Bundeswehr evakuierte bislang gut 2.500 Menschen aus Kabul – „Heilloses Chaos“ nach Schließung von Flughafen-Zugängen (Wochenendüberblick)

Unter weiterhin chaotischen Bedingungen hat die Bundeswehr bis zum Sonntagnachmittag gut 2.500 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ausgeflogen. Die von einem guten Dutzend Nationen betriebene Luftbrücke zur Evakuierung vom militärischen Teil des Flughafens muss weiterhin mit massivem Andrang auf den Airport, aber auch mit langwierigen Verfahren vor dem Abflug fertig werden.

Am (heutigen) Sonntag wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums mit den A400M-Transporter der Luftwaffe bis zum Nachmittag rund 370 Personen aus Kabul in die usbekische Hauptstadt Taschkent geflogen. Am Morgen hatte die Bundeswehr die Zahl der seit Beginn der deutschen Mission begonnenen ausgeflogenen Menschen mit mehr als 2.100 beziffert. Die am Samstag in Kabul eingetroffenen zwei deutschen Spezialkräfte-Hubschrauber wurden derweil offensichtlich noch nicht eingesetzt.

Der Kommandeur der deutschen Evakuierungsmission, Brigadegeneral Jens Arlt, sprach in einer Schaltkonferenz mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Journalisten am Sonntag von heillosem Chaos außerhalb des Flughafens, das sich am Vortag durch die zeitweise Schließung der Zugänge zum geschützten Bereich ergeben habe. Als aufgrund des Drucks der Menschenmassen einzelne Tore wie das von der Bundeswehr genutzte North Gate blockiert wurden, habe es große Aufregung und vor allem ein zusätzliches Gedränge gegeben Dabei seien Menschen zu Tode gequetscht und zertrampelt worden.

Der britische TV-Sender Sky News hatte von mindestens sieben Toten berichtet, die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen. Nach den Angaben des Senders versuchten die eingesetzten Soldaten, darunter auch Deutsche, Familien und Kinder aus dem Gedränge zu retten.

Nach Angaben des deutschen Brigadegenerals hatte sich der Zustrom am Abbey Gate (s. Karte oben) konzentriert, weil die anderen Tore zeitweise geschlossen waren; daraufhin habe auch dieser Zugang vorübergehand geschlossen werden müssen. Am Sonntag habe sich die Lage vor allem am North Gate relativ entspannt. Das könne sich allerdings in jedem Moment ändern, warnte Arlt. Jede Verzögerung beim Abflug der Menschen, die sich bereits auf dem Flughafengelände befinden, schlage sofort auf die Situation außerhalb des Airports durch.

Um die inzwischen vermutlich mehreren tausend Menschen zu unterstützen, die auf dem Flughafengelände selbst auf die Evakuierung warten, brachte die Bundeswehr unterdessen Hilfsgüter wie Windeln und Babynahrung zunächst nach Taschkent. Das Material, das von deutschen Firmen gespendet werde, soll nach Angaben von Kramp-Karrenbauer je nach Bedarf nach Kabul eingeflogen werden.

Die Taliban kündigten unterdessen über einen ihnen nahestehenden Twitter-Account an, eine ihrer Spezialeinheiten werde die Kontrolle rund um den Flughafen übernehmen – ob und wie sich das auswirkt, blieb allerdings zunächst unklar.

Die Verteidigungsministerin wandte sich unterdessen in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen und erläuterte die Situation, die zum Einsatz der Bundeswehr und zu dieser Evakuierungsmission geführt habe. Sie wies zugleich den Vorwurf zurück, der Einsatz sei zu spät begonnen worden: Es sei gelungen, die Mission schneller zu starten als in den Planungen vorgesehen, zudem habe Deutschland als eine der ersten Nationen seine Flugzeuge für die Evakuierung verlegen können.

Das Schreiben zum Nachlesen:
20210821_AKK-Brief_Fraktionen

(Heute voraussichtlich keine weitere Aktualisierung; ab Montag dann wieder Normalbetrieb hier.)

(Foto: Ein A400M der Bundeswehr mit rund 180 Menschen an Bord vor dem Start aus Kabul am 22.08.2021 – Foto Bundeswehr)