Keine zwei Prozent in diesem Jahr, vermutlich auch nicht im nächsten

Nachgeliefert fürs Protokoll: Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat vor der Bundespressekonferenz zum erwarteten Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt Stellung genommen. Für dieses Jahr werden es voraussichtlich 1,7 Prozent; ob im kommenden Jahr die in der NATO vereinbarten – und vom Kanzler zugesagten – zwei Prozent erreicht werden, ist fraglich.

Die Aussagen Hebestreits am (heutigen) Montag im Wortlaut:

Frage: Herr Hebestreit, dieses Jahr wird Deutschland das Zweiprozentziel für Verteidigungsausgaben nicht erreichen. Wann in den nächsten Jahren ist das Ziel überhaupt erreichbar? Wann wird das klappen? Warum hat es dieses Jahr noch nicht geklappt?

StS Hebestreit: Es ist richtig, dass wir das Zweiprozentziel in diesem Jahr aller Voraussicht nach nicht erreichen werden. Verschiedene Indikatoren spielen dabei mit hinein. Zum jetzigen Zeitpunkt ist auch offen, ob es im nächsten Jahr erreicht werden wird. Grundsätzlich bemühen wir uns massiv. Als wir das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr aufgesetzt haben, war allen bewusst, dass diese Ausgaben, weil sie die Bundeswehr strukturell verstärken sollen, einen gewissen Vorlauf haben. Sie sind wichtig, aber sie müssen auch mit Ausschreibungen ordentlich orchestriert werden. Deswegen sind wir an der Stelle in der Situation, dass wir uns zwar nach Kräften bemühen und auch viel Geld vorhanden ist, es aber noch nicht zahlungswirksam wird und dadurch auch noch nicht auf die Zweiprozentquote angerechnet wird.

Nach dem, was ich heute über eine Studie des IW, die ich zwar nicht kenne, aber medial wahrgenommen habe, lese, legt sie die mittelfristige Finanzplanung des Bundes zur Grundlage. Jetzt muss ich die, die regelmäßig hier sind, kurz langweilen. Ich hatte in der Vorverwendung das Vergnügen, im Bundesministerium der Finanzen zu sein, und weiß, dass die mittelfristige Finanzplanung eine massiv konservative Schätzung ist, die sagt: Man kann nur das in die Planung mit einbeziehen, von dem man fest davon ausgehen kann, dass es da ist. – Das heißt, dass jegliche Veränderungen, die sich über die Strecke von mehreren Monaten oder Jahren ergeben, in der mittelfristigen Finanzplanung nicht abgebildet werden. In der Vergangenheit, jedenfalls in den letzten sechs, sieben, acht Jahren, die ich überblicke, war es immer so, dass beispielsweise der Verteidigungsetat deutlich höher veranschlagt wurde, als es in der mittelfristigen Finanzplanung zunächst unterlegt war. In vielen anderen Ressorts ist es ähnlich. Insofern ist die mittelfristige Finanzplanung ein vorsichtiger Indikator, aber keine kluge Berechnungsgrundlage, um von da aus Schlüsse zu ziehen, wie sich der Finanzetat weiterentwickeln wird.

Aber grundsätzlich ist diese Regierung und ist der Bundeskanzler fest entschlossen, dem Zweiprozentziel so nahe zu kommen, wie es mit den Möglichkeiten, die wir haben, möglich ist, und noch in dieser Legislaturperiode das Zweiprozentziel klar zu erreichen.

Zusatzfrage: Sind Sie mit der Arbeit Ihrer Verteidigungsministerin zufrieden?

StS Hebestreit: Der Bundeskanzler ist mit der Arbeit aller Ministerinnen und Minister dieses Kabinettes zufrieden.

Frage: Herr Hebestreit, es kling jetzt doch etwas vorsichtig, wenn Sie sagen, dass sie es noch in dieser Legislaturperiode erreichen wollen. Können Sie sagen, was nach Ihrer eigenen Analyse die Gründe dafür sind, dass das Geld nicht so abfließt? Sie haben eben auf die Beschaffung angespielt, aber auch diese sollte ja reformiert werden. Der Kanzler selbst hat gesagt, die ersten Beschaffungsaufträge kämen noch in diesem Jahr. Woran hakt es also, sodass man die zwei Prozent jetzt nicht erreicht, im nächsten Jahr möglicherweise auch nicht erreichen wird und Sie das Ziel jetzt doch etwas tieferhängen, wenn Sie sagen, dass es in dieser Legislaturperiode erreicht werden soll?

StS Hebestreit: Ich dachte, ich hätte die Antwort schon ein wenig gegeben. Ich versuche es noch einmal, aber anders herum. Klar ist, dass wir im Augenblick Verfahren haben, die wir auch optimieren. Das Verteidigungsministerium ist vorneweg daran, das zu machen. Aber das geht nicht über Nacht. Gleichzeitig sind auch europäische Regelungen zu berücksichtigen. Sie können wir nicht mit einem Federstrich einfach beiseitewischen. Deshalb hat das alles einen gewissen Vorlauf, was die Fachleute auch wissen. Mir sitzen hier ja eine ganze Menge Fachleute gegenüber.

Jetzt muss man beachten, wie schnell auch die Rüstungsindustrie im Augenblick zu liefern fähig ist. Im Augenblick gibt es in dem Markt wahnsinnig viel Nachfrage. Sie übersteigt das Angebot deutlich. Das sorgt einerseits – so ist das in der Marktwirtschaft – für wachsende, höhere Preise und andererseits dafür, dass sich die Lieferfristen deutlich verlängern, weil die Kapazitäten in der Rüstungsindustrie nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und auch in den Vereinigten Staaten, wo jeweils die Hauptabnehmer auf industrieller Seite sitzen, durch wahnsinnig viele Aufträge ausgelastet sind.

Deswegen können wir nach Kräften versuchen, die Bundeswehr aufzurüsten. Das tun wir auch. Aber wann genau das einschlägig werden und auch so verbucht werden können wird, das muss sich auf der Strecke zeigen. Deswegen meine, wie Sie gesagt haben, vorsichtige Erwartung, dass das in dieser Legislaturperiode auf jeden Fall noch passieren wird. Je früher es passiert, desto besser ist es. Dann werde ich das auch an dieser Stelle zu feiern wissen.

Zusatz: Dann hat der Kanzler aber falsche Erwartungen geweckt. Denn er hat in seiner Zeitenwenderede am 27. Februar davon gesprochen, dass ab jetzt das Zweiprozentziel erreicht werde.

StS Hebestreit: Er hat genau das in seiner Rede als Ziel ausgegeben. Alle sind jetzt daran, mit Kräften dafür zu sorgen, dass das auch geschieht. Dass das nicht über Nacht geschehen kann, dies aber trotzdem nicht an politischem oder Regierungshandeln liegt, etwa weil es keinen Willen gäbe, das zu erreichen, sondern dass das an den praktischen Veränderungen auch der letzten Monate liegt, seitdem die Zeitenwenderede am 27. Februar getätigt worden ist, ergibt sich, denke ich, von selbst.

Frage: Ich hatte es bisher so verstanden, dass, weil das Zweiprozentziel dieses Jahr nicht erreicht werden wird, es das Ziel der Bundesregierung ist, im Durchschnitt dieser Legislaturperiode die Steigerung auf zwei Prozent zu erreichen. Ist das weiterhin das Ziel, oder ist das Ziel jetzt, am Ende der Legislaturperiode ein Jahr lang zwei Prozent zu erreichen?

StS Hebestreit: Das Ziel der Bundesregierung ist es, das Zweiprozentziel dauerhaft zu erreichen.

Zusatz: Konkret für diese Legislaturperiode: Nach dem, was ich bisher herausgehört habe, soll es im Durchschnitt dieser Legislaturperiode einen Aufwuchs auf zwei Prozent geben, sodass man, wenn man es in diesem Jahr nicht gleich schafft, in den Folgejahren deutlich darüber liegen wird.

StS Hebestreit: Ich denke nicht, dass ich mich auf dieses Rechenbeispiel einlassen würde. Ziel dieser Bundesregierung ist das, was der Bundeskanzler am 27. Februar formuliert hat. Wir versuchen jetzt nach Kräften und so schnell, wie es geht, dieses Ziel zu erreichen. Wie gesagt, fehlt es weniger an politischem Willen als an der industriellen Möglichkeit.

Frage: Herr Hebestreit, wir diskutieren hier noch über das Zweiprozentziel, das wir nicht erreichen können. In Wirklichkeit ist die Diskussion viel weiter. Generalsekretär Stoltenberg spricht schon davon, dass zwei Prozent nur das Minimum seien. Die USA reden schon von drei Prozent. Das wird nächstes Jahr auch schon auf dem Gipfel Thema sein.

Wie wird sich Deutschland dazu positionieren oder was ist die deutsche Position in der Diskussion um ein höheres Ziel?

Hat der Bundeskanzler auch mit Herrn Stoltenberg schon darüber gesprochen, beziehungsweise hat Herr Stoltenberg ihn auf dem jüngsten Treffen über seine Überlegungen informiert?

StS Hebestreit: Generalsekretär Stoltenberg war am Mittwoch und am Donnerstag in Berlin. Hier haben sie über eine ganze Bandbreite von Themen gesprochen. Da sprach man auch über den kommenden Gipfel in Vilnius im nächsten Juli, wenn ich mich richtig erinnere. Klar ist, dass es innerhalb des Bündnisses sehr unterschiedliche Positionen dazu gibt. Sie haben eine genannt, die auch schon der Generalsekretär formuliert hat. Es gibt Bündnispartner, die deutlich höhere Ziele wollen. Es gibt auch Bündnispartner, die von einer festen Quote ganz abkommen wollen. Es gibt einige, die auch die jetzt bestehende Quote schon sehr schwierig finden. Der Bundeskanzler hat sich in dieser Frage noch nicht geäußert und positioniert. Ich glaube aber, der Generalsekretär hat auch auf der Pressekonferenz am Donnerstag die Anstrengung, die Deutschland unternommen hat, um auch verteidigungspolitisch die Konsequenzen aus der Zeitenwende zu ziehen und das Ziel, die zwei Prozent, die, wenn ich es richtig weiß, 2014 für bis in zehn Jahren, also 2024, zu erreichen ausgemacht sind, nach Kräften einzuhalten zu versuchen, noch einmal deutlich gewürdigt.

Frage: Herr Hebestreit, mit wie viel Prozent der Wirtschaftsleistung rechnet die Bundesregierung selbst für dieses Jahr?

StS Hebestreit: Für dieses Jahr?

Zusatz: Ja.

StS Hebestreit: Das müsste ich nachreichen. Es sind etwa eins Komma – – Sieben? Wer hat das zugerufen? Etwa 1,7. Es war 1,5 im Vorjahr. Wir haben es also deutlich gesteigert. Der Bezugsrahmen ist das Bruttoinlandsprodukt. Das heißt: Wenn sich das Bruttoinlandsprodukt verschlechtert, die Ausgaben aber gleich bleiben, dann erhöht sich die Quote, ohne dass sich irgendetwas an der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland verändert hat.