Merkposten Mali: Deutsche Verstärkung komplett, Kampfhubschrauber aus El Salvador, Kontakte nach Russland und Iran

Im deutschen Einsatz in der UN-Mission MINUSMA in Mali ist die geplante Verstärkung zur Sicherung des Camps in Gao im Norden des westafrikanischen Landes vorerst komplett. Die Aufklärungsaktivitäten der Bundeswehr am Boden bleiben aber weiterhin ausgesetzt. Nach dem Abzug der französischen Streitkräfte wurden zunächst Kampfhubschrauber aus El Salvador nach Gao verlegt.

Mit einem Flug am (gestrigen) Donnerstagabend wurden weitere deutsche Gebirgsjäger nach Gao eingeflogen. Damit sei die vorgesehene Personalverstärkung vorerst abgeschlossen, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr am (heutigen) Freitag mit. Der Einsatz zusätzlicher deutscher Soldat*innen – und die geplante Ausreise von Soldatinnen und Soldaten des deutschen MINUSMA-Kontingents – hatte sich verzögert, weil die malische Regierung zeitweise keine oder nur verzögerte Überfluggenehmigungen erteilt hatte.

Zwischenzeitlich waren auch Flüge zur medizinischen Evakuierung und zur Versorgung des Kontingents von den malischen Behörden nicht zugelassen worden. Vor diesem Hintergrund richtet sich jetzt der Blick auf den vorgesehenen Kontingentwechsel im September: Vor allem Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte wiederholt deutlich gemacht, dass bei weiteren Behinderungen für den deutschen Einsatz die Bundeswehrbeteiligung an der Mission insgesamt infrage stehe.

In der vergangenen Woche hatte Lambrecht allerdings in einem Brief an alle Abgeordneten der Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP ein inzwischen positiveres Bild vermittelt:

Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der gestrige Flug zum Austausch von Bundeswehrpersonal in Mali reibungslos stattfand. (…)
Dies stimmt uns optimistisch, dass auch zukünftig ein planbarer Personalwechsel erfolgen und MINUSMA weiter seinen wichtigen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität des Landes leisten kann. Nichtsdestotrotz können wir nicht komplett ausschließen, dass sich in den nächsten Wochen einzelne Rotationsflüge verzögern werden, bis sich das neue, komplexe Genehmigungsverfahren eingespielt hat. (…)
Am 15. August 2022 haben die letzten französischen Kräfte der Operation BARKHANE den Standort Gao verlassen. Mittlerweile halten sich nahezu sicher 20 bis 30 Angehörige der russischen Streitkräfte auf dem Flugplatzgelände auf. Wir bemühen uns bei den malischen Regierungsstellen um Aufklärung über die beabsichtigte Rolle dieser Kräfte sowie der ebenfalls dort eingetroffenen Flugzeuge. Bislang ist die Operationsführung des deutschen Einsatzkontingents von dieser Kräfteverlegung nicht unmittelbar betroffen: Gleichwohl verfolgen wir die neuen Entwicklungen mit hoher Wachsamkeit.
Trotz all der Unwägbarkeiten der vergangenen Tage und Wochen sehen wir vor allem in der Aktivierung des zwischen den Vereinten Nationen und der malischen Regierung vereinbarten neuen Rotationsmechanismus eine Verbesserung der Situation. Die durch den Rotationsstopp entstandenen Verzögerungen bei der Verlegung deutscher Kräfte werden wir nun zügig wieder aufholen. Die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten bleibt die
entscheidende Grundlage für unseren Einsatz zugunsten der Menschen in Mali.

Der Einsatz der deutschen Aufklärungskompanie bleibt allerdings voraussichtlich bis Anfang September ausgesetzt: Die neu eingetroffenen Infanteristen sollen dann den Schutz des Camps wie auch des Flughafens übernehmen, der nach dem Abzug der französischen Soldaten von der westafrikanischen Flugsicherheitsagentur betrieben wird.

Mit dem Ende der französischen Anti-Terror-Operation Barkhane Mitte August zogen auch deren Kampfhubschrauber ab – und den Ersatz dieses Schutzes hatten Bundesregierung und Bundestag im Mai bei der Verlängerung des deutschen Mandats für den UN-Einsatz zur Bedingung gemacht:

Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau für deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags einzuleiten bis hin zur Beendigung des Einsatzes. Dies betrifft insbesondere die fortgesetzte Verfügbarkeit von Luftnahunterstützung nach dem Abzug der französischen Kampfhubschrauber. Den Vereinten Nationen kommt die Aufgabe zu, die nahtlose Bereitstellung von Luftnahunterstützung durch andere Truppensteller sicherzustellen.

Seit dieser Woche sind – erneut – kleinere MD500 aus El Salvador als Kampfhubschrauber nach Gao verlegt worden. Die sonst in Timbuktu stationierten Maschinen verstärken die Möglichkeiten der UN in dieser Region, teilte der Kommandeur des MINUSMA-Sektors Ost, der schwedische Brigadegeneral Stefan J Andersson, auf Twitter mit:

Für die Bundeswehr sind die südamerikanischen Soldaten und ihre Hubschrauber alte Bekannte. Bereits 2018 hatten die MD500-Helikopter die deutschen Tiger-Kampfhubschrauber abgelöst. Allerdings werden die Hubschrauber aus El Salvador nur temporär nach Gao verlegt. Langfristig ist bislang der Einsatz von Mi24-Kampfhubschraubern aus Bangladesch vorgesehen, die bislang noch nicht eingetroffen sind – auch wenn die Bundeswehr bereits mit ihren Transporthubschraubern CH53 und Truppen aus Bangladesch die Zusammenarbeit übt.

Der politische Chef des UN-Einsatzes und Sondergesandte des UN-Generalsekretärs, El-Ghassim Wane, warb unterdessen bei einem Besuch in Gao um eine Fortsetzung des deutschen Einsatzes.

Die politische Führung Malis verstärkt unterdessen gezielt ihre Kontakte zu nicht-westlichen Staaten. Verteidigungsminister Oberst Sadio Camara nahm in dieser Woche an einer Sicherheitskonferenz in Moskau teil:

„Entschlossen und unaufgeregt ist Mali der Ansicht, dass keine Macht einen Anspruch auf irgendeine Exklusivität der malischen Zusammenarbeit erheben kann. Mali will Win-Win-Partnerschaften mit allen eingehen, die die Fähigkeit und vor allem den Willen haben, mit ihm unter Achtung seiner Souveränität und Wahrung der gegenseitigen Interessen zu kooperieren. In diesem Sinne wollte unser Land die historischen und soliden Beziehungen zur Sowjetunion wiederbeleben, die die Republik Mali von den ersten Stunden ihrer Unabhängigkeit an auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges begleitet hat“, sagte er.

Ebenfalls in dieser Woche besuchte eine iranische Delegation das westafrikanische Land. Ein Punkt der Gespräche, die Außenminister Hossein Amir-Abdollahian in der Hauptstadt Bamako führte, war die Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung:

[Der malische Außenminister Abdoulaye Diop] äußerte schließlich den Wunsch, dass diese Tagung die Gelegenheit bietet, Mittel und Wege zu finden, um zur Stärkung und Diversifizierung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen der Republik Mali und der Islamischen Republik Iran beizutragen, insbesondere in vorrangigen Bereichen wie Verteidigung, Sicherheit, Hochschulbildung und wissenschaftliche Forschung, ländliche Entwicklung, Bergbau, Energie- und Wasserversorgung, Gesundheit, Verkehr, Infrastruktur, Industrie, Handel, Wohnungsbau, Städtebau, Kultur und Tourismus, Kommunikation und digitale Wirtschaft.

heißt es in dem Kommunique des Besuchs.

Nachtrag: Bereits am 24. August (aber erst später von der malischen Armee bekanntgegeben) besuchte der malische Generalstabschef Generalmajor Oumar Diarra seine Truppen in Gao und traf dabei auch mit Vertretern der UN-Truppen zusammen (auch mit Deutschen). Aus der Mitteilung der malischen Streitkräfte:

Im Rahmen eines Dienstaufsichtsbesuchs im Sektor Nr. 1 der Operation Maliko hat der Chef des Generalstabs der Streitkräfte, Generalmajor Oumar Diarra, den Chef der regionalen Exekutive von Gao und die Verantwortlichen der MINUSMA empfangen. Dies geschah im Rahmen eines Abendessens, das er zu diesem Zweck am Mittwoch, den 24. August 2022, auf dem Gelände des Camps Firhoune Ag Alinçar in Gao veranstaltet hatte. An diesem Treffen nahmen mehrere Offiziere, Unteroffiziere und Angehörige der ersten Militärregion teil.
Ziel war es, zusammenzukommen und über die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit mit allen Protagonisten zu diskutieren, um die Unsicherheit in der Region im Allgemeinen und in der Stadt Gao im Besonderen besser eindämmen zu können.
Nach den einleitenden Worten des Kommandeurs des Sektors Nr. 1, Oberst Issa Bagayoko, begrüßte General Diarra die Gäste, bevor er eine Schweigeminute zum Gedenken an alle zivilen und militärischen Opfer des Terrorismus anordnete. General Diarra erläuterte in seiner Rede einige Punkte, darunter die Rotationen der MINUSMA, die künftig in perfekter Abstimmung mit den zuständigen malischen Behörden erfolgen würden.
Dadurch sollen die bisherigen administrativen Fehlfunktionen vermieden werden. Er forderte die Verantwortlichen der UN-Mission in Mali daher auf, im Einklang mit den Richtlinien der Übergangsbehörden zu arbeiten.
Seiner Ansicht nach muss die MINUSMA die FAMa aktiv dabei unterstützen, die Wünsche des malischen Volkes zu erfüllen, das nicht mehr und nicht weniger will, als friedlich seinen Geschäften nachgehen zu können. Er forderte die Partner außerdem auf, die Situation in Mali richtig einzuschätzen, da das Land nichts weiter als Sicherheit für seine Bevölkerung benötige. Alle Bemühungen sollten dazu beitragen, das Vertrauen zwischen der FAMa und den Partnern zu stärken, sagte er.
Das Abendessen nutzte der Generalstabschef auch, um seinen Gästen, mit denen er symbolische Geschenke teilte, seine Dankbarkeit auszudrücken. Die UNO-Behörden erklärten ihrerseits, dass sie die Erklärungen von General Diarra zur Kenntnis genommen hätten und gleichzeitig ihre Entschlossenheit bekundeten, Mali bei der Rückkehr zu Frieden und Ruhe zu unterstützen.

Auf den dazu veröffentlichten Fotos ist Diarra sowohl mit dem regionalen MINUSMA-Kommandeur Andersson zu sehen

als auch mit dem deutschen Oberstleutnant Lucas Michaelis vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr:

Bei diesem Besuch in Gao nahm der Generalstabschef auch das Camp in Augenschein, das am 15. August von den französischen Truppen der Anti-Terror-Operation Barkhane geräumt worden war – und in der offiziellen Mitteilung der malischen Streitkräfte finden sich sehr kritische Worte für den französischen Abzug:

Es sei daran erinnert, dass dieser Stützpunkt im Gegensatz zu den anderen offiziell rückübertragenen Stützpunkten nicht Gegenstand einer ordnungsgemäßen Übergabe war. Am 15. August gegen 01:00 Uhr morgens wurde der Befehlshaber der Maliko-Operationen in Gao über den Abzug der Barkhane-Truppe von dem Gelände informiert, dessen Rückübertragung einige Tage später vorgesehen war. (…)
Der Generalstabschef der Streitkräfte nutzte die Gelegenheit, um daran zu erinnern, dass enorme Anstrengungen unternommen wurden, um das Sicherheitsvakuum zu füllen, das böswillig aufgebaut worden war, um nach dem Abzug der Barkhane-Truppe ein Chaos vorherzusagen.

Die von der Bundeswehr beobachteten russischen Soldaten – oder möglicherweise Söldner – wurden dabei nicht erwähnt.

(Foto oben: Der MINUSMA-Kommandeur Sektor Ost, Brigadegeneral Stefan J Andersson, mit Angehörigen des Hubschrauber-Kontingents aus El Salvador – Andersson/MINUSMA via Twitter; Fotos unten: malische Armee; Übersetzungen aus dem Französischen mit deepl.com)