Bundeswehr-Sondervermögen und Digitalfunk: Geld allein macht nicht glücklich

Die veraltete Funktechnik der deutschen Landstreitkräfte – neben dem Heer auch die Logistik in der Streitkräftebasis und der Sanitätsdienst – ist seit Jahren ein Problem für die Bundeswehr: Schon die Kommunikation mit Verbündeten in gemeinsamen Einsätzen wie der NATO-Battlegroup in Litauen ist nur unter Einschränkungen möglich. Mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen, in dem Milliarden für die so genannte Führungsfähigkeit vorgesehen sind, sollte da eine schnelle Wende kommen. Inzwischen zeigt sich: Geld alleine macht nicht glücklich.

Weiterhin hakt es nämlich an der Einführung der Digitalisierung Landbasierter Operationen (DLBO), einem wesentlichen neuen und eben digitalen und verschlüsselten Kommunikationssystem für die Landstreitkräfte. Zwar gab der Haushaltsausschuss des Bundestages im vergangenen Dezember einen Rahmenvertrag mit einem Volumen von knapp 2,9 Milliarden Euro für die Beschaffung so genannter Führungsfunkgeräte frei. Dieser Vertrag, der an die deutsche Firma Rohde&Schwarz ging, wird allerdings vom französischen Konkurrenten Thales juristisch angefochten – inzwischen in der dritten Instanz. Damit verbunden und mit weitaus gewichtigeren Folgen hat der Bundestagsausschuss das ganze Haushaltskapitel für die DLBO-Beschaffung vorerst gesperrt.

Die für Außenstehende etwas undurchsichtige juristische und haushaltspolitische Gemengelange spitzt sich sichtbar zunächst in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu. Dort ging eine sofortige Beschwerde von Thales gegen die Funkgeräte-Vergabe ein; unter dem Aktenzeichen VII Verg 22/23 soll nach Angaben des Gerichts darüber am 8. November um 11.30 Uhr erstmals werden.

Zuvor hatte das Unternehmen die Vergabe direkt beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) gerügt und sich danach an die Vergabekammer des Bundeskartellamts gewandt – dem Vernehmen nach (und auch offensichtlich, sonst wäre der Schritt zum OLG nicht nötig) ohne Erfolg. (Eine Mitteilung des Kartellamtes gab es, im Gegensatz z.B. zur Entscheidung über das neue Sturmgewehr, dazu nicht.)

Nun hat, das ist das etwas Bizarre an diesem Fall, die juristische Auseinandersetzung vorerst keine Auswirkungen auf den Vertrag. Seit der Unterschrift von BAAINBw gleich nach der Billigung im Haushaltsausschuss im Dezember begann Rohde&Schwarz mit Herstellung und Auslieferung der bestellten Funkgeräte und wird dafür auch bezahlt. Die Vergabekammer des Kartellamtes stoppte die laufende Vertragserfüllung, also die Lieferungen, nicht.

Allerdings gilt, mittelbar eine Folge des Streits über diesen Vertrag, eine Sperre der Gelder für den Digitalfunk von Heer, SKB und Sanitätsdienst. Diese Sperre wiederum gilt nicht für den Vertrag mit Rohde&Schwarz, weil genau der ja vom Haushaltsausschuss über eine gesonderte Vorlage gebilligt wurde.

Auswirkungen hat diese Haushaltssperre also nicht auf die Beschaffung der digitalen Funkgeräte – aber zum Beispiel auf den Einbau dieser Geräte: mehr als 10.000 Fahrzeuge müssen dafür überprüft werden, zum Teil ist eine Adapterplatte erforderlich. Der Vertrag dafür kann nicht geschlossen werden, ähnliches gilt für weitere Projekte. Rund 20 Vorhaben allein beim Heer sind betroffen, darunter auch etliche, die weit unterhalb der Schwelle von 25 Millionen Euro liegen, ab der eine gesondere Billigung des Haushaltsauschusses erforderlich ist. In der größten Teilstreitkraft werden bereits Stimmen laut, die warnen, dass bei weiter andauernder Sperre die der NATO zugesagte einsatzbereite Division 2025 nicht gestellt werden könne – jedenfalls nicht mit der geforderten sicheren Kommunikationstechnik.

Das Verteidigungs- wie das Bundesfinanzministerium baten bereits den Ausschuss, die Sperre aufzuheben; bislang ohne Erfolg. Unklar ist vorerst, ob eine erneute Bitte aus dem Wehrressort noch vor der Sommerpause dazu führt, dass die Projekte für die moderne Funkausstattung der Landstreitkräfte fortgesetzt werden können.

Als Randbemerkung: Thales ist auch die Firma, die zum Zug gekommen wäre, wenn die Bundeswehr tatsächlich im so genannten Retrofit neu gebaute Funkgeräte mit Technik der 1980-er Jahre bestellt hätte. Dieser Auftrag hat sich allerdings mit Sondervermögen und dem vorhandenen Geld für Geräte nach heutigem Stand erledigt.

(Archivbild November 2016: Gefechtsstand des Artilleriebataillons 131 bei der Übung Iron Sword 2016 – Jane Schmidt/Bundeswehr)