Deutsche NATO-Brigade für Litauen: Erste Teile des Kommandostabs eingetroffen
Die Bundeswehr hat die ersten Teile einer Brigade nach Litauen verlegt, die die Präsenz der NATO in dem baltischen Land verstärken soll. Mit einer Fähre aus Kiel erreichten Truppen und Gerät des verlegbaren Brigadegefechtsstands der Panzergrenadierbrigade 41 Vorpommern am (heutigen) Sonntag die litauische Hafenstadt Klaipeda. Das Forward Command Element (FCE) soll in Rukla stationiert werden, wo die Bundeswehr bereits seit 2017 den Kern einer NATO-Battlegroup stellt.
Hintergrund der Verlegung ist die Zusage von Bundeskanzler Olaf Scholz, die in Litauen stationierten NATO-Kräfte zu verstärken. Zwar sollte schon seit fünf Jahren die von Deutschland geführte NATO-Battlegroup als Stolperdraht signalisieren, dass ein russischer Angriff auf das baltische Land ein Angriff auf die ganze Allianz wäre. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine stellte sich für das Bündnis die Frage: Muss es im Baltikum künftig more than a tripwire geben, mehr als die bisherige vorgeschobene Präsenz?
Der Bundeskanzler hatte im Juni mit Präsident Gitanas Nausėda eine schrittweise Aufstockung der Bundeswehrpräsenz in dem baltischen Land vereinbart. Deutschland sei bereit, eine robuste und kampfbereite Brigade zur Abschreckung und Verteidigung gegen eine russische Aggression zu führen. Dafür sollen zunächst ein Kommandoelement sowie deutsche Kampftruppen im Land stationiert werden, ergänzt um Einheiten aus anderen NATO-Staaten. Langfristig soll diese Einheit auf eine komplette Kampfbrigade aufwachsen.
In den Details fiel es dann ein wenig anders aus als offensichtlich von dem baltischen Land erhofft: Nach einem später bekannt gewordenen deutschen Vorschlag für die NATO soll dauerhaft ein Brigadestab in Litauen stationiert werden, nicht jedoch eine komplette Brigade.
Die ersten Elemente dieses Brigadestabs für die so genannte enhanced Vigilance Brigade unter der Führung des Kommandeurs der Panzergrenadierbrigade 41, Brigadegeneral Christian Nawrat, waren am (gestrigen) Samstag in Kiel an Bord der DFDS-Fähre Athena Seaways gegangen. Das Schiff gehört zu dem von Deutschland und Dänemark gemeinsam gecharterten Pool an Fähren, die für Truppenverlegungen im so genannten Gesicherten Gewerblichen Strategischen Seetransport zur Verfügung stehen.
Die Aufgabe des Forward Command Elements, zu dem neben dem verlegbaren Gefechtsstand auch Aufklärer, Logistiker und Sicherungssoldaten gehören, schilderte Nawrath so:
#PzGrenBrig41 verlegt mit Teilen Gefechtsstand, Sicherung- und Brigadespähzug sowie VersPaket der LogE 2 nach Litauen. pic.twitter.com/Jqi1F2oKnu
— Christian Nawrat (@CNawrat) September 3, 2022
Die offizielle Indienststellung des Brigadestabs war ursprünglich für kommenden Donnerstag geplant. Die Zeremonie musste aber verschoben werden, weil Verteidigungsministerin Christine Lambrecht an dem Tag wegen des erneuten Treffens im so genannten Ramstein-Format, bei dem über weitere Unterstützung für die Ukraine beraten wird, verhindert ist.
(Foto – KORREKTUR: Ein Fuchs-Transportpanzer der Panzergrenadierbrigade 41 in Kiel bei der Verladung auf die DFDS-Fähre – Foto PzGrenBrig41 Vorpommern; den Fehler der ursprünglichen Fassung bitte ich zu entschuldigen: Es ist kein Boxer)
@T.W.:
Gibt ja immernoch unterschiedliche Berichte, ob auch Material und Munition vorausstationiert werden soll. Woher auch immer das kommen soll. Scheint da erhebliche Unterschiede zwischen den Erwartungen der NATO und der Machbarkeit für Deutschland zu geben.
Gibt es dazu schon irgendwelche Neuigkeiten?
Da Logistik bei AG ja nicht so häufig Thema ist aber vom Kdr x41 mit LogE 2 angesprochen wurde:
– Die Versorgungsbataillone des Heeres stellen die logistische Ebene 2.
Sie sorgen für Nachschub bis knapp hinter die vordersten Linien der Kampftruppe, übernehmen komplexere Reparaturen und dienen zugleich als Schnittstelle zu den Logistikern der Streitkräftebasis, welche ebenfalls in der logistischen Ebene 2 verortet sind.
– Auf der logistischen Ebene 1 im Kampfverband geht es um Wirkung nach „vorn“, Instandhaltung, Umschlag und Transport. Dafür wird die Gefechtsschadeninstandsetzung genutzt, die auch mit provisorischen Lösungen arbeitet.
(Bundeswehr.de/…)
Bemerkenswert ist, dass die IBuK die offizielle Indienststellung des Brigadestabs persönlich wahrnehmen wird. Die Bedeutung der Maßnahme „enhanced Vigilance Brigade“ wird richtigerweise herausgehoben.
Dazu ein Bericht des NDR:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Bundeswehr-Einsatz-in-Litauen-Abschiedsappell-in-Eutin,shmag96930.html
Einen Teil der Kräfte stellt das Aufklärungsbataillon 6 aus Eutin. Insofern bietet sich die Verlegung auf dem Seeweg über die tägliche Fährverbindung Kiel – Klaipeda der DFDS an.
@all
Danke für die Hinweise – es war ganz allein mein Fehler, im Bildtext aus dem Fuchs auf dem Foto einen Boxer zu machen…
Zitat:“Die ersten Elemente dieses Brigadestabs …. in Kiel an Bord der DFDS-Fähre Athena Seaways gegangen.“
Die Bundeswehr nutzt eine zivile Fähre für die Verlegung. Kriegt unsere Marine das nicht hin oder ist das einfach preiswerter?
[Nu hab‘ ich doch schon den Link zum Gesicherten Gewerblichen Strategischen Seetransport reingeschrieben… T.W.]
Also laufen eFP und eVB parallel? Ziehen die anderen eFP lead nations nach?
@Memoria
Dem litauischen Verteidigungsministerium folgend mit Munition.
Anderes wäre auch Schildbürgertum.
@Lithuanian_MoD
🇱🇹🇩🇪Willkommen! The agreement between Lithuania & Germany is being implemented: Forward C2 element of 🇩🇪41 Brigade arrived to Lithuania today, with their equipment, ammunition & other logistical means. Troops of this brigade will soon take part in exercises together w/ @LTU_Army
@KPK
„Ammunition“ kann sich aber auch auf die Munition der Sicherungskräfte u.a. beziehen (also insbesondere Handwaffenmunition). Ich glaube nicht, daß wir z.B. Artilleriemunition voraus stationieren wenn die Systeme nicht vor Ort sind.
Vielleicht ist mit „Munition“ für einen Brigadestab einfach Toner und Druckerpapier gemeint? Fragjanur…
@Thomas Melber
Ihr Glaube sei Ihnen unbenommen.
@KPK:
Als hätte es bisher solche Schildbürgerstreiche nicht gegeben.
Gerade auch in der Vorgänger-Mission.
Material beschränkt sich aber bei den kurzen Alarmierungszeiten nicht nur auf den Gefechtsstand, sondern auf die gesamte Brigade. Das ist aber materiell illusorisch.
Es ist halt bei genauer Betrachtung wieder ein Schildbürgerstreich, da eben nicht kaltstartfähig in weniger als 10 Tagen (NATO-Forderung deswegen auch Vorausstationierung von Material im EinsR).
Wie steht es eingentlich um die Unterbringung? Da gab es doch im Dezember 2021 Planungen für einen Kasernenbau (damals noch primär für das eFP-Bataillon). Davon habe ich seitdem nichts mehr gehört.
https://www.n-tv.de/politik/Bundeswehr-will-Kaserne-in-Litauen-bauen-article23024556.html
Auch gemeinsame NATO-Munitionslager im Baltikum wurden avisiert (im März 2022 bei ESUT)
https://esut.de/2022/03/meldungen/33143/mawi-programm-nato-eroeffnet-erstes-multinationales-munitionslager/
Auch hier seitdem schweigen (oder habe ich etwas übersehen)
PS: Ich hoffe der ESUT-Link ist okay, sonst bitte löschen
@niclot für den Kasernenbau waren litauische Verwaltungsakte und eine Gesetzesänderung notwendig. lt. LT TV soll das bis Ende des Jahres geschafft sein. Dann könnte gebaut werden.
@Schlammstapfer
Abgesehen von Herrn Wiegolds Link, womit soll die Deutsche Marine denn den Transport durchführen? Mit dem einen verbliebenen Mehrzwecklandungsboot? Da ist eine gecharterte Fähre schneller, sicherer und weitaus leistungsfähiger.
Für unter anderem solche Transporte ist übrigens Mukran mal groß ausgebaut worden. Auch von da aus ging es nach Klaipeda.
In Sachen Unterbringung vor Ort könnte man auch die Verwendung von Komponenten des „Labor Betreuung 5.000“, welches unter Federführung des BBKs entwickelt wird, in der Praxis erproben. Es muss ja nicht alles doppelt entwickelt werden.
https://www.sicherheit.info/notunterkuenfte-pilotprojekt-labor-betreuung-5000
@ T.W.
(etwas zerknischt) Sorry, das hatte ich übersehen.
@ MFG
Angesichts der Schreckensmeldungen, die hier immer wieder über den Zustand unserer Marine auftauchen, hatte ich als Info hinter der Meldung wieder nichts Gutes vermutet.
„Brigadespähzug“ – in welchem Jahrhundert leben Herr General ;-)?
Die Zeiten, in denen eine Brigade, für Übung und Einsatz wohlgemerkt, tatsächlich nur einen Spähzug als organische Aufklärungskomponente hatte, sind schon ein paar Tage vorbei, heute hat sie ein ganzes Aufklärungsbataillon mit u.a. einer Spähkompanie unterstellt.
@Ungedienter
„Gesetzesänderung“? Irgendetwas Triviales (bspw. Baurecht) oder doch Grundlegendes?
@ KlausP Genau dafür wurde Mukran gebaut. Weil Polen ein unsicherer Kantonist war und wohl die Transitgebühren nicht ohne waren.
@Hans dampf
Die Brigade hat noch ein AufklBtl, allerdings wird dies ja jetzt nicht in Gänze sondern nur in Teilen nach LTU verlegen.
@Hans Dampf
Stimmt wohl, und wenn der Kdr nur einen SpähZg mitnimmt, hat er wohl Gründe.
Zumal eine AufklKp auf Brigadeebene völlig ausreichen würde und man lieber ordentliche Aufklärungskräfte auf Divisionsebene bräuchte.
@ Hans Dampf
Ich vermute, der Spähzug ist das, was aktuell mitgeht aus dem Bataillon
Die Diskussion um den Spähzug ist ja nur ein besonders prominentes Beispiel für die strukturell bedingte Mangelwirtschaft im Heer. Die PzGrenBrig muss nun halt die Ebene Btl (+) abbilden und auch Brig (+) abbilden. Es kommt also zu Kompromissen.
Gilt ja auch für FüUstg, Artillerie, Pioniere, Logistik.
Alleine alles nicht leistbar, nun macht man halt Kompromisse und hat dann halt nen BrigSpähZg.
@memoria
Zumindest bei Pi und Aufkl, evtl. auch Vers wäre die Lösung ha einfach. Eine Kp pro Brigade und ein Btl/ Rgt auf Divisionsebene.
Die Batallionsstruktur bei Aufkl, Pi und Vers kommt ja aus der StabOp- Zeit, um mit jeder Brigade 3x Gefechtsverbände abbilden zu können.
Ich verstehe nicht, wieso man jetzt noch daran festhält, zumal das nie wirklich funktioniert hat.
@ PzH 2000 (und andere)
Mir ist schon klar, weshalb nur ein Spähzug verlegt. Mir ging es lediglich darum, dass der Begriff „Brigade(!)spähzug“ belegt ist und aus einer Zeit stammt, als die Brigade wirklich nur einen (!) Spähzug in toto hatte. Diese Zeiten sind ja lange vorbei. Aber vielleicht weiss man ja schon mehr ;-).
@PzH2000:
Die gesamte Planung der Kampfunterstützung in der neuen Heeresstruktur ist ziemlich schief, halt wieder die üblichen Probleme mit Dienstposten und oftmals begrenztes Verständnis für die Systemzusammenhänge („ist doch egal ob Divisions- oder Brigadeartillerie“).
Notwendig wäre eine echte Stärkung der Divisionstruppen. Bisher eher Kastchen-, Material- und Dienstpostenschieberei, anstatt echter Fähigkeitsaufwuchs.
Kriegstauglichkeit und Siegfähigkeit sind das angebliche Ziel, aber der Weg führt nmB nicht wirklich dorthin.