Dokumentation: Neue Stationierungsentscheidungen für die Bundeswehr
Die Bundeswehr bekommt weiter Einrichtungen und Liegenschaften zurück, die im Zuge der Verkleinerung der Truppe im vergangenen Jahrzehnt aufgegeben wurden oder zur Auflösung anstanden. Unter anderem werden mehrere (Munitions)Depots reaktiviert. Damit sollen die Streitkräfte künftig an 271 Standorten in Deutschland präsent sein – und sich besser wieder auf die Kernaufgabe Landes- und Bündnisverteidigung einstellen können.
Die Details nannte Generalinspekteur Eberhard Zorn in einem Tagesbefehl am (heutigen) Freitag. Die Entscheidungen schon der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der derzeitigen Ressortchefin Annegret Kramp-Karrenbauer markieren immer mehr eine Abkehr vom Stationierungskonzept, das der ehemalige Minister Thomas de Maiziére 2011 entschieden hatte.
Zur Dokumentation der Tagesbefehl Zorns:
Soldatinnen und Soldaten, Reservistinnen und Reservisten, zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!
Ich informiere Sie heute über den Fortgang der Anpassungen für die Grobstruktur und die Stationierung der Streitkräfte.
Bereits bis zum 1. Oktober 2020 wurden im Rahmen der Anpassung der Offizierausbildung des Heeres die Offizieranwärterbataillone in Munster und Hammelburg aufgelöst, die Übertragung des Bereichs ortsfester logistischer Einrichtungen in die Binnenstruktur des Logistikzentrums der Bundeswehr veranlasst und das Landeskommando Berlin aufgestellt.
Im Zuge der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung wurden zwei weitere Entscheidungen getroffen, die die Strukturen der Bundeswehr mit Blick auf ihre Einsatzbereitschaft, Bündnisfähigkeit und Flexibilität stärken.
So wird zur Sicherstellung der Führungsfähigkeit der 10. Panzerdivision ab dem 1. April 2021 am Standort Veitshöchheim das Fernmeldebataillon 10 neu aufgestellt.
Zudem wird im Rahmen der deutsch-britischen Kooperation das in Minden stationierte Panzerpionierbataillon 130 ab dem 1. Oktober 2021 in ein deutsch-britisches amphibisches Pionierbataillon umgegliedert, um die Verfügbarkeit der Unikatfähigkeit Schwimmschnellbrücke in der NATO nachhaltig zu sichern.
Zu den noch offenen Einzelprüfungen im Zusammenhang mit Schließungszeitpunkten von Liegenschaften der Bundeswehr haben sich neue Sachstände ergeben.
Die Blücher-Kaserne in Münster wird an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImABundesanstalt für Immobilienaufgaben) übergeben, da für eine Nutzung durch die Bundeswehr auch nach erneuter Prüfung kein
Bedarf besteht.
Die Rückgabe der Liegenschaft Luftverteidigungsanlage Bunker Martin in Meßstetten wird bis voraussichtlich 2021 ausgesetzt, da die Bedarfsprüfung noch nicht abgeschlossen ist.
Anknüpfend an den bereits kommunizierten Erhalt der Liegenschaft Fliegerhorst Kaufbeuren wurde nun entschieden, dass die Ausbildungsgruppe V des Technischen Ausbildungszentrums der Luftwaffe, die Bundeswehrfeuerwehr und das Bundeswehrdienstleistungszentrum Kaufbeuren am Standort verbleiben.
Hinsichtlich der im Januar 2019 getroffenen Entscheidung zur Wiederinbetriebnahme bereits geschlossener oder zur Schließung vorgesehener ortsfester Lagereinrichtungen hat die Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, nun die Stationierung der für den Betrieb dieser acht Lagereinrichtungen erforderlichen Organisationselemente wie folgt entschieden:
• Munitionslager Altheim mit Bundeswehr-Feuerwehr am Standort (StO) Walldürn mit rund 70 Dienstposten (DP)
• Munitionslager Lorup am ehemaligen StO Lorup mit rund 50 DP
• Munitionslager Kriegsfeld am ehemaligen StO Kriegsfeld mit rund 100 DP
• Materiallager Hardheim am StO Hardheim mit rund 90 DP
• Materiallager Huchenfeld am ehemaligen StO Pforzheim mit rund 70 DP
• Materiallager Königswinter am ehemaligen StO Königswinter mit rund 80 DP
• Materiallager Ladelund am ehemaligen StO Ladelund mit rund 80 DP
• Materiallager Bargum am ehemaligen StO Bargum mit rund 60 DP
Die Aufstellung der einzelnen Dienststellen erfolgt zeitlich versetzt bis in das Jahr 2029.
Mit der Wiederbelebung der ehemals sechs zur Aufgabe entschiedenen Standorte erhöht sich die Anzahl der künftigen Standorte der Bundeswehr in Deutschland (einschließlich Kaufbeuren) auf dann 271.
(Archivbild: Schwimmschnellbrücke der Mindener Panzerpioniere bei der NATO-Übung Trident Juncture im Oktober 2018 in Norwegen)
@ KPK: Absolute Zustimmung. Die Jägerbataillone in den Panzer- und Panzergrenadierbrigaden machen taktisch keinen Sinn und bisher habe ich noch nirgendwo zufriedenstellende Vorschläge für deren Verwendung im hochintensiven Gefecht gesehen.
Die einen wollen die Jägerbataillone Schulter an Schulter mit anderen Verbänden einsetzen, was gegen einen mechanisierten Feind einem Himmelfahrtskommando gleichkommt und die anderen wollen das Jägerbataillon zerpflücken um damit die fehlenden Sicherungskräfte auf Bataillonsebene und für den aufgeblasenen, riesigen Brigadegefechtsstab (womit wir schon bei der nächsten Großbaustelle sind) zu stellen. Beide Ansätze sind absolut nicht zufriedenstellend, womit weitere Strukturanpassungen vorprogrammiert sind, wenn man es mit dem Auftrag Landes- und Bünsnisverteidigung ernst meint.
@Andy:
Es bedeutet, dass man sich eingestehen musste, dass verbunkerte Untertageanlagen wie der Bunker Martin in Betrieb und Unterhalt (z.B. Feuerwehr-Personal) unglaublich teuer sind, aber für ein mögliches Bedrohungsszenario „LV/BV“ doch vielleicht ganz brauchbar im Vergleich zu der neu gebauten („nur von Freunden umgeben“) oberirdischen Anlagen des Einsatzführungsdienstes.
@PzH2000: Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Die Rede ist davon, dass „im Rahmen der deutsch-britischen Kooperation das in Minden stationierte Panzerpionierbataillon 130 ab dem 1. Oktober 2021 in ein deutsch-britisches amphibisches Pionierbataillon umgegliedert“ wird. Die beiden amphibischen Kompanien, die in das zukünftige deutsch-britische Bataillon kommen, sind aber ironischerweise gar keine organischen Kompanien des 130, sondern gehören eigentlich zum 901. Ebenfalls mit dazu kommen dürfte die Faltschwimmbrückenkompanie des 803, und wahrscheinlich auch die Pioniermaschinenkompanie des 901, die bisher beim Panzerpionierbataillon 4 ist.
Die eigentlichen Pionierkompanien des 130 dürften dann, wie Sie sagen, den Grundstock des neuen Bataillons für die Panzerlehrbrigade bilden.
Interessant ist in dieser Hinsicht auch der von @Klaus-Peter Kaikowsky angesprochene Artikel in der „Pioniere“. Laut diesem soll die Division 2027 über ein „normales“ Panzerpionierbataillon und ein „schweres Pionierbataillon“ verfügen, letzteres mit 2 Kompanien Amphibie, einer Kompanie Faltschwimmbrücke und einer Pioniermaschinenkompanie – also ziemlich genau der deutsche Anteil am deutsch-britischen Bataillon. Ich gehe davon aus, dass dies nur eine Momentaufnahme ist: Langfristig kann man kann nicht jeder deutschen Division ein solches schweres Bataillon unterstellen, weil das eine Bataillon ja schon alle Amphibien und Faltschwimmbrücken bündelt ;)
Mahlzeit, die Herren,
ich würde gerne noch mal auf die von @Mackiavelli und @KPK geäußerte Meinung hinsichtlich der Jägerbataillone eingehen wollen.
In meinem naiven Gemüt hatte sich bisher die Meinung verfestigt, die Stärke der Infanterie läge im bewaldetem, schwierigem Gelände, im Kampf in und um Ortschaften. Beides ist ja häufig anzutreffen.
Von daher dachte ich schon, da fände sich eine Verwendung? Jetzt sagen Sie aber Nein?
@Scharlatan
Bitte lesen, was ich zu den JgBtl in mechanisierten Brigaden, also Pz/PzGrenBrig, schrieb.
Sie: „… Stärke der Infanterie läge im bewaldetem, schwierigem Gelände, im Kampf in und um Ortschaften“. Absolut richtig diese, Ihre Darstellung.
Leider sind dies aber nicht die passenden Gelände für ein PzBtl, für ein PzGrenBtl nur zeitlich und räumlich eingeschränkt. Panzergrenadiere sind keine Infanterie. Ihre Stärke kommt im Zusammenwirken mit der PzTr zum Tragen.
Kurz: qua Fähigkeit und Kampfkraft passt ein JgBtl nicht in die Brigaden der „Div 27“, s. Link in einem meines Tweets. Alternativen hatte ich vorgeschlagen.
@ Scharlatan: Vielleicht kann ich die mangelnde Eignung von Jägerverbänden in einem gepanzerten Großverband verständlicher machen:
Der anzunehmende Gegner in einem hochintensiven Gefechtszenario für eine deutsche Panzer- oder Panzergrenadierbrigade ist eine mechanisierte Brigade/Division. Das heißt die üblichen feindlichen Gefechtsffahrzeuge sind Kampf- und Schützenpanzer mit einer Bewaffnung von 30mm Maschinenkanonen und Lenkflugkörpern aufwärts und starke Artilleriekräfte.
Gegen so einen Gegner unterliegt ein Jägerbataillon auf BOXER, bewaffnet mit Granatmaschinenwaffen und MGs im Kampfkraftvergleich deutlich und sollte daher keinen eigenen Gefechtsstreifen, ausser zur Flankensicherung o.Ä. zugewiesen bekommen. Damit ist die Verwendbarkeit des Jägerverbandes sehr stark eingeschränkt. Um diesen Verband nur „mitfahren“ zu lassen, um ggf. noch einen Spezialverband zum nehmen von Ortschaften zu haben, sind Kampftruppenverbände in einer Brigade nicht zahlreich genug. Dann lieber ein Panzer-/Grenadierbataillon mehr, oder die Mittel sparen.
Besten Dank @KPK und @Mackiavelli
Jetzt kann ich es besser nachvollziehen. Hausaufgaben auch erledigt.
Vielleicht ergibt sich ja noch eine Änderung?
@Scharlatan, KPK
Es stellt sich vielleicht die Frage warum
A) JgBtl in die Gliederung der Brigaden 9,21 und 41 aufgenommen wurden
B) aber nicht bei den Brigaden 12 und 37 der 10.PzDiv?
@PzH2000
Man wollte beide „Divisionen“ mit je drei Infanterie-Btl ausstatten.
Die 10.PzDiv hat ja dafür die drei GebJgBtl.
Dies sollte die Generierung ungefähr gleichartiger „Einsatz-Verbände“ für StabOp ermöglichen.
@PzH2000
Ja, kann gefragt werden. Wären personell noch zwei weitere machbar gewesen, hätte „man“ das etwa auch noch gemacht? Ist zu befürchten.
Die tatsächliche Begründung wird in irgendeinem STAN-Struktur Papier mit schlauen Worten hergeleitet sein, möchte ich gern lesen. oder besser nicht? Besser nicht!
Also:
Die drei Btl aus den betreffenden Brig herauslösen und zusammengefasst als Jägerbrigade mit erforderlicher Kampfunterstützung neu aufstellen.
Dem Heer bietet sich ein weiteres Manöverelement, die „Deutsche Halbbrigade“ in der D/FBrig, steht nämlich – ehrlicherweise – als geschlossener Großverband nicht zur Verfügung.
Da diese Heilige Kuh der Geburtshelfer Kohl-Mitterand als „Unterpfand“ der l’amitié franco-allemande wider besseres Wissen aber weiter politisch motiviert gepäppelt wird, muss das Heer die nachhaltige Ressourcen-Verschwendung dauerhaft hinnehmen.
Daher, eine JgBrig muss her. – Es bedarf der Langmut.
@Ziethen
Nein.
Die Divison 2027 bildet nur eine Blaupause für die KU Verbände der Brigade und die Divisionstruppen.
Die 2te Divison wird ähnlich sein aber nicht gleich, genauso wie die 3te Division nicht gleich der 1ten und 2ten ist in Sachen Brigadegliederung.
@W.Brandt
Die „Division2027“ spielte aber bei der Struktur „HEER 2011“ noch keine Rolle ;))
Damals galt es, mit Blick auf StabOp, den Umfang der Infanterie im Heer moderat zu erhöhen, bei gleichzeitiger Reduzierung der FSchJg>>> daher die neuen JgBtl, die man dann schön auf die Brigaden verteilt hat.
In der kommenden Struktur bleiben die JgBtl (stand jetzt) wohl in den mech Brigaden enthalten – ein fragwürdiger Ansatz, siehe Argumente von @KPK weiter oben…
Es wird ja immer von Schwerpunktsetzung, smart defence sowie „pooling and sharing“ gesprochen. Wenn man es damit ernst meint, dann sollte man im Heer die Jägerbataillone möglichst rasch über die Wupper gehen lassen.
Mit dem Personal könnte man so einige Baustellen im Heer beackern und den Schwerpunkt darauf legen, den sich die meisten (kleineren) Streitkräfte gar nicht mehr leisten können oder wollen: mechanisierte/gepanzerte Kräfte (Pz, PzGren, Artillerie etc).
Die Diskussion hier verwundert zumindest mich etwas, da die Gliederung der Brigaden ja nicht neu ist, sondern in der weiterhin gültigen Struktur Heer2011 (!) festgelegt wurde.
Bereits damals war man der Ansicht man könne damit auch LV/BV:
https://augengeradeaus.net/2011/10/die-heeres-kastchen/
(Dort besonders interessant das Infopaket Heer)
Auch später wurde über diese Themen noch öfters diskutiert:
https://augengeradeaus.net/2017/04/langfrist-planung-bundeswehr-mit-mehr-faehigkeiten-zur-buendnisverteidigung/comment-page-3/#comment-265835
Was aber offenbar immernoch ungern gehört wird:
Es ist kein Geld (mehr) für mehr Strukturen, Personal und Material da.
Die Landstreitkräfte sind am Punkt angelangt an dem sich die Politik fragen muss, was für ein Heer künftig erwünscht ist. Wenn es einen sichtbaren Beitrag im Bündnis leisten soll, dann muss die Divisionsebene erhalten werden und konsequent mit internationalen Brigaden erweitert werden. Die bisherigen Ansätze dazu sind ja mit den Niederlanden bereits weit gediehen, was fehlt ist eine vollumfängliche Divisionsebene zur „Anlehnung“ der Brigaden und vollständig ausgerüstete und einsatzbereite deutsche Brigaden.
Dabei sollte neben LV/BV nicht vergessen werden, dass die Bw auch weitere wesentliche (Dauer-)Aufgaben hat (internationales Konfliktmanagement und nationales (!) Risiko- und Krisenmanagement).
Eigentlich die Quadratur des Kreises bei den gegebenen Randbedingungen.
Offensichtlich ist das BMVg immer mehr bereit diese Wahrheit auszusprechen (siehe SPIEGEL-Artikel).
Aber egal wie es kommt, es wird niemand den Willen aufbringen 3 Divisionen personell und materiell voll zu hinterlegen.
Das ist bei genauerer Beobachtung (Haushalt) seit Jahren klar.
Aber nun will ich nicht weiter beim Träumen stören.