Vor Start der eigentlichen Koalitionsverhandlungen: Steht die Größe der Bundeswehr zur Disposition?

In dieser Woche starten die  Partner einer möglichen Ampelkoalition mit den Verhandlungen über Details ihrer Regierungspläne und damit auch über Einzelheiten der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Dazu gehört auch immer, dass manche Positionen vorab – gezielt? – bekannt werden: SPD und Grüne wollen nach einem Zeitungsbericht den von der bisherigen CDU-Führung des Verteidigungsministeriums angestrebten weiteren Personalaufwuchs der Bundeswehr stoppen.

Die Meldung kommt am (heutigen) Mittwoch von der Süddeutschen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht; ohnehin hinter Paywall) – Kernaussage:

Nach Informationen der SZ könnte es dazu kommen, dass die Bundeswehr nicht weiter wachsen soll. Vor allem SPD und Grüne rütteln an der Zielmarke von 203 000 Soldatinnen und Soldaten in zehn Jahren; die Truppe könnte in etwa so groß bleiben, wie sie heute ist. (…) Die FDP, so heißt es, würde das mittragen, wenn sichergestellt sei, dass die Bundeswehr ihren künftigen Aufgaben nachkommen könne.

Die derzeit geltende Planung des Verteidigungsministeriums, zuletzt im Dezember vergangenen Jahres bestätigt, sieht die 203.000 Soldatinnen und Soldaten bereits bis zum Jahr 2027 vor, dabei eingerechnet sind 4.500 Stellen für Reservisten. Allerdings sind die Streitkräfte von diesem Ziel bislang noch weit entfernt: In den vergangenen Monaten kratzte die Bundeswehr immer an der Marke von 184.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten und konnte diese Zahl nicht langfristig überschreiten.

Eine Neuorientierung mit einer neuen Zielgröße ist deshalb aus gleich mehreren Gründen wahrscheinlich: Wie sich der Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren angesichts der Ausgaben für die Corona-Pandemie, aber auch den möglichen Kosten für den Klimaschutz entwickeln wird, müssen die Koalitionäre ohnehin festlegen – und das sieht bislang nicht nach einer deutlichen Steigerung aus. Und die Personalkosten der Streitkräfte nähern sich sowieso schon der Hälfte der Gesamtausgaben.

Wesentlicher allerdings: Dass die Bundeswehr schon ihren bisherigen Personalaufwuchs nur sehr mühsam hinbekommt, wenn überhaupt, deutet auch darauf hin, dass unabhängig vom Geld eine deutliche Steigerung illusorisch ist. Es melden sich schlicht nicht so viele (nicht nur junge) Männer und Frauen wie benötigt werden. Die geburtenschwachen Jahrgänge und das erwartete Wachstum der Wirtschaft nach der Corona-Delle dürfte dazu weiter beitragen.

Von der Personalstärke hängt allerdings auch ab, ob und wie die Bundeswehr langfristig ihre Aufgaben erfüllen kann – nicht zuletzt die Zusagen, was Deutschland zur gemeinsamen Verteidigung in der NATO beiträgt. Das so genannte Fähigkeitsprofil (dessen Details unter Verschluss sind) ist schon mit der derzeitigen Personalstärke nicht oder kaum zu stemmen. Deshalb lässt die Aussage zur Haltung der Freien Demokraten in der SZ-Meldung aufhorchen: Die FDP, so heißt es, würde das mittragen, wenn sichergestellt sei, dass die Bundeswehr ihren künftigen Aufgaben nachkommen könne.

Damit, so scheint es, stehen in den Koalitionsverhandungen nicht nur eine finanziell und demographisch bedingte Neuorientierung des Streitkräfteumfangs zur Debatte. Sondern ebenso die Frage, wie denn die künftigen Aufgaben der Bundeswehr definiert werden. Alle drei Faktoren zusammengenommen werden die künftige Größe der Streitkräfte bestimmen.

(Archivbild: Feierliches Gelöbnis vor dem Bendlerblock am 20. Juli 2021 – Sebastian Wilke/Bundeswehr)