Deutschland will nun doch mehr afghanische Bundeswehr-Helfer aufnehmen als geplant
Deutschland will mehr einheimische Unterstützungskräfte des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan aufnehmen als zunächst geplant. Bundesinnenminister Horst Seehofer und danach das Verteidigungsministerium bestätigten, dass auch die so genannten Ortskräfte nach Deutschland kommen dürfen, die nach 2013 wegen möglicher Bedrohung durch die Taliban erfolglos einen Antrag gestellt hatten. Bislang war die Aufnahme auf die afghanischen Unterstützer beschränkt, die in den vergangenen zwei Jahren für die Bundeswehr gearbeitet hatten.
Die Erweiterung des Personenkreises war vor allem zwischen Verteidigungs- und Bundesinnenministerium umstritten gewesen. Innenminister Horst Seehofer hatte sich dagegen ausgesprochen, während Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer dafür plädiert hatte. Die Einigung gab Seehofer am (heutigen) Freitag am Rande der Innenministerkonferenz bekannt, wie Reuters berichtete:
„Die Zwei-Jahres-Frist ist gefallen“, sagte Seehofer nach Beratungen der Innenminister von Bund und Ländern im baden-württembergischen Rust.
Zur Begründung nannte Seehofer neue Erkenntnisse zur Sicherheitslage in Afghanistan.
Damit steigt die Zahl der Afghanen, die zum Beispiel als Dolmentscher – Bundeswehr-Bezeichnung: Sprachmittler – für die deutschen Soldaten gearbeitet haben. Die Ausweitung auf die Ortskräfte ab 2013 soll für die Personen gelten, die bereits zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt hatten, der aber abgelehnt worden war.
Zahlen nannte das Verteidigungsministerium nicht. Nach einem Bericht des Spiegels soll es sich um rund 350 frühere örtliche Hilfskräfte handeln, zusätzlich zu den rund 400, die bereits von der bisherigen Zwei-Jahres-Regelung erfasst waren. Die Aufnahmezusagen gelten dann auch für ihre Familienangehörigen.
Hintergrund ist die Drohung der Taliban, nach dem Abzug der internationalen Truppen die Unterstützer der westlichen Soldaten als Verräter zur Verantwortung zu ziehen. Zwar hatte das so genannte Islamische Emirat Afghanistan diesen Personenkreis aufgefordert, im Land zu bleiben und beim Aufbau zu helfen – zugleich aber auch eindeutig erklärt, wie diese Helfer eingeschätzt würden: Ihnen würde nichts geschehen, wenn sie ihre bisherige Arbeit bereuten und sicherstellen würden, dass sie sich künftig nicht mehr an Verrat gegen den Islam und das Land beteiligen würden.
(Foto: Ein Bundeswehrsoldat übergibt am 9. Juni 2021 am Flughafen in Mazar-e Sharif/Afghanistan im Rahmen des Ortskräfteverfahrens einem Afghanen Pässe mit einem Visum für Deutschland – Torsten Kraatz/Bundeswehr)
Sehr erfreulich. Dadurch, dass man jetzt so lange gewartet hat, wird das alles natürlich kompliziert im Verfahren, da mit Schließung des Generalkonsulats jetzt ja alles über die Botschaft in Kabul abgewickelt werden muss.
Aber naja, besser später als nie…
Zeit drängt.
„Rot unter Kontrolle afghanischer Regierungstruppen, grün Talibangebiet, blau umkämpft“.
https://mobile.twitter.com/MASAOMORITR/status/1405632076163031043/photo/1
@ Tw Ist es Zufall dass der Soldat gleich der Oberstleutnant ist? Oder darf dass nur der Chef? Oder habe ich mich verguckt?
[Keine Ahnung. Falls nicht ohnehin klar: Journalisten lässt die Bundeswehr derzeit nicht in das Camp einreisen, offiziell wg. der Covid-Pandemie, unabhängig von einem Impfstatus. Insofern ist in diesem Fall noch mehr als ohnehin jegliche Information und alle Bilder nur von der Bundeswehr verbreitetes Material. T.W.]
Positive Nachrichten soll man auch würdigen. Die Lösung ist ziemlich alternativlos.
@Koffer
Das Generalkonsulat dort hat noch nie gearbeitet. Die Gesamte Arbeit und Verantwortung wurde von Anfang an an die EWV abgedrückt.
Die haben sich auch zeitnah da unten verdrückt, bloß nicht arbeiten…
[Es gibt so gewisse Töne, bei denen man sehr aufpassen sollte, dass es nicht auf einen zurückfällt. Dann sind wir ganz schnell bei „die deutschen Soldaten essen in Kunduz Kuchen, während die Briten kämpfen“, wie mal ein britisches Boulevardblatt titelte. Mit anderen Worten: so eine Aussage wie „Das Generalkonsulat dort hat noch nie gearbeitet“ geht leicht nach hinten los und ist nicht das Niveau der Diskussion hier. T.W.]
@ Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt:
„Zeit drängt. „Rot unter Kontrolle afghanischer Regierungstruppen, grün Talibangebiet, blau umkämpft“.“
Die Taliban müssen ja immer eine ziemlich robuste Logistik haben (an Waffen, Munition, Explosivmittel, Elektronik), daß die den Kampf immer noch aufrecht erhalten können.
@Trevor Faith sagt: 20.06.2021 um 16:13 Uhr
„Die Taliban müssen ja immer eine ziemlich robuste Logistik haben (an Waffen, Munition, Explosivmittel, Elektronik), daß die den Kampf immer noch aufrecht erhalten können.“
So etwas nennt sich Bevölkerung und Waffenhändler gibt es nunmal genügend auf der Welt. Manche Sachen geraten ja gerne in Vergessenheit. Ich empfehle einfach mal das Interview mit Gen. Wolf Stahl aus 2017 in Jung&Naiv: https://augengeradeaus.net/2017/11/bundeswehr-in-afghanistan-naive-fragen-an-den-kommandeur/
@ Tw Was haben die Briten gegen Kuchen? Villeicht war ja nur das Brot alle. Oder wie mein Opa sagte „In der allergrößten Not, schmeckt die Wurst auch ohne Brot“ iro off Abgesehen davon hat die Briten ja niemand gezwungen da runter zu gehen. Die Skandinavier halten sich auch aus dem meisten raus und niemand kratzt es.
[Meine Güte, auf dem Niveau machen wir jetzt nicht weiter. Lesetipp: schauen Sie sich mal die Berichte über die norwegische QRA im Norden Afghanistans an, und dann reden wir noch mal drüber, ob sich „die Skandinavier aus dem meisten raushalten“. T.W.]
Ich hoffe die beiden Links sind zulässig.
Die aktiven Soldaten sind mit Sicherheit über den Sachverhalt informiert, da es entsprechende Abfragen gab. Hier können ernsthaft Interessierte Verantwortung übernehmen:
https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/patenschaftsprogramm-afghanische-ortskraefte-174332
https://www.patenschaftsnetzwerk.de
@
Trevor Faith sagt:
20.06.2021 um 16:13 Uhr
“
Die Taliban müssen ja immer eine ziemlich robuste Logistik haben (an Waffen, Munition, Explosivmittel, Elektronik), daß die den Kampf immer noch aufrecht erhalten können.
“
Ist es denn überhaupt ein Kampf? Oder sind evtl. kaum oder keine Regierungstruppen anwesend und die Taliban gehen einfach nur in ‚unbeanspruchten‘ Raum? Wird dort tatsächlich zw. Taliban und Regierungstruppen um alle diese Distrikte gekämpft und werden sie in dem Sinne erobert?