Neue Kampfjets für die Luftwaffe: F-18 wird teuer. Aber Eurofighter nicht?

Der Plan des Verteidigungsministeriums, die betagten Tornado-Kampfjets zum Teil durch F-18-Flugzeuge des US-Herstellers Boeing in verschiedenen Versionen zu ersetzen, wird nach einer externen Expertenschätzung bis zu 8,77 Milliarden Euro kosten. Allerdings: Die Studie, die die deutsche Sektion von Greenpeace vorlegte, deutet auch auf auch mögliche deutlich höhere Kosten für den Kauf von Eurofightern als Tornado-Ersatz hin.

Die Umweltorganisation veröffentlichte die Studie des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS) und des früheren Tornado-Piloten und NATO-Planungsoffiziers Ulrich Scholz in Verbindung mit einer Protestaktion vor dem Verteidigungsministerium in Berlin (Foto oben) am Mittwoch. Greenpeace wollte damit gegen die Neubeschaffung von Kampfjets protestieren, die für den Einsatz von US-Atomwaffen im Rahmen der so genannten Nuklearen Teilhabe geeignet sind.

Das ist aus Sicht der Organisation nachvollziehbar; die Studie bietet allerdings ein etwas differenzierteres Bild, das über die plakative Aussage Keine US-Kampfjets beschaffen, weil so teuer hinausgeht.

Zur Erinnerung: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte im April entschieden, dass der Prozess für den Ersatz der Tornados unter anderem durch US-Kampfflugzeuge gestartet werden soll – auch wenn die eigentliche Beschaffungsentscheidung voraussichtlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode fallen wird:

• Zusätzlich zu den vorhanden 141 Eurofightern der Luftwaffe sollen 93 neue Flugzeuge dieses Typs beschafft werden:
– 38 Eurofighter der so genannten Tranche 4 als Ersatz für die Eurofighter der ersten Generation, der so genannten Tranche 1
– 40 weitere Eurofighter, die den Tornado in der Rolle als Jagdbomber ablösen sollen und
– zunächst nur als Option vorgesehene weitere 15 Eurofighter, die für den elektronischen Kampf ausgelegt sind.

• 30 Kampfjets des US-Typs F/A-18 F Super Hornet Block III, die modernste Version, auf die auch die U.S. Navy ihre F-18-Maschinen aufrüstet, vor allem für die Nukleare Teilhabe. Diese Flugzeuge sind bislang zwar nicht für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert. Da aber eine frühere Variante der F-18 dafür von den US-Behörden freigegeben war, geht das deutsche Verteidigungsministerium davon aus, dass der Zertifizierungsprozess nicht bei Null beginnt und damit schneller und kostengünstiger möglich ist als bei einem anderen Flugzeug.

• 15 Kampfjets des US-Typs E/A-18 Growler, die für die so genannte luftgestützte elektronische Kampfführung ausgerüstet sind und damit unter anderem die bislang für den Tornado vorgesehene Bekämpfung der gegnerischen Luftabwehr (Suppression of Enemy Air Defense, SEAD) übernehmen.

Die von Greenpeace vorgelegte Studie konzentriert sich auf die Beschaffung der 30 F/A-18 F Super Hornet Block III, die für eine Nukleare Teilhabe vorgesehen sind; die 15 Growler für die elektronische Kampfführung werden bei den Kosten mit eingerechnet, sind aber nicht für Atomwaffen geeignet. Die Autoren der Studie stellen auch fest, dass das politische Ziel des Festhaltens an der Nuklearen Teilhabe ein wichtiger Teil dieser Beschaffungsentscheidung ist, für die Luftwaffe aber auch andere Punkte genau so wesentlich sind:

Die bisherigen Aufgaben des Tornados sind:
• die Gefechtsfeldabriegelung und Bekämpfung von Hochwertzielen (Interdiction-konventionell) und Strike (nuklear),
• SEAD/ECR (Suppression of Enemy Air Defenses / Electronic Combat Reconnaissance)
• und die Luftnahunterstützung (CAS -Close Air Support) bzw. die taktisch-operative Aufklärung (Recce), bei denen der Tornado auch von Eurofightern der Tranchen 2 bis 4 abgelöst werden könnte.
(…)
Der Schwerpunkt der Aufgaben des Tornados heute und künftig der F-18 liegt im konventionellen Bereich. Eine klare kalkulatorische Abtrennung der Kosten, die die Luftwaffe speziell zur Durchführung der nuklearen Strike-Aufgabe tragen muss, ist weder sinnvoll noch möglich, weil
• die für die Strike-Aufgabe eingeplanten Jagdbomber überwiegend konventionelle Luftangriffsaufgaben durchführen,
• der nukleare Strike-Einsatz die unwahrscheinlichste Form des Einsatzes dieser Flugzeuge darstellt und
• auch nicht-nuklearfähige Flugzeugtypen an Strike-Einsätzen und damit an Aufgaben im Rahmen der nuklearen Teilhabe beteiligt sein würden (SNOWCAT, Support of Nuclear Operations with Conventional Air Tactics).
• Strike-Einsätze können multinational erfolgen, also unter Beteiligung von Luftfahrzeugen mehrerer Nationen, von denen nur ein kleiner Teil Nuklearwaffen tragen würde.
Deshalb sind vor allem die Kosten der Beschaffung nuklearfähiger Flugzeuge vom Typ F-18F und der zu deren Begleitung fähigen SEAD/ECR-Maschinen als Kostenfaktoren sinnvoll abgrenzbar. Das dabei zu erzielende Ergebnis unterliegt vor allem dem Vorbehalt, dass diese Flugzeuge alle überwiegend Aufgaben der konventionellen Kriegführung wahrnehmen würden. Demgegenüber ist jedoch zu betonen, dass die Wahl auf die F-18 fiel, weil bei ihr die Zertifizierung als nukleares Trägersystem durch die USA bedeutend schneller zu erwarten ist als beim europäischen Eurofighter. Anders gesagt: Die F-18 soll für die Aufrechterhaltung der nuklearen Teilhabe beschafft werden.

Damit ist zwar korrekt erklärt, dass die Nukleare Teilhabe ein wesentlicher Teil der Gründe für die Entscheidung für das Flugzeugmodell von Boeing ist, aber eben nicht der einzige – und die Verkürzung auf deutsche Atombomber ein bisschen arg sparsam ist. Denn die Alternative – eben nicht nur für den Atomwaffeneinsatz, sondern auch für die anderen Aufgaben des Tornados – wäre nicht unbedingt kostengünstiger, wie aus dem letzten Absatz der Studie hervorgeht:

Zum Abschluss ein notwendiges Ceterum Censeo: Es lässt sich aufgrund aller Erfahrungswerte davon ausgehen, dass die industriepolitisch motivierte Nachbeschaffung von bis zu 93 Flugzeugen des europäischen Typs Eurofighter ein größeres Kostenrisiko beinhaltet als die Beschaffung von 45 F-18F und G. Der durch die Industrie kolportierte Betrag, rund 10 Mrd. Euro, hat offenbar wieder einmal mehr kaum Bezug zur Realität.

Mit anderen Worten: Die Abschätzung aufgrund öffentlich verfügbarer Zahlen, dass für eine Beschaffung von 45 F-18 in verschiedenen Varianten Kosten in Höhe von im Minimum zwischen € 7,67 Milliarden und € 8,77 Milliarden anfallen, ist ein hilfreiches Detail für die Debatte über die Tornado-Nachfolge. So zu tun, als wäre das Geld schlicht über, wenn man nicht beim Ami kauft (wie Greenpeace das nahelegt), ist dagegen ein bisschen arg einfach.

Nachtrag: Sehe erst beim erneuten Nachlesen den Hinweis in der Fußnote, der zum Thema Eurofighter Bedeutung hat:

Es gibt im BMVg offenbar Zweifel, ob die Eurofighter-Hersteller um Airbus in der Lage wären, ab 2025 – oder wenig später – eine einsatzfähige, notwendigerweise zweisitzige ECR-Variante des Eurofighters auszuliefern. Deshalb bevorzugt man zunächst ein auf dem Markt verfügbares und bereits einsatzerprobtes Flugzeug und gibt den Eurofighter-Herstellern über die Option eine Chance, die Zweifel an ihrer Liefer-und Leistungsfähigkeit doch noch zu beseitigen und später auch noch zum Zug zu kommen. Ein solches Vorgehen lässt der deutschen Industrie zugleich die Chance, ihre technologischen Fähigkeiten weiter zu entwickeln und im Kontext des französisch-deutschen Vorhabens FCAS besser angebotsfähig zu werden.

(Foto: Greenpeace-Aktion am Verteidigungsministerium in Berlin – Ruben Neugebauer/Greenpeace)