SPD-Fraktionschef will Ende der Nuklearen Teilhabe und Abzug von US-Atomwaffen aus Deutschland

Als erster führender Politiker der derzeitigen Regierungskoalition hat sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich öffentlich dafür ausgesprochen, die so genannte Nukleare Teilhabe Deutschlands zu beenden und in Deutschland stationierte US-Atomwaffen abzuziehen. Ein deutsches Mitspracherecht in der Nuklearstrategie der NATO müsse aber erhalten bleiben.

Mützenich forderte in einem am (heutigen) Samstag veröffentlichten Gespräch mit dem Berliner Tagesspiegel (Link aus bekannten Gründen nicht), die Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden künftig auszuschließen. Atomwaffen auf deutschem Gebiet erhöhen unsere Sicherheit nicht, im Gegenteil, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Auch andere Staaten hätten untersagt, auf ihrem Terrritorium US-Atomwaffen zu lagern, ohne dabei die Nato infrage zu stellen.

Als Grund für seinen Vorstoß nannte Mützenich die neue Nuklearstrategie der US-Regierung unter Präsident Donald Trump: Die USA sähen Atomwaffen nicht mehr als Instrument der Abschreckung, sondern als Mittel der Kriegführung. Das Eskalationsrisiko ist damit unüberschaubar geworden.

Die Nukleare Teilhabe, in deren Rahmen in Deutschland auf dem Fliegerhorst Büchel gelagerte US-Atombomben von deutschen Kampfjets ins Ziel gebracht werden sollten, war trotz aller Kritik an Nuklearwaffen von bisherigen Bundesregierungen nicht infrage gestellt worden. Nach dem Koalitionsvertrag von Union und SPD 2018 wird zwar langfristig ein Abzug dieser Waffen angestrebt, allerdings unter Vorbedingungen:

Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen.

An den Planungsprozessen in der Allianz könne Deutschland auch ohne Atomwaffen auf seinem Territorium teilhaben, argumentierte Mützenich: Wir sollten als Deutsche selbstbewusst fordern, die Nuklearstrategie der Nato auch dann mit zu prägen, wenn keine Nuklearwaffen mehr auf unserem Gebiet lagern.

Im Hinblick auf die von der Bundesregierung weiterhin angestrebte Fähigkeit, US-Atombomben mit deutschen Flugzeugen einzusetzen, hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erst vor wenigen Tagen Pläne für die Beschaffung von US-Kampfjets des Typs F/A-18 F bekanntgegeben. Die neuen Flugzeuge sollen die betagten deutschen Tornado-Kampfjets ersetzen, die bislang als einzige Maschinen der Luftwaffe für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert sind.

Nachtrag, der Vollständigkeit halber: Damit geht Mützenich auch auf Konfrontationskurs zu seinem Parteifreund, Außenminister Heiko Maas. Der hatte sich laut dpa bei einem Besuch in Hiroshima im November 2019 zu dem Thema geäußert:

„Es nützt nichts, wenn Atomwaffen von einem Land in das andere verschoben werden. Wenn sie verschwinden sollen, dann sollen sie überall verschwinden“, sagte der SPD-Politiker zu entsprechenden Forderungen auch aus seiner eigenen Partei. „Wir brauchen, was die atomare Abrüstung angeht, vor allen Dingen Vereinbarungen auf breiter Basis, nicht nur in einzelnen Ländern.“

Nachtrag 2: Mützenich hat – zur zeitgleichen Veröffentlichung abgestimmt? – die Unterstützung des SPD-Co-Vorsitzenden Norbert Walter Borjans, der sich nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Links aus bekannten Gründen nicht) ebenfalls für ein Ende der Nuklearen Teilhabe aussprach:

„Ich vertrete eine klare Position gegen Stationierung, Verfügungsgewalt und erst recht gegen den Einsatz von Nuklearwaffen“. Deshalb lehne er es ab, „Nachfolger für die Kampfflugzeuge zu beschaffen, die für den Einsatz als Atombomber vorgesehen sind“. Teilhabe klinge „nach harmloser Geselligkeit“, in Wahrheit diene sie aber dem Einsatz einer „menschenverachtenden Waffengattung“ ohne die Möglichkeit echter Mitsprache Deutschlands und in einer Zeit, in der ein „unberechenbarer US-Präsident das vorbehaltlose Vertrauen in den wichtigsten Bündnispartner sehr in Frage stellt und den Einsatz ,kleiner‘ Atomwaffen als Option sieht“.

(Archivbild 2015: Tornado-Jagdbomber – Foto Horatio Goanta via Flickr)