Dokumentation: Maas und Seibert zur Nuklearen Teilhabe

Die Aussagen der SPD-Partei- und Fraktionsspitze zur so genannten Nuklearen Teilhabe Deutschlands in der NATO und zu US-Atomwaffen in Deutschland haben (nicht nur hier) eine heftige Debatte ausgelöst. Fürs Archiv deshalb Aussagen vor allem von Außenminister Heiko Maas und Regierungssprecher Steffen Seibert dazu:

Seibert und der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christopher Burger, vor der Bundesspressekonferenz in Berlin am (heutigen) Montag (die entscheidende Aussage Seiberts habe ich hervorgehoben):

Frage: Am Wochenende haben sowohl der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion als auch der Vorsitzende der SPD-Bundespartei die Forderung erhoben, dass die US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden sollen. Frage an den Regierungssprecher und an das Auswärtige Amt: Entspricht das der Politik der Bundesrepublik Deutschland? Was würde das im Falle der Umsetzung bedeuten, sowohl für das Nato-Bündnis als auch für andere internationale Vereinbarungen?

Seibert: Wir haben mehrfach Gelegenheit gehabt, darüber zu sprechen, und die Haltung, die ich jetzt gerne noch einmal vortrage, hat sich auch nicht verändert. Das ist die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zu diesem Thema. Wir bleiben als Bundesregierung dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt in Frieden und Sicherheit verpflichtet. Dieses sogenannte Global Zero ist seit Langem das Ziel der Bundesregierung, also die vollständige, nachprüfbare weltweite Abschaffung von Nuklearwaffen. Dieser Begriff findet sich nicht nur bei uns im Koalitionsvertrag. Er findet sich zum Beispiel auch in den einschlägigen Nato-Dokumenten. Das ist also nicht nur ein Ziel Deutschlands. Wir sind uns dabei transatlantisch und mit den europäischen Partnern einig.

Aber – das muss man eben erkennen, gerade mit Blick auf das veränderte Sicherheitsumfeld der letzten Jahre – es gibt einige Staaten, die weiterhin nukleare Waffen als Mittel militärischer Auseinandersetzung betrachten. Solange das so ist, besteht nach unserer Überzeugung die Notwendigkeit zum Erhalt einer nuklearen Abschreckung fort. Diese nukleare Abschreckung leistet für uns Deutsche die Nato. Insofern bekennt sich die Bundesregierung zur nuklearen Teilhabe der Nato als wichtigem Bestandteil einer glaubwürdigen Abschreckung im Bündnis. In diesem Rahmen wird die Bundesregierung auch sicherstellen, dass da ein angemessener Beitrag zum Erhalt dieser Fähigkeiten der Nato durch Deutschland geleistet wird. Insofern kann ich das nur noch einmal so bekunden und auf den Koalitionsvertrag, der dazu ja auch klare Worte findet, verweisen

Burger: Vielleicht ergänze ich das gleich noch mit einer kurzen Passage aus dem Koalitionsvertrag, den dazu zu hören, glaube ich, ganz interessant ist. Darin steht:

„Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der Nato eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen.“

Zu diesem Prinzip, dass es diese erfolgreichen Abrüstungsgespräche gibt, steht der Außenminister nicht nur, sondern er setzt sich auch ganz tatkräftig dafür ein. Dabei steht im Zentrum der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag. Im Rahmen der Stockholm-Initiative im Rahmen des UN-Sicherheitsrats und im Rahmen unseres Vorsitzes bei einer Konferenz zum Teststoppvertrag haben wir in den letzten Monaten das Thema der nuklearen Abrüstung auf die internationale Tagesordnung gesetzt. Im Juni 2019 haben wir im Rahmen unseres Vorsitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zum ersten Mal seit sieben Jahren das Thema der nuklearen Nichtverbreitung wieder auf die Agenda des Sicherheitsrates gebracht. Im Februar hat Außenminister Maas 16 Mitglieder der Stockholm-Initiative nach Berlin eingeladen, um konkrete Schritte dafür zu besprechen, wie wir den Nichtverbreitungsvertrag stärken können. Die reichen von der Offenlegung der Nuklearbestände über den Dialog hinsichtlich Militärdoktrinen bis hin zu einer Reduzierung nuklearer Arsenale. Diese Schritte haben wir hinterher bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats in New York vorgestellt.

Beim Thema der Nichtverbreitung kommt es eben auch auf den Dialog zwischen Nuklear- und Nicht-Nuklear-Staaten an. Deswegen arbeiten wir beispielsweise mit Frankreich an Methoden, mit denen die Vernichtung von Nuklearwaffen überprüft werden kann; denn nur durch überprüfbare Abrüstung können wir Vertrauen herstellen und letztlich Sicherheit schaffen.

Zusatzfrage: Kann ich dem entnehmen, dass der Bundesaußenminister die Forderung seines Parteichefs und des Fraktionschefs ablehnt?

Burger: Vielleicht auch für die Zuschauer, die dies in der Liveübertragung verfolgen und die keine Journalistinnen und Journalisten sind und deswegen die Gepflogenheiten dieser Regierungspressekonferenz nicht so kennen: Wir erläutern hier ja das Regierungshandeln. Das bedeutet in der Regel, dass wir nicht Diskussionen aus dem parlamentarischen und politischen Raum kommentieren.

Für das Regierungshandeln ist der Koalitionsvertrag maßgeblich, und ich habe Ihnen ja gerade gesagt, dass der Außenminister zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag steht.

Frage: Ist der Außenminister auch weiterhin gegen einen einseitigen Abzug von Atomwaffen aus Deutschland?

Gehört zur nuklearen Teilhabe explizit auch die militärische Beteiligung der Bundeswehr an der Abschreckung mit Atomwaffen?

Burger: Ich habe Ihnen ja gerade einen Satz aus dem Koalitionsvertrag vorgelesen, der darauf, glaube ich, die Antwort gibt. Da steht: „Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen.“ In dem Sinne hat sich der Außenminister, glaube ich, in der Vergangenheit schon geäußert.

Frage: Hat Deutschland durch seine Teilhabe ein Vetorecht in der nuklearen Planungsgruppe?

Burger: Klar ist, dass wir durch die nukleare Teilhabe in die strategische Diskussion und in Planungsprozesse einbezogen sind.

Frage: Ich fand es so schön, dass Sie über Offenheit gesprochen haben. Dann seien Sie einmal offen: Wie viele Atombomben gibt es denn hier in Deutschland?

Burger: Das weiß ich nicht.

Zusatzfrage: Können Sie das nachreichen?

Burger: Ich weiß nicht, ob ich das nachreichen kann.

Zusatzfrage: Weiß die Bundesregierung das nicht, oder wissen Sie das nicht, oder weiß das Auswärtige Amt das nicht?

Burger: Ich kann Ihnen aus dem Kopf nicht sagen, welche Art von Information welcher Form von Geheimhaltung unterliegt.

Frage: Herr Burger, nachdem Sie Sätze vorgelesen haben, möchte ich Ihnen auch einen vorlesen, und zwar von Herrn Maas. Bei dem von Ihnen angesprochenen Treffen mit den 16 Staaten der Stockholm-Initiative sagte er: Die nukleare Teilhabe ist ein Teil unserer Sicherheitsarchitektur, und das wird sie auch bleiben. – Gilt dieser Satz weiterhin?

Burger: Ich habe, glaube ich, gerade nichts gesagt, was dazu im Widerspruch steht. An der Position des Außenministers hat sich nichts geändert.

Im Gegensatz zu seinem Sprecher äußerte sich Außenminister Heiko Maas bei Spiegel Online deutlich knapper und eindeutiger:

„Unsere Außen- und Sicherheitspolitik darf nie ein deutscher Sonderweg sein“, sagte Maas dem SPIEGEL. (…)
 „Einseitige Schritte, die das Vertrauen unserer engsten Partner und europäischen Nachbarn untergraben, bringen uns dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt nicht näher. Im Gegenteil: Sie schwächen unsere Bündnisse.“ Statt bei Deutschlands Partnern als starke Stimme für Abrüstung und Rüstungskontrolle mitzureden, säße Deutschland bei den entscheidenden Debatten nicht mehr mit am Tisch, so der SPD-Politiker.