Ansage vom Interims-Chef der Marine: „Wir sind Instrument und Arm unseres Staates“
Der kommisarische Inspekteur der Deutschen Marine, Konteradmiral Jan Christian Kaack, hat in einem ersten Tagesbefehl eine klare Ansage für die Teilstreitkraft ausgegeben: Die Soldatinnen und Soldaten der Marine müssten sich bewusst sein, dass sich in unserem Auftreten und Handeln staatliches Selbstverständnis und politischer Wille ausdrückt. Kaack grenzte sich damit vom bisherigen Inspekteur Kay-Achim Schönbach ab, dessen öffentliche Aussagen zu Russland und zur Ukraine im Gegensatz zur offiziellen deutschen Position standen.
Schönbach hatte am vergangenen Samstag um seine Entlassung gebeten, nachdem Aussagen von ihm bei einem indischen Think Tank für internationales Aufsehen gesorgt hatten. Unter anderem hatte der Vizeadmiral dafür plädiert, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mehr Respekt entgegenzubringen und Russland als Verbündeten gegen China zu betrachten. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte Schönbachs Wunsch entsprochen; Kaack führt bis zur Entscheidung über einen Nachfolger die Deutsche Marine.
In seinem Tagesbefehl am (heutigen) Montag nahm der Interims-Inspekteur bewusst Bezug auf den Kompass Marine, einen Leitfaden für das Selbstverständnis der Marineangehörigen, und zitierte daraus:
„Wir dienen Deutschland. Unserem Staat, unserem Vaterland, den Menschen in unserem Land, und Menschen über unser Land hinaus. Treu und tapfer.
Weltweit. Jeden Tag.
…
Wir sind Instrument und Arm unseres Staates. Unsere Uniform ist Symbol dafür.
Wir sind uns bewusst, dass sich in unserem Auftreten und Handeln staatliches Selbstverständnis und politischer Wille ausdrückt.
…
Mit dem, wie wir sind und wie wir handeln, drücken wir Staat aus.
Unsere Auftragserfüllung und unser Erfolg sind daher auch von dem Einsatz, der Kompetenz und der Professionalität jedes Einzelnen abhängig.“
Das sind die Wegmarken, die wir uns gemeinsam gegeben haben!
Der Schlusssatz des Tagesbefehls war dann kein Zitat aus diesem Kompass, aber ebenfalls eine Ansage:
Lassen Sie uns alle – jeder an seinem Platz – unsere Aufgaben weiter mit Besonnenheit, Professionalität, Tatkraft und Zuversicht erfüllen.
Kaack hatte im September vergangenen Jahres das Amt als stellvertretender Inspekteur der Marine und Befehlshaber der Flotte angetreten. Er gilt als einer der möglichen Anwärter auf den Posten des Inspekteurs; die Entscheidung der Verteidigungsministerin steht aber noch aus.
Fürs Archiv der Tagesbefehl als pdf:
20220124-Kaack_Tagesbefehl
(Archivbild: Kaack, damals noch Flotillenadmiral, als Kommandeur der EU-Antipirateriemission Atalanta bei einer Ansprache in Mogadischu/Somalia am 9. Mai 2016 – AMISOM Photo / Ilyas Ahmed)
„Wir sind Instrument und Arm unseres Staates. Unsere Uniform ist Symbol dafür.“
Und damit in Uniform nicht Vertreter einer sozialen Bewegung, konfessionellen Gruppe oder politischen Partei. Denn der Staat ist Ausdruck aller seiner Bürger, der darin konkurrierenden sozialen Bewegungen als Garant von Freiheit. Wissen wir seit Hobbes „Leviathan“ des 17.JH und spätestens seit Max Weber zu Beginn des 20. JH. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes lassen Grüßen.
Bisher kannte ich nur „Schild und Schwert der Partei“.
Viel Erfolg und ruhiges Fahrwasser.
@AoR
„Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, [so wahr mir Gott helfe].“
Nichtsdestotrotz gibt es im Diensteid ein Spannungsfeld zwischen „der Bundesrepublik Deutschland“ und dem „deutschen Volk“.
Beider Interessen müssen nicht immer synchron oder kongruent sein. Ich nenne als Beispiel eine Lage wie in der DDR 1989.
Nicht dass Schönbach „Respekt“ für Putin forderte, machte ihn unhaltbar, sondern sein Eintreten für ein Bündnis mit einem Staat, den die gewählte Regierung als Sicherheitsrisiko betrachtet. Das ist Insubordination. Als wäre das nicht genug, brachte der (nach eigener Aussage) „radikale“ Katholik den lieben Gott ins Spiel, und zwar gegen seinen Dienstherrn, indem er ein Bündnis mit Russland als für ihn religiös vorzugswürdig bezeichnete. Wie hätte er sich im Konfliktfall verhalten? Es sollte keine Diskussion möglich sein, dass ein solches Verhalten untragbar ist.
Die Worte Admiral Kaacks klingen gut, entsprechen aber nur teilweise dem Soldatenbild der Inneren Führung und der FDGO. Der Soldat repräsentiert eben nicht einen bestimmten politischen Willen bzw. eine Regierung, sondern das „Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes“, d. h. die staatliche Ordnung. Das ist der Grund dafür, warum der Soldat nicht auf eine Person (etwa den Bundeskanzler) vereidigt wird sondern auf die erwähnte Ordnung. Im Zweifelsfall steht für den Soldaten in der FDGO der Gehorsam gegenüber dieser Ordnung über dem Gehorsam gegenüber der Exekutive. Ich sage das nicht, weil ich der Ansicht bin dass Admiral Schönbach vor so einem Konflikt, stand sondern nur, weil ich befürchte, dass grundsätzlich falsche Folgerungen aus dem Vorfall gezogen werden könnten.
Die Aussage dieses Tagesbefehls ist ein Allgemeinplatz bester Güte. Die Kunst der Sprechblase als Tagesbefehl. Selbstverständlichkeiten in aller Kürze. Bloß weil ein Inspekteuer Marine einen bedenklichen und schwachen Auftritt hat muß man nun nicht eine solchen Befehl schreiben. Die Marine wankt nicht!
Gute Tagesbefehle, ein wertvolles und meist nicht mehr beherrschtes Instrument transportieren eine individuell gestaltete Botschaft eines Vorgesetzten und keine Allgemeinplätze. Wer liest den so was, wie diesen Befehl (außer einem ganz kleinen interessierten Teil, z.B. hier), wer braucht so was. Vordergründig ist dies doch eher eine Botschaft nach ‚oben‘ und nicht an die Truppe.
Sorry, das erinnert mich an den ‚Brief‘ des damaligen Kdr KSK nach rechten Tendenzen im KSK (OT Ende)
Was soll er auch sonst sagen, wenn er den Posten morgen noch sagen will…
„Wir sind uns bewusst, dass sich in unserem Auftreten und Handeln staatliches Selbstverständnis und politischer Wille ausdrückt.“
Krass…
Also das Handeln entspricht dem politischen Willen, egal was dieser Wille gerade sein mag?
Das ist eine sehr gefährliche Einstellung.
Das hat für mich leider nichts mit Vorbildfunktion innerhalb der Marine eines demokratischen Staates zu tun.
Über Hans Koschnick gab es einst den Spruch, er könne schneller reden als andere denken.
Die Herren Schönbach&Kujat überholen dagegen offenbar ihr eigenes Hirn mit dem Mund.
Dagegen hat Herr Kaack mit seinem Tagesbefehl eine beachtliche Bewerbung abgegeben: Die Basics unmissverständlich klargestellt und ansonsten abwarten, dass sich die Aufregung legt. Man muss sich ja nicht an jeder heißen Suppe, die sich jemand irgendwo eingebrockt hat gleich das Maul verbrennen.
Si tu tacuisses, . . .
Es ist schon fast lustig, wie einige Kaack jetzt Aussagen um die Ohren hauen, die in einem Papier zum Selbstverständnis der Marine stehen.
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/aktuelles/wir-sind-marine
Wer eine Aussage aus einem offiziellen Bundeswehr-Papier als „sehr gefährliche Einstellung“ geißelt, sollte sein Verhältnis zu den Streitkräften vielleicht noch mal überprüfen.
1WO sagt:
24.01.2022 um 17:11 Uhr
Das ist so schlecht. Da muss man ja Angst haben, dass demnächst ein Kdt ohne Boot an Pier dasteht, so toll wie Sie die neue Weltordnung ihres Lieblingsadmirals verteidigen.
Lesen bildet. Das Grundgesetz ist nicht die spannenste Lektüre, aber sie sollten es vor Ihrem nächsten posting lesen.
@T.Wiegold
Oder halt das „Bundeswehr-Papier“ ist falsch und widerspricht dem Geist, der in der Bundeswehr nach dem Kadavergehorsam des deutschen Militärs vor 1945, das ja auch immer nur Instrument des Staates und des politischen Willens der Regierung sein wollte ubd sollte. Aber das ist nach deiner Ideologie ja unmöglich.
[Auch Sie könnten am Umgangston arbeiten. Aber ich verstehe das richtig, es gibt etliche, die der Meinung sind, das in der Marine erarbeitete Papier „Kompass Marine“ sei undemokratisch und eher ein Bild des Kadavergehorsams? Langsam wird es interessant. T.W.]
Der Realist sagt:
24.01.2022 um 18:05 Uhr
„Das hat für mich leider nichts mit Vorbildfunktion innerhalb der Marine eines demokratischen Staates zu tun.“
Na dann lassen wir uns doch einfach von einem „lupenreinen Demokraten“ dazu beraten, oder? Dann läufts wieder gut.
Junge, Junge…
@sputo.di.rospo
„Lesen bildet. Das Grundgesetz ist nicht die spannenste Lektüre, aber sie sollten es vor Ihrem nächsten posting lesen.“
Bitte seien Sie doch so freundlich und erklären Sie mir, was Sie mir sagen wollen. Wenn ich Ihnen schreiben würde, dass Sie vor Ihrem nächsten Kommentar doch bitte die Einführung des Aristoteles in die Kunst der Argumentation lesen sollten, wüssten Sie umgekehrt ja vermutlich auch nicht, was ich meine. Das Thema FDGO ist übrigens durchaus spannend, wenn man sich tiefer damit beschäftigt.
Ich halte diesen Tagesbefehl für überflüssig und entlarvend. Wer ist denn da die Zielgruppe?
Das ist entweder eine Auftragsarbeit oder vorauseilender Gehorsam, keinesfalls eine klare Ansage.
Ich hätte eine solche Ansage an die Kommandeure und Kommandanten erwartet.
Schadet aber auch nicht, zumindest ist jetzt eine Distanzierung erfolgt und der ExInsp als Einzeltäter charakterisiert.
„Bitte seien Sie doch so freundlich und erklären Sie mir, was Sie mir sagen wollen.“
Dass Sie das Grundgesetz lesen sollen!
PS: Die Rhetorik steht bei mir im Regal. Auch das „Organon“ und die „Einführung“ des Porphyrius liegt hier noch rum wegen Logik und so.
Für Sie als „Rhetoriker“ vielleicht interessant ist die Abgrenzung der Philosophen von Sophisten (den Rhetorikern). Platon hilft: Politeia 1. Buch besonders der Dialog mit Trasymachos.. der „Vielstreiter“, wenn man eben nur noch Feinde kennt.
[Das Thema Literaturliste haben wir damit vielleicht durch… T.W.]
@Sailor1995
@Reserve
@1Wo
@Der Realist
Hier habe einige wohl den Zugang zur Truppe verloren. Heute gab es in der Marine (und soweit ich wahrnehmen konnte auch durchaus darüber hinaus) nur 1 Thema. Dieses.
Und die Fragen? „Ja war das jetzt vielleicht doch ok? Hat der inhaltlich recht oder war das auch Unfug? Ich habe online gelesen….“
Da muss ich klar sagen: Danke Admiral Kaack! Diese schnelle Klarstellung und Einordnung ist das was man als Handlungssicherheit versteht. Hat alle Diskussionen beendet. Und das Medium Tagesbefehl war ebenfalls das richtige! Der Kompass Marine ist überall verteilt – daraus zu zitieren einfach nur stringent.
@ Reserve
Danke!
Bzgl. Papier zum Selbstverständnis der Marine
„Jeder Mensch hat eine Identität, die ihn unverwechselbar macht. Auch Organisationen haben eine solche Identität. Identität macht einzigartig: Mensch wie Organisation.“
„Er gibt uns Orientierung zu beantworten, ob das, wie wir Marine leben […]“
„Marine ist stets das, was wir alle gemeinsam daraus machen.“
„Mit dem, wie wir sind und wie wir handeln, drücken wir Staat aus.“
„Weltoffen, tolerant und mutig streben wir nach Innovation und Fortschritt.“
„Mit diesem KOMPASS MARINE haben wir aufgeschrieben, wie wir sein wollen.“
„ICH BIN EINER VON WIR!“
… tut mir leid (wirklich!), aber je weniger auf dieses peinliche Sammelsurium von Banalitäten, Selbstbeweihräucherung und teilweise wirklich realsatirisch wirkenden Stilblüten öffentlich Bezug genommen wird, desto besser. Damit macht sich die Marine doch lächerlich!
Daraus einfach eine Passage abzukopieren, statt eigene Worte zu finden, sehe ich im Übrigen auch nicht gerade als große Leistung.
@Thomas Melber
Wenn Sie tatsächlich ein Spannungsfeld zwischen „der“ Bundesrepublik Deutschland und dem deutschen Volk sehen, sollten Sie zwingend überlegen, ob Sie im richtigen Staat leben.
Wir alle sind die Bunderepublik Deutschland. Wir wählen unsere Legislative selber. Alles andere ist ein Produkt davon. Es geht natürlich demokratisch nach dem Mehrheitsprinzip.
@All
Mittlerweile bin ich erschüttert, das es bei einigen Kommentatoren an demokratischen Grundlagen und Grundbegriffen mangelt. Ich mag das fast nicht glauben.
Admiral Kaack hat m.E. eine kluge Auswahl aus dem Kompass Marine getroffen. Einige Ansprüche sind darin enthalten (Professionalität, Kompetenz, Besonnenheit,…), an denen es dem sehr unglücklichen Auftritt von Admiral Schönbach leider mangelte.
Nein, siehe Diensteid auf Recht und Freiheit des deutschen V0lkes, nicht auf Einzelpersonen bzw. Parteien. Das Militär unterliegen allerdings, insbesondere aufgrund unserer Geschichte, dem Primat der Politik, weshalb nicht jeder FUNKTIONSTRÄGER IN UNIFORM (jetzt angekommen?) machen und sagen kann, was ihm gerade in den Sinn kommt. DAS wäre nämlich gefährlich, würde dieser sich damit nämlich über die demokratisch legitimierte Politik stellen. Mit Verlaub, ich verstehe Sie langsam wirklich nicht mehr und finde Ihren Spin etwas bedenklich.
@muck, @zivi a.d: Zustimmung!
Geben wir dem GI und der IBuK Zeit. Ein derartiger Vorfall muss mit einem Ritual im Sinne der FDGO begangen werden. Wenn zum Thema schon das antike Japan und der Samurai bemüht wurde. Zerbrochenes Porzellan heilt man gerne mit Gold.
Momentan hat die PsyOps gegen die BRD einen hysterisierenden Höhepunkt. Denken wir an den Fragesteller (ein ehem. Botschafter beim Thinktank) und die Fragen i.S.d Gesprächsaufklärung/Gesprächsführung. Der hat ihn reingeritten (Du? Du? Du? Deutschland?!) und über den Admiral, der ja gerne auf Reisen ist, werden Dossiers bestanden haben.
Am Ende wird man also auch Fragen der zukünftigen Abschirmung durch entsprechend geschulte den General begleitende Hauptleute, einreichen der Fragen vorab, Stichworte-Leitfaden-Antwort und Kontrolle vor Veröffentlichung sprechen müssen. Der MAD ist immer noch zu klein!!!!!
Da könnte man Dienstposten im Auftrag IBuK/GI schaffen, die man eine Bestandaufnahme bei AA (Dipl. Protokoll) und dem BND (Ziele/Interessen Ausland) und VVS (Spionageabwehr) einsteuern. Besuche bei Thinktanks werden in Zukunft mehr die Regel als die Ausnahme sein, meine es wird Abgeschirmt werden müssen i.S.v. schützt mich als Mensch vor mir selbst.
Ich bin Pro-Schönbach.
Endlich mal einer, der seine frei Meinung kundtut. Ich würde es auch machen, wenn die Presse ein Statement von mir möchte.
„Ansage vom Interims-Chef der Marine: „Wir sind Instrument und Arm unseres Staates“
Naja, eher ein Ärmchen, aber Spaß beiseite.
Ich finde es höchst erstaunlich, daß Offiziere in den höchsten Ämtern so wenig Zurückhaltung beim Thema Sicherheits- und Außenpolitik üben, wie in diesem Fall zu beobachten war. Eigentlich sollte klar sein: Für das öffentliche Sinnieren über sicherheitspolitische Themen und Maßnahmen mussten selbst Bundespräsidenten zurücktreten.
Daß die Öffentlichkeit dann jedoch nicht auf Krisen (und Gott bewahre … Kriege) vorbereitet ist (mental und anderweitig), wie z.B. jetzt im Falle der Ukraine, ist ein Widerspruch, den mir noch niemand erklären konnte. Wer den Sarkasmus findet, darf ihn behalten
Jas hat es doch auf den Punkt gebracht. Volle Zustimmung!
An alle Putin-Versteher und Graben-zwischen-Exekutive-und-Volk-Heraufbeschwörer: Ihr verpasst gerade eure Stammplätze auf dem „Montags-Spaziergang“, da könnt ihr euer Geschwurbel verbreiten. Aber bitte mit Maske und Abstand – und Anstand. Danke.
Oh ha, welche Büchse der Pandora hat sich hier denn geöffnet?
Mal in einfacher Sprache: Wenn du als Botschafter in weiß dafür sorgst, dass sich die echten Botschafter weltweit um Schadensbegrenzung bemühen müssen, hast du vielleicht nicht den allerbesten Job gemacht.
Und dann ist der Rücktritt halt Teil des treuen Dienens, wenn dein Verbleiben im Amt weiteren außenpolitischen Schaden anrichtet.
Wer sich als Stabsoffizier (m/w/d) deswegen jetzt nicht mehr traut, intern klare Worte zu sprechen, wird das vorher wohl auch nicht getan haben.
@Jas sagt: 24.01.2022 um 18:57 Uhr
„Hier habe einige wohl den Zugang zur Truppe verloren. Heute gab es in der Marine (und soweit ich wahrnehmen konnte auch durchaus darüber hinaus) nur 1 Thema. Dieses.
Und die Fragen? „Ja war das jetzt vielleicht doch ok? Hat der inhaltlich recht oder war das auch Unfug? Ich habe online gelesen….““
Das gehört meiner Meinung nach nicht in einen Tagesbefehl des Nachfolgers. Über den eigenen Vorgänger (und ehemaligen Vorgesetzten) zu urteilen, hielte ich für schlechten Stil.
Vielmehr wäre das Aufgabe der politischen Führung, hier in kurzen, klaren Worten zu erläutern, warum man dem Rücktrittsgesuch entsprochen hat und warum sich daraus trotzdem kein allgemeiner „Maulkorb-Erlass“ ergibt.
Pio-Fritz sagt:
24.01.2022 um 19:21 Uhr
Danke! Ihre Beiträge hier sind wirklich lesenswert!
Ich wünsch mir wieder mehr solche Stimmen (auch die des Tagesbefehls) in der Bundeswehr.
Wo sind wir nur hingekommen.
@Pio-Fritz
Ich sehe hier absehbar kein Spannungsfeld, aber es ist auch für die Zukunft auszuschließen? Ich hatte das Beispiel „DDR“ genannt, kann aber auch China (1989), Ukraine (2014), Kasachstan (2022), u.a. sein.
Da ging es Exekutive gegen den (ggf. auch vermeintlichen) Volkswillen.
@ Jas sagt am 24.01.2022 um 18:57 Uhr
….“ Heute gab es in der Marine (und soweit ich wahrnehmen konnte auch durchaus darüber hinaus) nur 1 Thema. Dieses.“….
Glauben Sie, dass dieser Tagesbefehl tatsächlich hilft, wie wirklich wichtigen Fragen zu „ 1 Thema zu beantworten, besser eine Orientierung zu geben.
Er ist mit Masse eine Ansammlung von Zitaten (Auswahl aus dem Kompass Marine) und etwas umformulierten Allgemeinplätzen. Er wirkt leider wie eine Umsetzung einer ministeriellen Vorgabe oder eine Bewerbung und dem damit verbundenem vorauseilender Gehorsam.
Das gewachsene und feste Selbstverständnis der Marine wurde durch den irrlichternden Inspekteur nicht im Ansatz gefährdet.
„Üben Sie Sprachzucht, in ihr zeigt sich sprachliche Disziplin!“ Dies rief 1969 der damalige Generalinspekteur, Ulrich de Maizière, den Absolventen der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr zu. Clausewitzsche Sprachkunst und Sprachzucht hat er wohl dabei auch im Kopf gehabt.
Dieser Befehl zeigt mir, Sprache und Sprachverständnis militärischer Führer unterliegen einem Wandel. Es ist leider keine positive Entwicklung. Klare Sprache statt Klischees ist offenbar schon ein historischer Wert geworden.
Es gab Zeiten, in denen hohe preußische Offiziere ein Deutsch schrieben, das als vorbildlich galt. Das türkische Tagebuch Moltkes, des späteren Siegers von Sedan, wird noch heute wegen der Eleganz und der Präzision seines Stils gerühmt. Generalstabsoffiziere und Truppenführer hatten sich auch dadurch zu qualifizieren, daß sie Gedanken klar niederlegen konnte. Ich erlaube mir zu unterstellen, dass damit eigene Gedanken, eigene Formulierungen, ein eigener Stil gemeint sein könnte.
Ein militärischer Führer war sich auch bewusst und selbstverständlich in der Lage, einen wichtigen Befehl, mindestens aber die wichtigsten Teile/den wichtigsten Teil (z.B. eigene Absicht) selbst zu schreiben. Dazu nahm man sich wohl Zeit und es war sicher auch eine Frage der Ehre.
Sprachzucht ist für mich nicht ein Zusammenstellen von bereits bekannten Zitaten (Auswahl aus dem Kompass Marine), auch nicht Formulierungen mit auffälligen Losungscharakter (Schlussformel)
In diesem Sinne ist ein guter Tagesbefehl eine Visitenkarte, welche eigene Absicht und/oder Eigenleistung vorstellt und scharfsinnig und treffend akzentuiert. Er entfaltet Sprachkraft, welche die Absicht des militärischen Führers an seiner schriftlich niedergelegten Gedankeführung erkennen lässt. Qualitätskriterien eines Tagesbefehls richten sich daran aus. Ein guter Tagesbefehl kann/sollte mitreißen und sollte nicht müde in der Aktenablage abgeheftet werden.
Ein Tagesbefehl ist für mich nicht im Ansatz ein Bewerbungsschreiben für höhere Aufgaben und sollte bitte auch nicht den Eindruck erwecken.
Hm. Vielleicht sollte die Marine – und nicht nur die – mal für die politische Bildung das Thema „Der Unterschied zwischen Primat der Politik und Kadavergehorsam“ ansetzen. Da scheint es noch Bedarf zu geben.
@Thomas Melber 24.01.2022 um 16:58 Uhr:
„Nichtsdestotrotz gibt es im Diensteid ein Spannungsfeld zwischen „der Bundesrepublik Deutschland“ und dem „deutschen Volk“.“
Voll daneben: Das Land ist, wie der Name schon sagt, demokratisch verfasst. Also nix mit Spannungsfeld. Ein Spannungsfeld bildet sich aber dann, wenn einige meinen, ihr Christentum oder eine Fiktion vom „heiligen Deutschland“, aber auch eine Monstranz wie der konstruierte „Volkswille“, würde ihr Reden und Handeln über das Recht und die Freiheit stellen. Das fängt schon mit im demokratisch Rechtsstaat absurden Konstruktionen wie „Gehorsam gegenüber der Ordnung, nicht gegenüber der Exekutive“ an. Widerstandsrecht, weil Ihnen die demokratisch gewählte Regierung nicht passt, 1WO? Das Recht schafft die Freiheit, und ist nicht dadurch definiert, was Sie persönlich richtig oder falsch, und als Ihrer Freiheit zu- oder abträglich finden.
Also müssen wieder eigentliche Selbstverständlichkeiten gepredigt werden, weil es eben keine mehr sind. Ob mich das beruhigen kann?
Als notwendigerweise schnelle Reaktion finde ich den Tagesbefehl gar nicht schlecht. Wieso regen sich manche gleich so auf?
Auch ich finde den „Kompass Marine“ suboptimal (verkürzt: meine Ansprechpartner aus dem eher technischen Bereich wollen lieber konkurrenzfähige Ausrüstung sehen statt Durchhalteparolen), aber das wäre ein anderes Thema.
@Thomas Melber sagt: 24.01.2022 um 16:58 Uhr
„Nichtsdestotrotz gibt es im Diensteid ein Spannungsfeld zwischen „der Bundesrepublik Deutschland“ und dem „deutschen Volk“.“
und
@Thomas Melber sagt: 24.01.2022 um 20:04 Uhr
„@Pio-Fritz
Ich sehe hier absehbar kein Spannungsfeld, aber es ist auch für die Zukunft auszuschließen?“
Nein – doch – ooh.
Sie merken schon, daß Sie sich widersprechen?
Auch Ihre herangezogenen Vergleiche mit staatlichen Gewaltanwendungen gegen das Volk nicht-demokratischer Staaten macht es nicht besser.
Neben allem, was Schönbach zu Putin, der Ukraine und der Christenheit zu sagen hatte, geht etwas anderes völlig unter, finde ich. Man sollte es auch einmal anders herum lesen: De facto hat ein hoher Offizier, so mal eben, namens der deutschen Streitkräfte und der deutschen Regierung eine Atommacht, nämlich China, zum Feind Deutschlands erklärt. Öffentlich! Uff. Egal, was man von China hält: Ist der Mann denn vollkommen (grössen-)wahnsinnig? Es gibt einen guten Grund dafür, dass die Diplomatie erfunden wurde. Selbst Putin bemüht sich noch immer um ‚plausible deniability‘.
Eines ist m.E. aus jedem Betrachtungswinkel deutlich: Spätestens in dem Augenblick, wo diese Einlassungen öffentlich wurden, war eine sofortige Demission staatspolitisch zwingend notwendig, aus diversen Gründen. Ob der Mann recht hat oder nicht ist irrelevant. In dieser Gehaltsklasse hat man zu wissen, was man tut. Der Herr Admiral hat dem Land massiv geschadet und das hat er zu vertreten. Dass er sich in‘s eigene Schwert gestürzt hat, war das einzig richtige in der Lage. So klar wie hier lagen die Dinge selten.
Mein Punkt? Was ich zu der Sache teilweise lesen muss, offenbar auch von Militärangehörigen, hinterlässt mich sprachlos und entsetzt. Meinungsfreiheit? Wie bitte? Mir kommen gerade sehr grundsätzliche Zweifel und da bin ich sehr froh über die Deutlichkeit von Herrn Kaack. Vielleicht ist sie nötig.
@H.Vetinari sagt: 24.01.2022 um 21:29 Uhr
„De facto hat ein hoher Offizier, so mal eben, namens der deutschen Streitkräfte und der deutschen Regierung eine Atommacht, nämlich China, zum Feind Deutschlands erklärt. Öffentlich! Uff. Egal, was man von China hält: Ist der Mann denn vollkommen (grössen-)wahnsinnig?“
Wieso? Das CHN ein Rivale, Gegner, Konkurrent ist und die regionale und globale Sicherheit gefährdet und aktiv gegen die regelbasierte Weltordnung arbeitet, ist doch allgemein bekannt und auch durch BReg und EU (mit Zustimmung BReg) bereits erklärt worden.
Nicht besonders diplomatisch durch ihn formuliert, aber für think tank Kreise keine unübliche Sprache. Wenn halt nicht öffentlich gewesen wäre…
zum entscheidenden Thema NATO-RUS Kriegsgefahr …… weise ich auf den exzellenten Artikel von Michael Kofman hin ; mit Dank an @TW/twitter: https://warontherocks.com/2022/01/putins-wager-in-russias-standoff-with-the-west/……………….((der jedoch , und darum erwähne ich es hier, inhaltlich durchaus der Logik Schönbach’s folgt)) M.S.
Jetzt mal von außerhalb der Truppe: hat heute irgendjemand vernommen, dass unser Kanzler sich hingestellt hätte und klar gesagt hätte: in diesen unruhigen Zeiten, stehen wir für A,B und C? Schweigen, dass umso bedrückender wirkt. Ich verstehe das es für die Marine das Thema Nummer eins ist, für die Zivilisten ist nicht ein aus der Spur geratener Oberbefehlshaber der Marine das bedrückende sondern dasinhaltliche Schweigen der Spitzenpolitiker. Zu nennen : Scholz, Lambrecht, AMSZ.
@H.Vetinari
„De facto hat ein hoher Offizier, so mal eben, namens der deutschen Streitkräfte und der deutschen Regierung eine Atommacht, nämlich China, zum Feind Deutschlands erklärt“
… was ihm aber mehr geschadet hat, war, dass er eine andere Atommacht, nämlich Russland (das nach wie vor ein mehrfaches des nuklearen Potenzials der VR China kontrolliert) *nicht* zum Feind erklärt hat.
Und ja, diplomatisch ist was anderes, und da die religiöse Verbundenheit als Aspekt zu nehmen, finde ich sehr unschön – zumal vor einem indischen Publikum. Aber Schönbach hat zwei mMn völlig richtige Dinge angesprochen: a.) Rückkehr der Krim zur Ukraine kann man sich auf absehbare Zeit, höchstwahrscheinlich dauerhaft, abschminken. b.) China ist für den Westen eine wesentlich wichtigere Herausforderung als Russland.
Also wenn man nicht von spontaner geistiger Umnachtung ausgeht, dann ist die einzig plausible Begrüdnung für die Äußerungen des Herrn Admirals in Indien eine unstillbare Todessehnsucht (beruflich).
Sind da Brüche zwischen politischer und militärischer Führung im Dunkel, die an’s Licht drängen? Ist das nicht die viel interessantere Frage, so kurz nach Antritt einer neuen Bundesregierung und den Friktionen, die dabei aus dem Ministerium hörbar wurden…
@H. Vetinari
Die letzte Verteidigungsministerin sprach u. a von der „systemischen Auseinandersetzung mit China“. Admiral Schönbach hat in diesem Punkt nichts gesagt, was die Chinesen so oder ähnlich nicht bereits von deutschen Regierungsvertretern gehört hätten. Außenpolitisch problematisch viel problematischer war die Wirkung seiner Worte auf NATO-Verbündete in Osteuropa und Partner wie die Ukraine, die nun Grund zu Zweifeln am politischen Willen Deutschlands haben, sie gegen mögliche russische Aggressionen zu unterstützen. Zugleich hat er russischen Stellen signalisiert, dass es in der Bundeswehr ggf. Ansatzpunkte für InfoOps oder geheimdienstliche Maßnahmen gibt.
@Thomas Melber:
Warum findet sich alles Internr der BW im Internet, wo es nicht hingehört, nur nicht die PolBil zum feierlichen Gelöbnis? /SCNR
– „Der Bundesrepublik Deutschland treu dienen“
UND
– „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes“
Das ist alles andere als ein Spannungsfeld, sondern eine Bindung.
Meine PolBil hielt ein Historikeroffizier, irgendeiner hier anwesend? Seine Ausführungen allein zu UND gingen in Mark und Bein über. Bringe das aber aus dem Stehgreif nicht rüber, und ich klebe mir lieber die Finger an den Tisch als dass ich da ein Geschwurbel eintippe.
Ich schließe mich denen an, die dich Sorgen machen und den Eindruck gewinnen, man hat vergessen wer wir sind und was das GG für uns leistet.
Ich weise jetzt noch mal deutlich darauf hin, dass ich die Versuche, im Fall Schönbach das Widerstandsrecht nach Art.20 GG zum Thema zu machen, als Derailing ansehe. (Und die entsprechenden Kommentare nicht freischalte.)
@ Florian Staudte sagt:
24.01.2022 um 16:56 Uhr
Die Polemik ist Fehl am Platz bitte.
So wie der bisherige Inspekteur sagen durfte, was er sagte – nur eben nicht konsequenzenlos in Bezug auf seine Weiterverwendung, so sehr hat der Inspekteur im Amt schon in der Headline recht:
„Ansage vom Interims-Chef der Marine: „Wir sind Instrument und Arm unseres Staates“
So ist das: Primat der Politik und klares Bekenntnis in Wort und Tat zum freien, demokratischen Rechtsstaat, zur FDGO.
Ich denke aber nicht, dass diese Haltung VAdm a. D. Schönbach abzusprechen ist/war.
Seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist trotzdem nachvollziehbar.
Unbedarftheit nehme ich ihm nicht ab. Den Punkt wollte er setzen. Und die Konsequenz(en) war(en) ihm klar.
Man möge auch mal die Körperhaltung, das Verhalten und die Blicke seiner Begleitpersonen anschauen, so zum Thema, ob klar war, dass das gefilmt wird und viral geht.
Okay, die letzten beiden Absätze sind natürlich Spekulation.
dieandereMeinung sagt:
24.01.2022 um 20:08 Uhr
Toll. Diesen Essay sollten Sie, natürlich unter Zugabe von Moltkes türkischem Tagebuch, direkt an den kommisarischen Insp M schicken. Damit er unter Ihner wohlwollenden Anleitung nicht nur die hohe Kunst lerne einen Tagesbefehl zuchtvoll zu verfassen, sondern die Kunst des Siegens an und für sich und überhaupt! So wie es sich für einen preussischen Offizier gehört!
Leute, Leute.. gut das Maschendrahtzäune heute keine Latten mehr haben.
Irgendwas Kluges musste der Konteradmiral ja sagen, aber dass im Auftreten und Handeln der Marine ein politischer Wille zum Ausdruck kommen soll, zählt eher nicht dazu. Politik ist Sache der politischen Parteien und Interessengruppen und politische Willensbildung ist nicht der Auftrag der Bundeswehr. Insofern befremdet auch dieser Offizier nicht wenig.
@keiner sagt: 24.01.2022 um 22:12 Uhr
„Also wenn man nicht von spontaner geistiger Umnachtung ausgeht, dann ist die einzig plausible Begrüdnung für die Äußerungen des Herrn Admirals in Indien eine unstillbare Todessehnsucht (beruflich).
Sind da Brüche zwischen politischer und militärischer Führung im Dunkel, die an’s Licht drängen?“
Nein, das denke ich nicht. Es gibt ja auch im politischen Berlin (und auch in der aktuellen Regierung), die faktisch die gleiche Bewertung haben.
VAdm Schönbach hat es halt nur in think-tank-typischer-Sprache klar auf den Punkt gebracht. Und das ist dann halt veröffentlicht worden. Dumm gelaufen für ihn, dumm gelaufen für DEU.
Ich folge seinen Bewertungen in Bezug auf gemeinsame Interessen mit RUS und „Respekt-geben“ ja nicht, aber es ist keine abwegige und/oder ungewöhnliche Position in politikwissenschaftlichen und/oder realpolitischen Kreisen.
1WO sagt:
24.01.2022 um 22:26 Uhr
@H. Vetinari
Die letzte Verteidigungsministerin sprach u. a von der „systemischen Auseinandersetzung mit China“. Admiral Schönbach hat in diesem Punkt nichts gesagt, was die Chinesen so oder ähnlich nicht bereits von deutschen Regierungsvertretern gehört hätten.
———
Mir ist klar, dass andere Faktoren mehr Wellen geschlagen haben, und dass das unmittelbare Problem in der Veröffentlichung bestand. Das schrieb ich ja selbst. Aber: Wenn ein Militär in Uniform von künftigen, mutmasslich militärischen Bündnissen(!) gegen China schwafelt (Pardon), dann hat man das von der Bundesregierung definitiv noch nie gehört. Auch die Mitglieder der Quad (einschließlich Indiens) geben sich die allergrösste Mühe zu betonen, dass man sich nicht gegen China verbünde. Obwohl es jedermann besser weiss. Wir haben Glück, dass Peking hier wohl die Füsse stillhält, Ärger mit denen hätte uns im Augenblick gerade noch gefehlt. Es stand Schönbach nicht zu, öffentlich über so etwas zu sinnieren. Auch nicht halböffentlich in einem Think Tank (ja, ich weiss wie da geredet wird). Schon das allein ist aus meiner Sicht eine ‚firing offence‘. Neben all dem anderen, das Sie anführen (und ich stimme Ihnen da zu).
Nochmal: Für die Bewertung von Schönbachs Abgang ist unerheblich, ob er inhaltlich Recht hat*. Das war ein offensichtlicher, katastrophaler professioneller Fehler, der viel Porzellan zerschlagen hat. Way out of line. Das sollte offensichtlich sein, und er hätte es besser wissen müssen. Was mich schockiert sind die vielen Entschuldigungsversuche – mit sehr bedenklichen Argumenten.
*) Nein, hat er nicht, aus meiner Sicht. Aber das ist eben eine komplett andere Diskussion, die hat hier nichts verloren.
Puh … wenn das als „in think tank-üblichen Kreisen“ so die normale Sprache ist, dann … ja was, dann?
Das gilt vielleicht für die Singapur-Rede vom 21.12., aber die Delhi-Rede ist mitnichten „think tank-üblich“. Und nein, sie ist auch nicht klassische realpolitische Schule (es sei denn, ich habe ein sehr konservatives Mindset), auch wenn er natürlich Argumente aus der realistischen und neo-realistischen Schule aufgreift.
Es war eine Rede in der Öffentlichkeit und die Inhalte wären auch im „kleinen Kreis“ mindestens problematisch. Art und Weise seiner Ausführungen (Antworten waren es ja nicht wirklich) sind bei vielen Punkten im Q&A-Teil furchtbar verschwurbelt und fast schon dummdreist-arrogant als „thats my own point of view, I am no politician“ verklausuliert. Das ist der Mindset, der einfach nicht geht.
Er hätte ja sachlich (und akademisch fundiert) ja die realistischen bzw. neo-realistischen Positionen rausholen können. „DAS“ wäre think tank-Sprache gewesen. Und nicht diese Weikersheim-Gedächtnis-Posse.
Beruflich bin ich bei Analysen und Evaluationen, grade wenn es um geopolitische Aspekte geht, auch immer hart an der Grenze zwischen mißverständlichen „Was-wäre-wenn“ Risiko-Allgemeinplätzen (dem Brettspiel) und fachlichen Kauderwelsch für Insider. Aber am Ende geht es um echte Menschen, welche die Folgen von Handlungen als Konsequenz basierend auf Politik und deren inhärenter Trias „Information-Analyse-Verständnis“ in gesellschaftlichen Kontexten abbekommen.
Und bei der Delhi-Rede ist das der Fall-Out in Ausführungen des VA zur Ukraine und Russland, wo es um „Germany in the Indo-Pacific“ geht. Ganz toller Spin … und auch die Frage, welche ihn ja triggert, bezieht sich auf die NATO. Und auch das könnte man elegant und in think-tank Umgangsformen lösen.
Wurde es nicht. Es ist daher wirklich gut, dass es komplett anzuschauen ist und man sich nicht nur auf Erinnerungen verlassen muss. Es zeigt diesen unerträglichen Mindset und hat zurecht Konsequenzen.
Es ist natürlich ein Spannungsfeld, wenn der Bürger in Uniform der Staat sein soll!
Denn der Staat ist in einer Demokratie ja eben nicht monolithisch, sondern geprägt durch ein zeitlich begrenztes Übergewicht irgendwann wieder abzuwählender und zu reformierender Interessen.
@ Jas sagt: 24.01.2022 um 18:57 Uhr
„Hier habe einige wohl den Zugang zur Truppe verloren. Heute gab es in der Marine (und soweit ich wahrnehmen konnte auch durchaus darüber hinaus) nur 1 Thema. Dieses.“
Die Frage ist doch ob diese recht „akademische“ Ausführung eines Tagesbefehls geeignet ist, um die Diskussionen in der Truppe einzufangen. Ist ja nicht so, dass der Kompass Marine durch jeden Soldaten der Marine studiert wurden (die Vermutung liegt eher, dass der geringste Teil diesen jemals aufgeschlagen hat, geschweige sich mit diesem intensiver auseinandergesetzt hat). Und in solch einem Szenario ist eine Tagesbefehl der Bilder anstatt unmissverständlicher, kurzer und prägnanter Sprache meiner Erfahrung nach für große Teile der Truppe nicht eindeutig verständlich. Damit verliert er dann automatisch an Wirkung.
#zielgruppenorientierte Kommunikation
Meine These: Die große Maße des Offizierkorps versteht und kann nachvollziehen wieso Schönbach zurücktreten musste. Bei der Masse der Unteroffiziere bin ich mir schon nicht mehr so sicher, wenn ich mir die aktuelle Diskussion so ansehe, und bei überwiegend großen Teilen der Mannschaften ist nach dem Wochenende nur hängengeblieben, dass kritische Stimmen kaltgestellt werden und die Meinungsfreiheit bei Soldaten nicht existiert.
Es ist sicherlich kein repräsentatives Meinungsbild, das ist mir bewusst, ich habe aber das Gefühl das ist mit dieser Beobachtung nicht sehr falsch liege.
Und wenn dies der Fall ist, dann hätte ein in klarer Sprache formulierter Tagesbefehl – im Sinne einer generellen Kompaniebelehrung nachdem mal wieder etwas vorgefallen ist – mehr Wirkung erzielt und es auch den Vorgesetzten erleichtert die Diskussionen in die richtigen Bahnen zu lenken.