Baerbock und Lambrecht dringen bei Lindner auf mehr Geld für Ukraine-Waffen

Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht haben Bundesfinanzminister Christian Lindner in einem gemeinsamen Brief dringend aufgefordert, für das kommende Jahr mehr Geld für Waffenlieferungen in die Ukraine im Haushalt bereitzustellen. Die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und internationale Reputation der Bundesregierung in diesem Konflikt hingen von der bedarfsgerechten Ausstattung des entsprechenden Etats ab.

In dem am (heutigen) Samstag bekanntgewordenen Schreiben (zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet) geht es um den so genannten Ertüchtigungstitel im Kapitel 60 Allgemeine Finanzverwaltung des Bundeshaushalts. Daraus werden derzeit vor allem die militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine bezahlt.

Die Grünen-Außenministerin und die SPD-Verteidigungsministerin verwiesen in dem Brief an den FDP-Finanzminister, der Augen geradeaus! vorliegt, auf die aus ihrer Sicht desaströse geplante Absenkung dieses Haushaltstitels. Während im laufenden Jahr angesichts des Ukraine-Kriegs die möglichen Ausgaben auf zwei Milliarden Euro erhöht worden seien, würden für das kommende Jahr nur noch 697 Millionen Euro für Ausgaben und weitere 100 Millionen Euro für so genannte Verpflichtungsermächtigungen vorgesehen.

Der Titel hat sich als das zentrale Finanzierungsinstrument erwiesen, mithilfe dessen Deutschland der Ukraine in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg schnell und effektiv bei der Deckung ihrer militärischen Unterstützungsbedarfe helfen kann.
Konkret unterstützt Deutschland die Ukraine bei der Beschaffung militärischer Ausrüstung, indem sie bei Industrieunternehmen deren Finanzierung übernimmt. Auch zur Finanzierung der sogenannten „Ringtausche“ werden diese Mittel genutzt. Ebenfalls werden sie zur Wiederbeschaffung von notwendigem Material für die Bundeswehr, welches an die Ukraine abgegeben wurde, der Alimentierung der deutschen Pflichtbeiträge an die Europäische Friedensfazilität (EPF) und der fortgesetzten Ertüchtigung der Sicherheitsinstitutionen weiterer strategischer Partner weltweit eingesetzt.

warnten die beiden Ministerinnen in ihrem Schreiben. Konkret sollten die vorgesehenen Ausgaben auf 2,2 Milliarden Euro steigen: Die Forderung nach einer Erhöhung ist auch das Ergebnis der ressortabgestimmten „Perspektiven für die Fortsetzung der materiellen Unterstützung der Ukraine“, denen eine Abschätzung des mittelfristigen Unterstützungsbedarfs der Ukraine bis 2026 zugrunde liegt. Die zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen sollten auf eine Milliarde Euro angehoben werden.

Bei der Forderung von Baerbock und Lambrecht geht es zwar zunächst nicht um den Verteidigungshaushalt selbst, sondern um die Gelder für Beschaffungen für andere Länder – mittelbar hat die Höhe des Ertüchtigungshaushalts aber auch Auswirkungen auf die Bundeswehr und ihre Beschaffungen. So verweisen Außen- und Verteidigungsministerin darauf, dass die Abgabe von Waffensystemen der Bundeswehr – vor allem Panzerhaubitzen und Raketenwerfer – durch Ersatzbeschaffungen für die deutschen Streitkräfte kompensiert werden müsse.

Hinzu kommt ein weiteres Problem, das sowohl die Unterstützung der Ukraine als auch die Bundeswehr betrifft. Aus dem Brief der Ministerinnen:

Der Aufbau hochkomplexer militärischer Fähigkeiten und die Umsetzung militärischer Ausrüstungsprojekte sind erfahrungsgemäß mit überjährigen Produktions- und Vorlaufzeiten bei deutschen Industrieunternehmen wie auch am Weltmarkt verbunden. Zahlreiche Beschaffungsverträge können 2023 daher nur durch das gleichzeitige Eingehen von Zahlungsverpflichtungen auch für künftige Haushaltsjahre abgeschlossen werden. Für die Umsetzung überjähriger Ausrüstungsvorhaben bedarf es mithin einer überjährigen Verausgabungsmöglichkeit durch eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 1 Mrd. Euro.
In Anbetracht der Volatilität der Lage und der Herausforderungen bei Beschaffungsmaßnahmen ist neben der Erhöhung des Ansatzes ein Höchstmaß an Flexibilität der Mittelbewirtschaftung notwendig. Die mehrfachen Anträge auf Bewilligung außer- bzw. überplanmäßiger Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt 2022 sind Beleg für die Dynamik und den nur schwer zu prognostizierenden Bedarf im Verlauf eines bewaffneten Konflikts.

Wie teuer militärische Unterstützung der Ukraine noch werden kann, zeigt sich exemplarisch an einer Aussage des ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal: In einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) lobte er das deutsche Flugabwehrsystem Iris-T SLM, das erfolgreich in der Ukraine im Einsatz sei. Das Land benötige aber dringend weitere Raketen für dieses System, um russische Luftangriffe abwehren zu können – und jede dieser Raketen kostet mehr als eine Million Euro.

(Archivbild: Flugabwehrsystem Iris-T SLM auf der ILA 2022 in Schönefeld bei Berlin)