis Ende 2030 können aus dem jetzt geschlossenen Rahmenvertrag mehrere hunderttausend Gefechts- und Übungspatronen unterschiedlicher Ausführungen im Kaliber 120mm x 570 beschafft werden, wie sie z.B. von der Hauptwaffe des Kampfpanzers Leopard 2 verschossen werden. Ein erster Abruf von Munition im Wert von rund 309 Mio Euro erfolgte unmittelbar mit der Vertragsunterzeichnung.
Zum Lieferspektrum zählt eine Mehrzweck-Panzermunition mit einem nicht programmierbaren Zünder sowie eine ebenfalls von Rheinmetall entwickelte Variante, die sich in drei Zündermodi programmieren lässt: Aufschlagzündung mit und ohne Verzögerung sowie Luftsprengpunkt. Die Beauftragung umfasst auch diverse Typen von Übungsmunition, die über eine reduzierte Reichweite verfügen und preisliche Vorteile bieten, aber ansonsten vergleichbare ballistische Eigenschaften haben.
(Archivbild: Ein Leopard 2A6 der Bundeswehr und eine Panzerhaubitze 2000 der litauischen Streitkräfte bei der Übung Griffin Storm in Pabrade/Litauen am 26.06.2023 – Thomas Imo/photothek.de)
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) 24.07.2023 um 19:51 Uhr
Heeresvorrat, ein guter, wohl vergessener Begriff!
Ich werfe eine weitere, über das Heer hinaus gehende, alte Grundregel ein:
Um all ihre Aufgaben erfüllen zu können, muss sich die Bundeswehr auf Munition von guter Qualität und in ausreichender Menge verlassen können. Von der Beschaffung über die Lagerung bis hin zur Verwendung und Entsorgung ist die Planung der Munition ein langer und komplexer Prozess.
Zusammengefasst: Keine Armee ist besser als ihre Munitionsvorräte
Warum stehen wir seit 2014 ohne ausreichende Munition da? Was wurde nachweisbar durch wen unternommen? Warum fangen wir erst jetzt an, wann werden wir mit dem komplexen Prozess fertig sein?
Ab wann also ist die Bundeswehr einsatzfähig? Bis dahin?
Das die Munitionsvorräte der BW seit Jahren nicht ansatzweise den geforderten NATO-Vorgaben entsprechen, ist schon sehr lange bekannt. Zu lange. Wie es aber genau um die aktuellen Bestände steht und welche Zusagen für die kommenden Jahre an die NATO gemacht wurden,darüber ist unverändert nichts bekannt.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hatte 2022 für die nächsten Jahre einen festen Fahrplan für die Neubeschaffung von Munition in einem zweistelligen Milliardenbetrag gefordert.
Das ist Geld ist nun wohl eingeplant.
Doch der Plan für die BW sieht nun wie aus? Proritäten? Zuläufe?
Die einzige Antwort ist derzeit noch Geld und Planbarkeit für die Industrie. Das ist gut, reicht jedoch nicht.
Mich interessiert sehr, was dazu bekannt ist. Das medial gern mal hochgelobte Eröffnen eines Munitionsdepots kann es doch allein nicht sein.
Keine Verteidigungsfähigkeit ohne gute Ausbildung und Übungen. Haben wir dafür genug Munition?
Bei der Ausbildung von ukrainischen Soldaten wird auch viel Munition benötigt. Ist genug da?
Die Munitionsbestände waren seit jeher Gegenstand komplexer Abwägungen, welche sträflich vernachlässigt worden. In der sogenanaten “Friedenszeit” zwischen dem Fall der UdSSR und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gab es für Deutschland keine Notwendigkeit, sich für einen großen Krieg zu rüsten.
Die Implikationen des Überfalls Russlands auf die Krim, 2014, wurden durch Poltik und Militär sträflich vernachlässigt
Klar ist, hätte man die Munitionsstände zwischen 1990 und heute permanent an der 30-Tages-Grenze gehalten, wären dafür hunderte Milliarden an Produktionskosten, Verwaltungskosten und Entsorgungskosten angefallen – Milliarden, die in anderen Bereichen gefehlt hätten. Da hat man sich lieber in der Politik um tagespolitische Themen bemüht und auch gern Wahlgeschenke gemacht. Die militärische Führung hat geschwiegen.
Ganz prominent: Staatssekretär Zimmer, der gerade als Erneuerer von Symposium zu Symposium eilt.
Nur zur Erinnerung:
2018 wurde Zimmer, zum beamteten Staatssekretär für Ausrüstung und Cyber/Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung ernannt, da war auch er für die Angelegenheiten der Abteilung Planung zuständig.
Von 2014 bis 2018 war Generalleutnant Zimmer Abteilungsleiter Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (AIN) imBMvg und zugleich nationaler Ausrüstungs-/Rüstungsdirektor (National Armament Director.
Das ist nur ein Beispiel!
Alle nichts gesehen, nichts gehört? Bitte nicht wieder nur die Politik. Stimmt, jedoch darf es nicht den Blick verstellen.
Doch nun konkret. Ab wann kann nun der erhöhte Ausbildungs- und Übungsbedarf mit Ausbildungs- und Übungsmunition vollumfänglich gedeckt werden?
Eine wesentliche Aufstockung der Munitionsvorräte bedeutet übrigens auch, mehr geeignete und vor allem ständig gesicherte Lagerorte betreiben zu müssen. Auch ist das Risiko von Diebstählen und Unterschlagungen signifikant höher, wenn es mehr Munition gibt, da Diebstähle kleinerer Mengen bei größeren Vorräten weniger stark in’s Gewicht fallen.