Bundestag verlängert Einsatz der Bundeswehr in Irak (nicht in Syrien)

Der Bundestag hat das Mandat für eine Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Koalition im Kampf gegen den Islamischen Staat verlängert. Es war der erste Auslandseinsatz, der unter der Mehrheit der neuen Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP mandatiert wurde. Die Grünen, die in den vergangenen Jahren diese Mission geschlossen abgelehnt hatten, stimmten zu – nachdem Syrien als bisheriger Teil des Einsatzgebiets ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

Für das veränderte Mandat (Bundestagsdrucksache 20/408) stimmten am (heutigen) Freitag 553 Abgeordnete, 110 sprachen sich dagegen aus. Die drei Koalitionsfraktionen stimmten fast geschlossen dafür, es gab bei der SPD drei und den Grünen zwei Gegenstimmen sowie eine Enthaltung bei der FDP. AfD und Linkspartei stimmten, wie schon in den Vorjahren, geschlossen dagegen.

Das Mandat ist auf neun Monate bis Ende Oktober dieses Jahres befristet. Formal soll damit wieder der übliche jährliche Rhythmus der Mandatsentscheidungen erreicht werden: Das aktuelle Mandat war im Oktober 2020 ausnahmsweise mit einer Laufzeit von 15 Monaten beschlossen worden, um nicht direkt nach der Bundestagswahl 2021 und der folgenden Regierungsbildung ein neues Mandat ins Parlament einbringen zu müssen. Allerdings wurde auch, entsprechend einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag, erstmals in den Beschluss der Passus aufgenommen: Der Einsatz wird im Mandatszeitraum umfassend und inklusiv überprüft. 

Die Beteiligung der Bundeswehr an der US-geführten internationalen Koalition für den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat ist der einzige Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in einer Koalition jenseits des Rahmens von UN, NATO oder EU. Unter Führung der USA sind an der Operation Inherent Resolve rund 70 Staaten und die NATO beteiligt.

Eine erste Veränderung im Vergleich zu den früheren Mandaten zeigt schon der Titel: In der Überschrift Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung fördern in Irak sind im Vergleich zum bisherigen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/22207) die Worte und Syrien weggefallen. Im Mandatstext wurde ebenso Syrien bzw. der Luftraum über diesem Land als mögliches Einsatzgebiet gestrichen.

Das entspricht dem Wunsch der Grünen, die den möglichen Einsatz von – bis März 2020 – Aufklärungsflugzeugen und seitdem Tankflugzeugen der Luftwaffe über Syrien als völkerrechtswidrig angesehen und unter anderem deshalb gegen das Mandat gestimmt hatten. Allerdings ändert diese deutsche Beschränkung nichts daran, dass die deutschen A400M-Tankflugzeuge auch weiterhin Kampfjets z.B. Frankreichs und der USA betanken, die dann IS-Ziele in Syrien angreifen – nur der Betankungsvorgang findet nicht über dem syrischen Luftraum statt.

Wesentlicher ist allerdings die Fokussierung des Einsatzes, die vom Kampf gegen den Islamischen Staat auf die Unterstützung Iraks wechselt. Während im bisherigen Mandat zuerst der Kampf der internationalen Anti-IS-Koalition, der Operation Inherent Resolve,  genannt wurde, steht jetzt der Fähigkeitsaufbau irakischer Streitkräfte im Vordergrund. Erst an zweiter Stelle (Die über den Fähigkeitsaufbau hinausgehenden Beiträge dienen der Unterstützung Irak, der internationalen Anti-IS-Koalition und der regionalen Partner in ihrem Kampf gegen IS) folgt die Unterstützung des faktischen Kampfeinsatzes gegen den Islamischen Staat. Als rechtliche Grundlage dafür werden, zwar wie bisher auch aber jetzt stärker betont, die einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats genannt: Der Einsatz folgt hinsichtlich seiner Zielrichtung – der Unterbindung eines völkerrechtswidrigen Angriffs von IS sowie der Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit – im Rahmen und nach den Regeln eines Systems kollektiver Sicherheit, den Vereinten Nationen.

In der Debatte machten die Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni und Außenpolitiker Jürgen Trittin deutlich, dass ihre Fraktion vor allem an dem Verzicht auf Syrien als Einsatzgebiet gelegen gewesen sei. Die bisherige Möglichkeit zum Einsatz über dem souveränen Staat Syrien ohne dessen Einwilligung sei aus ihrer Sicht völkerrechtswidrig gewesen. Auch weiterhin seien die Grünen nicht einverstanden mit der rechtlichen Einbettung in eine Koalition und nicht in eines der Systeme kollektiver Sicherheit. Jetzt sei es jedoch zunächst darum gegangen, die Mission weiterführen zu können – in den neun Monaten bis zum Mandatsende werde die rechtliche Frage auch Teil der vorgesehenen Überprüfung.

Aktuell beteiligen sich deutsche Soldaten an der Mission, benannt Operation Counter Daesh (nach der Bezeichnung Daesh für den IS) und Capacity Building Iraq vor allem mit einem Tankflugzeug, stationiert in Al Azraq/Jordanien; der A400M betankt die Kampfjets anderer an OIR beteiligter Nationen für Luftangriffe auf den IS in Syrien und im Irak. Auf der Luftwaffenbasis Al Asad im Zentralirak ist zudem ein Luftraumüberwachungsradar der Bundeswehr stationiert – vor allem als Schutz gegen befürchtete Angriffe auf US-Truppen, die den Großteil der Operation stellen. In Erbil im Kurdengebiet im Norden Iraks ist die Bundeswehr mit der Ausbildung von Soldaten befasst, diese Arbeit ist allerdings ebenso wie die Ausbildung irakischer Streitkräfte im Zentralirak wegen der Corona-Pandemie derzeit weitgehend zum Erliegen gekommen.

Die Personalobergrenze für diesen Einsatz soll unverändert bei 500 Soldatinnen und Soldaten bleiben. Derzeit sind knapp 260 deutsche Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung des Kampfs gegen IS, zur Ausbildung sowie im Stab der NATO Mission Iraq (NMI) eingesetzt. Rund 150 davon sind Al-Azraq in Jordanien stationiert, wo die A400M für die Luftbetankung und für die Lufttransporte auch für Inherent Resolve starten, weitere knapp 80 in Erbil. Rund zehn Soldaten sind zum Betrieb des Radars in Al-Asad im Einsatz.

In der NATO Mission Iraq (NMI) stellt die Bundeswehr bislang rund zehn Soldaten im Stab im Bagdad; ihre Zahl soll im unteren zweistelligen Umfang erhöht werden. Unter anderem soll Deutschland künftig auch den Director Training Development Division stellen und damit eine Schlüsselposition in der Trainingsentwicklung und inhaltlichen Ausrichtung der Mission besetzen. Die deutschen Soldaten in den AWACS-Flugzeugen der NATO, die mit Flügen über der Türkei und gegebenenfalls auch über Irak diese Mission unterstützen, sind in den Zahlen nicht enthalten.

(Foto: Bundeswehrsoldaten in Erbil in der Kurdenregion im Nordirak beim Besuch von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am 9. Januar 2022 – Kirsten Wild/Bundeswehr)