Rechtsextremismus, KSK und Bundeswehr – Sammler/Dokumentation

Der am vergangenen Freitag bekannt gewordene und auch hier heftig diskutierte Brief eines Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) mit Rechtsextremismus-Vorwürfen gegen den Verband schlägt weiter hohe Wellen. Inhaltlich gab es am (heutigen) Montag nicht viel Neues, aber etliche Aussagen – ein Überblick:

In der Bundespressekonferenz nahm für das Verteidigungsministerium Fregattenkapitän Christina Routsi dazu Stellung. Unter anderem bestätigte sie, dass der Verfasser des Schreibens in die Aufklärungsarbeit eingebunden wird, wie es Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bereits zuvor im Focus-Interview (s.u.) mitgeteilt hatte:

Frage: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium. Frau Routsi, ich würde gerne nach dem Brandbrief des Hauptmanns in Sachen KSK fragen. Wenn die Ministerin nach wie vor der Meinung ist, dass sich ein Generalverdacht gegen die Truppe ausschließt und die überwältigende Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten zu Demokratie und Rechtsstaat stehen, heißt das, dass die Ministerin nach wie vor davon ausgeht, dass es sich innerhalb der Vorwürfe im KSK um Einzelfälle handelt?

Dann würde ich zur Taskforce, die sich über all diese Fragen beugt und Ergebnisse vorlegen soll, ein bisschen mehr wissen wollen. Hat dieser Brief des Hauptmanns die Arbeit der Taskforce insofern verändert, als dass sie die anstehenden Fragen noch dringlicher macht? Hat sie die Arbeiten beschleunigt?

Routsi: Herr Kollege, ich danke Ihnen für Ihre Frage. Ich habe beim letzten Mal schon gesagt – ich sage es aber noch einmal zu Beginn, weil das für uns sehr wichtig ist -, dass unsere Ministerin Kramp-Karrenbauer eine absolute Null-Toleranz-Linie fährt. Ich würde Sie gerne auf ein heute Morgen im „Focus“ erschienenes Interview verweisen, wo sie exakt das beleuchtet, was in Ihrer Frage das Thema ist. Ich würde das gerne vorlesen:

„Ich habe bei meinem Amtsantritt gesagt, dass wir jedem Fall mit aller Konsequenz nachgehen. Dazu gehört die schonungslose Aufklärung von Hintergründen, Netzwerken und allem, was rechtsextreme Tendenzen befördert, damit wir die richtigen Konsequenzen ziehen können.“

Ich glaube, das beantwortet die Frage.

Zweitens. Ja, es gibt diesen Brief. Ich kann Ihnen das bestätigen. Ich kann Ihnen auch bestätigen, dass sich die Arbeitsgruppe damit befasst hat. Sie wird heute tagen, und das wird mit Sicherheit ein Thema werden.

Zusatzfrage: Lassen Sie mich kurz nachfragen: Die Abgeordneten, auch Abgeordnete des Verteidigungsausschusses, beklagen sich darüber, dass sie diesen Brief immer noch nicht haben. Warum nicht?

Routsi: Dazu kann ich mich jetzt nicht äußern. Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor.

Ich kann Ihnen presseseitig sagen, dass es am Wochenende eine entsprechende Berichterstattung gab. Das ist tatsächlich eine parlamentarische Frage, die ich an dieser Stelle nicht beantworten kann. Es gibt aber auch entsprechende Kanäle, über die die Parlamentarier natürlich gehen können, wenn sie Informationsbedarf haben. Den stillen wir dann auch.

Frage: Ich habe zu dem Brief des Hauptmanns auch eine Frage. Er hat sich offenbar direkt an die IBuK gewandt und nicht an Vorgesetzte oder die Wehrbeauftragte. Ist das der korrekte Dienstweg? Wenn nicht, werden daraus möglicherweise Konsequenzen gezogen?

Stimmt es, dass der Betreffende Mitglied einer Art Reformkommission innerhalb des Verbandes ist?

Routsi: Ich kann nachvollziehen, dass Sie an den Inhalten des Briefs Interesse haben. Ich bitte aber um Verständnis; dazu kann ich nichts sagen.

Was ich sagen kann, ist, dass es natürlich grundsätzlich Soldatinnen und Soldaten gibt, die unsere Ministerin persönlich anschreiben. Das ist auch ihr gutes Recht. Natürlich gibt es Meldewege, Verfahren und Regeln, die gelten. Aber in so einem besonderen Fall wird das auf jeden Fall goutiert. Die Ministerin hat in dem „Focus“-Interview gesagt und sich eindeutig positioniert, dass sie es gut findet, dass diese Mauer des Schweigens endlich durchbrochen wird und Risse zeigt.

Der Angehörige, der diesen Brief geschrieben hat, ist tatsächlich – Ihre Informationen sind richtig – zum Chef des Stabes versetzt worden und wird dort mit seinen Erkenntnissen und Informationen dazu beitragen, die Reformationen voranzutreiben und am Ende seinen Kommandeur dabei unterstützen, die Arbeitsgruppe Kommando Spezialkräfte nach allen Möglichkeiten mit Informationen zu versorgen.

Zusatzfrage: Gibt es in Ihrem Hause Untersuchungen, ob dieser Brief aus dem BMVg geleakt, durchgestochen wurde?

Routsi: Dazu habe ich keine Informationen.

Frage: Frau Routsi, das Ministerium geht neue Wege. Whistleblower dieser Art wurden in der Vergangenheit eher entlassen als in Arbeitsgruppen integriert. Warum wird das im Fall des KSK jetzt so gemacht?

Daran anschließend eine zweite Frage: Man untersucht jetzt sehr isoliert das KSK. Aber das KSK agiert ja in der Bundeswehr nicht im luftleeren Raum und hat Kontakte zu Sanitäts- und Versorgungseinheiten, ist im Ausland angebunden und auch von der Versorgung der normalen Einheiten abhängig. Wie begründet es das Ministerium, jetzt das KSK so isoliert zu betrachten? Wie will man in Gänze mit dem Problem Rechtsradikalismus in der Truppe umgehen?

Routsi: Ich möchte mich gegen die Behauptung verwahren, dass Leute entlassen wurden, weil sie Informationen zu Extremisten weitergegeben haben. Ich weiß, auf welchen Fall Sie anspielen. Sie haben in dieser Sache ja unser Haus angefragt und haben auch die entsprechende Antwort bekommen.

Wenn Informationen eingehen, dass irgendetwas im Argen ist, dass Leute extremistische Bestrebungen haben, dann unternehmen wir die entsprechenden Schritte – ob das disziplinarrechtliche Schritte oder auch strafrechtliche Schritte sind -, wenn das schwerwiegende Vergehen sind. Von daher verwahre ich mich ganz deutlich gegen diese Aussage. Sie haben Ihre Position, wir haben unsere.

Zu der anderen Frage: Das richtet sich jetzt nicht gegen alleine den Verband KSK. Hier geht es um etwas Grundsätzliches. Wir sind der freiheitlich demokratischen Grundordnung verpflichtet. Wir sind unserem Land verpflichtet. Das passt einfach nicht zusammen. Wir wollen und wir werden sehr entschlossen an diese Sache herangehen. Das KSK ist allerdings – das kann man auch nicht einfach von der Hand weisen – in den letzten Wochen und Monaten sehr auffällig geworden. Der MAD, der die ganze Zeit das Ganze entsprechend mitverfolgt, arbeitet ganz bestimmt nicht nur im Bereich KSK, sondern in der gesamten Bundeswehr.

Zusatzfrage: Ich wüsste gerne, zu welchem Fall ich eine Anfrage gestellt haben soll. Es ging jetzt gerade um den Fall des Patrick J., der ganz viele Vorfälle an den MAD gemeldet und danach die Truppe mehr oder weniger verlassen hat. In Bezug auf ihn habe ich keine Anfrage gestellt.

Routsi: Ich bezog mich auf Patrick J., genau darum geht es. Dann habe ich das verwechselt. Da bitte ich um Entschuldigung.

Genau zu diesem Fall Patrick J. – ich glaube, das war hier auch schon einmal Thema – ist sehr klar gemacht worden, dass das überhaupt nichts damit zu tun hatte, dass dieser ehemalige Soldat Informationen weitergetragen hat. Jede einzelne Anschuldigung, die er getätigt hat, ist auf den entsprechenden Wahrheitsgehalt überprüft worden. Ich wollte mich einfach nur dagegen verwehren, dass wir Leute herausschmeißen, weil sie den Mund aufmachen, dass sie irgendetwas entdeckt haben, was nicht in Ordnung ist. Das tun wir überhaupt nicht.

Frage: Mich hätte noch interessiert, wie Sie den Zeugen bewerten. Wenn er jetzt Chef eines Stabes wird, dann halten Sie ihn ja zumindest für glaubwürdig. Aber es ist auch zu hören gewesen, dass er gar nicht so engen Kontakt zur KSK hatte. Außerdem sagte die Ministerin, das Ergebnis solle vor der Sommerpause vorliegen. Können Sie das konkretisieren, und werden die Ergebnisse dann auch öffentlich gemacht?

Routsi: Zum zweiten Punkt – das habe ich auch beim letzten Mal schon gesagt -: In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause und auch im „Fokus“-Interview hat sie gesagt, dass sie die Ergebnisse präsentieren wird, also: Ja.

Zu Ihrer ersten Frage habe ich mich vielleicht missverständlich ausgedrückt. Er wird nicht Chef des Stabes, sondern er ist in den Bereich des Chefs des Stabes versetzt worden und wird dazu beitragen.

Die Fragen, die Sie haben, sind sicherlich berechtigt. Aber ich kann dazu keine Stellung nehmen.

Frage: Zum einen würde ich gern wissen, ob die Ministerin oder Ihr Ministerium die Auflösung des KSK in Betracht ziehen, falls sich da noch mehrere Einzelfälle ergeben? Können Sie uns transparent sagen, wer die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind?

Routsi: Herr Kollege, die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe habe ich letztes Mal schon genannt. Das waren der Staatssekretär Hoofe, der Generalinspekteur und General Kreitmayr als Kommandeur der KSK. Ich meine, ich habe noch jemanden vergessen. Aber das können Sie nachlesen. Das sind die Mitglieder. – Beratend ist natürlich auch die Wehrbeauftragte dabei.

Was das Thema „mögliche Auflösung des KSK“ angeht, möchte ich Sie bitten, dass wir jetzt nicht über einen möglichen zweiten Schritt vor dem ersten sprechen. Jetzt geht es erst einmal darum, dass die Arbeitsgruppe das Ganze strukturell überprüft. Den Zeitrahmen haben wir uns gesetzt. Er ist ja eng getaktet. Wie gesagt: Heute wird noch einmal dazu getagt.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir uns weder Denkverbote geben werden noch einen Riegel vor Augen halten. Das wird jetzt in Ruhe strukturiert.

Ich bitte aber auch einmal zu sehen – damit das nicht in Vergessenheit gerät -, dass das KSK seit nahezu 25 Jahren für unser Land unter gefährlichsten Bedingungen unheimlich viel geleistet hat und leistet. Das wird natürlich auch in diese Überlegungen einfließen. Von daher bitte ich Sie im Moment darum, der Arbeitsgruppe Zeit zu geben und keine Hypothesen aufzustellen.

Zuvor hatte die Ministerin in einem Interview mit Focus Online (Link aus bekannten Gründen nicht) dazu Stellung genommen:

Es ist gut, dass die Mauer des Schweigens Risse bekommt und mutige Menschen ihre Stimme erheben. (…) Der Absender des Briefes wurde zudem direkt dem Chef des Stabes des KSK unterstellt, um an der Reform der Ausbildung und an der Beseitigung der von ihm angesprochenen Missstände mitzuwirken. Das klare Signal ist: Wer Missstände benennt, hilft sie zu beseitigen. Wer schweigt, ist Teil des Problems und macht sich mitschuldig.

Die Wehrbeauftragte Eva Högl sagte im Deutschlandfunk zu den Vorfällen bei der Eliteeinheit, es gebe besorgniserregende Erkenntnisse und eine Häufung von Einzelfällen. Jetzt müsse geprüft werden, ob es sich um strukturellen Rechtsextremismus handele und ob es entsprechende Netzwerke gebe.

Unabhängig vom Kommando Spezialkräfte gab es noch eine weitere Entwicklung im Bereich Rechtsextremismus und Bundeswehr: Nach Informationen des Berliner Tagesspiegels (Link aus bekannten Gründen nicht) ermittelt der militärische Abschirmdienst (MAD) wegen fehlender Verfassungstreue gegen einen Oberfeldwebel, der zugleich AfD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Uckermark ist. Der Zeitsoldat soll Angehöriger des Fernmeldebataillons 610 sein und hatte nach Angaben des Blattes bereits von sich aus in einem Internet-Forum öffentlich gemacht, dass er vom MAD dazu angehört wurde.

(Foto: Vom Verteidigungsministerium veröffentlichtes Bild der Arbeitsgruppe KSK am Montag, auf dem genau die abgebildet sind, die bislang nicht als wesentliche Teilnehmer genannt wurden: Der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber, rechts, und der stellvertretende Generalinspekteur Markus Laubenthal, dahinter; außerdem die begleitend tätige Wehrbeauftragte Eva Högl – Foto BMVg)