Intervention vom BMZ-Staatssekretär: „Deutschland sollte interventionsfähig sein“
Die Forderung, Deutschland müsse sich in seinem Umfeld bis hin nach Afrika auch militärisch mehr engagieren und auch zu Interventionen bereit sein, ist in der politischen Debatte hier nicht unbedingt ungewöhnlich. Jetzt kommt sie allerdings von einer Seite, von der es bislang so nicht zu erwarten war: Unter der Überschrift Deutschland sollte interventionsfähig sein hat sich der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), Martin Jäger, in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung recht eindeutig zu Wort gemeldet.
In seinem Gastbeitrag (Update: jetzt auf der FAZ-Seite online, Link aus bekannten Gründen nicht) begründet Jäger die Forderung, Deutschland und Europa sollten aus eigener Kraft interventionsfähig werden, mit dem zunehmenden Rückzug der USA aus internationalen militärischen Einsätzen zur Krisenbewältigung und Stabilisierung. Den Europäern falle jetzt die Aufgabe zu, an ihrer Südostflanke und im Mittelmeer Ordnung zu organisieren: Resignativer Pazifismus hat darauf keine Antwort. Auch mit der Anrufung von wirtschaftlicher Stärke und soft power ist es nicht getan. Die Bundesrepublik muss ihr Verhältnis zur Intervention überdenken.
Deshalb wäre es ein Fehler, die Bundeswehr von der Einsatzstreitkraft zur Heimatschutzarmee zurückzubauen, warnte der Staatssekretär. Deutschland müsse zu militärischen Interventionen im Zusammengehen mit den anderen Europäern, vor allem mit Frankreich, bereit sein: Wer in Berlin zögert, sollte bedenken: Auch der Verzicht auf eine Intervention hat Konsequenzen. Das lehrt in tragischer Weise das Beispiel Syrien.
Konkret nannte Jäger als mögliche Aktivität eine Beteiligung an der von Frankreich geführten (und von Deutschland zwar politisch, aber nicht militärisch unterstützten) Spezialkräfte-Aktion zur Terrorbekämpfung Takuba im Sahel oder die – von der Bundesregierung nur eingeschränkt vorgesehene – Begleitung von Bundeswehr-Ausbildern in Gefechte der Auszubildenden. Völkerrecht und Grundgesetz lassen mehr Raum, als wir nutzen, argumentierte der BMZ-Staatssekretär.
Es fehlt uns nicht an militärischen Fähigkeiten, politischer Wille zählt, schrieb Jäger. Das dürfte vor allem für einen seiner Vorschläge gelten, der weniger mit den zuvor angesprochenen Interventionen zu tun hat, sondern schon auf eine andere Dimension hindeutet: Deutschland liefert Partnern wie der Ukraine Milan-Lenkwaffen zur Selbstverteidigung.
Nun scheint es etwas ungewöhnlich, dass eine solche Wortmeldung nicht aus den Reihen der Politik oder, von Seiten der Bundesregierung, aus dem Auswärtigen Amt oder dem Verteidigungsministerium kommt. Aber eine Erklärung dafür liefert vielleicht ein Blick in Jägers Biographie: Der Berufsdiplomat war in seiner Laufbahn unter anderem Pressesprecher des damaligen Außenministers (und heutigen Bundespräsidenten) Frank-Walter Steinmeier. Und deutscher Botschafter in Afghanistan.
(Archivbild: Jäger mit der Vorstandssprecherin der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, Tanja Gönner, im Juli 2019 bei der GIZ-Bilanzpressekonferenz in Berlin – Thomas Imo/photothek.net)
Jäger sieht neben dem Landesverteidiger die Rolle des Bewaffneten Entwicklungshelfer im Einklang mit dem Konzept des Verbundenen Ansatzes.
Gerade in Afghanistan wird er erlebt haben, wie die Dualität ‚Sicherheit und gesellschaftliche Entwicklung‘ Hand in Hand gehen. Oder eben nicht, was zum Scheitern verurteilte..
Wie oft untergraben schwache und gefährdete Institutionen die zuvor oftmals erfolgreichen militärischen Erfolge zur Etablierung von Governance(Afghanistan)?
Wie oft untergräbt nicht ausreichende militärische Intervention und ein nicht schaffen vollendeter sucherheitspolitischer Tatsachen die gut gedachten und gut gemachten Anstrengungen der Entwicklungshilfe/des Nationbuilding?(Libyen, Nordost-Syrien, Mali)
Heimatschutz (LV/BV) ist die Pflicht, Interventionsfähigkeit ist die Kür.
Hier liegt generell der Irrglaube vor, man könne ohne den Willen und das Können der Mehrheit der Einheimischen Systemwechsel durchführen bzw. dauerhaft steuernd eingreifen.
Marionettenregierung nannte man das mal.
Man kann Kulturkreise nicht durch Interventionen ändern.
„Auch der Verzicht auf eine Intervention hat Konsequenzen. Das lehrt in tragischer Weise das Beispiel Syrien.“
Da sollte man bei dem Herrn Staatssekretär doch einmal nachfragen wie er das denn gemeint hat. Syrien ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass ein ehemals gut funktionierendes Staatswesen durch militärische Intervention von außen ins Chaos geführt wurde. Dass das Ergebnis dieser Intervention für die syrischen Staatsbürger kein Gewinn war halte ich für unstrittig.
Dann schickt den Jäger mal los mit Flinte.Da gibt es viele Paradiese.Syrien,Mali,Afghanistan,Irak,Jemen….u.s.w.Überall wo die deutschen mitmischen verhungern Menschen ,herrscht Not.Da kann er zeigen was er drauf hat.Und Windeln nicht vergessen.Mancher Schuss geht in die Hose.Die deutschen haben dort nichts verloren.Die ungewählten sollten sich um ihr Land kümmern.Sonst gibt es bald Ärger.Corona wirds richten.Sollen die kriegsgeilen zu Donald auswandern.Der Bericht ist einfach nur billig und lustlos zusammengeschmiert!
[Ich nehme an, Sie haben den Nick „Pazifist“ gewählt, um die Pazifisten zu beleidigen. Rumgepöbel dieser Art lassen Sie woanders ab. T.W.]
Wozu sollen wir interventionsfähig sein?
Die Bürger und die Öffentlichkeit wollen es nicht (entsprechend allen mir bekannten Umfragen).
Die veröffentlichte Meinung will es nicht (Ausnahmen mag es geben, aber das sind keine Minderheiten sondern Mikroheiten.).
Die Politik will es nicht (Parlamente, Parteien, Abgeordnete, was auch immer).
Also wozu sollen wir interventionsfähig werden? Nur weil ein einzelner Beamter etwas öffentliche Aufmerksamkeit benötigt?
Allein es fehlt der Wille. Für viele ist Deu ebend doch sowas wie eine grosse Schweiz.
Ausgerechnet von einem ehemaligen Diplomaten und heutigen Staatssekretär im BMZ kommen verteidigungspolitische Impulse, einschließlich einfacher, aber oft negierter, Tatsachen zu angeblichen rechtlichen Grenzen von Einsätzen Takuba ist dabei das beste Beispiel:
Deutschland darf und kann sich daran beteiligen. Die Koalition will jedoch keine Teilnahme, da ist es halt bequemer zu behaupten man dürfe daran nicht teilnehmen. Eine echte Diskussion hierüber gab es weder politisch noch medial.
Insgesamt zeigt der Beitrag:
Die viel zitierte vernetzte Sicherheit ist eben auch nach 20 Jahren noch eine Fiktion. Es fehlt hierfür weiterhin an den echten Grundlagen zum Verhältnis zwischen soft oower und hard power.
Wie groß dieses Tabu und das damit einhergehende Unverständnis ist zeigten die Diskussionen um bewaffnete Drohnen.
Notwendig wäre eine fundierte und sachliche Debatte in Wissenschaft, Politik und Medien über die notwendigen Elemente einer europäischen und deutschen Sicherheitspolitik – ohne die selbst auferlegten Denkverbote.
Ich bezweifle, dass es dazu in nächster Zeit kommt. Auch und gerade im Rahmen der Entwicklung eines „strategischen Kompasses der EU“ unter Federführung des BMVg.
Es wäre erfreulich, wenn Sts Jäger dort seine Vorstellungen zumindest teilweise einbringen könnte.
Naja, wenn es Herr Jäger jetzt auch schon sagt, müssen wir wohl.
Ich habe bewusst zwar zuvor noch nichts von ihm gehört, aber es gibt einen Wiki-Eintrag. Der sogar sehr aufschlussreich ist. Cheflobbyist bei Daimler-Benz. Mmh.
Vielleicht könnten wir in China anfangen, dort haben wir schon gute Erfahrungen gemacht.
Ich empfehle den Einsatz von „Boxern“!
@SB63:
Die Umfragen und die innenpolitische Stimmung ist das eine, die sicherheitspolitische Lage ist das andere.
Eine echte Auseinandersetzung mit Risiken, Gefahren und Bedrohungen gibt es nicht wirklich.
Man muss deswegen nicht jede Intervention mitmachen und nicht jede Intervention ist ein langanhaltender Stabilisierungseinsatz.
Notwendig wäre ein Grundkonsens, dass nicht alle Probleme mit Ignoranz, Diplomatie und Geld lösbar sind.
Auf dieser Fiktion beruht die politische Debatte und die Meinungsbildung.
„Thomas Melber sagt:
06.09.2020 um 13:49 Uhr
Heimatschutz (LV/BV) ist die Pflicht, Interventionsfähigkeit ist die Kür.“
Es hapert schon deutlich bei der Pflicht. Eine Armee die einen großen Teil ihrer Mobilität einem Mietwagenunternehmen, nichts anderes ist der BW Fuhrpark, überlässt und sich dann von Hackern überrumpeln läßt und keine wirklichen Alternativen findet, kann ausländische Geheimdienste nur wundern lassen. Oft genug werden dienstliche Fahrten mit dem Privat-PKW vorgenommen, weil Kurzzeitmiete nicht schnell genug reagieren kann oder zu teuer ist. Eine Armee dessen Befehlshaber nicht über eigene Soldaten verfügen, sondern diese von einer Zeitarbeitsfirma, Personalamt der BW, zur Verfügung gestellt bekommt, hat schon ein strukturelles Problem in den Krieg (LV/BV) zu ziehen. Inspekteure die keine Materialverantwortung haben, sondern dieses über die Achse BMVg, Planungsamt und BAAIN BW zur Verfügung gestellt bekommen sind somit komplett enteiert. Entschuldigen sie bitte die Ausdrucksweise aber es beschreibt drastisch aber treffend, meine ich. Wenn etwas schief geht dürfen sie aber dennoch gerne den Kopf hinhalten und ihre Bedarfe in Fähigkeitslücken formulieren. Ob und was sie dann bekommen darauf haben sie kaum noch Einfluss.
Sun Tzu schrieb in seinem Buch „Die Kunst des Krieges“ :
„Es gibt drei Arten, wie ein Herrscher seiner Armee Unglück bringen kann:“
Eine lautet:
„Wenn er versucht, eine Armee auf die gleiche Weise zu führen, wie er ein Königreich regiert, und die Bedingungen ignoriert, die in einer Armee vorherrschen. Dies mach die Soldaten unruhig.“
Sun Tzu schrieb das 500 v. Chr. da kannte er auch die Soldatenarbeitszeitverordnung nicht, die im Frieden schon dafür sorgt das „Train as you fight“ nur noch in der Kernarbeitszeit möglich ist.
Wenn man von Reprofessionalisierung träumt dann empfiehlt sich die genannte Lektüre deutlich. Für heutige „policial correct“ Leser und Staatssekretäre vielleicht nur schwer verdaulich denn es werden die Dinge beim Namen genannt. Ein Intervention ist Krieg und um dieses Wort eiern alle Kanzler und Minister immer wieder herum.
Als Berufsdiplomat sollte Herrn Jäger dies bekannt sein,
dem sich auch Deutschland uneingeschränkt verpflichtet hat:
„…den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen;…
…Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt….
…Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält….“
Nur weil einige Vertreter im Sicherheitsrat der UN dies gern mal vergessen,
oder durch Lügen die Nationen täuschen, muss Deutschland sich
nicht mit Interventionen dort einreihen.
Interventionsfähig ist die Bundeswehr, wenn auch begrenzt.
Rein militärisch betrachtet sind Mittel und Kräfte dafür vorhanden, der politische Wille gepaart mit der Gesellschaftlichen Unterstützung dürfte weitestgehend fehlen. Somit ist diese Forderung eine Einzelmeinung welche selbst innerhalb der eigenen Partei auf wenig Zustimmung treffen dürfte. In die Rolle des bewaffneten Entwicklungshelfer sind die letzen Jahrzehnte genügend Soldaten geschlüpft. Erfahrungswerte sind allein in Afghanistan ausreichend gesammelt worden, vor allem im BMZ und im AA.
Aus meiner Bewertung (Schlammzone) hatten wir hier durchaus auch gute und vorzeigbare Ergebnisse. Die Halbwertszeit ist natürlich gering, vor allem wenn Kräfte reduziert werden und daraus resultierend keine Sicherheit für Wiederaufbau und Entwicklung gewährleistet werden kann.
Afghanistan hat gezeigt das Einsätze dieser Art Jahrzehnte dauern. Vom lächeln und winken , Win the Hart’s and Minds bis hin zu intensiven Gefechten und eigenen gefallenen Soldaten ist alles möglich.
Diese hat Deutschland bitter erfahren müssen, und ich bin sicher das die gemachten Erfahrungen des Afghanistan Einsatzes großen Anteil haben an der Entscheidungsfindung zukünftiger Einsätze.
Die Forderung von Jäger ist etwas unglücklich ausgedrückt, die Fähigkeit zu intervenieren ist unabdingbar auch für LV/BV.
Die Frage wann und in welchem Maße muss zunächst auf der politischen Seite geklärt sein, um dann daraus abzuleiten welche Konfliktsituation eine eben solche Intervention Deutscher Streitkräfte rechtfertigt.
Ich kann mir nicht vorstellen das die aktuelle Regierung eine solche Maßnahmen im Konsens verabschieden würde.
Naja. Was geht es uns an wenn irgendwo ein Staat zusamenbricht? Und wir intervenieren müssten? Die Angst ist doch die, dass alle loslaufen. In Richtung Germany. Oder sehen Sie das anders?
@Thomas Melber Sie verschließen die Augen vor den weltpolitischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre genauso wie es Herr Jäger der politischen Führung in Deutschland attestiert. Unsere Interessen werden nicht mehr (nur) an Oder, Neiße, Weichsel gesichert. Auch wenn das deutsche Heer und ich vermute fast alle deutschen Generäle es gerne so hätten, denn das ist so schön einfach.
Unsere Freiheit, unsere Werte, unser sozialer Frieden wie auch unsere Wirtschaftskraft werden global verteidigt und ggf. „erfochten“. Das kann Belarus sein, ist aber mit Sicherheit auch der Sahel. Das hat die Bundesregierung auch erkannt (siehe Drucksache BT vom 25.03.20), nur an der Umsetzung hapert es noch. Selbst die politische gemäßigte Linke ist da schon weiter und fordert militärische Intervention (siehe Konzeptpapier Sahel, Uni Mainz, April 20).
Ich bin mal gespannt welche Antworten unser LV/BV gestähltes Militär parat hat, wenn der Taiwan Konflikt wie in der heutigen FAS skizziert wirklich zu Tage tritt. Eingraben?!
Ich halte mich für schüchtern, wenn es um den Einsatz des Militärs geht, aber: Erst einmal muß man den aktuellen Zustand der BW und dann die Einsatzfähigkeit im europäischen Raum (Verlegefähigkeit) verbessern, bevor man internationale Interventionen anstrebt (die meiner Meinung nach auch eher Ausnahme bleiben sollten).
Erst die Pflicht, dann die Kür.
@TW : Aus dem Text ……………. „an ihrer Südostflanke und im Mittelmehr Ordnung“ – Autsch
[Ups. Pardon für diesen Schreibfehler, ist korrigiert. T.W.]
@felix2
h/t @hemicker
„Bleiben die Europäer untätig, werden in ihrer Nachbarschaft bald jene Mächte kalt den Ton angeben, die Europas Werten und Lebensinteressen feindselig gesinnt sind. Deutschland sollte interventionsfähig sein …“
SP der Aussage, „die Europäer“, denn DEU erforderliche Interventionsfähigkeit muss selbstverständlich im Rahmen des europäischen Bündnisses kollektiver Sicherheit, der EU, gedacht und gehandhabt werden, u. U. via Befähigung der EUBG?
Ihre Empfehlungen kennt Hr Jäger natürlich bestens, allein er bleibt nicht in der Theorie verhaftet sondern setzt diese um, Resultat, Interventionsfähigkeit.
@SB63
Dass die Bevölkerung wenig begeistert ist, trifft unzweifelhaft zu, insofern war die Regierungsfürsorge-Erziehung über 40 (+) Jahre von Erfolg gekrönt.
Die im BT vertretenen Parteien stellen sich allerdings zunehmend der SiPo-Realität (Extremisten ausgenommen) infolge Ausfalls der USA und reüssieren Pekings. Keineswegs stellt sich ernsthaft die Frage, ob Bevölkerung das will. Hier sticht allein die Pflicht, dass der Staat in jeweiliger Regierung sich dem Wohl seiner Bürger verpflichtet sehen muss, was bedeutet, der Michel wird zu seinem Glück, Erhalt und Absicherung unserer Gesellschaftsform, gezwungen werden (müssen).
Eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion schließt sich dadurch nicht aus.
@MBO
„Unsere Freiheit, unsere Werte, … werden global verteidigt und ggf. „erfochten“. “
Könnten Sie dies näher ausführen? Mir fällt da spontan ein, daß am deutschen Wesen die Welt genesen soll. Nicht einmal die Amerikaner stellen „Werte“ an erste Stelle in der eigentlichen (internen) Begründung für eine Intervention sondern stellen dies nur ins Fenster.
LV/BV hat Verfassungsrang und ist in Vorbereitung und praktischer Durchführung deutlich anspruchsvoller als Peacekeeping in einem Entwicklungsland.
@Bundesbürger:
Herr Jäger ist in seinem Berufsleben nicht in der Blase eines Ressorts geblieben, sondern wechselte zwischen Bundesressorts (AA, BMF, BMZ, zudem BK), Länderebene (IM Ba-Wü) und eben in der Wirtschaft (https://www.bmz.de/de/ministerium/leitung/jaeger/index.html).
Es wäre aus meiner Sicht zu begrüßen, wenn es diesen Perspektivwechsel öfter gebe. Dass genau er sich nun so öffentlich positioniert hat, liegt vielleicht auch an dem unkonventionellen Karriereweg.
Solche Lebenläufe sind aus meiner Sicht eher ein Vorteil als ein Nachteil für den Berliner Politbetrieb. Herr Jäger blickt wohl anders auf die Welt als viele in Berlin – und er hat mehr von der Welt gesehen und mehr Einblicke in internationale Sichtweisen als viele andere dort.
@felix2:
Haben Sie sich eigentlich mit den konkreten Vorschlägen von Herrn Jäger (Teilnahme an Takuba, keine Einschränkungen bei EUTM, mehr Ertüchtigung) mal auseinandergesetzt (oder auch nur den gesamten Text gelesen)?
Dann würden Sie vielleicht merken, dass er den völkerrechtlichen Rahmen durchaus betrachtet (und auch den verfassungsrechtlichen, der ja auch gerne als Totschlagargument verwendet wird).
Es ist genau diese Art der häufig anzutreffenden Argumentation, der Herr Jäger eine fundierte Gegenmeinung entgegenstellt.
Gibt es Probleme mit der Sicherheit auf Germany in Taiwan? Deutschland liegt nicht nur geografisch viel näher an Russland, und leider, finanziert das gesamte Budget des Russland. „Es ist keine Mauer so hoch, daß sie nicht ein mit Gold beladener Esel übersteigen könnte.“ Und es könnte nie zutreffender sein als heute in Belarus. Vorgehen!
„Resignativer Pazifismus“
„von der Einsatzstreitkraft zur Heimatschutzarmee zurückzubauen“
„Wer in Berlin zögert, sollte bedenken: Auch der Verzicht auf eine Intervention hat Konsequenzen“
„Es fehlt uns nicht an militärischen Fähigkeiten, politischer Wille“
Vielleicht lebt Herr Jäger in einem anderen Deutschland als ich, aber seinen Punkten kann ich so überhaupt nicht zustimmen.
Deutschland ist zwar kein „hau drauf“ Land, aber ganz sicher nicht pazifistisch eingestellt.
Das zeigt sich schon an den vielen Auslandseinsätzen (Bundeswehr) und auch an der Außenpolitik (Zustimmung UN Einsätze, Rüstungsverträge für sehr viele Staaten, die nicht in der EU oder NATO sind).
Der zweite Punkt ist auch so nicht richtig. Es soll ja nicht die Einsatzarmee aufgegeben werden, sondern zusätzlich der Heimatschutz (Landesverteidigung) ausgebaut werden,
Auch einen Intervention hat Konsequenzen. Deshalb sollte ein Eingreifen oder ein Verzicht gut abgewogen werden. Die Langfristfolgen sind nicht zu unterschätzen. (bei Intervention gibt man automatisch die Vermittlerrolle auf und das für Jahrzehnte, usw.)
Gerade als ein ehemaliger Diplomat sollte ihm diese Entscheidungsfindung doch vertraut sein.
Beim letzten Satz kann ich nur schmunzeln.
Nein, es fehlt nicht politischer Wille. Der politische Wille wird fast immer durch die regierenden Mehrheiten gebildet. Manchmal natürlich gibt es auch medialen und gesellschaftlichen Druck.
In einer Demokratie gibt es aber immer alle paar Jahre Wahlen und bei uns auch sehr wichtige Landtagswahlen und deshalb schauen die Parteien ganz genau auf die Wähler oder auf ihre angestammten Wählergruppen.
Allein deshalb ist es völlig abwegig zu glauben, dass nur der politische Wille fehlt.
Es „fehlt“ der gesellschaftliche Wille, die Bevölkerung will es also genau so.
Vielleicht spricht hier auch mehr das CDU Mitglied Jäger und nicht der Staatssekretär und er vergisst, dass die Partei Die Linken und Die Grünen zusammen allein ungefähr 27 Prozentpunkte an Wählerstimmen erhalten (Umfragen von September).
Bei der SPD und der FDP kann man vielleicht die Hälfte nehmen und dem linkeren, pazifistischeren, diplomatischeren Lagern anrechnen. (+22 Prozentpunkte)
Und selbst in der CDU/CSU gibt es einige Prozentpunkte an Wählern, die gegen Interventionen sind und schon kommt man auf über 50 Prozent der Wähler, die eben NICHT diesen politischen Willen absegnen und befürworten.
P.S.
Die Prozentpunkte habe ich durch die „sonstigen Parteien“ ausgeglichen, denn es gibt ja leider immer noch die 5 % Hürde.
Die laufende Diskussion beschäftigt sich sehr mit den Themen Intervention ja/nein und politischer Wille ja/nein.
Das ist mir zu sehr schwarz-weiß gefärbt, und ich glaube, es verkennt den wichtigen und sehr richtigen Kern der Botschaft des Herrn Jäger. In meinen Augen stechen folgende Sätze besonders hevor:
„Eine militärische Intervention ist nie Selbstzweck. Wr müssen sie als Teil unserer außenpolitischen Handlungsoptionen begreifen lernen. Sie wird nur erfolgreich sein, wenn sie ein erreichbare Ziel hat.“
Der Kern ist doch: mit entsprechend aufgestellten Streitkräften habe ich als Staat ein Werkzeug in der Hand, aber nur eines unter vielen der Außenpolitik, und ganz sicher eines, dass nur sehr restriktiv und im Bereich der ultima ratio – dann aber auch tatsächlich, und vor allem richtig eingesetzt werden sollte.
Damit wirft er eine Kernfrage unserer Außen- und Sicherheitspolitik auf: welche Interessen verfolgen wir, welchen Zielzstand wollen wir erreichen, und was sind wir bereit, dafür zu tun?
Damit wir uns aber überhaupt in einer gesellschaftlichen und politischen Debatte die Köpfe darüber heißreden können, welche Ziele es wert sind, dass junge Frauen und Männer im Dienst unserer Streitkräfte dafür ihr Leben einsetzen, muss dieses Werkzeug ins unserer Sammlung überhaupt verfügbar sein.
Ich kann also Herrn Jäger nur zustimmen, Deutschland sollte – in Gemeinschaft mit seinen Verbündeten – interventionsfähig sein.
Und ich bitte darum, „interventionsfähig“ hier nicht als „interventionsfreudig“ misszuverstehen.
@ Thomas Melber
Gerne. Wenn wir den Sahel nicht in den Griff bekommen, haben wir die nächste Flüchtlingskrise. Mal sehen wie unsere Werte das überleben.
Intervention ist viel komplexer als LV/BV. Aber wenn man da wie LV/BV ran geht – so wie die FüAk es gelehrt hat – kommt halt nichts bei rum.
@KPK
Ich ziehe mal den für mich erschreckendsten Teil von ihnen als Zitat raus
„Keineswegs stellt sich ernsthaft die Frage, ob Bevölkerung das will. Hier sticht allein die Pflicht, dass der Staat in jeweiliger Regierung sich dem Wohl seiner Bürger verpflichtet sehen muss, was bedeutet, der Michel wird zu seinem Glück, Erhalt und Absicherung unserer Gesellschaftsform, gezwungen werden (müssen).
Eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion schließt sich dadurch nicht aus.“
Wow das ist für einen Demokraten wie mich starker Tobak, und eine mehr als nur populistische Forderung.
Also völlig egal was eine Partei als Programm anbietet, im Dienste des größeren Wohles sollen sie sobald an der Macht den „Michel“ zu seinem Glück zwingen. Wer definiert denn das Wohl? Wieso lassen wir in ihrem Modell überhaupt noch wählen? Demokratie ist nur toll wenn MEIN Wille gewinnt oder wie ist das zu verstehen? Aber nett von ihnen das sie mit dem „Michel“ wenigstens diskutieren wollen, auch wenn er am besten die Klappe zu halten hat.
Wissen sie eigentlich was für abartiges Grauen im Namen des höheren Wohles angerichtet wurde?
Wir sind „interventionsfähig“. Mancher Leser wird vielleicht auf Probleme mit der Einsatzbereitschaft verweisen, aber all dies wäre zu handeln, wenn es wirklich gewollt wäre. Deutschland ist nicht interventionswillig.
Intervention als Deutschland ist mit Sicherheit politisch schwer durchzusetzen.
Als EU sieht das völlig anders aus.
Ich halte es für notwendig, dass die EU eine gemeinsame Außenpolitik und somit auch eine gemeinsame Verteidigung hat.
Das bringt uns politisch in die Lage, am selben Tisch zu verhandeln, wie die USA und China und nicht am Katzentisch…
Das beinhaltet natürlich auch militärische Interventionen, aber dafür müsste sich unsere Ausrüstung im Großen sehr ändern. Denn Kräfte müssen nicht nur vor Ort einsetzbar sein, sondern dort auch erstmal hinkommen – ohne fremde Hilfe!
Wir brauchen als Europa einen starken Ausbau der Logistik im Bereich Lufttransport, aber auch bei Landungsschiffen oder Trägern für Flugzeuge und/oder Helikopter zur Unterstützung.
Ohne dieses Equipment wird das nichts.
Und das hat China auch erkannt und baut dort kräftig aus.
Der Vorschlag des Staatssekretärs Martin Jäger, Deutschland solle sich militärisch z.B. an Frankreichs unilateraler „Takuba“ Antiterrormission in der Sahel-Zone beteiligen, ist verfassungswidrig. Die Aussage „Völkerrecht und Grundgesetz lassen mehr Raum, als wir nutzen“ ist schlichtweg falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in mehreren Entscheidungen zu „out-of-area“-Einsätzen unmissverständlich geäußert, was verfassungsrechtlich möglich ist und was nicht.. Eine Übersicht bzw. Analyse von mir findet man hier:
https://konflikteundsicherheit.wordpress.com/2020/03/31/out-of-area-einsaetze-der-bundeswehr-im-spannungsfeld-zwischen-deutscher-politik-und-dem-grundgesetz/
Militärische Einsätze außerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit (UN, NATO, OSZE, EU) sind laut Grundgesetz nicht möglich. „Takuba“ ist eine einseitig von Frankreich initiierte militärische Intervention, von daher verbietet sich jegliche deutsche militärische Beteiligung. Wer das ändern möchte, sollte das Grundgesetz insoweit reformieren..
Herr Jäger darf gerne alleine Syrien,Weißrussland oder Ukraine interventionieren. Ich kann es mir nicht vorstellen,welche Interessen die deutsche Soldaten dort vertreten sollten.
Es ist schon schlimm genug,dass die Männer sinnlos in Litauen rumhängen,anstatt zuhause zu arbeiten.
@Robert Näbig:
Danke, dass sie hier nochmal ihre Sichtweise darstellen.
Die Argumentation hat leider nur eine wesentliche Lücke:
Dann waren mehrere Einsätze die ausserhalb von Systemen kollektiver Sicherheit (OEF, OIR, zeitweise ATALANTA) ebenfalls verfassungswidrig, oder?
Verfassungsrecht ist eben kein starres Recht. Die Interpretation des Art. 24 GG wurde von der selben Bundesregierung sehr unterschiedlich, eigentlich widersprüchlich, ausgelegt.
Wie man es gerade politisch für opportun hielt.
Kampf gegen den Terror in einer Koalition der Willigen in Syrien ist verfassungskomform der Kampf gegen den Terror in einer Koalition der Willigen in der Sahelzone ist aber verfassungswidrig?
Die verfassungsrechtliche Debatte ist das eine, die verfassungsrechtliche Praxis passt dazu aber nicht immer.
Daher kann man durchaus die Bewertung von Herrn Jäger nachvollziehen.
@Roger Näbig sagt: 07.09.2020 um 9:05 Uhr
Ich bin der Auffassung, die Wortwahl von Herrn Jäger wird von Ihnen missverstanden und ist auch nicht ganz glücklich. Schließlich ist eine militärische Intervention ein direktes Eingreifen in die Belange eines Staates. Allerdings gibt es im Zusammenhang mit der Wahrung von Menschenrechten auch Interventionen, die durchaus in den vom BVerfG gesteckten Rahmen passen. Vgl. hier:
https://www.bpb.de/internationales/weltweit/menschenrechte/232218/militaerische-intervention#:~:text=Insgesamt%20gibt%20es%20drei%20verschiedene%20Szenarien%20milit%C3%A4rischer%20Intervention.,Sicherheitsrat%20autorisiert%20werden%20%E2%80%93%20unter%20der%20Voraussetzung%20
@-AAA- sagt: 07.09.2020 um 10:23 Uhr
Nun ja, nach Ihrer Fasson kümmert sich jeder um seinen Kram. Das entspräche ja auch weitestgehend den Positionen der Rechts- und Linksaußenfraktionen im Bundestag, die keine Auslandseinsätze in irgendeiner Form befürworten. Der Meinung kann man ja durchaus sein.
Aber auch Sie vergessen dabei, gleichzeitig eine Abschaffung des Asylrechts und eine Beschränkung unseres Sozialsystems dahingehend zu fordern, das nur noch deutsche Staatsbürger Leistungen beziehen können. Um die Attraktivität für Flüchtlinge aller Art massiv zu senken, wenn es mal wieder vor unserer Haustür kracht.
Denn der Rest der Welt handelt eben nicht nach diesem Scheuklappenprinzip, das Sie vorschlagen.
@Roger Näbig:
Da müsste ich auch schlucken, denn sicher kann der Dienstherr das Mandat breiter im Sinne HVR und GG gestalten. Aber da sind auch ihm Schranken angewiesen. Benannte Mission musste im Rahmen EU unter klarer BV geschlüsselt sein und so vermittelbar sein.
Vorsorglicher Hinweis: Das wird hier keine Debatte über Asylrecht und angrenzende Sachgebiete. Danke.
Zuerst bräuchte man eine Außenpolitik, die eigene Interessen klar definiert und vertritt, anstatt sich unter hochmoralischen Überschriften in nicht enden wollenden Einsätzen zu verzetteln. Die Diskrepanz zwischen den eigenen militärischen Fähigkeiten und den politisch-moralischen Allmachtsphantasien ist grotesk.
Die Vita von Herrn Jäger anzusprechen und dabei dann aber seine Tätigkeit als Cheflobbyist eines Rüstungskonzerns dabei nicht zu erwähnen empfinde ich qualitativ deutlich schlechter als ich das in diesem Blog ansonsten gewohnt bin.
[Ich weiß nicht, ob Sie das Konzept dieser Links im Internet kennen – da kommt man oben sehr schnell auf die Wikipedia-Seite, wo das erwähnt ist. Ich habe auch andere berufliche Stationen nicht angeführt. T.W.]
@reiner
Ewige Litanei zu „nicht definierte DEU Außenpolitik“
Jede Regierungserklärung lässt sich dazu aus, jedes Weißbuch in der Folge und sogar bei PESCO kann deutsche Absicht nachgelesen werden.
Wenn’s nicht genehm ist, dann eben weiter das o.g. Klagelied, ist ja so billig zu haben.
@AoR:
„…unter klarer BV geschlüsselt sein und so vermittelbar sein.“
Könnten sie das bitte etwas genauer erläutern?
Ich verstehe leider den Zusammenhang nicht.
Der Casus Knackus dürfte meiner Meinung nach eher sein, daß ein politisch und gesellschaftlich relevanter Bevölkerungsanteil der Ansicht ist, daß Deutschland aufgrund historischer Erfahrungen militärische Mittel eben NICHT zur Durchsetzung politischer Interessen (bzw floskelhaft als „Baustein im Baukasten der Außenpolitik“ beschönigt) SOLLTE bzw DARF. Und das ist nun ein wahrhaft dickes Brett zum Bohren mit ganzen Legionen an potentiellen Fettnäpfchen zum Ruinieren politischer Karrieren. Glaubt denn einer hier ernsthaft so eine Debatte würde überhaupt gewagt? Ich nicht.
@Memoria: Eine Teilnahme an der Operation der Franzosen, welche unilateral beschlossen wurde, wäre m. E möglich, wenn diese (die selbe Operation) im Rahmen der EU unter dem Stichwort Europäischer Beistand beschlossen worden wäre. Also Bundnissverteidigung nach Terroranschlägen bekannter Akteure auf Frankreich.
Hier nochmal zur Erinnerung die Argumentation des verfassungsrechtlich neu interpretieren Rahmens zum Irak-Einsatz:
https://augengeradeaus.net/2015/01/geplante-irak-mission-der-bundeswehr-verfassungsrechtlich-doch-nicht-so-einfach/
Takuba als Teil von Barkhane hat eine vergleichbare indirekte völkerrechtliche Legitimation.
EUTM eine ganz klare Legitimation.
Trotzdem vermeidet die Bundesregierung in beiden Fällen die Beteiligung an einem Kampfeinsatz.
Dagegen sprechen nicht rechtliche Probleme, sondern der fehlende politische Wille.
Aber die Nebelkerze mit dem Grundgesetz funktioniert medial und politisch immernoch sehr gut.
Sehr bequem für die Bundesregierung.
@Roger Näbig
Ihre Aussage irrt in einem Punkt: Schon ein formales Abkommen zwischen Deutschland und einem x-beliebigem Staat, z.B. Frankreich oder Mali, erfüllt alle selbst von ihnen genannten Anforderungen.
Ganz unabhängig ob sie wirklich von Gesetzes wegen notwendig wären was nämlich nicht der Fall ist.
Algerien: Bitte helft bei Takuba.
Deutschland: Ok, dann brauchen wir noch die Unterschrift von eurem und unserem Häuptling.
Und schon gehts los.
@Memoria:
Beim Irak Einsatz gilt, wo kein Kläger da kein Richter. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sieht den Einsatz auf wackeligen Beinen. Endgültige höchstrichterliche Klärung wird durch politische Feigheit der Opposition begründet. Die Mission ist populär…
Bei EUTM gilt, die EU ist ein System Kollektiver Sicherheit als Organisation gemäß GG. Daher rechtssicher.
Barkhane und Takuba sind Rechtsgrundlage französischer Soldaten im Einsatz aber niemals im Rahmen des GG, außer die Regierung interpretiert das ähnlich wie im Irak. Das wäre aber sehr mutig.
Gut, man könnte dann wenigstens mit höchstrichterlicher Entscheidung rechnen, das gäbe Rechtssicherheit für Zukünftiges… Wäre auch im Sinne Herrn Jägers, wie ich annehme?
@AoR:
Das kann man so, zur Wahrheit gehört aber auch das Deutschland fortlaufend mehr Nähe zu Kampfeinsätzen bei EUTM verhindert hat. Takuba wurde unter Barkhane aufgebaut, weil insbesondere Deutschland Der LKW I bei EUTM blockiert.
Auch das zeigt sich im Artikel von Herrn Jäger.
Daher bleibe ich in der Gesamtschau bei meiner These: Man könnte, wenn man wöllte.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden betont, wenn es gerade innenpolitisch opportun ist. In anderen Fällen (Irak, Syrien) wird eine rechtliche Begründung gesucht und gefunden, die auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages nicht wirklich nachvollziehen kann.
Entweder es gibt eine stringente und konsequent durchgehaltene rechtliche Grenze oder eine vorallem politisch geprägte Meinungsbildung, die situativ jeweils ein passende rechtliche Konstruktion als Argumentationshilfe erhält. Zweiteres ist die politische Realität.
Genau dies meint Herr Jäger n.m.E. bei der weiteren Auslegung des Grundgesetzes.
@Memoria: Da stimme ich ihnen absolut zu, und auch Herrn Jäger. Der parlamentarische Dienstherr ist nunmal politischer Betrieb. Gut so!
Dennoch wäre es speziell im Interesse der Soldaten und generell der aktuellen und bedeutenden sicherheits- und aussenpolitischen Debatte geschuldet, eben hier für Rechtssicherheit zu sorgen. Also ganz professionell und unparteiisch das Verfassungsgericht anfragen, wie das dort höchstrichterlich gesehen wird. Quasi Klage des Bundeswehrverbandes im Sinne der Rechtssicherheit oder Ähnliches …
Wenn es schnell gehen muss, dann hat jede zukünftige Regierung eine Grundlage für Ja oder Nein. Auch ein Nein wird international aktzeptiert, obwohl man könnte, und ein Ja wird international gerne gesehen, und man weis die Deutschen, die dürfen sogar/dürfen nicht und helfen anders!
@AoR:
Interessanterweise argumentieren Sie jetzt nicht mehr rechtlich, sondern politisch („populär“, „mutig“). Das stützt ja dann meine These, dass es im Kern kein rechtliches Problem ist.
Die Absolutheit der Argumentation bei gleichzeitiger Relativierung ist dann aber auch logisch kaum nachvollziehbar („Barkhane und Takuba sind Rechtsgrundlage französischer Soldaten im Einsatz aber niemals im Rahmen des GG, außer die Regierung interpretiert das ähnlich wie im Irak. Das wäre aber sehr mutig.“). Entweder ist „niemals“ richtig oder „ähnlich wie im Irak“ (oder auch in Syrien) richtig.
Eine höchstrichterliche Entscheidung wäre nur im Normenkontrollverfahren möglich. Dazu fehlen tatsächlich die notwendigen Mindestzahlen an Abgeordneten.
@Wait&C:
„Algerien: Bitte helft bei Takuba.
Deutschland: Ok, dann brauchen wir noch die Unterschrift von eurem und unserem Häuptling.
Und schon gehts los.“
Dann aber nur auf algerischem Hoheitsgebiet.
System kollektiver Sicherheit sagt schon im Namen, dass es ein System sein muss.
Eben UN, NATO, EU oder ein anderes Verteidigungsbündnis. Nicht nur ein Hilfeersuchen.
Ob da der Vertrag von Aachen schon für ausreicht (Frankreich – Deutschland), weiß ich nicht – könnte aber vielleicht Rechtsgrundlage für Deutschland sein.
Hier also: Frankreich darf rechtlich kämpfen durch deren Verfassung und Deutschland stützt sich als Rechtsgrundlage auf den Vertrag von Aachen (System kollektiver Sicherheit).
Glaube aber nicht, dass das ausreicht.
Man müsste also mit Algerien, um außerhalb Algeriens zu operieren, auch ein System kollektiver Sicherheit mit Algerien eingehen. Nur einfach ein Hilfeersuchen reicht da nicht.
Wenn aber alle Nationen auf denen die Terroristen sich ausgebreitet haben ein Hilfeersuchen erstellen, dann kann man natürlich im Rahmen der Hilfeersuchen auch die algerische Grenze überschreiten und im Nachbarland (auch Hilfeersuchen) weiterkämpfen und das sogar legitimiert.
So verstehe ich zumindest die Auslegung.
@csThor:
Ein empathisches „Jein“. Natürlich gehört auch der Einsatz militärischer Mittel grundsätzlich zu den Instrumenten, mit denen ein Land seine nationalen und internationalen Interessen wahrnimmt. Wenn jemand beispielsweise mit militärischen Mitteln gegen deutsche Handelsschiffe vorginge, wäre es über kurz oder lang mit Protestnoten allein nicht getan. Es steht in einem Staat wie dem unseren allerdings gut an, dieses Mittel als äußerste ultima ratio zu betrachten und nicht als gleichrangig zu anderen Instrumenten
Das eigentliche Problem ist m.E. allerdings, dass in grandioser Umkehrung des Clausewitz’schen Diktums von durchaus interessierter Seite immer gleich so getan wird, als sei nicht der Krieg eine Fortführung der Politik mit anderen Mitteln, sondern vielmehr die Politik die Vorbereitung des Krieges mit anderen Mitteln. Da manche Länder sich sowohl historisch wie auch gegenwärtig teilweise durchaus so verhalten, ist diese Sichtweise leider nicht immer unzutreffend und hyperbolisch, wobei man speziell der deutschen Außenpolitik in dieser Hinsicht aber jedenfalls in der jüngeren Geschichte nicht allzuviele Vorwürfe machen kann.
Die abstrakte Interventionsfähigkeit vom konkreten Interventionswillen zu trennen, ist notwendig. Noch dazu, dass ein Staat, der zur Intervention fähig wäre, oftmals allein durch diese Tatsache in der komfortablen Position ist, tatsächlich gar nicht mehr groß intervenieren zu müssen, weil den gegenläufigen Akteuren der Einsatz letztlich schlicht zu hoch erscheint.
@Memoria: Ich kann erst rechtlich argumentieren, wenn höchst richterliche hinterlegt ist, ob der Einsatz im Nordirak durch Art. 87 gedeckt ist. Die Auslegung ist m. E mutig. Im Interesse europäischer SiPo im generellen und im Interesse der Soldaten im speziellen wäre Klärung.
Politisch bin ich für unser Engagement im Norden des Irak, rechtlich kann ich es als nicht Jurist nicht bewerten und vertraue dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Und der sagt ja auch, klärt das final zu Gericht.
Kern der Debatte ist für mich weiterhin die jeweils wechselnde Auslegung des GG durch die Bundesregierung.
Mal werden die jeweiligen Artikel weit ausgelegt (Irak, Syrien), danach wieder weit. Wie es gerade passt.
Medial und politisch wird dieser Zickzack-Kurs mit dem Grundgesetz (!) gar nicht kritisch hinterfragt, sondern zumeist wird nur unreflektiert die jeweilige Behauptung übernommen (bei Takuba: „GG erlaubt nur Einsatz im engen Rahmen eines Systems der gegenseitigen kollektiven Sicherheit“).
Etwas mehr Erinnerungsvermögen bei der Verfassungspraxis durch die selbe Bundesregierung wäre dabei mehr als wünschenswert und zeigt vom Niveau der Debatten.
Hier eine gute Zusammenfassung der Diskussion – seit bald 5 Jahren rechtlich unverändert:
http://www.bundestag.de/resource/blob/416598/44c9aea5e7db605f1d9984afb68371f8/WD-2-025-16-pdf-data.pdf
Die Bundesregierung und viele in der Opposition mögen aber genau die rechtlichen Grauzonen als praktische Ausrede für das situative Nichtwollen.
Die Diskussion hier zeigt ja auch, dass diese Argumentation trotz aller Widersprüche weiterhin verfängt.
@Metallkopf
„…Noch dazu, dass ein Staat, der zur Intervention fähig wäre, oftmals allein durch diese Tatsache in der komfortablen Position ist, tatsächlich gar nicht mehr groß intervenieren zu müssen, weil den gegenläufigen Akteuren der Einsatz letztlich schlicht zu hoch erscheint…“
– Das ist eine stramme Behauptung. Haben Sie dafür Belege?
– Meine Wahrnehmung ist, dass die interventionfähigen USA in den letzten Jahrzehnten nicht zögerlich waren beim Intervenieren.
– Richtig ist allerdings auch, dass bereits die Drohung einer militärischen Intervention durch eine erheblich stärkere militärische Macht die schwächere Macht bereits zum Einlenken bringen kann. Das nennt man gemeinhin Nötigung oder Erpressung. Hatten Sie diesen Effekt gemeint?
Recht hat er. Und zwar ohne wenn und aber! Und Mut braucht man leider mittlerweile auch für solch ein Statement. Ein Bundespräsident ist nach dem Shitstorm für ähnliche Aussagen schonmal zurück getreten