Nach Covid-Infektion im Auslandseinsatz: Kein Anspruch auf Unfallfürsorge, weil „keine erhöhte Ansteckungsgefahr“
Soldatinnen und Soldaten, die sich im Auslandseinsatz mit dem Coronavirus infizieren, werden zwar von der Truppe so schnell wie möglich ausgeflogen. Und zur Vorbereitung auf Einsätze wurde sogar die Impfprioriät für Soldaten deutlich hochgesetzt. Doch die Wehr-Bürokratie in der Heimat lässt einen Erkrankten dann abblitzen: Selbst bei einem Einsatz im afrikanischen Sahel gebe es keine erhöhte Ansteckungsgefahr im Vergleich zu Deutschland – und damit auch keinen Anspruch auf Unfallfürsorge.
Mehr als 260 Soldatinnen und Soldaten, so zeigt die interne Statistik der Bundeswehr, haben sich bislang in den Auslandseinsätzen mit dem Coronavirus infiziert. Gemessen an der Einsatzzahl von derzeit knapp 3.000 Soldaten in allen Auslandseinsätzen zusammengerechnet ein vergleichsweise hoher Wert. Die höchsten Infektionszahlen verzeichneten dabei die Missionen in Mali: Sowohl bei der EU-Trainingsmission in dem westafrikanischen Land als auch in der UN-Mission MINUSMA wurden immer wieder Soldaten positiv auf das Virus getestet. Wie in anderen Einsätzen auch wurden die Infizierten möglichst schnell von der Luftwaffe nach Deutschland zurückgeflogen.
Allerdings scheiterten nach Informationen von Augen geradeaus! mehrere dieser Soldaten nach einer Erkrankung – und nicht nur Infektion – mit Covid-19 sogar nach stationärer Krankenhausbehandlung mit ihrem Antrag, diese Infektion als Einsatzunfall anerkennen zu lassen. Diese Anerkennung und der Anspruch auf entsprechende Fürsorge betrifft nicht nur die aktuelle Erkrankung – sondern vor allem auch mögliche Spätfolgen, wie sie derzeit unter dem Begriff Long Covid zunehmend bekannt werden.
Das Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr (BAPersBw) begründete die Ablehnung damit, dass weder ein Einsatzunfall vorliege noch eine als Berufskrankheit anzuerkennende Infektionskrankheit. Dabei gehen die Sachbearbeiter sehr exakt nach den Buchstaben des Gesetzes vor – es geht dabei um den §31a des Beamten-Versorgungsgesetzes (BeamtenVG):
Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall wird auch dann gewährt, wenn ein Beamter auf Grund eines in Ausübung des Dienstes eingetretenen Unfalls oder einer derart eingetretenen Erkrankung im Sinne des § 31 bei einer besonderen Verwendung im Ausland eine gesundheitliche Schädigung erleidet (Einsatzunfall)
Das allerdings reicht offensichtlich nicht, eine Coronavirus-Infektion im Einsatz als einen solchen Einsatzunfall anzuerkennen. Aus dem entsprechenden Bescheid für einen in Mali eingesetzten Soldaten, der Augen geradeaus! vorliegt:
Die Infektion mit SARS-CoV-2 kann grundsätzlich ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches Ereignis sein, das einen Körperschaden verursacht. Allerdings fehlt es vorliegend an der örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit.
Die Situation, in welcher es zur Viruserkrankung kam, muss genau feststehen, es muss nachgewiesen sein, wann und wo sich die Anstekcung mit dem Virus zugetragen hat. Eventelle alternative Möglichkeiten der Virusübertragung müssen ausgeschlossen sein.
Das sind schon hohe Anforderungen, gerade unter dem Aspekt, dass die meisten Soldaten das Feldlager nicht verlassen können – und sie sind kaum erfüllbar. Aber auch der andere in dem Paragraphen genannte Punkt, nämlich die Erkrankung, ist nach Einschätzung des Bundeswehr-Amtes kein Grund für eine Anerkennung. Denn eine Covid-19-Erkrankung steht schließlich nicht auf der Liste der Berufskrankheiten:
Die von Ihnen erlittene Infektion mit SARS-CoV-2 erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer Erkrankung im Sinne des §31a Absatz 1 BeamtVG. Zu den Erkrankungen im Sinne dieser Vorschrift zählen nur solche, die gemäß §31 Absatz 3 BeamtVG in Verbindung mit Anlage 1 der Berufskrankeheiten-Verordnung anerkannt werden.
Bei der Anerkennung einer Infektionskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung kommt es auf die Art der dienstlichen Verrichtung an.
Nach Nr. 3101 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung sind Infektionskrankheiten nur dann als Berufskrankheiten zu qualifizieren, wenn der Betroffene im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder einem Laboratorium tätig war oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war. Dies trifft auf Ihre Tätigkeit als …. in Mali nicht zu.
Nun trifft das für die überwiegende Zahl der Soldatinnen und Soldaten in den Auslandseinsätzen nicht zu: Im Gesundheitsdienst oder in der Wohlfahrtspflege sind dort die wenigsten tätig. Aber unabhängig von der Frage, ob Einsatzunfall oder Berufskrankheit: Der Antrag wird schon deshalb abgelehnt, weil die Verhältnisse im Sahel gar nicht so viel anders sind als in der Heimat.
Die Erkrankung ist jedoch nicht auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse zurückzuführen. Zu den gesundheitsschädigen Verhältnisse zählen neben den klimatischen Einflüssen z.B. Epidemien oder Ansteckungsgefahr. Die epidemischen Verhältnisse in … (Mali) unterschieden sich in Bezug auf die Neuinfektionszahlen zu COVID-19 zu dem Zeitpunkt Ihrer Infektion im … 2020 nicht negativ von den Verhältnissen in Deutschland. Verglichen mit den Verhältnissen in Deutschland kann weder in noch außerhalb des Lagers in … von einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgegangen werden. (…)
Da das angezeigte Unfallereignis nicht als Einsatzunfall anerkannt wird, haben Sie keinen Anspruch auf Unfallfürsorge nach den Bestimmungen der §§32 ff BeamtVg.
Das Interessante ist, dass die Ansicht, in diesen Einsatzgebieten gebe es keine höhere Ansteckungsgefahr als in Deutschland, vom Verteidigungsministerium bei der Neufassung der Corona-Impfverordnung ganz anders eingeschätzt wurde. Da setzte sich das Wehrressort erfolgreich damit durch, dass Soldaten vor einem Auslandseinsatz sogar in die zweithöchste Kategorie der Impfberechtigten eingeordnet wurden:
Folgende Personen haben mit hoher Priorität Anspruch auf Schutzimpfung:
(…)
6. Polizei- und Ordnungskräfte, die in Ausübung ihrer Tätigkeit zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung, insbesondere bei Demonstrationen, einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, sowie Soldatinnen und Soldaten, die bei Einsätzen im Ausland einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind,
Damit stellt sich natürlich die Frage, ob viele Soldaten unberechtigt vorzeitig eine Impfung erhalten haben – da sie, wie amtlich festgestellt wurde, im Auslandseinsatz keinem höheren Infektionsrisiko als in Deutschland ausgesetzt sind.
Nach dieser Diskrepanz zwischen Impf-Lobbyismus und Unfallfürsorge, aber auch nach der bisher bekannten Zahl von Fällen, in denen die Unfallfürsorge abgelehnt wurde, habe ich das Verteidigungsministerium befragt. Nach vier Tagen erhielt ich am (heutigen) Donnerstagabend eine Antwort, die ich hier im Wortlaut dokumentiere (in kursiv meine Fragen):
—
Die Bundeswehr als Arbeitgeberin ist sich ihrer Verantwortung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten in den Einsätzen vollumfänglich bewusst und nimmt sie jederzeit wahr. Wir stellen sowohl im Inland als auch im Ausland Unterstützung, Fürsorge und Hilfe in allen Lebenslagen in dem uns gesetzten rechtlichen Rahmen sicher. Das Wohl aller Angehörigen der Bundeswehr hat für uns höchste Priorität – auch und insbesondere in der aktuellen Corona-Pandemie.
1. In wie vielen Fällen wurde mit Covid-19 Infizierten bislang die Anerkennung der Infektion als Einsatzunfall verweigert?
2. Sind bereits Fälle bekannt, in denen entgegen dem ersten Bescheid des BAPersBw nach Widerspruch oder ggf. Gerichtsverfahren eine entsprechende Anerkennung erfolgte?
Die Fragen zu 1. und 2. werden zusammen beantwortet.
Wir prüfen jeden Anspruch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles und betrachten alle Möglichkeiten im Rahmen des uns gesetzten rechtlichen Rahmens. Fälle, in denen wir ggf. auf einen möglichen Widerspruch in der Bewertung aufmerksam werden, werden wir erneut sorgfältig prüfen.
3. Wird bei Covid-19 anders verfahren als bei anderen für Einsatzgebiete typischen Krankheiten wie z.B. Malaria? Wenn ja, aus welchem Grund?
Auch bei einer Covid-19-Infektion ist eine Anerkennung nach den versorgungsrechtlichen Regelungen grundsätzlich möglich. Nach den für Einsatzunfälle maßgeblichen Vorschriften (§ 63c des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) bzw. § 31a des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) kommt die Anerkennung eines Einsatzunfalles für im Ausland eingesetzte Soldatinnen und Soldaten bzw. Beamtinnen und Beamte in verschiedenen Fallkonstellationen in Betracht. Hierbei kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Dabei ist auch die besondere Ansteckungsgefahr bei Covid-19-Infektionen zu berücksichtigen.
4. Ist die Einschätzung, dass Covid-19-Infektionen in den Einsatzgebieten „nicht auf gesundheitsschädigende vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse“ zurückzuführen seien, eine im GB BMVg insbesondere mit den für Infektionskrankheiten Zuständigen abgestimmte Position?
Eine pauschale Einschätzung in dem von Ihnen skizzierten Sinne lässt sich nicht bestätigen. Es ist vielmehr jeder Einzelfall eingehend zu prüfen.
5. Da aus Sicht der Bundeswehr in Einsatzgebieten wie dem Sahel „verglichen mit den Verhältnissen in Deutschland … weder in noch außerhalb des Lagers in … von einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgegangen werden“ kann: Wie begründen BMVg/Bundeswehr die höhere Priorisierung in der Corona-Impfverordnung für Soldat:innen aufgrund der dort angeführten höheren Infektionsgefahr in einem Auslandseinsatz, wenn aus Sicht der Bundeswehr diese höhere Infektionsgefahr nicht besteht bzw. unter welchem Vorwand wurde entgegen der Haltung des BMVg diese höhere Priorisierung bei der Änderung der Corona-Impfverordnung im März durchgesetzt?
Wie in der Antwort zu Frage 4 ausgeführt, geht die Bundeswehr nicht per se davon aus, dass in Einsatzgebieten, wie zum Beispiel dem Sahel, keine erhöhte Ansteckungsgefahr im versorgungsrechtlichen Sinne besteht.
Soweit Sie hingegen nach der Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 fragen, darf ich auf die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV) hinweisen, nach der sich die Bundeswehr richtet. Hiernach kann eine Impfung gemäß § 3 (Schutzimpfungen mit hoher Priorität) u.a. erfolgen für „Soldatinnen und Soldaten, die bei Einsätzen im Ausland einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind“ sowie für „Personen, die in Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland (…) an Dienstorten mit unzureichender gesundheitlicher Versorgung tätig und infolgedessen einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind“.
—
Ich gestehe, dass mich diese Antwort etwas ratlos lässt.
(Archivbild Februar 2021: Die Soldaten der Objektschutzkompanie bei einer Stadtpatrouille durch Gao im Rahmen der UN-Mission MINUSMA – Frank Wiedemann/Bundeswehr)
Zur letzten Frage:
Die Aussage ist doch klar: Wir gehen zwar nicht pauschal von einem niedrigen Infektionrisiko im Einsatzland aus, aber individuell sind die Leute halt schon selbst Schuld, wenn sie sich im Lager anstecken. Und hinsichtlich der Verordnung: Wissen wir doch nicht, was den Verordnungsgeber getrieben hat, Soödaten, die in den Einsatz sollen, als Prio 2 einzustufen…
Oh man *kopf-wand
Hier wird ein negativer Ausfluss aus dem Art 87b GG sichtbar. Die Wehrverwaltung ist seit Jahren viel zu weit vom wirklichen Leben der Uniformträger entfernt. Friedensvorschriften für das Inland sind im Auslandseinsatz aus den verschiedensten Gründen nur bedingt tauglich. In diesem Fall wird einerseits im Inland aufgrund Corona das gesamte Leben deutlich eingeschränkt und in diesem Zusammenhang die Aussetzung von Grundrechten durchgesetzt, gleichzeitig wird der einzigen Kategorie von Staatsdienern, derjenigen, der man abverlangt, das Äußerste für dieses Land und dessen Gesellschaft zu opfern -das eigene Leben nämlich -, die man (gefühlt planlos) durch die Weltgeschichte schickt und die man regelmäßig bzw. durchgängig mit freundlichen Desinteresse bedenkt, durch die Blume mitgeteilt, man möge sich nicht so anstellen, schließlich sei man doch nur eine Art besserer Beamter auf Dienstreise und mithin dem Regeln des Inlandes unterworfen…. Freundlich ausgedrückt, so eine Art der Behandlung irritiert. Die betreffenden Sachbearbeiter mögen bitte Ihre Hintern lüften, und sich vor Ort ein Bild machen. Sechs Monate am Stück. Zu Heimatbedingungen. Danke.
Ich wüsste gerne, wie man versucht das sachlich – wissenschaftlich zu begründen!
1. Ich finde die seit Jahrzehnten generell enge Auslegung der Soldatenversorgungsregeln mehr als nur ärgerlich.
2. Aber hier im konkreten Fall halte ich sie für folgerichtig (nicht für umfassend richtig, aber eben für konsequent).
Warum sage ich das: weil z.B. bei einer Infektion im Rahmen eines Truppenübungsplatzaufenthaltes (vergleichbar beengte Bedingungen und vergleichbare Einschränkung der Bewegungsfreiheit etc.) auch kein Dienstunfall einschlägig wäre.
So gesehen ist es zwar äußerst ärgerlich, aber rechtlich konsequent und wird vermutlich durch die Verwaltungsgerichte so bestätigt werden.
@Koffer sagt:
22.04.2021 um 22:44 Uhr
„2. Aber hier im konkreten Fall halte ich sie für folgerichtig (nicht für umfassend richtig, aber eben für konsequent).“
Natürlich ist das konsequent, weil es eben vorschriftenkonform ist. Das hat aber auch gar nichts damit zu tun, dass die Verwaltungsvorschriften schon seit Jahrzehnten der Realität nicht mehr gerecht werden.
Beispiel?
Da werden zig Arbeiststunden von Vorgesetzten und Verwaltungsbeamten aufgewandt, um den Verlust eines Paares Socken im Wert von 5,30€ vom Soldaten einzutreiben. Schaut man sich die Kosten/Nutzen-Bilanz an so sieht das nicht rosig aus.
Weiter Beispiele?
Die abgelaufenen ASU der Wölfe im Einsatz in Djibouti legt den gesamten Furhpark lahm während direkt neben der MLBE die ausgedienten Farbeimer der zivilen Schiffe ausgebrannt werden, um als Kochtopf zu dienen.
Die Verwaltungsvorschriften sind dringend überhohlungsbedürftig und eine solcher Sachverhalt nicht nur einer Eingabe an die Whrbeauftragte wert, sondern tatsächlich einer Klage beim Verwaltungsgericht.
Wie will man einen solchen Sachverhalt jungen Menschen erklären, die sich für den Soldatenberuf entscheiden wollen? Das kann man nicht. Ein Einsatz außerhalb des Bundesgebietes birgt immer (!) gefahren, die sich von denen in deutschland zum Teil gravierend unterscheiden. Hier ist Handlungsbedarf!
[Die Vergleichsebene von Socken-Verlust und ASU mit potenziell lebensbedrohlichen Krankheiten sollten wir hier sicher nicht einführen. Ich wäre dankbar, wenn hier nicht auf diesem Niveau diskutiert würde. T.W.]
Vielleicht sollte hier erst einmal jemand mit Verwaltungshintergrund die Begrifflichkeiten: Einsatzunfall, Dienstunfall, Arbeitsunfall, WDB und Berufskrankheit klarstellen.
Da gibt es nämlich „dezente“ Unterschiede – insbesondere bei den ableitbaren Versorgungsansprüchen -, die ich als Nichtverwaltungsfachmann aber nicht rechtssicher aufdröseln kann…
@ Koffer
Diese EInschätzung teile ich nicht. Der Soldat, der auf den Truppenübungsplatz fährt, gehört deswegen ja nicht zur Gruppe Prio 2 der Impfverordnung. Da wäre es also in der Tat zumindest stringent zu sagen, naja das Infektionsrisiko ist nicht höher als üblich.
Der Soldat, der in den Auslandseinsatz verlegt, gehört jedoch zur Gruppe Prio 2. Und das wird in der Impfverordnung begründet mit „[…] die bei Einsätzen im Ausland einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind“.
Da alle Soldaten, die für einen Einsatz geplant sind geimpft werden, müssen ja ergo alle diese Soldaten einem erhöhten Risiko ausgesetzt sein.
Wo sie dann die Stringenz bzw Folgerichtigkeit in der Begründung der Ablehnung seitens BaPersBw erkennen, kann ich nicht nachvollziehen.
Ich kann tatsächlich jede Sichtweise (erhöhtes/ nicht erhöhtes Risiko) irgendwo zumindest nachvollziehen, aber zusammen passen sie so gar nicht.
Jon Dhoe sagt:
22.04.2021 um 22:02 Uhr
„Hier wird ein negativer Ausfluss aus dem Art 87b GG sichtbar. Die Wehrverwaltung ist seit Jahren viel zu weit vom wirklichen Leben der Uniformträger entfernt.“
Widerspruch! Die Wehrverwaltung ist seit Jahren (mit Gründung der Einsatzwehrverwaltungsstellen i.E:) näher an der Einsatzrealität der Soldaten dran als viele Jahrzehnte vorher (und als vielen Soldaten lieb ist.)
Im Einsatz wie im Grundbetrieb-es geht nur gemeinsam!
Nach 20 Tagen in isolierter Unterbringung vor dem Einsatz in Köln wurde ich im September 2020 in Koulikoro mit dem Corona-Virus infiziert und mit dem Medevac-Airbus nach Deutschland geflogen.
Als Beamter der Wehrverwaltung wurde mein Antrag auf Anerkennung meiner Infektion als Einsatzerkrankung vom BAPersBw abgelehnt. Welch ein Wunder!
Der Bescheid ist die größte Lachnummer in meiner gesamten beruflichen Laufbahn im öffentlichen Dienst.
Aktuell befinde ich mich im Widerspruchsverfahren.
Natürlich habe ich bereits die Wehrbeauftragte, den Verteidigungsausschuss und den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bemüht. Und die IBUK habe ich persönlich angeschrieben. Maximale Transparenz.
Ich freue mich tatsächlich auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Das Obsiegen werde ich genießen.
Gerade die Liegenschaft in Koulikoro ist dermaßen klein und von Deutschland abweichend – alles dem EinsFüKdoBw bekannt -, dass eine Anerkennung sehr gute Chancen hat.
Die Einsatzkontingente werden faktisch nicht wegen eines erhoehten Infektionsrisikos priorisiert geimpft, sondern weil die Wahrscheinlichkeit von ERKRANKUNGEN reduziert werden soll, welche Einsatzbereitschaft und -wert reduzieren koennten.
Beifang: Das Infektionsrisiko sinkt auch!
@CeMoi sagt: 22.04.2021 um 23:18 Uhr
„Natürlich ist das konsequent, weil es eben vorschriftenkonform ist. Das hat aber auch gar nichts damit zu tun, dass die Verwaltungsvorschriften schon seit Jahrzehnten der Realität nicht mehr gerecht werden.
Beispiel?“
Wenn es nur die Vorschrift wäre, dann könnte das Bw/BMVg intern ja sehr schnell lösen.
Leider ist es gesetzesbasiert und da die Versorgungsregeln für Soldaten traditionell sehr (!) eng an denen für die Beamtenversorgung liegen, haben wir nur äußerst geringe Chancen hier kurzfristig eine Änderung zu bekommen.
@Tom_74 sagt: 23.04.2021 um 6:49 Uhr
„Vielleicht sollte hier erst einmal jemand mit Verwaltungshintergrund die Begrifflichkeiten: Einsatzunfall, Dienstunfall, Arbeitsunfall, WDB und Berufskrankheit klarstellen.
Da gibt es nämlich „dezente“ Unterschiede – insbesondere bei den ableitbaren Versorgungsansprüchen“
Volltreffer!
@jungchen sagt: 23.04.2021 um 7:13 Uhr
„Da alle Soldaten, die für einen Einsatz geplant sind geimpft werden, müssen ja ergo alle diese Soldaten einem erhöhten Risiko ausgesetzt sein.“
1. Es gibt in der Tat gute Gründe dafür, dass die Impfverordnung in dem Punkt sehr (man könnte fast schon sagenI) zu positive für uns Soldaten im Vergleich (!) zu inländischen Berufsgruppen umgeschrieben wurde. Sozusagen von einem Extrem in dem man die Soldaten benachteiligt hat zu einem anderem in dem wir zugut wegkommen. Wobei es sich hier ja ganz offensichtlich auch von Einsatz zu Einsatz unterscheidet! Die Kameraden mit intensiven Außenkontakten und beengter Unterbringung haben natürlich mehr oder weniger stark erhöhtes Risiko ggü. z.B. den bisher in Einzelunterbringung befindlichen Fliegern bei ATALANTA (die es ja jetzt auch nicht mehr gibt, es geht mir um das Beispiel).
2. Aber dennoch ist Bezug auf die Logikkette (ich spreche hier nur von rechtlicher Stringenz, nicht zwingend von inhaltlicher Berechtigung!) hier kein Bruch, denn die Impfverordnung trifft eine Generalaussage und die ist zumindest für manchen Fälle zutreffend, vor allem auch ggü. anderen Fällen im Inland die ja auch in der gleichen Kategorie liegen. Der Versorgungsanspruch hingegen ist für jeden Einzelfall zu prüfen. Und da kann es übrigens auch fälle geben, in denen auch im Ausland ein Anspruch rechtlich begründet ist, genauso wie es im Inland solche Fälle geben darf.
Also bei aller (berechtigter) Verärgerung über die Wehrverwaltung, wir müssen hier sachlich und konkret betrachten und dürfen emotional begründet nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
@MikeFox sagt: 23.04.2021 um 7:29 Uhr
„Widerspruch! Die Wehrverwaltung ist seit Jahren (mit Gründung der Einsatzwehrverwaltungsstellen i.E:) näher an der Einsatzrealität der Soldaten dran als viele Jahrzehnte vorher (und als vielen Soldaten lieb ist.)“
Ja und nein. Sie ist in der Tat besser geworden!
Aber das reicht noch nicht. Gerade wenn es um die Versorgung geht, dann sitzen halt die gleichen Kollegen in Düsseldorf (?!), die Jahrzehnte zuvor in den WBV auch schon engste Maßstäbe angelegt haben.
Und mir ist auch klar (s.o.), dass sie beim besten Willen hier nicht alleine Schuld sind, die Versorgungsregeln werden ja maßgeblich vom BMI gemacht und durch die Verwaltungsgerichte ausdifferenziert, aber gut ist die Wehrverwaltung halt in diesem Bereich noch lange nicht.
Aus diesem Grund rate ich seit längeren allen Kameraden welche sich wahrscheinlich im Dienst infiziert haben: Unfall-Meldung und WDB-Blatt anlegen lassen.
Damit erfolgt die Dokumentation, sowie die Ermittlung der Umstände. Dann gilt es „nur noch“ die ersten Urteile hierzu abzuwarten.
Hallo,
ich könnte euch, mit Paragraphen vom Bund wegen Covid 19 Infektion im Einsatz eingraben.
Ich bin so ein Soldat der im Einsatz an Covid 19 erkrankt ist, und nun nach 6 Monaten Körperlich immer noch nicht die Arbeit aufnehmen kann.
Des Weiteren, bekomme ich keinerlei Hilfe von der Bundeswehr, sei es im Medizinischen Bereich noch im Finanziellen Bereich, auch nicht von der Dienststelle wurde mal nach gefragt wie es mir Gesundheitlich geht.
Ich könnte hier Seiten schreiben, dass würde den Rahmen sprengen.
Sollte einer Fragen haben, bin ich gerne bereit zu Berichten.
@ Tom74
Zitat: „Vielleicht sollte hier erst einmal jemand mit Verwaltungshintergrund die Begrifflichkeiten: Einsatzunfall, Dienstunfall, Arbeitsunfall, WDB und Berufskrankheit klarstellen.
Das sehe ich auch so wie Sie !
Aus meiner Sicht ist eine Covid-19 Infektion in Mali unzweifelhaft ein Dienstunfall, denn im Feldlager in Mali gibt es keinen Ausgang und folgedessen sind die dort stationierten Soldaten faktisch immer im Dienst. Eine Infektion ist also quasi immer im Dienst erfolgt.
Hier gibt es Grundsatzurteile für Truppenplatzaufenthalte, wo Kdre die Dienstzeitverordnung umgehen wollten und abends Dienstschluss und Aufenthalt im Lager befohlen haben.
Eine Wehrdienstbeschädigung (WDB) setzt immer voraus, dass durch den Wehrdienst die besondere Schädigung erfolgt ist. Ich denke, das kann man bei den oben geschilderten Verhältnissen in dem Feldlager in Mali stringent ableiten. Dies hat natürlich Folgen, falls der Soldat an Long-Covid erkrankt. Sollte die Auswirkung von Long-Covid zu einer Wehrdienstunfähigkeit führen, keine Verlängerung als SaZ oder aus gesundheitlichen Gründen keine Ernennung zum BS möglich sein, dann geht der Soldat ins Zivilleben und kämpft damit, dass er die Behandlungskosten über das Versorgungsamt und nicht über seine Krankenversicherung abrechnen muss. Ist oftmals unschön, wenn sich zwei Kostenträger über die Kostenerstattung zu Lasten des Betroffenen streiten !
Ein Einsatzunfall hätte natürlich zur Folge, dass der Betroffene Soldat trotz eingeschränkter Dienstfähigkeit (im Faller einer Long-Covid Erkrankung) weiter als Soldat dienen kann und auch auf „Versorgungsdienstposten“ (entsprechend seiner individuellen Belastungsfähigkeit) versetzt werden könnte. Wenn man so will, wäre dies für den Betroffenen die „Goldrandlösung“, da er dann wirtschaftlich abgesichert wäre.
Da wir uns an anderer Stelle ja bereits in diesem Forum eingehend damit diskursiv befasst haben, unter welchen Umständen ein Soldat dazu verpflichtet werden kann, die Schutzimpfung gegen Corona zu dulden, finde ich es zynisch, bei Gruppen, die erklärtermaßen verpflichtend geimpft werden (weshalb eigentlich, wenn die Gefahr nicht höher ist, zwinker, zwinker!), dann eine entsprechende Einstufung einer Erkrankung als nicht einsatzbedingt vorzunehmen.
Wenn es um die Frage der Impfung geht, ist die Gefahr einer Erkrankung also so hoch, dass man zur Duldung verpflichtet werden kann, aber wenn man krank wird, ist das allgemeines Lebensrisiko.
Das kann man eigentlich nur noch mit Kopfschütteln kommentieren.
@J10 sagt: 23.04.2021 um 8:34 Uhr
„Die Einsatzkontingente werden faktisch nicht wegen eines erhoehten Infektionsrisikos priorisiert geimpft, sondern weil die Wahrscheinlichkeit von ERKRANKUNGEN reduziert werden soll, welche Einsatzbereitschaft und -wert reduzieren koennten.“
Richtig.
@Georg sagt: 23.04.2021 um 10:25 Uhr
„Hier gibt es Grundsatzurteile für Truppenplatzaufenthalte, wo Kdre die Dienstzeitverordnung umgehen wollten und abends Dienstschluss und Aufenthalt im Lager befohlen haben.“
A hat mit B überhaupt nichts zu tun.
Für die versorgungsrechtliche Frage ist alleine relevant ob eine zwingende, von Umständen in DEU abweichende kausale Kette zwischen Einsatz und Erkrankung vorliegt.
Und wie gesagt: solange ein Covid-19 Erkrankung z.B. während eines Truppenübungsplatzauftenhaltes auch nicht versorgungsrechtlich einschlägig ist, ist die Sache logisch.
Ob man jetzt auch für vergleichbare innerdeutsche Fälle die Regeln umschreiben kann, wäre zu prüfen, dann hätten natürlich die Einsatzkameraden wiederum sofort viel (!) bessere Chancen auf Anerkennung, aber mit Blick auf die Gesetzeslage und die stehende Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte sehe ich hier kaum Spielraum.
Es sei denn natürlich man ändert die Gesetze. Das wäre natürlich ein anderer Schnack.
Aber ob das BMI und Länder mit Blick auf deren Polizeien und JVA mittragen werden, da habe ich so meine Zweifel…
@Koffer
Die Logik der Begründung mag in sich Konsequent sein, da kann ich nur durch die Tür nach draußen gehen.
Kein Fake!
Ich habe am heutigen Vormittag einen Anruf vom Abteilungsleiter VI des BAPersBw erhalten, dass ein Staatssekretär im BMVg auf meinen Widerspruch die Anerkennung meiner Corona-Infektion in Mali verfügt hat. Es kommt alles natürlich noch schriftlich. Die Anerkennung ist aber amtlich. Ich möge mich bitte etwas gedulden.
Ein großes Dankeschön an den Hausherren, dass er mit der Anfrage an das BMVg etwas Bewegung generiert hat! Maximale Transparenz hilft fast immer.
Eine Impfung vor dem Einsatz sollte man nicht über das Risiko einer Infektion begründen, sondern über die Folgen: Unterbringung, med. Versorgung und Einsatzerfordernisse. Mit einem durchgeimpften Lager kann man, nach Abwägung, notfalls auch bei einem Ausbruch den Auftrag eingeschränkt fortführen und zumindest den Eigenschutz sicherstellen.
Meiner nicht-medizinischen Meinung nach muss die Argumentation anders geführt werden.
Wie ist denn die Inzidenz im jeweiligen Einsatzkontingent verglichen mit dem Inland/Heimatstandort? Wenn es dort einen signifikanten Unterschied, ggf. sogar im Bereich anderer Größenordnungen, gibt, ist eine Erkrankung eben schon auf die Besonderheiten des Soldat seins zurückzuführen.
@ Koffer – 11:01
Nein, die Länder tragen dies sicher nicht mit, wie ich bereits aus NRW schilderte; auch Beamte aus dem ÖD anderer Länder haben mir von ähnlich restriktiver Auslegung berichtet.
Es geht im Zweifel eben um viel Geld, weswegen man seitens der (Innen-) Ministerien wohl auf den Klageweg und die einhergehende Verzögerung spekuliert. Nicht die feine Englische im Sinne der Fürsorge, aber es war nicht anders zu erwarten.
In typischer Verwaltungsmanier diese Aussage:
„Die von Ihnen erlittene Infektion mit SARS-CoV-2 erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer Erkrankung im Sinne des §31a Absatz 1 BeamtVG. Zu den Erkrankungen im Sinne dieser Vorschrift zählen nur solche, die gemäß §31 Absatz 3 BeamtVG in Verbindung mit Anlage 1 der Berufskrankeheiten-Verordnung anerkannt werden.
Bei der Anerkennung einer Infektionskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung kommt es auf die Art der dienstlichen Verrichtung an.“
Es kann keine Berufskrankheit sein, weil sie nicht in der Anlage der Berufskranheiten-Verordnung aufgeführt ist. Kann sie ja auch nicht, der Virus wurde erst im Spätsommer 2019 entdeckt und hat sich dann über die Welt verbreitet. Die Erforschung der Langzeitfolgen steckt noch in den Kinderschuhen.
Klar ist doch, wer länger als eine Woche im Einsatzgebiet ist und dann erst erkrankt, hat die Krankheit nicht mitgebracht. Also hat er/sie sich diese im Einsatz zugezogen. Nach meinem Verständnis ist es auch egal wo und wie genau. Man ist ja nicht wegen der touristischen Attraktionen und der tollen Freizeitaktivitäten im Einsatz.
Es wäre verwaltungsrechtlich möglich, alle gestellten Anträge der bisher betroffenen Kameraden ruhen zu lassen, bis über diese Erkrankung als Berufserkrankung entschieden wurde. Statt dessen lehnt die Wehrverwaltung einfach ab und überlässt die Entscheidungsfindung den Verwaltungsgerichten. So gibt man einfach das Heft des Handelns ohne Not aus der Hand – mir unverständlich.
Aber so war es bisher mit jeder Versorgungsleistung des Bundes, angefangen mit den Radarsoldaten der 70er und 80er Jahre über Versorgungsleistungen bei Einsatzunfällen etc.pp.. Besonders fürsorglich ist die Bw da nicht. Da mangelt es auch an Takt und Fingerspitzengefühl, angefangen im Ministerium bis runter zur Sachbearbeitungsebene.
@Till sagt: 23.04.2021 um 12:30 Uhr
„Eine Impfung vor dem Einsatz sollte man nicht über das Risiko einer Infektion begründen, sondern über die Folgen: Unterbringung, med. Versorgung und Einsatzerfordernisse. Mit einem durchgeimpften Lager kann man, nach Abwägung, notfalls auch bei einem Ausbruch den Auftrag eingeschränkt fortführen und zumindest den Eigenschutz sicherstellen.“
Zustimmung. Aber wenn wir ehrlich sind, dann ist das ja auch vermutlich der Grund gewesen, warum das BMVg Druck gemacht hat.
„Meiner nicht-medizinischen Meinung nach muss die Argumentation anders geführt werden.
Wie ist denn die Inzidenz im jeweiligen Einsatzkontingent verglichen mit dem Inland/Heimatstandort? Wenn es dort einen signifikanten Unterschied, ggf. sogar im Bereich anderer Größenordnungen, gibt, ist eine Erkrankung eben schon auf die Besonderheiten des Soldat seins zurückzuführen.“
Ja, ich glaube damit könnte man schon eher weiterkommen, denn damit wird der vom Gesetz her notwendige zwingend kausale Zusammenhang im konkreten Einzelfall besser hergeleitet als bei pauschalen Aussagen.
@Voodoo sagt: 23.04.2021 um 13:16 Uhr
„Nein, die Länder tragen dies sicher nicht mit, wie ich bereits aus NRW schilderte; auch Beamte aus dem ÖD anderer Länder haben mir von ähnlich restriktiver Auslegung berichtet.“
Ich weiß ;)
Aber wir müssen solche Zusammenhänge halt offensichtlich auch dem einen oder anderen Mitkommentator verdeutlichen.
„Es geht im Zweifel eben um viel Geld, weswegen man seitens der (Innen-) Ministerien wohl auf den Klageweg und die einhergehende Verzögerung spekuliert. Nicht die feine Englische im Sinne der Fürsorge, aber es war nicht anders zu erwarten.“
So ist es leider vermutlich :(
Das hier ist ein Thema welches weit über die Bundeswehr hinausgeht und „außerhalb“ viel größere Personengruppen betrifft (was natürlich individuelle Fälle in der BW nicht weniger wichtig macht): Die am häufigsten von Covid betroffene Berufsgruppe ist zum Beispiel, nach den Statistiken der Krankenkassen, die der Erzieherinnen. Riesige Zahlen. Und da ist die Sache mit der Berufskrankheit auch noch nicht wirklich geklärt.
@Pio-Fritz sagt: 23.04.2021 um 14:18 Uhr
„Es kann keine Berufskrankheit sein, weil sie nicht in der Anlage der Berufskranheiten-Verordnung aufgeführt ist. Kann sie ja auch nicht, der Virus wurde erst im Spätsommer 2019 entdeckt und hat sich dann über die Welt verbreitet. Die Erforschung der Langzeitfolgen steckt noch in den Kinderschuhen.“
Ja in der Tat, wirklich eine sehr bürokratische Antwort. Typisch deutsch halt ;)
„Klar ist doch, wer länger als eine Woche im Einsatzgebiet ist und dann erst erkrankt, hat die Krankheit nicht mitgebracht. Also hat er/sie sich diese im Einsatz zugezogen.“
Sorry, aber das ist am Thema vorbei!
Sie haben ja nicht unrecht, aber das Versorgungsrecht fordert eine unmittelbare Kausalität. Es reicht also nicht „im Einsatz“, sondern es muss wegen (!) des Einsatzes.
Und das wegen ist nicht temporal, sondern kausal im Kern.
Zumindest wenn wir über die Aspekte Einsatzunfall bzw. am Maßstab eines qualifizierten Dienstunfalls ortientiert etc. sprechen.
Es gibt ja verschiedene Aspekte der Versorgung darauf hatten ja schon zwei Mitkommentatoren hingewiesen.
@Florian Staudte sagt: 23.04.2021 um 12:27 Uhr
„Ich habe am heutigen Vormittag einen Anruf vom Abteilungsleiter VI des BAPersBw erhalten, dass ein Staatssekretär im BMVg auf meinen Widerspruch die Anerkennung meiner Corona-Infektion in Mali verfügt hat. Es kommt alles natürlich noch schriftlich. Die Anerkennung ist aber amtlich. Ich möge mich bitte etwas gedulden.“
Spannend. Außergewöhnlich unbürokratisch.
Als was wird denn Ihre Erkrankung anerkannt?
Einsatzunfall, Dienstunfall, qualifizierter Dienstunfall?
„Das Interessante ist, dass die Ansicht, in diesen Einsatzgebieten gebe es keine höhere Ansteckungsgefahr als in Deutschland, vom Verteidigungsministerium bei der Neufassung der Corona-Impfverordnung ganz anders eingeschätzt wurde. Da setzte sich das Wehrressort erfolgreich damit durch, dass Soldaten vor einem Auslandseinsatz sogar in die zweithöchste Kategorie der Impfberechtigten eingeordnet wurden: […]
Damit stellt sich natürlich die Frage, ob viele Soldaten unberechtigt vorzeitig eine Impfung erhalten haben – da sie, wie amtlich festgestellt wurde, im Auslandseinsatz keinem höheren Infektionsrisiko als in Deutschland ausgesetzt sind. […]
Ich gestehe, dass mich diese Antwort etwas ratlos lässt.“
Vielleicht kann ich dies näher erläutern: Der Bezug der Anerkennung eines Dienstunfalls zur Impfpriorisierung ist eine Scheinproblematik. Das BMVg erläutert, dass eine allgemeine Gefahr sich eben nicht im Einzelfall niederschlagen muss. Es herrscht generelle Einigkeit darüber, dass Soldaten im Auslandseinsatz einem besonderen Infektionsrisiko mit einhergehender Gefährdung ausgesetzt sein können, dies heißt aber nicht, dass sie es jederzeit sind. Da das BMVg die Inzidenzzahlen in den Einsatzgebieten nicht langfristig vorhersagen kann ist so bereits aus Fürsorge/Gefahrenabwehr eine Impfung geboten, auch wenn sich wie in diesem Sachverhalt schlussendliche niedrigere Inzidenzzahlen ergeben als in D.
Über Problematiken in Bezug auf die Einzelfallentscheidungen mag man z.B. in Bezug auf die durch die DGUV festgehaltene Problematik der ggf. gegebenen Mehrfachunterbringung diskutieren, aber eine Abdeckung des allgemeinen Lebensrisikos als Dienstunfall besteht eben auch im Auslandseinsatz nicht.
@Pio-Fritz sagt: 23.04.2021 um 14:18 Uhr
„Es kann keine Berufskrankheit sein, weil sie nicht in der Anlage der Berufskranheiten-Verordnung aufgeführt ist. Kann sie ja auch nicht, der Virus wurde erst im Spätsommer 2019 entdeckt und hat sich dann über die Welt verbreitet. Die Erforschung der Langzeitfolgen steckt noch in den Kinderschuhen.“
Das ist nicht korrekt, da Covid 19 wie auch im Bericht aufgeführt „nach Nr. 3101 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung“ erfasst ist.
@ Koffer
Unbürokratisch? Eher realitätsnah.
Ich hatte insbesondere den MdB Lars Klingbeil als Mitglied des Verteidigungsausschusses um Unterstützung gebeten. Juristisch hätte das BMVg auf Koulikoro bezogen mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren.
Die Infektion wird als Einsatzerkrankung anerkannt. Zum Glück habe ich keinerlei gesundheitliche Probleme und möchte (gegenwärtig) keinerlei Leistungen in Anspruch nehmen.
Mir ist die grundsätzliche Problematik vollkommen bewusst. Polizisten, Krankenhauspersonal etc. Alles schwierig. Keine oder keiner kann aber wahrscheinlich den Beweis erbringen, dass die Infektion im Dienst erfolgte. Das ist das zentrale Problem. Leider.
Meinen Anerkennungsbescheid werde ich hier veröffentlichen, damit sich betroffene Soldatinnen und Soldaten daran orientieren können.
@Florian Staudte sagt: 23.04.2021 um 18:06 Uhr
„Ich hatte insbesondere den MdB Lars Klingbeil als Mitglied des Verteidigungsausschusses um Unterstützung gebeten. Juristisch hätte das BMVg auf Koulikoro bezogen mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren.“
Sorry, aber das sind genau zwei Dinge, die nichts mit einander zu tun haben.
Politischer Druck zu einer unbürokratischen Lösung im Sinne der Soldaten und „juristisch mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren“ ist angesichts der stehenden äußerst engen Rechtssprechung nicht nur spekulativ, sondern halt zwei vollkommen unterschiedliche paar Schuhe.
„Die Infektion wird als Einsatzerkrankung anerkannt.“
Also als Dienstunfall im Sinne des §27 (4) S. 2 Soldatengesetz „Die Erkrankung gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Berufssoldat am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war.“??
@Johannes Ram sagt: 23.04.2021 um 17:37 Uhr
„Es herrscht generelle Einigkeit darüber, dass Soldaten im Auslandseinsatz einem besonderen Infektionsrisiko mit einhergehender Gefährdung ausgesetzt sein können, dies heißt aber nicht, dass sie es jederzeit sind.“
Wichtige Klarstellung. Danke.
„Über Problematiken in Bezug auf die Einzelfallentscheidungen mag man z.B. in Bezug auf die durch die DGUV festgehaltene Problematik der ggf. gegebenen Mehrfachunterbringung diskutieren, aber eine Abdeckung des allgemeinen Lebensrisikos als Dienstunfall besteht eben auch im Auslandseinsatz nicht.“
Richtig. Traurig, aber leider ist es nach aktueller Gesetzeslage derzeit genau so.
@ Florian Staudte
Sie schreiben von maximaler Transparenz, weil Sie jeden angeschrieben haben der ihnen eingefallen ist.
Das ist aus meiner Sicht keine Tranzparenz. Sie haben einfach nur „krach“ gemacht in der Hoffnung recht zu bekommen.
So wie viele andere, nach dem Motto „wer am lautesten schreit bekommt recht“
Es freut mich für Soldaten wie @volker die so auch zu einer Anerkennung ihrer Ansprüche kommen oder wie auch immer man das nennen will. Also alle etwas davon haben.
Es ist erschüttert wie sich die Männer und Frauen, am scharfen Ende des Schwertes eingesetzt, durch die unwissende Bürokratie gängeln lassen müssen. Das trägt sicher ganz besonders zur Motivation der Truppe bei. Hier von „ärgerlich“ zu sprechen ist a.m.S. sehr sanft ausgedrückt. Bleibt abzuwarten wie ärgerlich das alles noch ist wenn der erste Kamerad aufgrund einer im Einsatz eingefangenen Infektion verstirbt. Alle die in Einsätzen waren wisen, dass sich die hygienischen Bedingungen massiv von denen der hiesigen unterscheiden. Hier ist die Fürsorgepflicht des Diestherren unmittelbar gefordert und man kann nur hoffen dass Ministerin, Ministerium, Kommandobehörden und der Bundeswehrverband bald eine Änderung in den einschlägigen Vorschriften im Sinne der eingesetzten Soldaten herbeiführen werden.
@MeineMeinung.de
„Alle die in Einsätzen waren wisen, dass sich die hygienischen Bedingungen massiv von denen der hiesigen unterscheiden.“
Nein, dieser dramatisierende Einsatzmythos ist falsch, denn alle die in Einsätzen waren wissen, dass sich die Bedingungen vor Ort deutlich unterscheiden können. Wer an die vergangenen Jahre in Marmal denkt, der wird wohl kaum behaupten, dass es dort Probleme mit der Hygiene gegeben hätte. Im Gegenteil: Für die Fobbit Fraktion dürften teilweise sogar bessere hygienische Bedingungen vorhanden gewesen sein als zuhause.
Ich empfinde es als störend, dass in Bezug auf die Einsätze der Eindruck vermittelt wird, dass jeder auf dem OP North oder in verschimmelten Zelten im Kongo gehaust hat. Die individuellen Belastungen und hygienischen Bedingungen unterscheiden sich nach Einsatzort, Zeitraum und Verwendung gravierend.
Wenn der Dienstherr hier ggf. auch Rückschlüsse in Bezug auf die Anerkennung eines Dienstunfalls zieht ist das rechtens und konsequent. Fraglich ist nur, ob es in diesem Fall wieder die Falschen getroffen hat.
@Johannes Ram
Ihre Sichtweise greift zu kurz. Es geht nicht nur um die hygienischen Bedingungen in einem nach vielen Jahren sehr gut ausgestatteten Camp. Es geht vor allem um die vielen Kameraden die außerhalb der Camps, vielmals auch mit Bevölkerungskontakt, ihren Dienst versehen. Es hat keiner behauptet, dass, Zitat:“ dass jeder auf dem OP North oder in verschimmelten Zelten im Kongo gehaust hat.“ Dennoch gibt es auch heute Bedingungen die weit unter denen eines Camp Marmals liegen. Und:Aus persönlicher Kenntnis weiß ich, dass sich Kameraden auch unter diesen von Ihnen hervorgehobenen Bedingungen angesteckt haben. Kurzum, eine potentielle Ansteckungsgefahr im Einsatz muss eine andere Wertigkeit erfahren als die im Heimatland. Aber das zeigen ja auch die vielen Reaktionen im weiteren Diskussionsverlauf.
@MeineMeinung.de sagt: 25.04.2021 um 18:41 Uhr
„Ihre Sichtweise greift zu kurz. Es geht nicht nur um die hygienischen Bedingungen in einem nach vielen Jahren sehr gut ausgestatteten Camp. Es geht vor allem um die vielen Kameraden die außerhalb der Camps, vielmals auch mit Bevölkerungskontakt, ihren Dienst versehen.“
Ich muss hier @Johannes Ram beispringen!
In den allermeisten Einsätzen ist die Quote derjenigen, die das Lage verlassen um oder sogar unter 10%
Und diejenigen, die dann auch noch mehr als nur sporadisch Bevölkerungskontakt haben noch wesentlich geringer.
Sein Argument trifft deswegen den Nagel auf den Kopf. Es gibt Einsätze und Verwendungen, die Bedinungen haben, mit wesentlich höherem Covid-19 Risiko als z.B. ein Truppenübungsplatzaufenthalt in DEU, aber es gibt eben auch viele, viele bei denen das nicht so ist.
@Koffer et al
dabei sollte man die höhere Verbreitungswahrscheinlichkeit unter den Bedingungen im Einsatz nicht völlig ignorieren.
Die „höheren“ Hygienestandards unter diesen Umständen dürften relativ geringe Auswirkungen auf das Virus haben, wenn es erstmal im Laager ist.
@ThoDan sagt: 26.04.2021 um 9:20 Uhr
„dabei sollte man die höhere Verbreitungswahrscheinlichkeit unter den Bedingungen im Einsatz nicht völlig ignorieren.“
Die entscheidende sowohl inhaltliche, als auch rechtliche Frage ist doch unter welchen Bedingungen welchen Einsatzes führt das zu welchem ggü. Dienst in DEU unterschiedlichen und einsatzbedingt erhöhten Gesundheitsrisiko.
Nochmals das Beispiel des Truppenübungsplatzaufenthaltes eines gemischten Verbandes in DEU ohne vorherige Quarantäne im Vergleich zu einem Einsatz mit kaum „Außenkontakt“ und vorheriger Quarantäne (z.B. einen marinebasierten Einsatz).
Daran erkennt man doch sofort, dass nicht jeder Einsatz zwingend ein höheres Infektionsrisiko birgt als der Dienst im Heimatland. Und darauf kommt es derzeit rechtlich nun einmal an.
Mein Petitum also: genau hinschauen und sachlich argumentieren.
@Koffer
Da dies auch auf den Dienst beim Aufenthalt auf dem Truppenübungsplatz zu gelten scheint, sehe ich da wenig Unterschied.
@ThoDan sagt: 27.04.2021 um 7:58 Uhr
„Da dies auch auf den Dienst beim Aufenthalt auf dem Truppenübungsplatz zu gelten scheint, sehe ich da wenig Unterschied.“
In der Tat. Das ist ja im Kern das rechtliche Argument der Wehrverwaltung.
@Koffer
Sicher und ich sehe darin ein Argument in die andere Richtung, d.h. auch eine Ansteckung dort wäre für mich ein solcher Fall
@ThoDan sagt: 28.04.2021 um 8:32 Uhr
„Sicher und ich sehe darin ein Argument in die andere Richtung, d.h. auch eine Ansteckung dort wäre für mich ein solcher Fall“
Das Gesetz ist da eindeutig. Ein Einsatzunfall (bzw. eine dem Dienstunfall gleichstehende Erkrankung im Einsatz) liegt nur und ausschliesslich vor, wenn die Gefährdung im Einsatz höher ist als im Inland. („…wenn eine Erkrankung oder ihre Folgen oder ein Unfall auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei einer Verwendung im Sinne des Absatzes 1 zurückzuführen sind…“).
Wenn also, wie Sie vollkommen zutreffend sagen, die Umstände im konkreten Fall (das muss gem. stehender Rechtssprechung für jeden Schädigungsfall einzeln bewertet werden) nicht wesentlich anders sind als z.B. während eines Truppenübungsplatzaufenthaltes, dann darf die Wehrverwaltung gem. aktueller Gesetzeslage und Rechtssprechung keinen Einsatzunfall anerkennen.
Damit ist übrigens nicht gesagt, dass es kein Dienstunfall ist etc. etc. etc. Es darf aber halt kein Einsatzunfall sein.
Eigentlich auch logisch, oder?!
Der Unterschied für den Soldaten ist praktisch?
Einsatzunfälle geben mehr Geld.
Deswegen gibt es das halt auch nur, wenn eine höhere Gefährdung besteht, als bei vergleichbaren Tätigkeiten im Heimatland.