Malis neuer Putsch-Präsident war auf Fortbildung in Deutschland; Berlin wartet weiter Entwicklung ab (Update)

Fürs Protokoll: Am vergangenen Montag wurde der neue malische Präsident – und vorherige Putschist – Oberst Assimi Goïta in sein Amt als Staatspräsident des westafrikanischen Landes eingeführt. Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium hatten da zugesagt, aufgrund seiner Antrittsrede die Aussichten für das weitere deutsche Engagement in Mali zu bewerten und zu prüfen, ob Goïta möglicherweise von der Bundeswehr ausgebildet wurde.

Die politischen Absichten des neuen Präsidenten nach dem erneuten Putsch sind natürlich deshalb für Deutschland interessant, weil die Bundeswehr gleich in zwei Missionen im Einsatz ist: Der UN-Mission MINUSMA und der EU-Trainingsmission Mali. Seine Antrittsrede wurde in Berlin mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, und sicherlich auch, dass er einen friedlichen Übergang und das Festhalten am Fahrplan für die geplanten Wahlen im Februar kommenden Jahres ankündigte.

Die Einschätzung von Andrea Sasse vom Auswärtigen Amt in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Mittwoch:

Frage: Frau Sasse, am Montag sagten Sie, dass die Bundesregierung die Beurteilung des weiteren Engagements in Mali auch davon abhängig machten, was der Präsident in seiner Rede, die er am Montag dann ja gehalten hat, sagen würde. Deswegen jetzt noch einmal die Nachfrage: Ist die Bundesregierung jetzt zu einem Entschluss gekommen, ob sie ihr Engagement in Mali trotz des Militärputsches fortsetzen kann und will? Oder wird es Einschränkungen beim deutschen Engagement geben?
Sasse: Vielen Dank für die Frage. Es ist richtig, wir hatten das Thema am Montag schon. Übergangspräsident Goïta hat sich am Montag in seiner Antrittsrede zum zivilen Übergangsprozess und zu freien und fairen Wahlen im Februar bekannt. Wir und auch unsere Partner in Mali werten das grundsätzlich als erstes gutes Signal. Es wird aber natürlich entscheidend sein, dass diesen Worten jetzt auch Taten folgen und rasch eine inklusive zivile Regierung gebildet wird. Wir beobachten die Lage weiterhin sehr genau und stimmen uns zu den nächsten Schritten natürlich auch weiterhin eng mit unseren Partnern in Frankreich und unseren Partnern in der EU ab.
Für uns – das habe ich am Montag ja schon deutlich gemacht – steht weiterhin im Vordergrund, dass der zivile Übergangsprozess in Mali fortgesetzt wird und der Wahlkalender eingehalten wird. Genau das hatte im Übrigen auch am vergangenen Freitag schon der Hohe Vertreter der EU im Namen aller 27 Mitgliedstaaten der EU gefordert, und er hat dabei auch die besondere Rolle von ECOWAS betont. Vielleicht noch ein kurzer Hinweis: ECOWAS-Vermittler Goodluck Jonathan ist heute erneut in Mali, um dort Gespräche zu führen.
Zusatzfrage: Zu einem möglichen Zeitrahmen: Haben Sie der Übergangsregierung in Mali für die nächsten Schritte, die Sie erwarten, also zu den Wahlen zu einer inklusiven zivilen Regierung, die Sie genannt haben, irgendwelche Fristen gesetzt?
Sasse: Ich kann Ihnen zum Zeitplan oder Ähnlichem im Moment nichts sagen. Ich kann aber sagen, dass wir natürlich weiterhin koordiniert und mit Augenmaß vorgehen. Wir halten unsere Präsenz vor Ort in Mali und vor allem unser internationales Engagement bei der Ausbildungsmission für Mali und der UN-Mission MINUSMA weiterhin für sehr wichtig. An deren wichtigen Aufgaben hat sich nichts geändert.
Frage: An das AA: Die Afrikanische Union und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft fordern ja die Ernennung eines zivilen Staatschefs in Mali. Das tut die Bundesregierung nicht, habe ich Sie da richtig verstanden?
Sasse: Da muss ich vielleicht noch einmal das deutlich machen, was ich gerade gesagt habe: Für uns steht weiterhin im Vordergrund, dass der zivile Übergangsprozess – der Fokus liegt hier auf „zivil“ – fortgesetzt wird und der Wahlkalender eingehalten wird. Wir haben die Rede von Herrn Goïta am Montag so gewertet, dass er sich zum zivilen Übergangsprozess und zu freien und fairen Wahlen im Februar bekannt hat.
Zusatzfrage: Deshalb verzichten Sie darauf, selbst einen zivilen Staatschef zu fordern?
Sasse: Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich jetzt gesagt habe. Das ist unsere aktuelle Position.

Für das Verteidigungsministerium äußerte sich Fregattenkapitän Christina Routsi zu der Frage nach Goïtas möglicher Ausbildung durch die Bundeswehr:

Frage: An das Verteidigungsministerium: Wir warten immer noch auf eine Antwort, ob die Bundeswehr diejenigen Soldaten ausgebildet hat, die jetzt die zivile Regierung weggeputscht haben.
Routsi: Vielen Dank für die Frage. Grundsätzlich ist es ja so, dass nicht Deutschland allein bei EUTM Mali ausbildet, sondern dass wir das im EU-Rahmen machen. Uns liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, ob beteiligte malische Soldaten durch die EU-Trainingsmission ausgebildet wurden.
Was ich Ihnen gerne nachreiche ist, dass Herr Goïta 2008 als junger Offizier einen Logistiklehrgang bei der Bundeswehr besucht hat und 2016 ein Seminar am George C. Marshall Center in Garmisch-Partenkirchen besucht hat. Das ist im Rahmen der sogenannten Militärischen Ausbildungshilfe erfolgt.
Ich würde das gerne kurz einordnen, weil das vermutlich nicht für alle hier im Saal ein Begriff ist: Militärische Ausbildungshilfe beziehungsweise militärische Kooperation mit Streitkräften von Partnerstaaten ist ein Instrument präventiver Sicherheitspolitik. Die Lehrgangsteilnehmer werden von den entsprechenden Entsendestaaten ausgewählt, kommen nach Deutschland und lernen hier demokratische Werte kennen, wenn sie sie noch nicht kennen, und erfahren sie auch physisch. Die Militärische Ausbildungshilfe fördert die Entwicklung einer demokratischen Orientierung in Streitkräften. Das ist aus unserer Sicht eine ganz sinnvolle Geschichte. Angeboten werden verschiedene Ausbildungslehrgänge, zum Beispiel die Ausbildung zum Offizier, teilweise auch ein Studium oder auch die Teilnahme am einjährigen Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
Ich hoffe, dass das etwas dazu beiträgt und in Ihrem Sinne ist.
Zusatzfrage: Gehört zu der Vermittlung von demokratischen Werten das Putschen?
Routsi: Ich glaube, diese Frage erübrigt sich.

Zur Einordnung von Goïtas Ausbildung in Deutschland: Vor 13 Jahren absolvierte er einen Kurs für Hauptleute, den vom Verteidigungsministerium genannten Logistiklehrgang, nachdem er zuvor die französische Logistikschule besucht hatte – da dürfte die fachliche Ausbildung im Vordergrund gestanden haben.

Interessanter ist da schon der Lehrgang, den Goïta 2016 in Deutschland besuchte. Die deutsche Angabe, dass er ein Seminar am George C. Marshall Center in Garmisch-Partenkirchen besuchte, ist nicht ganz deckungsgleich mit den Aussagen, die ein malisches Nachrichtenportal in seinem Lebenslauf anführt: ein Kurs in Garmisch für Spezialoperationen im Kampf gegen den Terrorismus.

Allerdings: einen solchen Kurs bietet das vom Pentagon und dem deutschen Verteidigungsministerium betriebene Zentrum gar nicht an – am nächsten käme dem nur ein Program on Terrorism and Security Studies. Ob Goïta dieses Seminar oder eines der allgemeineren Program on Applied Security Studies besucht hat, bleibt vorerst unklar. Eine militärische Ausbildung im eigentlichen Sinne ist das jedoch nicht.

Update: Da habe ich – wie manche Kollegen auch – einfach nicht gründlich genug recherchiert… Denn die ganzen Informationen (danke für den Leserhinweis!) hatte die Bundesregierung bereits im September vergangenen Jahres in einer Antwort auf eine Frage des Linken-Abgeordneten Tobias Pflüger veröffentlicht:

Assimi Goita nahm in den Jahren 2008 und 2016 an militärischer Ausbildung in Deutschland teil.
Im Jahr 2008 absolvierte er eine dreimonatige Sprachausbildung Deutsch am Bundessprachenamt in Hürth, anschließend einen etwa fünfwöchigen Einheitsführerlehrgang (Kompaniecheflehrgang) an der Logistikschule der Bundeswehr in Osterholz-Scharmbeck.
2016 nahm Assimi Goita am etwa vierwöchigen Seminar „Program on Terrorism and Security Studies“ am deutsch-amerikanischen Studienzentrum „George C. Marshall Europäisches Zentrum für Sicherheitsstudien“ in Garmisch-Partenkirchen teil.

Dazu gab’s auch einen Tweet des Marshall-Centers vom August 2016 (ebenfalls von einem Leser gefunden), in dem der damalige Major Goïta als Absolvent gezeigt wird:

(Foto: Oberst Assimi Goïta am 7. Juni 2021 beim Amtsantritt als Präsident Malis – Foto Présidence de la République du Mali)