Die 100-Mrd-Einkaufsliste: Was die Bundeswehr schon lange braucht

Nach der Einigung der Koalitionsparteien mit der Unionsfraktion auf die Verankerung des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr hat das Verteidigungsministerium dem Parlament eine erste Liste der geplanten Projekte vorgelegt, die mit dem Geld beschafft werden sollen. Wenig überraschend: Es sind Vorhaben, die die Streitkräfte schon seit Jahren vor sich herschieben – weil dafür bislang die Finanzierung nicht gesichert war.

Neben den ohnehin bekannten Großprojekten wie dem F-35-Kampfjet als Nachfolger der betagten Tornado-Flotte, dem Schweren Transporthubschrauber (STH) als Nachfolger der 50 Jahre alten CH-53-Helikopter oder der großen Lücke Luftverteidigung finden sich auf der am (heutigen) Dienstag (KORREKTUR: nicht Montag) vorgelegten Liste zahlreiche Rüstungsbeschaffungen, die das Ministerium schon vor gut einem Jahr genannt hatte – mit der Bemerkung, es handele sich um Vorhaben, deren Finanzierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesichert ist.

Dazu gehören unter anderem die seit Jahren anstehende Digitalisierung der Kommunikation vor allem beim Heer, aber auch bei Streitkräftebasis und Sanitätsdienst; weitere moderne Schützenpanzer, die bodengebundene Luftverteidigung oder der so genannte Schwere Waffenträger Infanterie, der Transportpanzer Boxer mit Maschinenkanone.

Das finanziell größte Volumen der geplanten Beschaffungen über dieses Sondervermögen nehmen, wenig überraschend, Projekte der Dimension Luft ein: Die Entwicklung und Beschaffung von Luftfahrzeugen gehört mit zu den teuersten Dingen im Rüstungsbereich. Dafürt sind rund 40,9 Mrd. Euro aus dem Gesamtvolumen von 100 Mrd Euro vorgesehen. Die wesentlichen Punkte (ggf. mit Anmerkung):

• Nachfolge Tornado-Kampfjet – zum einen das US-Model F35 vor allem für die so genannte nukleare Teilhabe, den Einsatz von US-Atomwaffen durch deutsche Piloten. Aber auch die Entwicklung und Beschaffung des Eurofighters in der so genannten ECR-Variante (Electronic Combat Recconaissance) für die elektronische Kampfführung

• Die Beschaffung des Schweren Transporthubschraubers – die Wahl dürfte auf das Model CH-47F Chinook von Boeing fallen, für rund sechs Milliarden Euro

• Weitere Leichte Unterstützungshubschrauber – bislang sind rund 15 Maschinen des Typs Airbus H145M (Foto oben) für die Spezialkräfte im Einsatz; dieser Helikoptertyp soll der Bundeswehr in weit größerer Zahl zur Verfügung stehen

• Bodengebundene Luftverteidigung, das ganze Spektrum von der Abwehr von Kleindrohnen bis zur Raketenabwehr

• Ein so genanntes Weltraumbasiertes Frühwarnsystem  – das ist ein nationenübergreifendes EU-Projekt, das unter dem Namen TWISTER läuft

• Die bereits eingeleitete Beschaffung des Seefernaufklärers P-8 Poseidon von Boeing (an diesem Punkt wie schon beim Unterstützungshubschrauber zeigt sich, dass die Auflistung nicht der traditionellen Aufteilung auf die Teilstreitkräfte folgt: die geplanten fünf P-8 werden von der Marine betrieben werden, fallen als Luftfahrzeug aber in diese Dimension)

• Das gemeinsam mit Frankreich und Spanien geplante Future Combatr Air System (FCAS). An dieser Stelle findet sich in der Liste der Hinweis, dass aus dem Sondervermögen nur die Mittel für die nächsten fünf Jahre für dieses Projekt bereitstehen werden und danach aus dem normalen Verteidigungshaushalt bestritten werden müssen)

• Die – bereits vom Parlament beschlossene – Bewaffnung der israelischen Drohnen des Typs Heron TP

• sowie weitere Kommunikations- und Radarsysteme und ein Ausbau der Weltraumüberwachung

Der zweitgrößte Posten, auch das nicht überraschend, ist mit rund 20,7 Milliarden Euro die so genannte Führungsfähigkeit – vereinfacht gesagt: Kommunikation, digitalisiert und verschlüsselt (ein aktuelles Problem der Bundeswehr gerade in der Zusammenarbeit mit NATO-Verbündeten). Dafür sollen aus dem Sondervermögen vor allem finanziert werden:

• Das Projekt Digitalisierung landbasierter Operationen (DLBO) in der so genannten Basic-Ausbaustufte, was vor allem die Beschaffung neuer Funkgeräte bedetet

• Als Teil des DLBO-Projekts der Ausbau von Gefechtsständen mit Führungssystemen und Funkgeräten

• ein Taktisches Wide Area Network (TAWAN)

• ein Rechenzentrumsverbund

• Ausbau der Satellitenkommunikation (SATCOMBw)

• Das so genannte German Mission Network, eine Vernetzung in Auslandsmissionen und Einsätzen außerhalb Deutschlands, auch für die Marine

• und, das sozusagen aus dem Katalog, weitere Funkgeräte des Typs PRC-117G

Die Dimension See rückt vom Volumen her an die dritte Stelle – hier werden vor allem schwimmende Plattformen genannt, aber auch Flugkörpersysteme. Für rund 19,3  Mrd Euro sollen unter anderem beschafft werden:

• Weitere Korvetten K130

• Die neuen Fregatten des Typs F126 (dabei ist nicht näher ausgeführt, wie viele es am Ende sein sollen)

• Das gemeinsam mit Norwegen entwickelte U-Boot U212 CD (Common Design)

• Entwicklung und Beschaffung der Future Naval Strike Missile

• U-Boot-Flugabwehrflugkörper IDAS

• Unterwasserortung SONIX

• Mehrzweckkampfboote

• Neue Festrumpfschlauchboote

Für die so genante Dimension Land sind Projekte im Umfang von 16,6 Mrd Euro geplant. (Auch wenn das gegenüber Luft und See vergleichsweise wenig klingt: Ein nicht unerheblicher Teil der Investitionen für die Landstreitkräfte sind im Posten Digitalisierung berücksichtigt). Vorgesehen sind vor allem:

• Die Nachrüstung aller vorhandenen Schützenpanzer Puma auf den Stand, wie er derzeit bereits für den Einsatz der NATO-Speerspitze vorgesehen ist

• Ein Nachfolger für den rund 50 Jahre alten Schützenpanzer Marder – auffällig an dieser Stelle: Es wird nur von der Marder-Nachfolge gesprochen, aber keine Aussage über ein mögliches zweites Los des Puma getroffen

• Der Schwere Waffenträger Infanterie, also der bereits oben erwähnte Boxer mit Maschinenkanone

• Ein Nachfolger für den Transportpanzer Fuchs

• Nachfolger für die so genannten Überschneefahrzeuge, die Hägglung BV206, als gemeinsames Projekt mit den Niederlanden, Großbritannien und Schweden

• Neue luftverlegbare Fahrzeuge und Luftlandeplattformen, als gemeinsames Projekt mit den Niederlanden

• Das so genannte Main Ground Combat System (MGCS), praktisch die Nachfolge der bisherigen Kampfpanzer, als Gemeinschaftsprojekt mit Frankreich. Wie beim FCAS soll auch dieses Projekt nur vorübergehend aus dem Sondervermögen finanziert werden und danach aus dem normalen Verteidigungshaushalt

• Moderne, verlegbare Einsatzlazarette (Role 2b hoch mobil, Luftlanderettungszentrum leicht, Luftlanderettungszentrum Spezialeinsatz)

Für Bekleidung und persönliche Ausrüstung sollen aus dem Sondervermögen rund 2 Mrd Euro bereitstehen. Größere Bestellungen für Beschaffungen wie Kampfstiefel und Schutzausstattung hatte das Parlament bereits vorweg gebilligt; hinzu kommen unter anderem Nachtsichtgeräte.

Der kleinste Posten, aber dennoch bemerkenswert, dass das in der Liste fürs Sondervermögen einzeln aufgelistet wird: Rund 500 Millionen Euro sollen für Forschung und Entwicklung für Künstliche Intelligenz ausgegeben werden. Dabei geht es vor allem um Navigation unter so genannten Navigation Warfare (NAVWAR)-Bedingungen, wie der Störung von Satellitensignalen, und die Überwachung und Sicherung größerer Räume.

Nicht enthalten auf der Übersicht ist die Munition, deren Aufstockungsbedarf nach Angaben des Ministeriums bei rund 20 Milliarden Euro liegt. Offensichtlich muss dieser Posten aus dem laufenden Haushalt gedeckt werden, sofern es sich nicht um neue Flugkörper-Projekte handelt.

Die Projektliste soll jährlich fortgeschrieben werden. Ohnehin muss für das 100-Milliarden-Paket, wie bei Sondervermögen üblich, regelmäßig ein Wirtschaftsplan aufgestellt werden. Der muss, wie auch alle einzelnen Rüstungsprojekte mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro, jeweils von den Parlamentariern gebilligt werden.

(Archivbild Mai 2019: Ein leichter Mehrzweckhubschrauber H145M LUH SOF vom Hubschraubergeschwader 64 fliegt über das Gelände während der Einsatzerprobung des Maschinengewehrs MG6 im Rahmen der Übung Heli Dust II 2019 auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz – Johannes Heyn/Bundeswehr)