Bundeswehr führt Pflicht zur Schutzimpfung gegen Coronavirus ein (Zusammenfassung)

Alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr müssen sich künftig gegen das Coronavirus impfen lassen. Nachdem die geschäftsführende Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine entsprechende Weisung erlassen hatte, wurde die Immunisierung gegen Covid-19 in das so genannte Basis-Impfschema der Truppe aufgenommen.

Kramp-Karrenbauer hatte nach Angaben des Ministeriums am (heutigen) Mittwoch die Anweisung unterzeichnet. Zwar hatte die Spitze des Ressorts bereits seit Monaten diese Impfpflicht für die Truppe angestrebt; allerdings gab es erst nach einer Einigung mit der Soldatenvertretung am vergangenen Montag grünes Licht dafür. Der Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Ulrich Baumgärtner, gab noch am Mittwoch via Twitter die Aufnahme der Corona-Impfung in die verpflichtende Liste bekannt:

Grundlage für die Verpflichtung ist der Paragraph 17a des Soldatengesetzes:

(1) Der Soldat hat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig beeinträchtigen.
(2) Der Soldat muss ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen nur dann dulden, wenn sie
1. der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen oder
2. der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen.
Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.

Bereits jetzt sind in dem Basisimpfschema mehrere Impfungen enthalten, die für die Truppe verpflichtend sind – zum Beispiel gegen Tetanus oder auch die jährliche Influenza-Schutzimpfung. Immer wieder zeigt sich jedoch, dass es bereits mit diesen politisch wenig strittigen Immunisierungen Probleme gibt: Bei Beginn des Einsatzes im NATO-Bataillon in Litauen hatten im Februar dieses Jahres 25 Prozent des Bundeswehrkontingents nicht die vorgeschriebenen Impfungen.

Die Bundeswehr ist auch die erste und bislang einzige staatliche Institution, die eine Corona-Impfpflicht einführt. Da sich die Regelungen des Soldatengesetzes nur auf Soldatinnen und Soldaten beziehen (können), gilt diese Pflicht, eine Corona-Impfung zu dulden, nur für diese Gruppe und nicht für Beamte und zivile Mitarbeiter in Verteidigungsministerium und Bundeswehr. Dafür müssten andere gesetzliche Regelungen herangezogen bzw. erst geschaffen werden, was allerdings nicht in der Zuständigkeit des Wehrressorts liegt.

Diese Duldungspflicht gilt jedoch für zivile Mitarbeiter in dem Moment, in dem sie als Angehörige der Streitkräfte in einen Auslandseinsatz gehen, zum Beispiel als Teil der Wehrverwaltung. Für die Auslandseinsätze und die so genannten einsatzgleichen Verpflichtungen wie in Litauen hatte die Bundeswehr allerdings bereits im März eine verpflichtende Corona-Impfung eingeführt.

Die Impfquote in der Truppe beträgt nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums derzeit rund 80 Prozent. Es gibt jedoch keine exakten Zahlen, weil Soldaten sich auch außerhalb der Bundeswehr haben impfen lassen, zum Beispiel in Impfzentren oder beim zivilen Hausarzt. Außerdem hatte die Bundeswehr unter Verweis auf die bisher fehlende Duldungspflicht nicht konkret erhoben, wer von den Soldatinnen und Soldaten geimpft ist. Das dürfte sich jedoch in den nächsten Tagen ändern – nicht alleine wegen der neuen Impfpflicht, sondern auch wegen der für jede Arbeitsstätte und damit auch militärische Einrichtungen geltenden Verpflichtung, den Zugang nach der 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) zu kontrollieren und zu dokumentieren.

Die Infektionszahlen unter den Soldatinnen und Soldaten haben derweil einen neuen Höchststand erreicht. Am Mittwoch meldete der Sanitätsdienst 1.206 tagesaktuelle Fälle, mehr als drei Mal so viel wie die 356 Fälle am 2. November.

Zur Dokumentation die Aussagen von Kapitän zur See David Helmbold als Sprecher des Verteidigungsministeriums dazu in der Bundespressekonferenz:

Helmbold: Meine Damen und Herren, aufgrund des vielfältigen Interesses und auch aktueller Entwicklungen möchte ich Ihnen mitteilen: Die Duldungspflicht für die Coronaschutzimpfung für alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist beschlossen und angewiesen. Für die Kontingente der Auslandseinsätze gilt die Duldungspflicht ja bereits seit März. Wie Sie wissen, setzt sich die Verteidigungsministerin seit dem Frühjahr für eine Duldungspflicht der Coronaimpfung für alle Soldatinnen und Soldaten ein. Aber es galt auch, die Entscheidung in Übereinstimmung mit den Interessenvertretungen, also den Beteiligungsgremien, zu treffen, und dort gab es Widerstände. Aber am Montag hat man sich in einem Schlichtungsausschuss geeinigt. Die Verteidigungsministerin hat nun die Umsetzung angewiesen. Das bedeutet: Die Coronaschutzimpfung wird unverzüglich in das Basisimpfschema der Soldatinnen und Soldaten aufgenommen.

Was ich betonen möchte: Die Duldungspflicht ist zunächst einmal eine militärische Besonderheit, und sie ist im Soldatengesetz beschrieben. Es handelt sich um eine bundeswehrinterne Regelung. Es gibt die Duldungspflicht ja bereits für die Grundimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie, Polio, Masern, Mumps, Röteln und auch gegen Grippe. Grund für die militärische Besonderheit ist zum einen das enge Zusammenleben in Kasernen, auf Schiffen, in Feldlagern, im Auslandseinsatz und auf Übungen. Hier muss ganz besonders darauf geachtet werden, dass sich Infektionskrankheiten nicht ausbreiten. Außerdem müssen Soldaten körperlich einsatzbereit sein, um ihren Auftrag zu erfüllen. Es geht also um den Schutz des Individuums, der militärischen Gemeinschaft und um den Erhalt der Einsatzbereitschaft.

Frage: Welche Erkenntnisse haben Sie denn über die derzeitige Impfquote unter Soldatinnen und Soldaten? Wie groß ist da also momentan die Lücke?

Welche Sanktionen drohen, wenn man dieser Pflicht nicht nachkommt?

Helmbold: Wir haben im Moment eine Impfquote von ungefähr 80 Prozent. Eine exakte Zahl zu nennen, fällt uns deshalb schwer, weil Soldatinnen und Soldaten auch die Möglichkeit hatten, sich zivil impfen zu lassen, wenn im Sommer Kontingente übrig waren. Daher gehen wir eigentlich eher von einer etwas größeren Zahl aus, aber sie liegt bei einem Wert um die 80 Prozent.

Was Sanktionsmöglichkeiten angeht: Wenn jemand selbst seine Einsatzbereitschaft gefährdet und dann nicht entsprechend eingesetzt werden kann, kann das natürlich auch dienstrechtliche Folgen haben. Dafür gibt es auch Beispiele, die es bislang gab und die auch verwaltungsrechtlich immer wieder bestätigt wurden. Dann besteht eben die Möglichkeit, dass der Disziplinarvorgesetzte hier disziplinarisch tätig wird.

Frage: Können Sie noch einmal erklären, was der Unterschied zwischen einer Duldungs- und einer Impfpflicht ist?

Ich habe auch noch nicht ganz verstanden, was mit einem Berufssoldaten passiert, der sich weigert, sich impfen zu lassen, der also freiwillig ungeimpft bleiben will.

Helmbold: Freiwillig ungeimpft zu bleiben, ist dann so einfach ohne Weiteres nicht möglich.

Dazu, warum wir von einer Duldungspflicht sprechen: Wir beziehen uns hierbei auf das Soldatengesetz, und das Soldatengesetz sieht diese Duldungspflicht vor. Das finden Sie in § 17a Absatz 2 des Soldatengesetzes. Dieser Begriff ist auch absichtlich so gewählt worden, weil das etwas ist, das de facto nicht damit vergleichbar ist, dass – nehmen wir das einmal an – das beispielsweise zivil oder in anderen Bereichen eingeführt werden würde. Das sind Dinge, die intern stattfinden und dienstrechtliche Folgen haben, aber ansonsten keine strafrechtlichen Belange oder Ähnliches berühren. Auch um diese Unterscheidung deutlich zu machen, sprechen wir von Duldungspflicht, weil das auch den Sachverhalt trifft; denn der Soldat hat ja die Impfung zu dulden. Davon, dass eine Impfung durchgeführt wird, beispielsweise durch unser Sanitätspersonal, gehen wir natürlich aus.

Frage: Herr Helmbold, könnten Sie einmal kurz erklären, warum es für die zivilen Angestellten keine Impfpflicht gibt?

Helmbold: Ich habe es eigentlich schon erklärt. Es gibt ein Soldatengesetz, und es gibt militärspezifische Besonderheiten. Die haben etwas damit zu tun, wie Soldaten üblicherweise zusammenarbeiten, und damit, dass sie einsatzbereit sein müssen. Sie müssen in Auslandseinsätzen, aber auch auf Übungen und in Feldlagern sehr eng zusammenleben. Es gibt eine höhere Gefahr dafür, dass sich aufgrund des Lebens in der militärischen Gemeinschaft Infektionen ausbreiten, und hier gelten deswegen auch nicht ohne Grund besondere Bestimmungen, die im Soldatengesetz abgebildet sind.

Zusatzfrage: Wenn die zivilen Angestellten im Ausland zum Einsatz kommen, unterliegen sie dann dort dieser Duldungspflicht?

Helmbold: Zivile Angestellte oder auch Beamte, die im Auslandseinsatz tätig werden und die in einem ähnlichen Umfeld agieren, ziehen häufig auch die Uniform an. In dem Augenblick gelten dann die gleichen Richtlinien.

Frage: War das eine schwierige Entscheidung, oder ist Ihnen das relativ leicht gefallen?

Helmbold: Für die Leitung des Hauses war der feste Wille, die Duldungspflicht einzuführen, sozusagen seit dem Frühjahr klar. Aber wie ich eben betont habe, war auch wichtig, die Beteiligungsgremien mitzunehmen. Wir sind froh, dass jetzt am Montag, auch wenn es lange gedauert hat, diese Schlichtung zustande kam und dass wir deswegen diese Entscheidung auch im Einklang mit den Beteiligungsgremien treffen konnten.

Zusatzfrage: Aber die Leitung des Hauses wollte im Grunde, wie Sie sagten, seit dem Frühjahr eine verpflichtende Impfung. Habe ich das richtig verstanden?

Helmbold: Klares Ja.

(Archivbild 12. Januar 2021: Ein Arzt der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums im Einsatz als Impfarzt im Impfzentrum am Flughafen BER in Schönefeld bei Berlin – Luftwaffe)