Bundespolizei jetzt mit Kanone unterwegs (Update)
Die Bundespolizei hat jetzt kriegstaugliche Geschütze: Das jüngste in Dienst gestellte neue Einsatzschiff der Bundespolizei See, die Bad Düben (BP83), ist als erstes der drei neuen Einsatzschiffe mit einem 57mm-Geschütz ausgerüstet – aktuell hier im Nord-Ostsee-Kanal zu sehen.
Die Ausstattung der Polizeischiffe mit diesen Waffen, wie sie sonst für Kriegsschiffe vorgesehen sind, hatte das Bundesinnenministerium 2018 mit der nötigen Reichweite für Anti-Terror-Einsätze begründet:
Durch den starken Ausbau maritimer kritischer Infrastruktur muss ein frühzeitiger Schutz durch die Bundespolizei See vor terroristischen Bedrohungslagen gewährleistet werden. Zur effektiven Androhung und Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen auf See ist daher eine Bordbewaffnung für die neuen Einsatzschiffe mit einem Wirkbereich von 300 Meter bis mindestens 6.000 Meter Entfernung vorgesehen, die deutlich wahrnehmbare Warnschüsse abgeben können und geeignet sind, auch große Frachtschiffe durch Beschuss zum Aufstoppen zu zwingen. Für die Beschaffung von drei Schiffsgeschützen des Typs „57 mm Mk3“ einschließlich erforderlicher Unterstützungssysteme sind Haushaltsmittel von rund 24.000 T Euro erforderlich.
Wesentlicher Grund dafür ist unter anderem, dass die Deutsche Marine – im Unterschied zur Luftwaffe – bei terroristischen Angriffen in deutschen Hoheitsgewässern nicht so ohne weiteres mit ihren militärischen Mitteln eingreifen darf. Für entsprechende Vorfälle im Luftraum gibt es ein Luftsicherheitsgesetz; ein vor mehr als einem Jahrzehnt diskutiertes entsprechendes Seesicherheitsgesetz kam nie zustande.
Nach Angaben der Bundespolizei See verfügt bislang nur die Bad Düben über ein Geschütz; in die beiden anderen neuen Einsatzschiffe Potsdam und Bamberg wurde es noch nicht eingerüstet.
Reklame macht die Bundespolizei für ihre neue Bewaffnung nicht: In der Mitteilung zur Indienststellung der Bad Düben im vergangenen Jahr werden zwar das Hubschrauberlandedeck und die Möglichkeiten zum Einsatz von Spezialkräften herausgestellt. Das Geschütz wird dagegen nicht einmal erwähnt.
Einen Eindruck von der Feuerkraft dieser Waffe, die unter anderem bei der U.S. Coast Guard und der U.S. Navy im Einsatz ist, gibt dieses Video von einer Übung auf der USS Independence im vergangenen Jahr:
(Die erste Fassung des Beitrags war missverständlich, es sind noch nicht alle drei Einsatzschiffe mit dem Geschütz ausgerüstet.)
(Foto oben: Die Bad Düben am 17. September 2020 im Nord-Ostsee-Kanal auf dem Weg in die Ostsee – Frank Behling; Foto unten: Die Bad Düben am 16. September 2020 vor Cuxhaven – Marco Pannasch)
Hm, wie argumentiert man, dass die einen dürfen, aber die anderen nicht? Vor allem, wenn der offensichtlich vorhandene Bedarf jetzt „um die Ecke“ abgedeckt wird?
D.h. jetzt sind drei Schiffe der Bundespolizei mit dem Geschütz ausgestattet? Und der EInsatz allein auf deutsche Hoheitsgewässer beschränkt?
Jetzt müssen sie nur noch treffen.
Wie, keine Probleme bei der Beschaffung? 2018-2020, wie kann denn das so schnell gehen?
Glückwunsch an die BPol!
Ach, weil Freitag ist: Einfach nen Öltanker (oder Øltanker?) kapern, den wird keiner so gern mit Beschuss zum Stoppen zwingen. Sonst läuft das Bier aus! :-)
Verständnisfrage: Wie hoch sind die Kosten? 24.000 T € = 24000 (vierundzwanzigtausend €, das ist aber günstig, kostet ein Geschütz nur 8.000 €) oder 24.000.000 € (= 24 Millionen €, das ist aber schweineteuer)? Oder sind es 240.000 (zweihundervierzigtausend) €?
Klingen 24.000 T Euro eigentliche besser als 24 Mio Euro? Das T hatte ich zuerst übersehen und mir schon einen Platz im Garten für so ein Ding ausgesucht, nur so zum gelegentlichen Salutschiessen.
Mich würde wirklich die echte Motivation für diese Ausrüstung interessieren. Geht es hier wirklich darum, dass ein Öltanker mit fest gestelltem Ruder von Terrorist*innen (sorry) auf Kiel zugesteuert wird, den man dann so lange durchlöchert bis, ja was, die Maschine kaputt ist?
Oder geht es hier um was ganz anderes, wird hier via Frontex an einer EU-Minimarine gebastelt?
Ich finde es zwar gut, dass die BPol jetzt auch schwere Geschütze hat, aber hätte man auch so ein Seesicherheitsgesetz mit Eingriffsrechten für die Marine gemacht, dann hätte man sich die teure Umrüstung sparen können. Außerdem sind drei Schiffe schon etwas wenig um Nord- und Ostsee abzudecken. Da kann es schon Mal länger dauern bisneins der drei Schiffe vor Ort ist. Für die Marine wäre das kein Problem, weil bei der fahren ein paar mehr Schiffe und Boote mit schweren Geschützen herum. Selbst die Mienenjagdboote haben ja mittlerweile MLG27 drauf oder die Einsatzgruppenversorger.
Was sind denn 24.000 T Euro? 24.000 Euro kommt mir doch etwas billig vor, oder?
Die BPOL hat den gesetzlichen Auftrag im BPOL Gesetz verankert und kann bei Bedarf sofort ins Mittelmehr usw durchstarten.
Die BW benötigt den Auftrag des Parlaments.
Nur am Rande die Schiffe und Hubschrauber der BPOL funktionieren und die Beschaffung dauert keine 10 Jahre und dann fehlt die Bedienungsanleitung…
Da die Frage mehrfach kam: Es geht – bzw. ging nach der damaligen Planung – um 24 Millionen Euro. Ich habe halt wörtlich aus der Vorlage zitiert.
@Pham Nuwen
„Und der Einsatz allein auf deutsche Hoheitsgewässer beschränkt?“
Das erscheint mir abwegig. Einsätze auch anderswo – z.B. im Rahmen von Frontex im Mittelmeer – sind für die Bundespolizei See nichts neues mehr, und m.E. sind die neuen Einsatzschiffe genau für solche Missionen optimiert. Allein für den heimischen Küstenschutz hätte man auch kleinere Einheiten bestellen können.
Aber eines muss man den Beschaffern lassen: Bemerkenswert schnell und reibungslos (soweit bekannt) hat man das Projekt gestemmt. Respekt!
Wenn es um die Bewaffnung von Polizeischiffen geht, taucht sehr schnell das Wort „kriegstauglich“ auf und die Bewaffnung eine gewisse Größenordnung überschreitet. Verstehe da wirklich den Zusammenhang nicht zumal im Grunde jede Waffe kriegstauglich ist. Terrorismusbekämpfung ist Aufgabe der Bundespolizei auch auf hoher See. Was Terroristen anrichten können, braucht hier sicherlich niemanden erklärt werden. Mit einem „Halt stehen bleiben, hier ist die Polizei“ kommt man da nicht weit. Da sollte die Ausrüstung schon im Zusammenhang mit erwartbaren bzw. möglichen Szenarien stehen. Natürlich kann man auch darüber nachdenken Kriegsschiffe zu nutzen. Beispielsweise einen Einsatzleiter der Bundespolizei auf ein Marineschiff entsenden. Der BPol Stander wird gesetzt und das Schiff ist dann eben ein Polizeischiff. Art. 35 GG müsste da aber eine deutliche Modernisierung erfahren aber den Bohrer, für dieses dicke Brett, hat noch keiner erfunden.
@ Werner-Hans 18.09.2020 um 11:30 Uhr:
Die Zeiten sind lange, lange vorbei, wo die Marine so kurzfristig seeklar war, dass man nur mit dem Hackebeil die Leinen loshieb und die GT alarmstartet. Spätestens seit der SAZV-Umsetzung sind die seegehenden Einheiten entweder fern unserer Küstengewässer im Einsatz oder in der Werft oder das Personal ist nicht an Bord wegen Lehrgang/Stundenabbau/nichtexistent.
Der Punkt mit den Frontext-Einsätzen ist da schon viel zielführender. Aber auch vor unserer Haustür sind mittlerweile lohnenswerte Hochwert-Ziele, für die robuster Schutz vonnöten ist. Umrichterstationen der Windparks beispielsweise.
@Yeoman
Danke wollte gerade in die selbe Kerbe schlagen. Sehr schön auf den Punkt gebracht und mal im Ernst 57mm eignet sich nicht für das große Gefecht und zum Schiffe versenken also alle die jetzt meinen die Polizei hat mächtig aufgerüstet keine Panik.
Ein paar technische Anmerkungen / Fragen:
– Ist natuerlich logistisch (Einkauf, Lagerung, Versorgung) wenig effizient ein „neues“ Kaliber auf der Bundesebene einzufuehren, anstatt Synergien mit eingefuehrten Kalibern (76mm) zu suchen, die US Coast Guard Cutter haben ja auch das „grosse“ Kaliber
– Wie ist denn die Zielanweisung / Feuerleitloesung vorgesehen – erkennbar ist ein elektro-optischer Sensor schiffsmittig auf dem Brueckenaufbau, ansonsten nur das Nav-Radar
@IstEgal
Ein Paradigmenwechsel und ein möglicher Game Changer ist es allemal.
24.0000 Teuro = 24.000.000 Euro = 24 mio Euro
Fallen da die Messinghülsen bei Übungsschießen einfach ins Meer? Scheint Verschwendung und Umweltbeinträchtigung
Interessant wäre zu verstehen, wer den Einsatz des Geschützes autorisieren kann? Kapitän? Wachoffizier auf Brücke? Einsatzkommandostelle?
Ein rechtsfreier Raum, weil kein „entsprechendes Seesicherheitsgesetz“, wird es wohl erforderlichenfalls – Einsatz – nicht sein?
Deutsche Hoheitsgewässer: also Küstenmeer nach Seerechtsübereinkommen und Gültigkeit Seevölkerrecht sowie der Seezollgrenze, alles bis 12 Seemeilen?
Wie genau?
Gibt es denn eine Begründung warum nur ein Schiff bewaffnet wurde?
@Mariner: Ich vermute die rein optische Feuerleitung mittig unterhalb der Brücke, nicht auf dem Brückendach. Abgedeckt sieht das Gerät zwar ein bisschen wie ein MASS Werfer aus, aber das ergäbe wenig Sinn. Ansonsten: Eine Oto 76 wäre erheblich teurer gewesen.
@Dante: Einfach oben lesen? Die beiden anderen Schiffe werden noch ausgerüstet.
Zum fehlenden Seesicherheitsgesetz (Stand 2004:
https://www.bits.de/public/ndrinfo/sunds070204.htm
Seit 2007 gibt es in Cuxhaven neben dem Havariekommando als pragmatische Teillösung immerhin das Maritime Sicherheitszentrum (MSZ) und das Gemeinsame Lagezentrum See (GLZ-See), da aus einer richtigen Küstenwache bis heute nichts geworden ist. Auch haben sich die Inneminister mittlerweile geeinigt, dass eine Lage wie die Hansa Stavanger (2009) in die Zuständigkeit der Bundespolizei und nicht der Bundeswehr fällt.
Jetzt kommen also als weitere Teillösung die drei OPVs der Bundespolizei hinzu, bei denen übrigens die Marineflieger Hilfestellung bei der Ausbildung für Verfahren und Bordbetrieb der SuperPumas leistet. Ob die OPVs auch Saab Skeldar V-200 erhalten werden? Ich gehe davon aus dass es ein anderes kleineres UAV werden wird (Projekt MaRPAS 2)
Zu Drohnen für die Bundespolizei siehe:
https://netzpolitik.org/2020/verkehrsministerium-bestellt-eu-drohnenueberwachung/
Die Notwendigkeit einer Bewaffnung würde ich mit: „Besser haben, als brauchen“ zusammenfassen.
Da es ja bei Bundeswehr und Polizei (z.B. in Berlin) immer wieder „Probleme“ mit den Schießständen gibt, wo will die „Küstenwache“ mit dem Geschütz denn üben?
@Micha
Bei Bw gibt’s keine „Probleme“ mit Schießständen, … sicher meinten Sie Schießplätze?
Da nach 1990 die großen Plätze erhalten und z.T. technisch ausgebaut wurden, optimiert hinsichtlich der Zieldarbietung, sieht es für heerestypische Schießvorhaben bis Bataillonsebene richtig gut aus.
Zu Schieß/Übungsmöglichkeiten mit Gefechtsmunition 57mm, wie wär es dort, in Norwegen?
https://augengeradeaus.net/2020/09/marine-gebirgsjaeger-ueben-landzielbeschuss-von-see-in-nord-norwegen/
Und Seezielschießen läuft in Nord/Ostsee und Nordmeer, sogar mit Beteiligung eigentlich weit entfernter Partner.
https://www.bundeswehr-journal.de/2017/deutsch-suedafrikanischer-verband-trainiert-in-der-ostsee/