Bundeswehr in Afghanistan: Naive Fragen an den Kommandeur
Und noch ein Video zum Wochenende: Kollege Tilo Jung ist derzeit in Afghanistan und hat sich in Masar-i-Scharif mit Wolf-Jürgen Stahl, dem Kommandeur TAAC-North, unterhalten. Natürlich vor allem über die naive Frage: Was macht die Bundeswehr (immer noch) dort?
Ich halte die Frage nicht für naiv sondern für durchaus berechtigt. Vor allem: mit welchem Ziel? Und: kann dieses überhaupt erreicht werden?
@Thomas Melber
Welche Antwort erwarten Sie auf die Frage nach dem Ziel? Es ist hinlänglich bekannt, dass die Missionen ISAF und auch RS – wie zuvor nahezu alle Missionen der NATO – ohne wirkliches Ziel gestartet und durchgeführt wurden. Diese Frage sollte nicht dem Kontingentführer, sondern vielmehr den Bundestagsabgeordneten gestellt werden, damit diese über diese Sachverhalt überhaupt anfangen nachzudenken, bevor die Mandatsverlängerung als kleine „Lästigkeit“ durchgewinkt wird.
@Jan Schmidt | 26. November 2017 – 13:14
„Diese Frage sollte nicht dem Kontingentführer, sondern vielmehr den Bundestagsabgeordneten gestellt werden“
+1
@Jan Schmidt
Dass die Beschlüsse der Petersberger Afghanistan-Konferenz nicht jedem schmecken, ist nachvollziehbar.
Dass aber „Friedenserzwingung, Sicherheit und Wiederaufbau …“ als ISAF -Ziele „ohne wirkliches Ziel“ abqualifiziert werden, hinterlässt Unverständnis.
Zur Art und Weise der Durchführung, vor allem zum verfrühten Abbruch, ließen sich kritische Bewertungen erstellen, wie bei AG zigfach geschehen.
Für die SiPo Absicht, nach 9/11 und der Talibanherrschaft in AFG, am Ende mit UN-Mandat gegeben, gilt das nicht.
@KPK
Ein Kontingentführer sollte das schon seinen Soldaten erläutern bzw. verständlich aufzeigen können.
Das ist aber ein krasser Griff in die Traditionskiste. Man erinnert sich vielleicht an „kranker Mann vom Bosporus“ und „kranker Mann Asiens“ …
@Thomas Melber | 26. November 2017 – 14:44
„Ein Kontingentführer sollte das schon seinen Soldaten erläutern bzw. verständlich aufzeigen können.“
Warum? Das ist Aufgabe der Politik!
Ein militärischer Führwr muss natürlich erklären können, warum er das vorgegebene (!) Ziel auf dem Weg A oder statt dessen auf denn Weg B erreichen will.
Aber warum sollte er das durch die Politik vorgegebene Ziel erklären müssen?
Ich fand es ein gelungenes Interview für beide Seiten. Schade, dass es derartige Interviews mit Ktgt-Fhr oder ähnlichen Spitzenpersonal nicht öfter gibt. Jedenfalls um Längen besser als die MickeyMouse Grütze, die durch die eigenen Kanäle produziert wird.
Hoffe, Tilo bekommt vor Ort noch einige weitere Verantwortliche (AA, BMI, BMZ…)vor die Kamera
pi
Der Interviewer ist ziemlich selbstgefällig und stark antiwestlich eingestellt. Respekt hätte ich vor dem nur, wenn der mal ein Interview mit einem Taliban-Kommandeur hinbekommen würde. Aber das bringt der ohnehin nicht, würde auch sein Weltbild zerstören.
Das Interview ist gut und es werden die richtigen Fragen gestellt.
Die Zielgruppe denke ich wird bedient und G.Stahl erklärt verständlich die Situation in AFG.
Gutes Interview, Tilo Jung stellt die richtigen Fragen und bekommt auch gute Antworten.
Bemerkenswert finde ich die Aussagen von BrigGen Stahl darüber, das er eine militärische Lösung ausschließt, weil sie nicht realisierbar ist (ab Minute 15). Für ihn ist eine Lösung nur auf dem Verhandlungsweg erreichbar.
Hört man sonst in dieser Deutlichkeit nicht.
@Thomas Melber
Genau diese Erklärungen bekommt man in dem Interview sehr deutlich und auch für Laien verständlich.
Ich find es sehr positiv, dass dieses Interview überhaupt stattfinden konnte. Es also an verschiedenen Stellen Bereitschaft gab dies mitzutragen.
BrigGen Stahl macht das auch – wie stets – in einer sehr ruhigen, reflektierten und authentischen Art.
Lediglich bei der Verhandlungsbereitschaft und Zielsetzung der Taliban wären aus meiner Sicht einige Fragezeichen notwendig. In diesen zentralen Punkten wäre etwas mehr Differenzierung erfreulich gewesen.
Die Taliban haben mehrfach Gesprächsbereitschaft signalisiert und auch zugesichert keine internationale Terroristen unterstützen zu wollen.
Leider scheint die afghanische Zentralregierung und die Trump-Administration erst das Patt durchbrechen zu wollen, bevor ab Verhandlungen opportun erscheinen.
Siehe auch die Schließung des Taliban-Büros in Qatar.
Und so arbeitet man weiter mit der Therapie, die längst gescheitert ist. Der Patient wird darunter leiden und die Selbstheilung wird weiter verzögert.
AAN Afghanistan
@AANafgh
Hekmatyar in his speech: “if the Taleban agree to talks, we will support all their legitimate and reasonable demands“.
(link: http://aan.af/2AwEVbb)
aan.af/2AwEVbb
Das nennt sich betteln um Gespräche. Dann doch gleich mit Parlamentärsflagge.
Endlich mal ne verlässliche Aussage.
@gebauerspon
#Kunduz will never fall again to the #Taliban, US Commander Nicholson promises during a visit in northern #Afghanistan
Der US Kongress hat eine unabhängige Bewertung des Einsatzes gegen Al-Qaida verlangt. Diese Bewertung (https://www.cna.org/cna_files/pdf/DRM-2017-U-015710-2Rev.pdf) wurde kürzlich vorgelegt. Ein Artikel von Autoren dieser Bewertung dazu https://warontherocks.com/2017/11/congress-asked-assessment-war-al-qaeda-heres-told/
Sehr bezeichnend das Zitat aus letzterem:
„That the United States has thus far failed to defeat al-Qaeda is self-evident. More troublingly, we found that there is no consensus in the U.S. government on what that defeat would even look like, much less how one might bring it about.“
@ justanick
„That the United States has thus far failed to defeat al-Qaeda is self-evident. More troublingly, we found that there is no consensus in the U.S. government on what that defeat would even look like, much less how one might bring it about.“
Das geht auch gar nicht anders. Der „war on terror“ ist in etwa genauso sinnvoll wie der „war on drugs“ oder „war on crime“. Das sind ständig wiederkehrende Phänomene und keine singulären Ereignisse. Genauso gut könnte man in den USA einen Krieg gegen die Dummheit führen, der wäre auch nicht zu gewinnen. Die Problemstellung ist einfach eine komplett andere und nicht mit der im normalen Sprachgebrauch verwendeten Bezeichnung eines klar abgegrenzten Krieges zufriedenstellend beschrieben. So kommt es dann auch zu den in dem von Ihnen zitierten Satz erwähnten Missverständnisse.
@ Koffer
Zitat: „Ein militärischer Führwr muss natürlich erklären können, warum er das vorgegebene (!) Ziel auf dem Weg A oder statt dessen auf denn Weg B erreichen will.
Aber warum sollte er das durch die Politik vorgegebene Ziel erklären müssen?“
Weil dies grundlegegender Teil des Anspruches an einen deutschen Soldaten nach dem Konzept der Inneren Führung ist !!!
Es ist genau der Unterschied zu einem amerikanischen Soldaten, der kann sagen „Ask my president“, der deutsche Soldat sollte die sicherheitspoltischen Ziele, insbesondere warum ein deutscher Soldat in AFG deutsche sicherhheitspolitische Interessen verfolgen muss, erklären können.
Im Übrigen, der General Stahl hat dies ja souverän erklärt, indem er sagte wir sind dort, damit kein geschützter Staat , kein „save heaven“ für eine Terrororganisation mehr dort existieren kann.
Ob man diese Erklärung ausreichend findet, ist eine andere Frage, aber beantwortet hat er die Frage, warum wir dort sind !
@ Memoria
Zitat: „Und so arbeitet man weiter mit der Therapie, die längst gescheitert ist. Der Patient wird darunter leiden und die Selbstheilung wird weiter verzögert.“
Die Erkenntnis ist spätestens seit dem Ende des „Surge“ 2012 /2013 vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt sind die Friedensgespräche bereits mit den Taliban in Quatar von den USA und Saudi Arabien torpediert worden. Jetzt ohne „Surge“ im Gleichgewicht der militärischen Kräfte den Start für eine Friedensverhandlung hinzubekommen halte ich für naiv.
Die Taliban haben unendlich Zeit, der Westen nicht und die Taliban wissen dies.
@Georg | 27. November 2017 – 21:09
„Weil dies grundlegegender Teil des Anspruches an einen deutschen Soldaten nach dem Konzept der Inneren Führung ist !!!“
Das denke ich nicht. Das hat sich nun einmal seit den Zeiten der 70er/80er geändert.
PolBil ist Auftrag der Vorgesetzten. Völkerrecht und Wehrrecht ist Auftrag der Vorgesetzten. Vermittlung des allgemeinen Prinzips „Dienen wofür“ und des Prinzips „Staatsbürger in Uniform“ ist Aufgabe der Vorgesetzten.
Aber Überzeugung, dass der politische Auftrag der BReg richtig ist?
Was ist, wenn das Vorgesetzte für ein konkretes Mandat anders sehen? Soll ja recht häufig passieren (wie man auch hier in den Kommentaren ja regelmäßig lesen kann). Sollen sie dann lügen?
„der deutsche Soldat sollte die sicherheitspoltischen Ziele, insbesondere warum ein deutscher Soldat in AFG deutsche sicherhheitspolitische Interessen verfolgen muss, erklären können.“
Hm, sicherlich sollte der Soldat wissen WARUM die BReg/der BT in in fremde Lande geschickt hat. Und insofern greift natürlich der allgemeine PolBil Auftrag an Vorgesetzte und macht die WISSENSvermittlung durchaus zu einem Auftrag.
Aber seine Meinung dazu sollte sich doch bitte jeder Soldat (inkl. der Vorgesetzten) selbst machen und „inhaltlich vertreten“ bzw. „die Soldaten (und im übrigen auch die Öffentlichkeit) mitnehmen“ müssen doch bitte die Politiker und nicht die Vorgesetzten!
„Ob man diese Erklärung ausreichend findet, ist eine andere Frage, aber beantwortet hat er die Frage, warum wir dort sind !“
Naja, er gibt die öffentliche Position der BReg wieder. Ob das die richtige Antwort ist und ob das seine Meinung ist, ist doch eine ganz andere Frage…
@Georg & @ Koffer
Wenn ich mir Ihre Diskussion um den politischen Auftrag so ansehe, diskutieren Sie um verschiedene Begrifflichkeiten und kommen deswegen auf keinen gemeinsamen Nenner. Obwohl Sie das Gleiche meinen.
Tatsache ist doch, die mil.Führung bekommt von der pol. Führung einen Auftrag. Diesen hat die mil. Führung so umzusetzen, dass das Ziel der pol. Führung erreicht wird. Wie dieses geschieht ist im Prinzip egal, es passiert im Rahmen der Auftragstaktik.
Dabei ist eine Umsetzung des Pol-Sprech in Mil-Sprech nötig, um allen nachgeordneten Bereichen die Absichten und Ziele der mil. Führung klar verständlich zu machen und somit die politichen Ziele umzusetzen.
Mit vertreten des Auftrags im Rahmen seiner eigenen persönlichen Meinung des militärischen Führers vor Ort hat das nichts zu tun, diese hat in dem ganzen Vorgang auch nichts zu suchen. Wie immer hat der Soldat seine persönliche Meinung entsprechend zu kennzeichnen, wenn er sie in Uniform oder in seiner Funktion kundtut, aber das ist nichts neues.
FAZ.net
Tatsächliche Truppenstärken in wichtigsten Einsatzländern offenbar deutlich höher. Ursache soll in uneinheitlicher Zählweise liegen.
Den neuen Angaben des Pentagons zufolge waren zum Stichtag 30. September 2017
– 15.298 Soldaten in Afghanistan,
– 8892 Soldaten im Irak und
– 1720 Soldaten in Syrien im Einsatz.
Die Regierung hatte zuletzt offiziell die Zahl ihrer Soldaten in Syrien auf 503 und im Irak auf 5262 beziffert. Die zuletzt für Afghanistan genannte Einsatzzahl lag bei 14.000.
[Da nehmen wir dann doch lieber eine originärere Quelle, die näher dran ist und auch verlinkt werden kann, nämlich die Washington Post
The Pentagon struggles to provide accurate numbers for deployed troops
T.W.]
@ Koffer, @ Pio-Fritz
Die entscheidende Stelle des Originaltextes von @ Koffer lautete:
„Aber warum sollte er das durch die Politik vorgegebene Ziel erklären müssen?“
Warum sollte also ein deutscher Soldat, zumal als General und Kommandeur im Einsatzland das durch die Politik vorgegebene Ziel im Einsatz erklären (können) müssen ?
Meine Antwort darauf lautet, dass seit der Wehrmacht und anderen ehemaligen deutschen Armeen nicht mehr der „Kadavergehorsam“ gefragt ist, sondern der mitdenkende, politisch interessierte, sich nicht nur als Handwerkszeug der Regierung sehende Soldat gefragt ist.
Es ist eben genauso wie es als Schlagzeile über der Traditionsdiskussion steht: „Das Beherrschen des Handwerks des Soldaten reicht nicht aus“. Es ist auch nicht abschließend die staatsbürgerliche Institutionenkunde des poltischen Systems der Bundesrepublik Deutschland gefragt, sondern es der mitdenkende, politisch abwägende, letztendlich seinem Gewissen verpflichtete Soldat der Bw gefragt.
Dies ist kein Widerspruch zum Prinzip des treuen Dienens, lediglich die Reißleine wann er nicht mehr treu dient, legt er mit sich und seinem gebildeten Gewissen fest.
Und um diesen Anspruch gerecht zu werden, muss er sich auch den politischen Ziel des Auftrag von seinem Dienstherrn zu eigen machen, oder ihn ggf ablehnen.
Um auf den konkreten Fall des General Stahl zurückzukommen. Er hat doch souverän den politischen Auftrag seiner Mission erläutert. Ob dies seine ureigenste Meinung ist, steht auf einem anderen Blatt. Es ist auch nicht wichtig für den Zuhörer, nur eine Aussage in dem Sinne „was die Bundesregierung mit ihrem Einsatz der Bw in AFG erreichen will, ist militärisch nicht interessant. Ich bin nur Befehlsempfänger zur Durchsetzung von polischen Zielen mit militärischen Mitteln“, wäre für eine deutschen Soldaten, zumal im Dienstgrad General und als Kommandeur eines Einsatzkontingentes fatal !
Selbst die 09:42 genannten Zahlen stimmen noch nicht, da die Details der Verwendung von special operations forces und auch Rotationen nicht berücksichtigt wurden.
Die Zurückhaltung bei SOF ist normal und auch notwendig.
https://www.militarytimes.com/news/your-military/2017/11/27/26000-us-troops-total-in-iraq-afghanistan-and-syria-dod-reports/
General John W. Nicholson Jr., Kdr RSM, entscheidendes Jahr in Afghanistan.
In historischer Kontinuität:
Alexander d. Gr : 330 v. Chr. will be the decisive year in Afghanistan.
Dschingis Khan: 1222 will be the decisive year in Afghanistan.
Tamerlan: 1385 will be the decisive year in Afghanistan.
Sir Arthur Barrett: 1919 will be the decisive year in Afghanistan.
Hmm.
Ein starkes Interview. Sehr souverän und kompetent von General Stahl. Meine Prognose: Man wird noch öfter von ihm hören.
Vielen Dank fürs Einbinden @TW.