Türkische Hilfslieferung für Großbritannien: Erster Flug unter neuen NATO-Krisenregeln

Die türkische Luftwaffe hat mit einem Militärtransporter medizinische Hilfsgüter nach Großbritannien gebracht. Das Besondere an Flug OAN2901: Es war der erste nach NATO-Krisenregeln, die für den Einsatz in der Coronavirus-Pandemie aktiviert wurden.

Der Airbus A400M der türkischen Streitkräfte war in Ankara mit den Hilfsgütern beladen worden und zum Flug zur britischen Luftwaffenbasis Brize Norton nördlich von London gestartet:

Die Maschine (hier die Transponder-Darstellung nach dem Start zum Rückflug in die Türkei) flog unter dem Rufzeichen OAN. Dieses Rufzeichen hatte die Allianz für die so genannte Rapid Air Mobility  (RAM) eingerichtet, es ermöglicht eine bevorzugte Abfertigung im europäischen Luftraum.

Das Rapid Air Mobility-Verfahren war von der Allianz schon vor fast zwei Jahren als Krisenmechanismus eingerichtet worden. Beim Brüsseler NATO-Gipfel im Juli 2018 hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Allianz auf dieses Verfahren verständigt, das in einem Krisenfall unterhalb der Schwelle eines Krieges den Lufttransport von Militärgerät innerhalb des europäischen Luftraums beschleunigen sollte:

Since Warsaw, we have taken a number of steps to support the deployment and sustainment of Allied forces and their equipment into, from, and within the entire Alliance territory. To that end, we welcome the Enablement Plan for SACEUR’s Area of Responsibility and we will give its implementation the highest priority at the national level. We have agreed to improve the necessary legislation and procedures, enhance command and control, and increase transport capabilities, and we have also recognised the need to upgrade infrastructure in Europe. In addition, today we have declared the initial operational capability of Rapid Air Mobility aimed at allowing short notice, cross-border air movement in Europe.
(Hervorhebung TW)

Die Rapid Air Mobility wurde dann erstmals nicht für eine militärische Krise, sondern für die derzeitige Coronavirus-Pandemie aktiviert. Die Vertreter der NATO-Mitgliedsländer im Nordatlantikrat stimmten Anfang April zu, wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am 2. April mitteilte:

Today, we decided to direct our top commander, General Wolters to coordinate the necessary military support to combat the crisis.
To speed up and step up assistance. For instance, by identifying the airlift capacity to ensure that medical supplies are delivered.
Coordinating on any surplus capacity or stocks. And better matching requests for support with offers from Allies and partners.
He will also implement simplified procedures for Rapid Air Mobility, in coordination with Eurocontrol. Using the NATO call sign for military relief flights.

Entscheidend für die Aktivierung des Verfahrens war die Zusammenarbeit mit Eurocontrol, der europäischen Organisation zur Koordinierung der Luftverkehrskontrolle in Europa. Diese Institution hatte zugesichert, NATO-Flugzeugen einen schnellen Lufttransport von Hilfsgütern in der Pandemie zu ermöglichen.

Unter dem RAM-Verfahren und mit dem OAN-Rufzeichen, das vom NATO-Oberkommando Allied Command Operations (ACO) in Mons in Belgien vergeben wird, soll vor allem die im normalen Flugbetrieb mitunter langwierige Genehmigung für militärische Flüge, die so genannte Diplo Clearance, innerhalb des NATO-Gebiets langfristig entfallen. Nach einem Bericht des britischen Fachportals Aviation Daily ist zudem geplant, dass dieser Vorrang im Luftverkehr nicht mehr nur für Militärflugzeuge, sondern auch für von NATO-Nationen gecharterte Frachtmaschinen genutzt werden kann.

Ursprünglich hatte die Allianz die Rapid Air Mobility und die damit verbundenen Vorrangregeln für den Fall eingerichtet, dass an der Ostflanke der NATO kurzfristig Truppen und Gerät zur Abschreckung stationiert werden sollten. Da das auch in Zeiten für möglich gehalten wird, in denen offiziell keine Krisensituation gilt und in denen sich die militärischen Flüge in einem stark genutzten europäischen Luftraum in die zivilen Flugbewegungen einordnen müssen, sollte dafür eine Beschleunigung gelten. Jetzt wird die Pandemie zum Beschleuniger für die schnellere Verlegbarkeit innerhalb des Bündnisses.

(Foto: Türkischer A400M auf der RAF-Basis Brize Norton – Türkischer Generalstab)