Weitere Zuspitzung in Mali: UN-Sprecher rausgeworfen; Truppenrotation bleibt gestoppt (Neufassung)

Die Übergangsregierung in Mali setzt ihren Konfrontationskurs zur UN-Mission MINUSMA fort, die immerhin – bislang – mit Zustimmung dieser Regierung im Land ist: Der Sprecher der UN-Mission wurde zur unerwünschten Person erklärt und muss das Land verlassen. Die Truppentrotationen für den UN-Einsatz bleiben ausgesetzt.

Die jüngste Eskalation am (heutigen) Mittwoch kam mit der offiziellen Ankündigung des malischen Außenministeriums, MINUSMA-Sprecher Olivier Salgado des Landes zu verweisen. Als Grund wurden seine Angaben zum Vorfall um 49 Soldaten der Elfenbeinküste genannt, die am 10. Juni bei der Einreise als angebliche Söldner festgenommen worden waren.

Die Mitteilung des Ministeriums:

und die deutsche Übersetzung:

Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit teilt der nationalen und internationalen Öffentlichkeit mit, dass heute, am Mittwoch, den 20. Juli 2022. Frau Daniela KROSLAK. Stellvertretende Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in Mali, zu einer Audienz im Ministerium empfangen wurde, wo ihr der Beschluss der Regierung mitgeteilt wurde, Herrn Olivier SALGADO, Sprecher der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA), aufzufordern, das nationale Hoheitsgebiet innerhalb von 72 Stunden zu verlassen.
Diese Maßnahme erfolgte nach einer Reihe von tendenziösen und inakzeptablen Veröffentlichungen des Betroffenen im sozialen Netzwerk tweeter, in denen er ohne jeden Beweis erklärte, dass die malischen Behörden vorab über die Ankunft der 49 ivorischen Soldaten mit einem zivilen Flug am Sonntag, den 10. Juli 2022, auf dem internationalen Flughafen Präsident Modibo KEITA informiert worden seien.
Außerdem blieb die offizielle Aufforderung, die er seit dem 12. Juli 2022 über seine Vorgesetzten erhalten hatte, die in seinem Tweet enthaltenen Behauptungen zu belegen oder andernfalls die notwendige Berichtigung in derselben Form vorzunehmen, unbeachtet.
Das Ministerium kann diese Handlungen, die der Partnerschaft mit der MINUSMA und anderen Partnern schaden, nicht stillschweigend hinnehmen.
Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit bekräftigt seine ständige Bereitschaft, den Dialog und die Zusammenarbeit mit allen seinen internationalen Partnern, einschließlich der MINUSMA, im Geiste der Solidarität, der Komplementarität und des gegenseitigen Respekts fortzusetzen.

Mehr zu dem zu Grunde liegenden Vorfall hier – Salgado hatte dazu, offiziell als Sprecher der Mission, via Twitter mitgeteilt:

Die Soldaten, die am gestrigen Sonntag am Flughafen von #Bamako festgenommen wurden, gehören nicht zu einem der Kontingente der #MINUSMA. Diese Soldaten sind seit mehreren Jahren im Rahmen einer logistischen Unterstützung im Auftrag eines unserer Kontingente in #Mali eingesetzt.
Unseren Informationen zufolge soll ihre Ablösung am 10. Juli zuvor den nationalen Behörden mitgeteilt worden sein.
Die Nationalen Unterstützungselemente (NSE) sind nationale Truppen, die von den truppenstellenden Ländern zur Unterstützung ihrer Kontingente eingesetzt werden.
Dies ist eine gängige Praxis bei friedenserhaltenden Missionen. Sie werden nicht zum Personalbestand der MINUSMA gezählt.
Die Ablösungen der MINUSMA-Kontingente werden geplant und erfolgen in Absprache mit den malischen Behörden.
Wir arbeiten daran, dass die Ablösung von Kontingenten aus Westafrika, die sich aufgrund fehlender Genehmigungen verzögert, so bald wie möglich erfolgen kann.

Der Satz Unseren Informationen zufolge soll ihre Ablösung am 10. Juli zuvor den nationalen Behörden mitgeteilt worden sein wurde von der Regierung in Bamako offensichtlich als Vorwand für seine Ausweisung genutzt.

Die jüngste Entwicklung kommt in einer Zeit zunehmender Spannungen zwischen der Übergangsregierung, der internationalen Gemeinschaft, seinen Nachbarländern und eben auch der UN-Mission. Als Folge des Streits um die Soldaten der Elfenbeinküste hatte Mali am 14. Juli die Ein- und Ausreise von MINUSMA-Angehörigen untersagt.

Diese Regelung ist auch weiterhin in Kraft: Nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vom Mittwoch wurde deshalb die für den (morgigen) Donnerstag vorgesehene Rotation von Angehörigen des deutschen MINUSMA-Kontingents ausgesetzt. Diese Entscheidung habe die Führung der UN-Mission getroffen. Wie die UN und die Regierung in Bamako das Problem lösen, von dem Angehörige aller Nationen im MINUSMA-Einsatz betroffen sind, bleibt vorerst unklar.

Die acht deutschen Soldat*innen, deren Ausreise am 14. Juli vorerst gestoppt worden war, konnten dagegen inzwischen ausreisen, wie das Einsatzführungskommando via Twitter mitteilte:

Angaben dazu, wie die acht das Land verließen, lehnte ein Sprecher des Kommandos ab. In der vergangenen Woche hatten sie mit einer Linienmaschine zivil ausreisen sollen; das war nach Bundeswehrangaben an nicht vollständigen Reisedokumenten gescheitert. Unklar blieb, ob nun die entsprechenden Dokumente vorlagen oder die Bundeswehrangehörigen schlicht eine Militärmaschine nutzten.

Das UN-Mandat für MINUSMA hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erst Ende Juni verlängert. Allerdings hatten sich die ständigen Sicherheitsratsmitglieder Russland und China bei der Abstimmung enthalten. Die malische Regierung akzeptierte zwar grundsätzlich das Mandat, kündigte da aber bereits an, Teile der Aufgaben von MINUSMA nicht mehr zulassen zu wollen, insbesondere die Aufklärung von Menschenrechtsverbrechen. Auch ein stärkerer Einfluss Russlands auf die Regierung, durch Waffenlieferungen und einen Einsatz von russischen Söldnern, hatte bereits zuvor die Spannungen zwischen Mali und westlichen Ländern verstärkt.

Die Bundeswehr ist derzeit mit rund 1.100 Soldatinnen und Soldaten in der UN-Mission vertreten. Der Bundestag hatte das Mandat für die deutsche Beteiligung erst im Mai verlängert, allerdings bereits mit einer Ausstiegsklausel versehen: Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau für deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags einzuleiten bis hin zur Beendigung des Einsatzes.

Zur Ergänzung: Das deutsche Verteidigungsministerium äußerte sich zwar am Mittwoch, aber noch recht zurückhaltend – vielleicht auch deswegen, weil dieser Tweet vor Bekanntwerden der Ausweisung Salgados geschrieben wurde:

Unterdessen gibt es offensichtlich auch aus der malischen Gesellschaft Forderung nach einem Abzug der UN-Truppen, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet (danke für den Leserhinweis):

Die zivilgesellschaftliche Bewegung „Yérèwolo (Männer mit Würde) Débout sur les Remparts“ forderte am Mittwoch den Rückzug der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) aus dem nationalen Hoheitsgebiet bis zum 22. September 2022.
Dies geht aus einem Brief an den Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen in Mali und Leiter der MINUSMA hervor, der vom Oberkommandierenden der Bewegung, Adama Ben Diarra, unterzeichnet wurde. (…)
Diarra erklärt, dass „die MINUSMA zu einer Besatzungsmacht geworden ist, die Angst, ethnische Spaltungen und Misstrauen zwischen den Gemeinschaften in Mali wieder aufleben lässt und aufrecht erhält“.

(Archivbild Januar 2019: MINUSMA-Sprecher Olivier Salgado bei einer Pressekonferenz in Bamako – UN Photo/Marco Dormino; Übersetzungen aus dem Französischen mit deepl.com)