Coronavirus-Pandemie & Bundeswehr: Mehr Auswirkungen im Einsatz; Probleme in der Amtshilfe
Die Coronavirus-Infektionen in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau – aber sie weiten sich (wieder) aus. Im Inland werden Soldatinnen und Soldaten zunehmend zur Unterstützung auch in Krankenhäusern und Altenheimen angefordert – und sind dort bisweilen auch vermeidbaren Infektionsrisiken ausgesetzt. Der Überblick am 3. Dezember:
In der zweiten Welle der Pandemie gab es nach Angaben des Einsatzführungskommandos inzwischen fast 30 bestätigte Infektionen in den Auslandseinsätzen. Bislang wurden die meisten der Infizierten ausgeflogen, und dabei soll es grundsätzlich auch bleiben, wenn nicht im Einzelfall eine Ausnahme sinnvoll erscheint. Bislang war das für Sanitätsdienst und Luftwaffe auch zu leisten, teilweise unter Einbeziehung von Verbündeten: So sollten ein deutscher Soldat und zehn italienische Kameraden, alle im Afghanistan-Einsatz positiv auf das Virus getestet, in einem Flug mit einem MedEvac-A400M der Luftwaffe nach Italien und Deutschland gebracht werden.
Nachdem das Einsatzführungskommando am gestrigen Mittwoch allein in Mali drei neue Infektionen unter deutschen Soldaten gemeldet hatte, wurde am Donnerstag ein weiterer Fall bei der EU-Trainingsmission in dem westafrikanischen Land bestätigt. Zwei Soldaten der EU-Truppe sind vorerst noch im Land; das gilt auch in Afghanistan für einen Soldaten im Hauptquartier der Resolute Support Mission in Kabul und im Kosovo für einen deutschen Soldaten bei KFOR.
Zwischenzeitlich musste in Mazar-e Sharif, dem Hauptstationierungsort der Bundeswehr im Norden Afghanistans, die Truppenküche (im internationalen Sprachgebrauch Dining Facility, DFAC) geschlossen werden: Mehrere zivile Mitarbeiter waren positiv getestet worden.
Unterdessen sinkt die Zahl der bestätigten Infektionen unter den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr insgesamt, wenn auch nur leicht. Die Zahlen des Sanitätsdienstes:
3. Dezember
Soldatinnen und Soldaten: 465 tagesaktuell bestätigte Fälle,
kumuliert: 2090, davon kumuliert genesene Fälle: 1625
2. Dezember
Soldatinnen und Soldaten: 483 tagesaktuell bestätigte Fälle,
kumuliert: 2048, davon kumuliert genesene Fälle: 1565
1.Dezember
Soldatinnen und Soldaten: 541 tagesaktuell bestätigte Fälle,
kumuliert: 2012, davon kumuliert genesene Fälle: 1471
Die Zahl der Soldaten in der Amtshilfe für die zivilen Behörden steigt – noch – nicht deutlich an: Unverändert steht die Unterstützung der Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Infektionsketten im Mittelpunkt; die absehbaren Anträge für Hilfe beim Betrieb von Impfzentren und beim Transport von Impfstoff werden erst noch erwartet.
In den Gesundheitsämtern sind bislang fast 5.300 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, weitere rund 2.700 sollen in nächster Zeit hinzukommen. Vergleichsweise gering nimmt sich dagegen die Zahl der Soldaten aus, die in Krankenhäusern (rund 340, weitere 120 geplant) und Altenheimen (gut 260) eingesetzt sind.
Allerdings ist in Krankenhäusern, vor allem aber auch in Altenheimen das Risiko einer Infektion für das Personal und damit auch für die Soldaten am größten. In einem Altenheim in Sachsen (das Bundesland hat derzeit die höchsten Zuwächse an Infektionen) unterbrach die Bundeswehr in den vergangenen Tagen den Hilfseinsatz: Weil grundlegende Hygienestandards nicht eingehalten worden seien, sei das Infektionsrisiko für die Soldatinnen und Soldaten zu hoch.
(Archivbild November 2020: Hauptquartier der EU-Trainingsmission in Mali beim Vorbereitungsbesuch des Eurocorps, dass im kommenden Jahr die Führung der Mission übernimmt – Foto EUTM Mali)
Zum Thema Amtshilfe: Es gab vor kurzem vom BR einen Bericht über Chaos und schlechte Arbeitsbedingungen. (Titel „Kontaktnachverfolger spricht von „katastrophalen“ Zuständen“). Es gibt offenbar extrem viele Kündigungen der „normalen“ Helfenr..
Kann es sein, dass die Bundeswehr auch deshalb eingesetzt wird, weil ein Soldat nicht einfach kündigen kann?
@Stephan IMHO Ist der Vorteil der Soldaten dass die Gesundheitsämter (GA) in einem gewissen Geist erzogene und sozialisierte Menschen zur Verfügung gestellt bekommen. Diese Menschen stehen jeden Morgen in einer fest bestimmten Stärke auf dem Hof, organisieren sich selbst nach außen und sind intern schon vorstrukturiert. Des Weiteren sollen Soldaten grundsätzlich im Chaos Strukturen etablieren und diese nutzbar für zivile Organisationen halten.
Der Soldat ist je nach Verwendung schlechtere und/oder bessere Arbeitsbedingungen gewohnt oder zumindest mental auf Missstände vorbereitet worden.
Aus meiner Erfahrung ist die vergleichsweise lange Einarbeitungszeit (vgl. Deichbau mit Sandsack befüllen ~6 Stunden Prozessabläufe und Handlungssicherheit) für solche Hilfeleistungsanträge hinderlich, weil das abgestellte Personal nicht jeden Morgen neu durch die Bundeswehr bestimmt werden sollte, sondern die Soldaten langfristig abgestellt werden müssten.
Meiner Erfahrung nach sind die Soldaten aber durchweg motiviert, weil sie wirklich gebraucht werden und sehen in vielen Fällen über Missstände hinweg, weil sie den Auftrag für wichtiger einschätzen als die eigene Gesundheit (bzw. die Vorgaben aus den stellenden Einheiten mit Einflüssen aus politischem Karrieregehabe).
Gleichzeitig war das GA sehr positiv angetan, dass die Soldaten eine sehr auftragsorientierte Kommunikation etabliert haben und Prozesse strukturieren. (Das ist natürlich einfach(er), wenn man nicht schon seit Februar jeden Tag als Mitglied des Gesundheitsamt auf dem Zahnfleisch geht und die eigene Arbeit rundum angefeindet wird)
TRENNUNG
Zitat „Weil grundlegende Hygienestandards nicht eingehalten worden seien, sei das Infektionsrisiko für die Soldatinnen und Soldaten zu hoch.“
Das erscheint mir zwar schlüssig im Sinne der eigenen Durchhaltefähigkeit und Pflicht zur Gesunderhaltung, aber das öffentlichkeitswirksame Bild ist doch: „Zivilisten tun Dinge, die der Bundeswehr zu gefährlich sind“. Denn die betroffenen Einrichtungen werden ja wohl kaum den Betrieb eingestellt haben.
@CME
„Denn die betroffenen Einrichtungen werden ja wohl kaum den Betrieb eingestellt haben.“
Das wird es wohl auch vorab Ortsbegehung und eine Ansage gegeben haben mit einer entsprechenden Warnung, falls Mißstände nicht abgestellt werden, sich dann eben zurückzuziehen. Z.B. ist grundsätzlich Schutzkleidung durch den Antragsteller zu stellen. Der Dienstherr hat eben auch eine Fürsorgepflicht.
@Stephan
In dem erwähnten Beitrag steht allerdings nichts von Kündigungen, sondern dass laut Landratsamt Garmisch-Partenkirchen die Hilfskräfte nach einem Monat wieder abgezogen werden. Das macht das Chaos und die Zustände nicht besser, aber ich sehe erst einmal dahinter nicht die Idee, dass Soldaten nicht kündigen können und deswegen angefragt werden.
Durchaus möglich, dass viele wegen der Bedingungen und dem Stress frustriert sind und kündigen. Soweit ich das mitbekommen habe, war aber bei Beginn der 2. Welle im November das Problem, dass viele Stellen aus dem Frühjahr im Sommer nicht weiterbesetzt wurden. Die erfahrenen Studenten haben dann natürlich im neuen Wintersemester wieder an der Uni angefangen und standen nicht mehr zur Verfügung.
Keine Ahnung, inwieweit sich da die Zustände in den einzelnen Bundesländer unterscheiden – Bayern auf dem flachen Land ist nun einmal nicht München. Ich habe nur mitbekommen, dass man z. B. in Baden-Württemberg durchaus parallel zur Bundeswehr-Amtshilfe neue Stellen geschaffen hat, nachdem man vorher schon intern gesucht hat. Auch Halbtagsstellen. Ist vielleicht auch ein Kommunikationsproblem. Mal ein Beispiel aus Mannheim, wie es meiner Meinung nach aussehen sollte, damit es nicht immer heißt, die Ämter machen nichts:
https://www.mannheim.de/de/nachrichten/bundeswehrsoldaten-unterstuetzen-gesundheitsamt
https://www.mannheim.de/de/nachrichten/265-aktuelle-meldung-zu-corona-24-11-2020
@T.W. :
Gibt es auch Zahlen zu den Arbeitnehmern und Beamten der BW?
Wir fallen gerne immer aus dem Raster der BW auch wenn wir nicht wenige sind…
[Das Problem ist, wie schon mehrfach erwähnt, dass diese Zahlen bei der Corona-Unterstützung nicht so recht durchgängig verfügbar sind. Ich versuche das aber besser zu berücksichtigen, sofern ich Zahlen habe. T.W.]
Generalarzt Backus sagt die Sanität wird die Impfzentren betreiben:
26 Zentren, 20-25 Soldaten, ca. 18.000 Impfungen täglich, einsatzbereit 15.12.
Quelle: FAZ/BamS
[Nein, er sagt nicht, dass die Sanität „die Impfzentren betreiben“ wird. Er sagt, dass die Bundeswehr die 26 Impfzentren betreiben wird, die die Ministerin bereits am 15. November angekündigt hat.
https://augengeradeaus.net/2020/11/bundeswehr-stockt-corona-kontingent-auf-mehr-hilfe-und-eigene-impfzentren/
T.W.]
Hm, sagte ich doch auch: 26 Zentren?!
Streiche „Impfzentren“, Setze : „ Impfzentren der Bw wie folgt betreiben“
Es ging doch nur um die „Leistungsdaten“…
[Pardon, war missverständlich, „die Impfzentren“ klang nach allen… T.W.]
@CME sagt:04.12.2020 um 16:06 Uhr
„….weil das abgestellte Personal nicht jeden Morgen neu durch die Bundeswehr bestimmt werden sollte, sondern die Soldaten langfristig abgestellt werden müssten.“
Ich weiß ja nicht, wo Sie Ihre Infos herbekommen, aber die Soldaten melden sich in ihren Einheiten freiwillig und werden für die angeforderte Dauer der Hilfeleistung (im Moment max. 6 Wochen, dann Verlängerungsantrag seitens des Landkreises notwendig) abgestellt. Im Idealfall sind das durchgängig die selben Kameraden, aber keinesfalls werden „jeden Morgen“ neue Kameraden bestimmt. Das ist einfach eine Falschbehauptung.
Ambitionierte Zahlen: 18.000 Impfungen täglich in 26 Zentren sind 692 Impfungen pro Zentrum.
Angenommene Öffnungszeit 7:00 – 22:00, also 15 Stunden, sind 46 Impfungen pro Stunde,
eine Impfung in 78 Sekunden. Es ist nicht nur die Injektion, peng, reingeknallt, fertig. Zur Impfung gehört Bürokratie: Empfang, Identitätsfeststellung, Frage des Arztes nach akuten Erkrankungen, Arzneimitteleinnahmen usw.., Zeit zum Ausziehen/Ärmelhochkrempeln, Eintrag in Impfausweis, Hinweis auf Nachbeobachtungszeit (oder lässt man etwas weg?).
Das dauert. Es wird ja kein Fliessband zur Abfertigung werden. Realistisch sind mindestens 6 bis 8 Minuten pro Impfling, Gesamtzeit. ZDF schreibt: Maximal 15 Minuten pro Impfung. Daher wird es mehrere Impfplätze in einem Zentrum geben. Vielleicht 5 Impfplätze mit jeweils zehn Impflingen pro Stunde, pro Impfplatz 2 Soldaten, je 1 für schreiben und für impfen, 2 Schichten. Da sind 20 Soldaten das benötigte Minimum, noch keine Pausenzeit eingerechnet, und nichts darf schiefgehen. Oder gibt es zusätzlich externes Peronal, zusätzliche Vertragsärzte?
Wenn es top läuft: 0,5 Mio Impfungen im Monat durch die Bundeswehr, 20.000 pro Zentrum monatlich.
Z.B. in NRW insgesamt geplant: mindestens 53 Zentren für 18 Mio Einwohner, also 340.000 Einwohner pro Zentrum.
Es dauert über ein Jahr, bis alle dran kommen können. Oder zwei Jahre, bei einer Wiederholungsimpfung wie angekündigt. Und dann? Jährliche Neuimpfung wie bei der Grippe?
@T.W.
„In der zweiten Welle der Pandemie gab es nach Angaben des Einsatzführungskommandos inzwischen fast 30 bestätigte Infektionen in den Auslandseinsätzen…“
Ich hatte ja schon einmal vor längerer Zeit die offensichtlich unbotmäßige Frage gestellt was mit dem Begriff „Infektionen“ gemeint ist. Sind das wirklich kranke Soldaten oder nur „PCR-Test-positve“ Soldaten.
Wenn die Soldaten nicht krank sind, wo ist das Problem? Aber selbst wenn es so wäre, man hat ja früher auch nicht die Dienststellen geschlossen bloß weil ein Soldat an Grippe erkrankt war. Was für eine Armee kann überhaupt irgendeine Bedeutung haben wenn nur wegen einer positiven Testung auf eine grippeähnliche Erkrankung der Soldat sofort ausgeflogen wird obwohl er nicht krank ist?
Ich verstehe das nicht.
[Erster und zugleich letzter Hinweis: Die Debatte „Corona ist auch nicht schlimmer als die Grippe“ führen wir hier nicht. T.W.]
Solange die Bundeswehr in dieser Zeit anderen Verpflichtungen (ob diese immer sinnvoll sind ist eine andere Frage) nach kommen kann sind genügend Kräfte für Helfende Hände in Deutschland vorhanden.
Deutliche Auswirkungen im Einsatz bei EUTM Mali, deutscherseits derzeit nicht durchführbar.
@Bw_Einsatz
Bei #EUTM in Mali wurde in Koulikoro ein weiterer Soldat der #BundeswehrimEinsatz positiv auf #COVID19 getestet. Insgesamt befinden sich außerdem knapp 1/3 der deutschen Soldaten in Isolation. Deshalb ist der Auftrag vorläufig nicht ausführbar.
@Pio-Fritz:
Womöglich ist die Organisation in der Bundeswehr unterschiedlich? In meinem Fall wechselten sich kurzfristig mehrere HLAs ab, die aber mit Personal aus unterschiedlicher Dienststellen anteilig bestückt waren um den Veränderungen/Gegebenheiten gerecht zu werden. Und die Dienststellen hatten auch alle unterschiedliche Auffassungen wie das Personal durchgängig abgestellt werden sollte. (Freiwilligkeit war da tendenziell nur ein nachrangiges Sortierungsmerkmal)
Und wenn das Personal vor Ort teilweise durch Quarantäneverordnungen aus dem Rennen genommen wird, woher kommt dann der schnelle Ersatz mit fertig eingewiesenem Personal? Dies würde ja eine Vorabeinweisung benötigen.
Mir eine Falschbehauptung zu unterstellen ist hingegen etwas dreist, finden Sie nicht auch?
@Thomas Melber Das war auch nicht als Kritikpunkt gegenüber der Bundeswehr gemeint.
@CME sagt: 07.12.2020 um 6:57 Uhr
„Mir eine Falschbehauptung zu unterstellen ist hingegen etwas dreist, finden Sie nicht auch?“
Nein, überhaupt nicht. Dann müssen Sie das auch so schreiben, wie Sie es jetzt getan haben. Die Weisungslage KdoTA ist sehr deutlich, wenn da Personal öfter durchwechselt, dann hat die abstellende Einheit das nicht vernünftig geplant. Denn der Einsatzzeitraum ist jeweils klar definiert, Anträge àla „bis auf Weiteres“ gibt es nicht. Es sind dann entsprechend rechtzeitig Folgeanträge zu stellen. Wobei man da auf den Zeitraum des Personalwechsels schauen muss. Täglich ist ganz schlecht, zweiwöchentlich finde ich akzeptabel, länger wäre schön. Der Job bedingt ja keine wochenlange Einarbeitung, da reden wir eher über Stunden.
Wenn der eingesetzte Kamerad selber in Quarantäne muss, das ist dann Pech. Aber das ist bei den zivilen Mitarbeitern auch nicht anders.
Man sollte da die Kirche im Dorf lassen, schließlich ist die Bundeswehr nicht die Hilfsorganisation Nr. 1 in Deutschland. Und auch nicht die einzige Dienststelle, die Amtshilfe leistet und leisten kann.
Das Problem liegt doch eher bei den Gesundheitsämtern und den für diese zuständigen Kommunen. Deren Lernkurve nach mittlerweile 10 Monaten Corona ist doch sehr flach.
@pk-we
„Das dauert. Es wird ja kein Fliessband zur Abfertigung werden.“
Warum nicht?
Funktioniert beim Blutspenden doch wunderbar. Auch diesen Sommer bei schärferen Anforderungen an die Hygiene. Man kann die Abstandsregel weiter hochschrauben indem man nicht alle über die selbe Anmeldung, Beobachtung schleust. Da ist dann eigentlich nur die Frage wie viel nichtmedizinisches Personal man zusätzlich drauf wirft.
Ich vermute mal die BW ist preiswert zu haben für die Ämter.
Eigentlich könnte so eine Kontaktverfolgung ein Callcenter besser machen. Die machen auch sonst oft nichts anderes als den lieben langen Tag Leute anzurufen und nach Gott und die Welt zu fragen.
Also Umfragen, Verträge aufschwatzen usw.