Mali-Roundup: Eventuell wieder eigene Hubschrauber, Kommandeur sieht ausreichend Schutz vor IED

Nach einem früheren Abzug aus Afghanistan als zunächst geplant könnte die Bundeswehr demnächst wieder eigene Hubschrauber zur Evakuierung Verwundeter in den UN-Einsatz in Mali bringen. Die Planungen dafür liefen, sagte der Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Bernd Schütt. Aktuell sei die Rettung aus der Luft aber auch mit den angemieteten zivilen Helikoptern sichergestellt, betonte der Kommandeur der deutschen Soldaten in der UN-Mission.

Schütt und Oberst Christoph Rittelmann, deutscher Kommandeur in der MINUSMA-Mission in Mali, äußerten sich bei einer Videkonferenz mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Abgeordneten des Verteidigungsausschusses am (heutigen) Mittwoch. Bei der virtuellen Rundreise durch die Einsätze der Bundeswehr in dem westafrikanischen Land schilderten Rittelmann wie Oberstleutnant Martin Sonnenberger, Kommandeur in der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali, ihre Sicht auf die Lage. Einige Kernpunkte:

• Trotz der allgemein schlechten Sicherheitslage in Mali sieht Rittelmann die deutschen Soldaten im UN-Einsatz gut geschützt. Auch wenn die Bundeswehr ihre Operationen demnächst auf einen Raum 80 bis 130 Kilometer südlich ihres Stationierungsortes Gao und damit mitten in die die Kampfzone islamistischer Gruppierungen ausweiten werde, sei das Risiko für die Bundeswehreinheiten kalkulierbar. Einen offenen Angriff müssten sie in ihren geschützten und bewaffneten Fahrzeugen nicht befürchten. Zwar gebe es eine Gefahr durch Sprengfallen (die im vergangenen Jahr Belgier und Iren in deutschen Konvois getroffen hatten), die Bedrohung durch diese IED (Improvised Explosive Devices) sei jedoch mit der bisherigen Gefährdung in Afghanistan nicht vergleichbar: Bislang habe es keine solchen IED gegeben, bei denen unser Schutz nicht lange, lange ausgereicht hätte, sagte Rittelmann.

• Die inzwischen komplett zivil betriebene Luftrettung (Air MedEvac) ist nach den Worten Rittelmanns kein Problem, im Gegenteil: Die Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Global Helicopter Service (GHS) sei sehr, sehr gut und alle Verfahren zur Evakuierung Verwundeter eingeübt, so dass es keine Einschränkungen gebe. Dennoch würde er sich als militärischer Führer auch eigene militärische Hubschrauberkapazitäten wünschen – nicht erstaunlich, denn die stünden dann nicht ausschließlich für MedEvac, sondern auch für andere Transportaufgaben zur Verfügung.
Abteilungsleiter Schütt machte Hoffnung, dass es diese eigene militärische Hubschrauberkapazität in absehbarer Zeit wieder geben könnte. Zwar habe keine der anderen an der UN-Mission beteiligten Nationen eine entsprechende Zusage machen können, dafür seien nach der Rückverlegung aus Afghanistan demnächst auch wieder Hubschrauber der Bundeswehr für diese Aufgabe verfügbar und würden jetzt eingeplant.

• Rittelmann verwies darauf, dass die schlechtere Sicherheitslage vor allem Auswirkungen auf die Bevölkerung habe. So sei es erstmal wieder vorgekommen, dass Islamisten die Scharia angewandt und angeblichen Dieben Gliedmaßen amputiert hätten (der Vorfall geschah am 2. Mai in der Region Asongo südlich von Gao). Die Einsatz der Bundeswehr in der UN-Mission sei definitiv sinnvoll, schon weil die Bevölkerung die deutschen Soldaten als Schutz wahrnehme. Wenn es Demonstrationen gegen die Regierung Malis oder gegen ausländische Truppen gebe, richten die sich erkennbar nicht gegen uns.

• Die EU-Ausbildungsmission in Mali (EUTM Mali) stößt nach den Worten des deutschen Kommandeurs Sonnenberger auf deutlich steigende Nachfrage der malischen Streitkräfte. Die würden derzeit gezielt rekrutieren, so dass es immer mehr Ausbildungsbedarf gebe. Deutschland unterscheide sich von anderen Nationen in der Mission, die zwar auch Ausbilder stellten – aber nur die deutsche Unterstützung umfasse zusätzlich auch Materialhilfe, zum Beispiel mit geschützten Fahrzeugen.

• Die Ausbildung laufe derzeit auf Kompanieebene, um so die Einheiten der malischen Streitkräfte als gemeinsamen Verband zu trainieren und damit auch den Zusammenhalt zu fördern, sagte Sonnenberger. Dabei orientiere sich die Bundeswehr an dem Muster der 10-monatigen Wehrpflicht, als es sie in Deutschland noch gab: Auf eine allgemeine Grundausbildung folge eine Spezialisierung, an deren Ende eine geschlossene Einheit stehe. Mit diesem Ansatz gebe es auch erste Erfolge: eine von EUTM ausgebildete Kompanie habe sich bei einem Angriff erfolgreich behaupten können.

• Derzeit sind, auch als Folge der Einschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie, nur gut 90 deutsche Soldaten in der EU-Trainingsmission im Einsatz. Ab Juli, wenn die Bundeswehr auch die Gesamtführung des EU-Einsatzes übernehme, werde allein für die Sicherung am neuen Ausbildungsstandort Sevaré in der Mitte Malis eine Kompanie mit rund 200 Soldaten einschließlich Pionieren, Kampfmittelräumern, Sanitätern und Logistik benötigt. Geplant ist nach Sonnenbergers Worten, diese Soldaten in die malische Hauptstadt Bamako einzufliegen und von dort auf dem Landweg die rund 600 Kilometer nach Sevaré zurückzulegen. Dort würden sie zunächst für vier Wochen in Zelten campieren, während von einer zivilen Firma geschützte Container als Unterkünftte aufgestellt würden. Angesichts der klimatischen Herausforderungen und fehlender Infrastruktur – es gibt noch nicht einmal Duschen – sollen diese Kräfte vorerst alle zehn Tage ausgetauscht werden.

• Die Arbeit der EU-Ausbildungsmisison, aber auch der UN-Blauhelme wäre nach Einschätzung des deutschen EUTM-Kontingentführers ohne den Einsatz der französischen Antiterrormission Barkhane nicht möglich. Barkhane hält den Deckel drauf, sagte Sonnenberger. Nur damit könne auch MINUSMA seinen politischen Ansatz zur Stärkung der Zivilgesellschaft durchhalten.
(Am Rande: Die Nachfrage, warum Deutschland weiterhin dabei bleibe, sich militärisch nicht an der Barkhane zugeordenten französischen Takuba-Mission mit europäischen Spezialkräften zu beteiligen, beantwortete der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und SPD-Abgeordnete Wolfgang Hellmich: Wir haben klare verfassungsrechtliche Grenzen, die wir an dieser Stelle nicht überschreiten können.)

• Die deutsche Spezialkräfte-Mission Gazelle zur Ausbildung von Soldaten im benachbarten Niger ist zwar formal in das deutsche Bundestagsmandat für EUTM Mali integriert – hat aber mit dessen Arbeit wenig zu tun. Die deutsche Führung hat das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, und auf EU-Ebene hat direkt Brüssel das sagen, wie Generalleutnant Schütt erläuterte: Mit der EU sei abgestimmt, dass diese Mission von Spezialkräften direkt der nationalen deutschen Führung unterstellt werde, die sich wiederum mit der EU abstimme. Der Kommandeur von EUTM Mali, eine zwischen den beteiligten Nationen rotierende Position, ist nicht in dieser Befehlskette.

Ergänzung: Ich parke hier mal zwei Links zum Thema, die wir bestimmt später noch brauchen:

africacenter.org, Dezember 2020
The Puzzle of JNIM and Militant Islamist Groups in the Sahel

ECFR, Mai 2019
Mapping Armed Groups in Mali and the Sahel

(Archivbild November 2017: Ein Rettungsteam landet mit dem NH-90 MedEvac nahe Gao/Mali bei einer †Übung zur taktischen Verwundetenversorgung in der UN-Mission MINUSMA – Susanne HäŠhnel/Bundeswehr)