Bundeswehr soll mobile Anlage zur Sauerstofferzeugung nach Indien bringen
Fürs Archiv: Deutschland wird dem von der Coronavirus-Pandemie schwer getroffenen Indien eine mobile Sauerstofferzeugungsanlage der Bundeswehr zur Verfügung stellen. Außerdem soll die Luftwaffe Beatmungsgeräte, die das Bundesgesundheitsministerium bereitstellt, auf den Subkontinent bringen.
Die Regierung in Neu Delhi hatte in den vergangenen Tagen um internationale Hilfe angesichts der rasant steigenden Zahlen von Infizierten und Toten und vor allem der Überlastung des Gesundheitssystems gebeten. Mehrere Länder hatten bereits Unterstützung zugesagt, auch die EU sicherte Hilfe zu. In vielen indischen Kliniken ist nach Berichten aus dem Land kaum noch Sauerstoff vorhanden, mit dem Covid-19-Erkrankte behandelt und möglicherweise gerettet werden können.
Die Bundeswehr soll nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom (heutigen) Mittwoch vor allem eine mobile Anlage zur Sauerstofferzeugung nach Indien bringen und dort auch in Betrieb nehmen. Das System besteht aus mehreren Containern, die zusammen mit Zelten zu einer Anlage zusammengebaut werden, in der Sauerstoff auf der Umgebungsluft auf eine Konzentration von 93 Prozent gebracht wird.
Bis zu 16 Spezialisten der Bundeswehr sollen die Anlage nicht nur aufbauen und in Betrieb nehmen, sondern auch das indische Rote Kreuz in die Nutzung einweisen – bis zu zwei Wochen veranschlagt das Ministerium für diese Aufgabe. Für den Transport des mobilen Sauerstofferzeugers sind zwei Transportflugzeuge A400M der Luftwaffe vorgesehen.
Mit einer weiteren Maschine, einem Airbus A350 der Flugbereitschaft, soll die Luftwaffe 120 Beatmungsgeräte transportieren, die ebenfalls an das Rote Kreuz in Indien übergeben werden. Die Flugzeuge sollen möglichst noch bis zum Wochenende starten, sobald die nötigen diplomatischen Freigaben wie zum Beispiel Überflugrechte anderer Länder vorliegen.
(Archivbilder März/April 2020: Zur Unterstützung in der Coronavirus-Krise baut das Sanitätsregiment 2 in Koblenz eine mobile Sauerstofferzeugungsanlage auf – Patrick Grüterich/Bundeswehr)
… und dann wäre da noch die verlegbare Sauerstofferzeugung aus dem TaktLwGeschw 51 „I“ in Jagel, bzw. Wester-Ohrstedt….
Naja. Soweit in der dritten Welt ist Indien ja nun auch nicht. Geht es wieder in die Richtung Symbolpolitik? Warum dass Zeug nich nach Namibia schaffen? Da gäbe es nach 150 Jahren mal die Möglichkeit nett und freundlich rüberzukommen.
[Was ist jetzt eigentlich los, wer außer Ihnen bringt „dritte Welt“ als Thema ein, und was soll das? Portugal ist auch „dritte Welt“, weil die Sanität da neulich Leute hingeschickt hat? Auf dem Niveau machen wir hier nicht weiter. T.W.]
Ein gutes Zeichen deutscher Außenpolitik!
@Tw War so nicht gemeint und falsch ausgedrückt. Der Hintergedanke war eher wie DEU denn einem Staat mit über 1 mrd Einwohnern mit einigen wenigen Sauerstofferrzeugern unter die Arme greifen will ohne dass das symbolisch ist.
Oje. Wer sich ein bisschen mit dem Thema Sauerstofferzeugeranlage und Sanitätsdienst beschäftigt, kommt ganz schnell beim Schlüsselpersonal raus.
Da werden sich immer die selben 5-6 Personen reihum ablösen, die ausreichend hinsichtlich Wartung und Betrieb ausgebildet sind und obendrein haben wir von diesen Anlagen (wie immer) nur homöopathische Stückzahlen.
Die Erzeugungskapazität ist obendrein nicht besonders groß – COVID-19 Erkrankte benötigen Sauerstoff in erheblich höheren Mengen über längere Zeit als die klassischen Traumapatienten, für die ein Einsatzlazarett vorgesehen ist.
Mit einer „Linde-Luftbrücke“ in Form zweier Maschinen von Lufthansa Cargo und zwei Zehntonnern mit Stapler und Fahrern könnte man ungleich mehr helfen und würde den Sanitätsdienst nicht um Schlüsselelemente erleichtern. Sähe natürlich lange nicht so fesch aus…
Just my 0,02€…
Frage an die technisch versierten: Kennt jemand die Menge die ein solche Anlage gewinnen kann?
Wenn man bedenkt, dass Indien zu den größten Stahlerzeugern der Welt gehört und bei der Stahlerzeugung riesige Mengen Sauerstoff benötigt werden, finde ich es merkwürdig, dass die Sauerstoffproduktion nicht gedeckt ist.
@SvevS: hier geht es um sog. medizinischen Sauerstoff, der hinsichtlich der Produktion etc. den Vorschriften des Arzneimittelrechts bzw. Medizinprodukterechts unterworfen ist. Für industriell verwendeten Sauerstoff wie im Stahlwerk hingegen gelten wesentlich simplere Regeln.
@Stöber: Meine Frage ist etwas OT, aber wie sollen im V-Fall ein halbes Dutzend ausgebildetes Personal den Betrieb der Sauerstofferzeugungsanlagen sicherstellen? Oder eben in einem solchen Falle wie jetzt wird es ja auch eng.
Ich stimme ihnen zu, daß ihre vorgeschlagene „Linde-Luftbrücke“ mehr Effekt hätte. Es gibt doch im Moment sowieso genug Flugzeuge, die herumstehen wegen des reduzierten Flugreise- und Luftfrachtverkehrs. Und schöne Verladefotos für die selbstdarstellenden Politiker und gratis WErbung für die Linde plc (HQ ist seit ein paar Jahren in Irland steueroptimiert) gibt es da genauso.
Oh Mann, natürlich kann man auch viel Linde-Luft durch die Luft transportieren. Und das soll dann auf der Zeitachse effektiver sein als direkte, fast permanente O2-Produktion vor Ort? Soll jedes reiche Land eine neue (symbolische) Anlage schicken, dann hilft man wenigstens etwas und schaut nicht tatenlos zu.
Luftbrücke hat seine eigenen Probleme, denn der Transport befüllter O2 Zylinder unter Druck in Flugzeugen ist relativ stark reglementiert, aus guten technischen Gründen.
In der Zeit steht, das nach einem indischen Fachmann Indien keinen Sauerstoff benötigt sondern Transportbehälter
@Sommerbiwak: Das Personalproblem ist nicht neu. In den StabOp kann man sich mit zivilen Technikern behelfen und das nimmt leider auch den Handlungszwang bei den militärischen Dienstposten. Huch, das ist ja wie beim MedEvac in Mali. 🙂
@MrDiversity: Diese Anlagen können nur relativ wenig produzieren, aber im Schießkrieg oder auch bei StabOp spart man sich den Transport für andere Sachen. Trotzdem liefert selbst eine schnöde Frachtmaschine eine vielfache Wochenproduktion (und die Transportauflagen bei reinen Frachtfliegern sind handhabbar). Das als Pendelverkehr kann schon was bewegen.
Genaue Produktionszahlen für die jeweiligen Anlagen hab ich gerade nicht zur Hand (und wenig Lust, das rauszuholen). Meine Kenntnisse diesbezüglich hab ich von Kapazitäts- bzw Versorgungsberechnungen für Coronapatienten in einer größeren StabOp. Lasse mich gerne korrigieren, wenn diese falsch sind.
Eine Anlage wie diese könnte nichtmal Bremen-Vegesack versorgen – wie soll das bitte in einem Land mit 1.3 Mrd Menschen und 9mal so gross wie DE funktionieren….
[Eine erste Antwort finden Sie hier…
und woher kommt die Idee, die deutsche Hilfe solle ganz Indien versorgen? T.W.]
Peter Eberl schrieb: „hier geht es um sog. medizinischen Sauerstoff, der hinsichtlich der Produktion etc. den Vorschriften des Arzneimittelrechts bzw. Medizinprodukterechts unterworfen ist. Für industriell verwendeten Sauerstoff wie im Stahlwerk hingegen gelten wesentlich simplere Regeln.“
Die ersten Schritte der Produktion werden im Großmaßstab dieselben sein, nämlich Luftverflüssigung, und das Resultat ist sehr reiner Sauerstoff. Also ist die Frage schon berechtigt. Das ganze sieht für mich als Chemiker mehr nach einem logistischen Problem aus, also Verteilung des Sauerstoffs funktioniert nicht.
Wenn man Mitarbeiter von Flüssiggasherstellern fragt, dann sagen die einem ohne weiteres, dass alles aus demselben Topf kommt. Bei den besseren Qualitätsstufen wird mehr Analytik betrieben. :-)
@Ulenspiegel: ich empfehle Ihnen, sich mit den einschlägigen Vorschriften des Arzneimittel- und Medizinproduktegesetzes hinsichtlich der Herstellung von Fertigarzneimitteln auseinanderzusetzen. Bei medizinischem Sauerstoff handelt es sich um ein solches, es besteht in dieser Hinsicht kein Unterschied zur Herstellung z.B. eines Antibiotikums. Weiterhin empfehle ich u.a. die Lektüre des Annex 6 des EU Leitfadens der Guten Herstellungspraxis – Herstellung medizinischer Gase – Hrsg. Bundesministerium für Gesundheit, um die Unterschiede in der Herstellung medizinischer und technischer Gase zu verstehen. Aufgrund des Einblicks, den ich berufsbedingt bei einem bekannten deutschen Hersteller hatte, kann ich Ihren letzten Absatz nicht nachvollziehen.
Ansonsten gratuliere ich zur Erkenntnis, dass es in Indien mit der Logistik hapert, die Bundeswehr und das Auswärtige Amt werden darüber sehr erfreut sein.
@Peter Eberhard
Man mag vielleicht in Erwägung ziehen, dass einem Land wie Indien mit einem sicher nicht so ausgefeilten und landesweit verbreiteten Hygienesystem wie in Deutschland das hiesige deutsche Arzneimittel- und Medizinproduktegesetz in einer nationalen Notlage bei marginalen Unterschieden zwischen „normalem“ und „medizinischem“ Sauerstoff (insbesondere dann, wenn letzterer nur intensiver analytisch getestet wird) beu der aktuellen Lage im Zweifel relativ Wurschd sein könnte.
Notfallchirurgie im Felde, in Kellerräumen von Ruinen oder in einem offenen Zelt im Dschungel unter LV/BV aka „Kriegs“- Bedingungen ist halt eben auch vom klinischen Standard der Berliner Charité leicht abweichend.
So etwas nennt sich dann Pragmatismus.
Daher betrachte diese Bereitstellung auch eher als Symbolgeste deutscher Außenpolitik, bei welcher sicher aber leider auch der Rucksack voller deutscher Vorschriften und die permanente Angst vor möglichen Regressanspüchen steht.
@Fux: Pragmatismus – gut und schön. Allerdings sollte man sich tatsächlich erst mal informieren. Nochmal zum Mitschreiben: der Herstellungsprozess der Sauerstoffzubereitungen unterscheidet sich sehr; im einen Fall wird keineswegs nur „analysiert“. Die Bundeswehr stellt nun mal ein Arzneimittel her und ist an die einschlägigen Vorschriften gebunden, egal wo die Produktionsmittel stationiert sind. Insbesondere befindet sie sich nicht im Krieg oder nimmt in Indien an Kampfhandlungen teil, so dass sie in Ruinen oder Kellerräume arbeiten müsste.
Abgesehen davon: was spricht dagegen, dass die Bundeswehr ein qualitativ hochwertiges Produkt liefert?
Wie die Inder in ihrem Land Sauerstoff produzieren, bleibt ihnen selbst überlassen, ob sie ihn im Stahlwerk abzweigen oder einem Elefantenrüssel extrahieren, weiss ich nicht, ist mir auch völlig egal (vermutlich auch der Bundeswehr) und hinsichtlich der deutschen Hilfestellung total irrelevant.
Im Übrigen würde ich mich auch in Friedenszeiten nicht in Berlin operieren lassen (falls das irgendwen interessiert) ; – )
@Ulenspiegel
Es handelt sich aber nicht um Flüssiggas. Die mobile Sauerstofferzeugungsanlage arbeit mit einem völlig anderen technischen Ansatz, nämlich einem Molekularsieb. Details und Leistungsdaten findet man auf Bw-Websites, einfach mit der Suchmaschine Ihrer Wahl nach ‚mobile Sauerstofferzeugungsanlage‘ googlen :-)
Um diese in Deutschland zum gedachten Zweck betreiben zu können, wurde extra das Europäische Arzneibuch – unter tatkräftiger Mithilfe von Bw-Apothekern – geändert. Weil bei uns auch papiermäßig alles seine Ordnung haben muss.