Merkposten Mali: Bundeswehr-Aufklärer in Gao wieder unterwegs
Nach längerer Unterbrechung angesichts von Spannungen zwischen der Regierung Malis, der UN-Truppe MINUSMA und auch Deutschland läuft der Bundeswehreinsatz in dem westafrikanischen Land – vorerst – wieder nach Plan. Am (heutigen) Dienstag nahm die deutsche Aufklärungskompanie in Gao im Norden Malis ihre Arbeit wieder auf. Spannend wird die Frage, ob der für Ende September Wechsel des deutschen Einsatzkontingents problemlos verläuft.
Die Bundeswehr hatte im August ihre Aufklärungstätigkeit in der UN-Mission vorerst ausgesetzt. Hintergrund waren Schwierigkeiten, vorgesehene zusätzliche Soldaten einzufliegen, die die Sicherheit des Camp Castor in Gao nach dem Abzug der französischen Truppen aus Mali Mitte August gewährleisten sollten. Die malische Regierung hatte zuvor zeitweise jegliche Truppentrotationen der Blauhelmsoldaten aller Nationen ausgesetzt. Daraufhin wurde auch die Aufklärungskompanie der Bundeswehr als Sicherung herangezogen und deren sonstige Tätigkeit eingestellt.
Die deutschen Aufklärer hätten am (heutigen) Dienstag erstmals das Camp wieder verlassen und ihre übliche Arbeit wieder aufgenommen, sagte eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr auf Anfrage von Augen geradeaus!. Auch sonst verlaufe der Einsatz des deutschen Kontingents derzeit störungsfrei.
Am (gestrigen) Montag hatte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gewarnt, dass bei erneuten Problemen, die sich auf die Sicherheit deutscher Soldatinnen und Soldaten auswirken könnten, ein Abzug der Bundeswehr weiterhin infrage komme. Deutschland halte die Beteiligung an MINUSMA weiterhin für wichtig, sei aber auch auf Kooperation der malischen Regierung angewiesen, sagte Baerbock bei der Eröffnung Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amtes in Berlin:
Und es ist kein Geheimnis, dass unser eigenes Engagement im Sahel, wie zum Beispiel MINUSMA, gerade alles andere als einfach ist. Aber ich möchte das auch an dieser Stelle noch einmal unterstreichen: Die Mission dort hilft, Sicherheit zu schaffen. Sie hilft, Terrorismus in Schach zu halten. Und ja, wir haben auch in den letzten Jahren nicht alle unsere Ziele erreicht. Aber die eigentlich wichtige Frage ist doch: Was wäre passiert, wenn wir nicht da gewesen wären? Könnten dann Frauen so wie jetzt selbst in dieser gefährlichen Sicherheitslage auf den Markt gehen? Wären die Kinder in der Schule? Ja oder nein? Ich glaube eher nein.
Zugleich sind wir in Mali auf eine Regierung angewiesen, die uns jetzt leider verschärft Knüppel zwischen die Beine wirft. Deswegen gilt für uns: Wir gehen nicht einfach bei den ersten Schwierigkeiten raus, denn wir tragen Verantwortung. Aber wir sagen unsere malischen Partnern unmissverständlich, was wir für die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten erwarten. Und wenn das nicht klappt, dann ist es schwierig zu bleiben.
Weiterhin ist allerdings offen, ob die Bundesregierung die aktuelle Sicherheitslage dauerhaft als ausreichend für die Fortsetzung des Einsatzes bewertet. Im Mai hatten Bundesregierung und Bundestag bei der Verlängerung des deutschen Mandats für den UN-Einsatz zur Bedingung gemacht:
Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau für deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags einzuleiten bis hin zur Beendigung des Einsatzes. Dies betrifft insbesondere die fortgesetzte Verfügbarkeit von Luftnahunterstützung nach dem Abzug der französischen Kampfhubschrauber. Den Vereinten Nationen kommt die Aufgabe zu, die nahtlose Bereitstellung von Luftnahunterstützung durch andere Truppensteller sicherzustellen.
Die Luftnahunterstützung wird derzeit durch MD500-Hubschrauber aus El Salvador sichergestellt, die vorübergehend von Timbuktu nach Gao (KORREKTUR: nicht ’nach Mali‘) verlegt wurden. Langfristig sollen Mi24-Kampfhubschrauber aus Bangladesch die UN-Truppen im so genannten Sektor Ost sichern; bislang sind diese Helikopter aber noch nicht eingetroffen.
(Archivbild April 2022: Soldaten der deutschen Aufklärungskompanie im MINUSMA-Einsatz vor ihren Fennek-Spähwagen in Gao – Florian Gärtner/photothek.de)
„vorübergehend von Timbuktu nach Mali verlegt wurden. “
Timbuktu liegt in Mali.
[Sorry, gemeint war „…nach Gao“… Korrigiere ich. T.W.]
Zitat (Baerbock): „Die Mission dort hilft, Sicherheit zu schaffen. Sie hilft, Terrorismus in Schach zu halten.“
Unter „in Schach halten“ versteht man ein Vorgehen, das der in Schach gehaltenen Seite keine anderen Züge mehr übrig lässt, als solche die ein Schachmatt verhindern.
Das ist eine sehr optimistische Sicht auf die Situation in Mali. Immerhin befindet sich die Sicherheitslage in Mali in einem continuirlichen Prozess der Verschlechterung. Die Angriffe der „Terroristen“ nehmen zu und werden dreister. De facto muss man feststellen, das man mit „Informationen sammeln“ allein, weder irgendwelche Islamisten in Schach halten kann , noch dafür sorgen kann, das Mädchen sicher in die Schule kommen.
Der Einsatz in Mali ist militärisch komplett sinnlos. Auch über den aussenpolitischen Wert kann man streiten. Aber über die Einstellung von MINUSMA zu entscheiden, das ist nun mal Aufgabe der UN.
@T.W.
Wäre die aktuelle Situation nicht ein Grund, ihre Civey Umfrage von 2017 zu wiederholen?
Wie groß wird wohl die Unterstützung für MINUSMA ausfallen? Oder für das Engagement in der Ukraine. Letzteres unter dem Aspekt der fortlaufenden Schwächung der Bundeswehr, um die ukrainische Armee zu stärken? Welchen Stellenwert hat da der islamistische Terrorismus heute?
[Hm, der Punkt ist, dass die Zusammenarbeit mit Civey schon lange beendet ist.. T.W.]
„Die Mission dort hilft, Sicherheit zu schaffen. Sie hilft, Terrorismus in Schach zu halten.“
Ins Militärische übersetzt:
„Meine Absicht ist es mit diesem Einsatz in MALI ein „secure and safe environment“ zu schaffen und dabei zu unterstützen, terroristische Aktivitäten einzudämmen.“
Wie soll dies mit dem Kräftedispositiv und mit den ROE gelingen? ‚frage für einen Freund.
@Schlammstapfer: Man hat wohl die Hoffnung, dass es fruchtet den Menschen im Norden und Osten Malis zu Signalisieren, dass es eine Alternative zu Wagner und Al-Kaida gibt. Da ist dann sichtbare Präsenz wichtig.
Ich stelle hier und mir ernsthaft die Frage, welchen Sinn, welchen Mehrwert, welchen Nutzen unsere gefährliche Präsenz in Mali hat. Gibt es Vereinbarungen mit Frankreich, das sich klugerweise völlig zurückgezogen hat? Wäre (m)eine Erklärung.
Wie groß muss die Wichtigkeit unseres Einsatzes sein bzw. wie groß ist unsere Schmerzgrenze, von der malischen Regierung, ihren russischen Freunden nebst deren Söldnern vorgeführt zu werden?
Jetzt werde ich mal ordinär. Spätestens seit Afghanistan kriegen die Russen immer wieder mal heftig auf die Fresse. Aktuell z. B.. Warum überlassen wir denen nicht die Drecksarbeit mit den verblendeten Terroristen?
Ich kann nur immer wieder die Arte-Doku auf YouTube über das Land empfehlen.
Also Ich wüsste nicht, wie man da helfen kann. Vor allem seitdem die Junta an der Macht ist und nochmal 25% Chaos beisteuert.
@ Schlammstampfer
Absolut richtig gefolgert, die Präsenz einer Camp Site Recce trägt zum Schutz eigener Teile bei , mehr nicht.
Effekte wie durch AA beschrieben werden nicht erzielt, aber gerne bei Besuchen im Einsatzgebiet als solche verkauft.
Patrouillen entlang der Main LOC (Verbindungsstraße) nach Süden/SüdOsten haben geringe Eindringtiefen ,abhängig der Reichweiten AIR MEDEVAC .
Der Abzug FRA aus MENAKA hat erheblich zur Verschlechterung der Lage beigetragen, dort besteht nahezu uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für die TAG‘s (TerroristArmedGroups).
Die Angriffe nehmen in diesem Raum stetig zu.
Gutes Reporting von WestAfricaMaps:
https://westafricamaps.com/2022/08/04/the-isgs-takes-over-menakas-region-of-mali-in-a-few-months/
Der Wegfall der CT LoO TAKUBA & BARKHANE (Counter Terror Line of Operation) wird den Raum weiter destabilisieren und einen Zugang nahezu unmöglich machen.
MINUSMA hat dahingehend keinen Effekt, der Auftrag gibt es nicht her, die Mittel schon garnicht.
Wenigstens dürfen die Jungs jetzt wieder raus.
Nicht falsch verstehen, auf einer strategischen Ebene ist der Einsatz auch aus meiner Bewertung fürs Licht und Sprüche wie „Was wäre passiert, wenn wir nicht da gewesen wären? Könnten dann Frauen so wie jetzt selbst in dieser gefährlichen Sicherheitslage auf den Markt gehen? (Kurze Antwort: Ja)“ camourflieren nur die eigene Planlosigkeit.
Aber von Familien und Freunden getrennt zu sein und dann noch im Lager eingesperrt, das zehrt echt an den Nerven.
@AoR
Nur ist diese Hoffnung völlig unbegründet. Schon in Afghanistan scheiterte dieser Ansatz, trotz eines zeitweise resoluten, offensiven Vorgehens mit Kräften im Bataillonsrahmen, weil man dennoch nicht die Möglichkeiten hatte, die Sicherheit der Menschen (insbesondere vor Vergeltungsaktionen) zu gewährleisten. Unvergessen der Malik, der fragte: „Warum soll ich tagsüber mit euch reden, wenn ich nachts mit den Taliban reden muss?“
Nach ihrem Agieren in der Ukraine-Krise hegte ich gewisse Hoffnungen, die Person der Außenministerin betreffend. Doch was Mali anlangt, verbrennt entweder sie – oder, was wahrscheinlicher ist, der Unterbau ihres Ministeriums – nur sinnlos Zeit und Geld. Geradezu hartnäckig werden die Fehler des Afghanistankrieges wiederholt. Was Kräftedispositiv und RoE anlangt, erinnert MINUSMA im Jahre 2022 an ISAF vor (!) 2009.
@BundeswehrBW
Aus meiner Sicht sollte Mali nicht RUS „überlassen“ werden, da diese dann ungestört zwei Ziele verwirklichen können. Dauerhafte Militärpräsenz in Mali (am besten mit Flughafen und Mittelstreckenraketen auf Europa gerichtet) und Flüchtlinge „gegen“ Europa generieren. Welches Interesse sollte RUS denn haben, Terroristen in Mali ernsthaft zu bekämpfen? Diese werden wohl nie RUS angreifen. Das ist doch alles nur Schach, was die RUS machen, und hat nichts mit konstruktiver Poitik zu tun.
@ blücher:
ja, in der Tat, das zehrt an aller Nerven, die nagende Ungewissheit, ob es jetzt wieder reibungslos klappen wird mit Kontingentwechsel und so.
Soviel ich weiß wird die Überfluggenehmigung aktuell jeweils für 14Tage von der Militärjunta erteilt, ich meine zuletzt am 01.09. für 14 Tage.
Mein „Kind“ soll Mitte September ausfliegen, also Anspannung bis zuletzt…keiner weiß ja, was wieder alles in letzter Minute schiefgehen wird….und die Jungs haben die Nase voll, seit April nur Planlosigkeit und wenig Infos.