Dokumentation: 1,42 Prozent „NATO-Quote“
Alle paar Wochen wieder sorgt für Aufregung, dass Deutschland – scheinbar – doch mehr Geld für die Verteidigungsausgaben bereitstellt und sich, ebenfalls scheinbar, schneller als geplant dem in der NATO vereinbarten Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben annähert. Dabei werden gerne ein paar Dinge miteinander verwechselt.
So ist diese so genannte NATO-Quote, also der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, nicht gleichzusetzen mit dr Höhe des Verteidigungshaushalts im so genannten Einzelplan 14 des Bundeshaushalts. Es kommen nämlich Ausgaben aus anderen Einzelplänen hinzu – zum Beispiel aus dem Etat des Auswärtigen Amtes oder aus dem Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung, aber auch aus anderen.
Und deshalb ist es nicht gar so ein Brüller, wenn, wie am (heutigen) Montag gemeldet, die an die NATO gemeldeten Verteidigungsausgaben für das kommende Jahr auf mehr als 50 Milliarden Euro steigen und die NATO-Quote dann bei prognostiziert 1,42 Prozent liegt.
Im Wortlaut die Erläuterung des Verteidigungsministeriums:
Für das Jahr 2020 wurden Verteidigungsausgaben in Höhe von rund 50,3 Mrd. Euro nach NATO-Kriterien an die NATO übermittelt. Dies entspricht einer Steigerung im Vergleich zum Haushalts-Soll 2019 um rund 2,4 Mrd. Euro, wovon der Anteil des BMVg rund 1,8 Mrd. Euro beträgt. Anhand der derzeit gültigen Prognose für das Bruttoinlandsprodukt entspricht dies einer Quote von 1,42%.
Nach innerhalb der NATO geltenden einheitlichen Kriterien zählen zu den deutschen Verteidigungsausgaben neben dem Einzelplan 14 auch in anderen Einzelplänen veranschlagte Ausgaben des Bundes, zum Beispiel:
– Ausgaben für Maßnahmen der Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung (Einzelplan 05 [Auswärtiges]),
– Verteidigungsausgaben im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Einzelplan 08 [Finanzen]).
Die Verteidigungsausgaben verteilen sich wie folgt:
– Einzelplan 14: rund 45 Mrd. Euro (rund 89%)
– andere Einzelpläne: rund 5,3 Mrd. Euro (rund 11%)
Die Berechnung der Anteile an den Einzelplänen der anderen Ressorts liegt in deren Verantwortung.
Ja, das wäre jetzt wieder eine Rechercheaufgabe, die elf Prozent aus den anderen Einzelplänen im Detail aufzulisten…
Hilfreich wäre:
a) eine NATO-weite gültige Definition von „Verteidigungsausgaben“ – also welche Positionen mit eingerechnet werden
b) festzustellen ob das 2% Ziel tatsächlich verbindlich verpflichtend ist oder ob es sich nur um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt
c) in wie weit diese Ausgaben tatsächlich der NATO zu gute kommen und ihrem Auftrag dienen
Beziehen sich die berühmten 2 % auf die NATO-Quote oder die Einzelplan 14-Verteidugungsausgaben? Oder ist dies letztlich eine innenpolitsche Entscheidung?
Immerhin wird von NATO-einheitlichen Standards gesprochen. Da wäre es doch sinnvoll und (außen)politisch klug, die genannten Ausgaben im Verteidigungsetat unterzubringen, um dem 2 % Ziel näher zu kommen.
Leute, ihr wollt jetzt die Debatte(n) der vergangenen Jahre als historisches Ereignis re-enacten? Oder wie soll ich das verstehen?
Google und so, ihr kennt das. Z.B. hier:
https://augengeradeaus.net/2017/03/zwei-prozent-ziel-der-nato-verbindlich-oder-anzustreben/
@TW
Eine klare Position der BReg mit einem entsprechenden Entwicklungspfad ist überfällig.
„NATO-Kriterien“
Kriterien nach denen andere Länder ihre Militärpolizei, die gleichzeitig Bundespolizeiliche Aufgaben hat einrechnen. Unsere Bundespolizei fällt da z.B. raus.
Wirtschaftsförderung für Airbus ist da oft aber drin.
Ja ich weiß, ich mache wieder den Spielverderber. Aber die simple Wahrheit ist: Wenn eine an realen Fakten orientierte und nüchterne Bedrohungsanalyse die Grundlage für die Verteidigungsausgaben der NATO- wie z.B. im Kalten Krieg- wäre, dann gäbe es solche Debatten schlicht und ergreifend nicht. Dann würde nämlich das investiert werden was erforderlich ist um abzuschrecken, egal ob es 1 oder 2 oder 3 Prozent vom BIP ist. Und dann gibt es auch keine großen Debatten über die Notwendigkeit, weil dann liegt es klar auf der Hand, dass es eine echte Bedrohung gibt. Jetzt gibt es sie aber nicht.
Wir sind in der glücklichen Lage nicht bedroht zu sein, deswegen können wir uns diese Debatten leisten anstatt einsatznah auszubilden. Bei einer echten Bedrohungslage wären auch das Ausbildungstempo und die Ausbildungsintensität in der Bundeswehr eine ganz Andere. Die Truppe müsste als ganze Armee fit gemacht werden für den Ernstfall. Geschieht das? Nein. Dann könnte man sich nämlich keine Arbeitszeitverordnung und kein „Home Office“ für so viele Soldaten leisten. Dann müsste man wirklich abschrecken können und nicht nur mit einer kleinen einstelligen Zahl von Soldaten im Tausenderbereich „einsatzbereit“ sein, sondern müsste, wie im Kalten Krieg, mit der großen Masse der Soldaten jedes Jahr in Manövern deren tatsächliche Einsatzbereitschaft nachweisen. Wieviel Prozent von den 180 000 Soldaten der Bundeswehr sind heute wirklich „einsatzbereit“ ?
Wir sollten froh darüber sein, dass wir im Frieden leben und sollten nicht künstlich Konflikte und Rüstungsausgaben erfinden, die nicht wirklich vorhanden bzw. erforderlich sind.
Gute Nacht.
@Julian Klenke:
>Da wäre es doch sinnvoll und (außen)politisch klug, die genannten Ausgaben im Verteidigungsetat unterzubringen, um dem 2 % Ziel näher zu kommen.
Wäre es nicht. Man würde Bereiche militarisieren, die dort überhaupt nicht hinein gehören. Die amerikanische Armee betreibt beispielsweise die Flussbewirtschaftung in Texas rund um Houston. Das hat historische Gründe, ist aber nicht sonderlich zielführend, das auch in Deutschland zu tun.
https://www.swg.usace.army.mil/Missions/Flood-Risk-Management/
https://www.spa.usace.army.mil/
@TW
Danke für die Aufklärung. Interessanter aber als die mitgeteilten absoluten Zahlen finde ich die Änderungen.
Nach meinen Notizen beträgt der Zuschlag aufgrund der Zurechnung nach NATO-Metrik in den Jahren 2017 bis 2019 3,5 bis 3,6 Mrd. €/a.
Mit der jetzigen Ankündigung für 2020 steigt dieser Zuschlag auf 5,3 Mrd. €. Das ist ein Anstieg um knapp 50%.
Die Gründe für diesen exorbitanten Anstieg zu erfahren, wäre das eigentliche Interessante. Und dann natürlich auch, ob da für Folgejahre noch Platz nach oben ist.
@Thomas Melber sagt: 18.11.2019 um 18:12 Uhr
„Hilfreich wäre:
a) eine NATO-weite gültige Definition von „Verteidigungsausgaben“ – also welche Positionen mit eingerechnet werden“
Gibt es.
@Julian Klenke sagt: 18.11.2019 um 18:33 Uhr
„Beziehen sich die berühmten 2 % auf die NATO-Quote“
NATO-Quote
„Oder ist dies letztlich eine innenpolitsche Entscheidung?“
Nein, es ist keine innenpolitische Entscheidung (lediglich bei bestimmten Grenzfällen, bei denen eine Ausgabe hinsichtlich ihres „militärischen“ Charakters bewertet werden muss).
@SvD sagt: 18.11.2019 um 20:42 Uhr
„Kriterien nach denen andere Länder ihre Militärpolizei, die gleichzeitig Bundespolizeiliche Aufgaben hat einrechnen. Unsere Bundespolizei fällt da z.B. raus.“
Das ist doch schon seit Jahrzehnten geregelt. Ausgaben für Militärpolizeien dürfen dann und in dem Maße hinzugerechnet werden, indem sie als militärische Einheiten wirken und bei militärischen Einsätzen eingesetzten werden (könnten).
Der alte Bundesgrenzschutz dürfte (anteilig) eingerechnet worden sein. Die aktuelle Bundespolizei vermutlich nicht. Es sei denn man nimmt die GSG9 hinzu. Aber das sind insgesamt so geringe Ausgaben, dass das jetzt glaube ich auch niemanden interessiert.
@Pete sagt: 19.11.2019 um 0:04 Uhr
„Aber die simple Wahrheit ist: Wenn eine an realen Fakten orientierte und nüchterne Bedrohungsanalyse die Grundlage für die Verteidigungsausgaben der NATO- wie z.B. im Kalten Krieg- wäre, dann gäbe es solche Debatten schlicht und ergreifend nicht. Dann würde nämlich das investiert werden was erforderlich ist um abzuschrecken, egal ob es 1 oder 2 oder 3 Prozent vom BIP ist. “
Sorry, aber die simple Wahrheit ist, dass das eine Legende ist, die weder mit der Realität heute noch mit der der Vergangenheit etwas zu tun hat.
Auch im kalten Krieg gab es Streit zwischen den NATO-Staaten über die höhe der Verteidigungsausgaben.
Und auch heute gibt es eine Bedrohungsanalyse und eine für die Bw daraus abgeleitete tragfähigen Rüstung- und Verteidigungsbedarf.
Eine „nüchterne Bedrohungsanalyse“ sollte sich imho an den uralten Faustregeln von Sun Tse orientieren, die da lauten, dass eine zehnfache Überlegenheit notwendig ist um den Gegner zu umzingeln und zur Kapitulation zu zwingen, und eine fünffache um ihn anzugreifen. Meiner Überzeugung nach werden diese Verhältnisse auch durch Nuklearwaffen nicht relativiert. Solange die eine wie die andere Seite – vulgo Rußland und NATO in Europa – sich konventionell in diesem Fenster der 10/5-fachen Über-/Unterlegenheit befinden funktioniert imho die wechselseitigen Abschreckung. Gegenwärtig sehe ich weder bei Rußland eine 5- geschweige denn 10-fache Überlegenheit gegen über der NATO in Europa noch bei der NATO in Europa eine 5-fache Überlegenheit gegenüber Rußland.
Natürlich ist es notwendig dieses window of deterrence zu halten. Ob dazu die USA in Europa nach wie vor , bzw. wieviel BIP-Anteil für Verteidigung unabdingbar sind, werden die Europäer – allen voran Deutschland und Frankreich – beantworten müssen, denn die US-minded, braindead NATO wird das nicht tun.
@Klabautermann: Bei einer Konfrontation, bei der es um Zwei große Heere geht, trifft das sicher zu.
Aber bei Annexion eines kleinen Nachbarstaates (Baltikum), oder Teilgebietes (Krim, Donbass, Moldau), ist es doch anders.
Da reicht eine kurzfristige Überlegenheit auf begrenztem Raum.
Denn mittel mittel- bis langfristig kann Russland weder wirtschaftlich noch militärisch mithalten.
Stimme Pete voll zu.
2% ist mMn eine politisch gewollter Richwert und zwar völlig losgelöst von mil. Stärke,Schlagkraft, Ausdauer… Landes- und Bündnisverteidigung sowie ein paar Out of Area Einsätze wären für D bei effizienter Ressourcennutzung unter zwei Prozent möglich. Besser darüber diskutieren und relevante Mittel bewilligen, wenn’s akut ist. Z.B. schauffeln sich derzeit noch bestimmte Unternehmen das überall dringend benötigte Geld in die eigene Tasche, weil man im BMVg fleißig zum Outsourcing beraten hat (einhergehend mit dem bereits kritisierten Fähigkeitsverlust). Sobald man bspw. dieses Problem besser im Griff hat, glaub ich nicht das 2% und darüber hinaus nötig wären. Es sei denn man will die globale Interventionsarmee mit Flugzeugträgerverbänden usw. Wenn man das weiter denkt, gibt’s da die üblichen Problemfragen (GG, Personal, Sinn, Wille). OT.
@Sternenflotte sagt: 20.11.2019 um 12:39 Uhr
„2% ist mMn eine politisch gewollter Richwert und zwar völlig losgelöst von mil. Stärke,Schlagkraft, Ausdauer“
1. Es ist in der Tat ein politisch gewollter Richtwert, 2. Sowohl NATO, als auch EU, als auch das BMVg erklären aber auch immer und immer und immer wieder wofür das Geld benötigt wird. Man muss nur zuhören wollen.
@Koffer
Rechnen andere Länder auch die Mieten für die Standorte in den Wehretat mit ein? Wohl eher nicht…
Auch die Alterssicherung und Krankenversorgung ist sehr unterschiedlich. Mal ist es im Etat, mal nicht.
Die NATO überprüft auch nicht im Einzelnen was da gemeldet wird und errechnet daraus eine Natoquote.
Weiterhin prüft die Nato ja auch nicht ob die Waffensysteme, die da gemeldet werden, überhaupt da sind und funktionieren.
Die Ausgaben der USA sehen bei der Natoquote wie aus? Insbesondere die Pazifikflotte, sowohl zu Wasser wie auch in der Luft.
Der Irakkrieg und das Debakel in Syrien sind Teil der Natoquote?
Die Berechnungsgrundlage ist witzlos.
@SvD sagt: 20.11.2019 um 17:06 Uhr
„Rechnen andere Länder auch die Mieten für die Standorte in den Wehretat mit ein? Wohl eher nicht…“
Eine Behauptung die ich weder widerlegen noch bestätigen kann. Ich kann mir vorstellen, dass es bei eher marktorientierten Verbündeten wie den NLD oder GBR durchaus denkbar ist und bei eher „klassisch“ orientierten wie den POL eher weniger.
„Die NATO überprüft auch nicht im Einzelnen was da gemeldet wird und errechnet daraus eine Natoquote.“
Stimmt, die NATO ist ja kein Super-Rechnungshof mit Kontrollrechten ggü. den Mitgliedsstaaten.
„Die Berechnungsgrundlage ist witzlos.“
Irgendwie sollten sich die Kritiker mal entscheiden. Mal wird behauptet es gäbe keine Maßstäbe/Berechnungsgrundlagen. Wenn das widerlegt wird, dann wird behauptet, dass diese schlecht seien. Und wenn man das widerlegen würde, dann würde wahrscheinlich wieder auf das Ausgangsargument zurück gegriffen werden, dass die NATO Quote an sich eine dumme Idee ist.
Ich kann sachliche Kritik ja durchaus akzeptieren und scheue auch den Diskurs nicht, aber manchmal wird mir das hier zu sehr zu einer Glaubensdiskussion :(
Da der Thread in dem es um den Bundeshaushalt 2020 bereits zu ist, hoffe ich es ist in Ordnung hier auf die Sachlage im EPl. 14 hinzuweisen:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/139/1913924.pdf
Besonders interessant ist Seite 157.
Dort wird klar, dass der STH zumindest bis nächstes Jahr ab sofort haushalterisch nicht mehr abgesichert ist.
Koffer sagt:
22.11.2019 um 11:17 Uhr
„Irgendwie sollten sich die Kritiker mal entscheiden. Mal wird behauptet es gäbe keine Maßstäbe/Berechnungsgrundlagen. Wenn das widerlegt wird, dann wird behauptet, dass diese schlecht seien. Und wenn man das widerlegen würde, dann würde wahrscheinlich wieder auf das Ausgangsargument zurück gegriffen werden, dass die NATO Quote an sich eine dumme Idee ist.“
Da braucht sich keiner entscheiden. Das Problem liegt auf Ihrer Seite.
Die 2% sind ein hirnrissiger Maßstab. Darüber hinaus ist die „Berechnungsgrundlage“ genau so tauglich zur Vergleichsrechnung, wie ein Küchensieb zum Wasserschöpfen. Es gibt da halt etwas das seinen Namen nicht verdient. Es gibt keine ordentliche Berechnungsgrundlage und keine Prüfung durch die Nato.
Dieses Humbug gibt es auch jedes Jahr wieder beim OECD Steuervergleich.
@Koffer
„Und auch heute gibt es eine Bedrohungsanalyse und eine für die Bw daraus abgeleitete tragfähigen Rüstung- und Verteidigungsbedarf.“
Könnten Sie diesbezüglich bitte eine Quelle anbieten?
@SvD sagt: 24.11.2019 um 8:39 Uhr
„Da braucht sich keiner entscheiden. Das Problem liegt auf Ihrer Seite.
Die 2% sind ein hirnrissiger Maßstab. Darüber hinaus ist die „Berechnungsgrundlage“ genau so tauglich zur Vergleichsrechnung, wie ein Küchensieb zum Wasserschöpfen.“
Nach diesen „differenzierten“ Aussagen und „sachlichen“ Bewertungen war ich versucht Ihnen nicht mehr zu antworten.
Aber nach längerem überlegen, will ich noch einen Versuch unternehmen.
Das die 2% Marke sowohl inhaltlich als auch methodisch mit gewissen Mängeln behaftet ist, kann amS unwidersprochen stehen bleiben.
Aber der Kern ist ja, dass sie die Mitgliedsstaaten der NATO auf die 2% nicht um ihrer selbst Willen geeinigt haben, sondern als Indiz, als Symbol für die dahinter liegende inhaltlich Verpflichtung.
Alle Staaten stimmen überein, dass sie zur gemeinsamen (!) Verteidigung und Sicherheit einen angemessen Teil beitragen müssen und das bei den meisten Staaten dieser Teil derzeit noch (viel) zu gering ist.
Und damit für die notwendige Steigerung eine „Fairness“-Klausel eingeführt wird, hat man sich für die Wirtschaftskraft als „Benchmark“ entschieden.
Da könnte man jetzt in der Tat einige Kritikpunkte erheben.
Aber da es ja so oder so nicht um die 2% geht, sondern um das dahinterliegende Ziel, wäre das vergebene Liebesmüh. Reine Nebelkerzen.
Was die NATO inhaltlich (!) braucht wird in den entsprechenden Planungsprozessen allianzweit und regelmäßig erhoben, vereinbart und evaluiert. Das Geld ist hierfür nur Mittel zu Zweck.
Und ganz ehrlich: solange DEU so unverschämt geizig ja fast unsolidarisch ist wie jetzt und wir noch SOO weit von einem angemessenen (inhaltlichen-materiellen!) militärischen Beitrag zur Verteidigung entfernt sind wie jetzt (derzeit noch nicht einmal eine mechanisierte Brigade voll einsatzbreit, von den zugesagten 2+1 Division genau zu schweigen), ist eine Kritik an der Systematik der 2% doch reichlich absurd.
@Pete sagt: 24.11.2019 um 10:34 Uhr
[Koffer]“Und auch heute gibt es eine Bedrohungsanalyse und eine für die Bw daraus abgeleitete tragfähigen Rüstung- und Verteidigungsbedarf.“
[Pete]“Könnten Sie diesbezüglich bitte eine Quelle anbieten?“
Seufz, hatten wir das nicht schon (mehrfach)? Üblicherweise gibt glaube @Memoria hierauf die Antwort…
In Kurzform (und für Ergänzung durch @Memoria und andere ausdrücklich offen, denn das ist nicht mein Fachgebiet):
Auf NATO Ebene ist eines der hierfür einschlägigen Instrumente der Defence Planning Process (NDPP).
Hier wird der Bedarf identifiziert und allianzweit abgeglichen. Hier wird außerdem identizifiert welche Nationen wie zum Gesamtpaket beitragen können und wer daher wo noch welchen Handlungsbedarf hat.
Dieser Prozess wird in einem vier-Jahres-Zyklus aktualisiert.
Darauf aufbauend und synchronisiert überführt DEU dann seine Einmeldungen/Aufgabenpakete in ein nationales Fähigkeitsprofil, welches das ganze für die Bundeswehr umsetzt.
Die direkten Zuwendungen an die Nato werden nicht am Bruttoinlandsprodukt, sondern dem Bruttonationaleinkommen (alt: Bruttosozialprodukt) festgemacht.
Die Unterscheidung ist schon recht seltsam. Das Bruttonationaleinkommen koppelt Teile der Wirtschaft von der Berechnung ab, nämlich jene die ausländischen Firmen/Investoren gehören. Also jene wo der Gewinn gen Ausland verschwindet. Es inkludiert aber auch Einkünfte von Inländern, die im Ausland erzielt wurden.
Beides berücksichtigt keine größeren wirtschaftlichen Auf- oder Abschwünge.
In Griechenland ist alles super, bei uns ist alles schlecht. Logisch, ne?
Unser Problem liegt dabei eher in Fehlplanung, Verschwendung und Klüngelei.
Der Puma ist nicht der beste Schützenpanzer der Welt, er will Wunderwaffe sein. Historisch betrachtet schlagen sich diese im Einsatz nicht so besonders gut. Und er versagt ja schon jetzt, im Frieden. Die enormen Entwicklungs- und Beschaffungskosten fressen sich tief ins Budget. Damit kannibalisieren sie eben andere Projekte. Dann wären da noch so andere Katastrophen. Die Gorch Fock, die sinnlose Bestellung von zehntausenden neuer Laptops, für die es eh kein W-Lan oder andere Zugriffspunkte im Intranet gibt, die schrottreife PARS 3 für den TIger usw.
Niemand zwingt das Ministerium zu dieser Geldverbrennung. Dazu verursachen viele dieser Fehlentscheidungen weitere Kosten, wie bei PARS 3 und Puma.
Für die Bundeswehr entwickeltes Material ist mittlerweile quasi unverkäuflich auf dem Weltmarkt. Es ist halt im Elfenbeinturm ersonnen worden und für andere Länder unbezahlbar. Das treibt auch unsere Kosten für Instandhaltung und Modernisierung nach oben.
Wenn man obendrein noch Milliarden für Miete und ausgelagerte Dienstleistungen zahlt, ist es kein Wunder das nicht mehr genug Geld zur Verfügung steht.
2% von irgendwas hat nichts mit Verantwortung oder Solidarität zu tun. Mehr Geldverschwendung bringt uns eben auch Richtung 2%, hilft aber nicht viel.
Da eine Aufarbeitung bei Puma und Co ausbleibt, ist davon auszugehen das es, mit mehr Geld, munter so weitergehen würde.
@Koffer | Pete
Seufz trifft es, denn tatsächlich ernüchternd, wie hier bestimmte Fakten im Bereich SiPo, NATO und Einsatz im Quartalsrhythmus ignoriert werden.
Immer vorn dabei eben die Streitkräfteplanung, aber auch stets gern genommen, 2% Zielsetzung, Einsatz bei CJTFOIR vs Völkerrecht/UN Resolution 2409, R2P.
„The aim of the NATO Defence Planning Process (NDPP) is to provide a framework within which national and Alliance defence planning activities can be harmonised to enable Allies to provide the required forces and capabilities in the most effective way“.
https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_49202.htm
„Völkerrechtlich bindend werden diese erst durch ihre Annahme bei dem jeweils dem Abstimmungsprozess folgenden NATO-Verteidigungsministertreffen“. BT 27/13 aus 2013
Bevor man noch mehr Steuergelder in politische Ideen presst, die am Ende keinen substanziellen militärischen bzw. verteidigunspolitischen Mehrwert schaffen, sollte man gewiss wie Sie(@Koffer) sagen „inhaltlich-materielle“ Probleme beheben, ohne das man zunächst über den willkürlichen Richtwert der 2% reden muss. Bei unseren Verbündeten in F & GB sieht es meines Wissens nach ähnlich so aus; Welche Kompetenzen sollen in der Hand der Streitkräfte liegen und welche in der Privatwirtschaft (Instansetzung, Logistik,..) ? Welche Strukturen sind nötig um Einsatzbereitschaft und Klarstand sicherzustellen…? Aus diesen und weiteren ungelösten Fragen und teils miserablen Entscheidung blicken wir leider auf den heutigen Ist-Zustand unserer Streitkräfte. Das MUSS kritisch reflektiert werden!
(@T.W. ich akzeptiere die geltenden Anstandsregeln und möchte nur mit einem letzten Statement auf den letzten Kommentar eingehen. Bitte um Verständnis, weil vllt OT)
Gleichzeitig würde ich gerne wissen, weshalb sich Deutschland unsolidarisch zeige und vor allem wem gegebüber ? Militärisch wird auf Bündnisebenen mMn gut kooperiert und das spricht für Solidarität. Politisch v.a. geopolitisch siehts da doch logischer Weise anders aus, weil die USA, GB, FR und und und alle unterschiedliche Interessen vertreten. Bevor man sich politisch mit irgendjemand solidarisiert (ich gebe das aus, was du forderst), muss man vorher wissen welche Argumente und welche damit verbunden Ziele vertreten werden. Wenn bestimmte Staaten andere Staaten in ihre Bündnis- und Geoploitik miteinbeziehen, um ihre EIGENEN Interessen durchzusetzen, aber gleichzeit sich nicht solidarisch bzw. diplomazisch zeigen, warum sollte man sich dann engagieren? Dieses Gefühl führt zum Vertrauensverlust: einige Deutsche gegenüber den Amerikanern, Franzosen gegenüber der Nato, Polen und Balten gegenüber der D, F und GB. Die Kritik ist in erster Linie berechtigt, aber wichtig ist welches Ziel/ Konsequenzen ziehen wir daraus?! Was ist wichtig und wo liegen die Gemeinsamkeiten? Letztere Frage ist v.a. relevant, weil wir alleine gar nichts erreichen werden. Diese inhaltlichen Baustellen müssen politisch und diplomatisch aufgearbeitet werden (v.a. innerhalb Europas) und darauf kann man durchaus solide Verteidigungspolitik aufbauen und nicht umgekehrt!
@ Klaus-Peter Kaikowsky@Koffer
„@Koffer | Pete
Seufz trifft es, denn tatsächlich ernüchternd, wie hier bestimmte Fakten im Bereich SiPo, NATO und Einsatz im Quartalsrhythmus ignoriert werden.“
– Ein „Seufz“ auch von mir. Ich habe nicht über „SiPo, NATO und Einsatz im Quartalsrhythmus“ geschrieben, sondern ich habe nach einer Quelle für die konkrete BEDROHUNGSANALYSE gefragt, die Grundlage für die Planungen der Bundeswehr ist.
– Auf diese sehr konkrete Frage nach einer Quelle in der ich die BEDROHUNGSANALYSE nachlesen kann, wird regelmäßig garnicht erst eingangen, sondern ausgewichen auf andere Schauplätze.
– Eine BEDROHUNGSANALYSE ist etwas Anderes als der NDPP, der mir bekannt ist.
– Um besser zu verdeutlichen, was ich konkret meine:
Wenn man das Weißbuch von 2016 mit dem von 1983 vergleicht, dann wird man genau auf dieses Defizit stoßen. Das Weißbuch 2016 geht garnicht erst auf eine Bedrohungsanalyse ein, sondern beschreibt Auftrag, Aufgaben und Fähigkeiten der Bundeswehr ohne eine zu Grunde liegende tatatsächliche oder potenzielle Bedrohungsanalyse als Begründung heranzuziehen. Das ist in den Weißbüchern vor 1990 anders gewesen. Dort wird dezidiert auf die Fähigkeiten und Absichten des Warschauer Paktes eingegangen und und danach, als „Ableitung“ daraus, das zur Abschreckung erforderliche Fähigkeitsprofil beschrieben und danach wird der deutsche Beitrag für das Bündnis beschrieben. Dies war eine logische und nachvollziehbare Vorgehensweise, die über das Weißbuch dem Bürger verdeutlicht wurde.
Man kann das jetzt als „kleinkariert“ abtun, oder als nicht mehr erforderlich. Gut, dann plant man eben Abschreckung/Verteidigung nicht vor dem Hintergrund einer REALEN Bedrohungslage, sondern vor dem Hintergrund des gewünschten Fähigkeitsprofils. Einverstanden! Das Ergebnis ist Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit. Mal ein paar Korvetten mehr, mal ein paar Panzer mehr so wie es gerade die Tageslaune hergibt.
Der Unterschied zwischen den Weißbüchern aus dem Kalten Krieges und denen danach wird bereits im Titel deutlich:
Bis 1994 hieß es „Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland…“
2006 hieß es „Zur Sicherheitspolitik Deutschland…“ und 2016 „Zur Sicherheitspolitik…“
Der Unterschied liegt auf der Hand. „Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland…“ beschreibt einen Zustand, eine Lage, das ist das, was ich „Bedrohungsanalyse“ genannt habe.
„Zur Sicherheitspolitik…“ beschreibt einen Weg, den man gehen möchte, aber nicht die Lagesfestestellung. In 2016 hat man dann sogar bei der Begrifflichkeit „Zur Sicherheitspolitik…“ den Bezug zu Deutschland nicht mehr hergestellt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fbuch_(Bundeswehr)
Damit will ich es auch bewenden lassen. Ein weiteres „Seufz“ in klassischer Twitter-Kommunikation möchte ich mir ersparen ;-))
@Sternenflotte sagt: 24.11.2019 um 14:58 Uhr
„Gleichzeitig würde ich gerne wissen, weshalb sich Deutschland unsolidarisch zeige und vor allem wem gegebüber ?“
Gegenüber den Nationen in der Allianz, die ihrer Verpflichtung für die gemeinsame Verteidigung besser nachkommen als wir.
Ich nenne hier mal beispielsweise EST, HRV, LVA, NOR, LTU, POL, ROU, SVK.
@Pete
Dann nehmen Sie die VPR, ansonsten gibt’s öffentlich nichts, und sofern das Ihnen nicht genügt, dann hilft nur ISSO.
Eingestuftes soll’s ja geben, leben wir damit.
@Pete sagt: 24.11.2019 um 15:50 Uhr
„Auf diese sehr konkrete Frage nach einer Quelle in der ich die BEDROHUNGSANALYSE nachlesen kann, wird regelmäßig garnicht erst eingangen, sondern ausgewichen auf andere Schauplätze.“
Ich denke nicht, dass dieser Vorwurf gerechtfertigt ist. Nur weil die Antworten nicht in Ihrem Sinne sind, sind sie deswegen nicht weniger valide.
Basis des NDPP ist die Frage nach dem „WAS“ müssen wir leisten. Dieses was könnte nicht beantwortet werden, wenn nicht auch ein „WOFÜR“ (bzw. wogegen) mit im Raume stünde. Natürlich sind die Details einer Verteidigungsstrategie nicht veröffentlichungsfähig, aber jeder der Lesen und Wahrnehmen möchte, weiss ja um was bzw. um wen es geht.
Über diese konkreten und benennbaren Bedrohungen hinaus müssen Streitkräfteplanungen (eben weil sie so langfristig sind und wirken) auch grundsätzliche Erwägungen mit Einbeziehen. Wie bei jeder guten Versicherung ist neben dem konkreten Risiko auch immer eine Absicherung gegen ein abstraktes Risiko geboten.
@ Koffer
„Natürlich sind die Details einer Verteidigungsstrategie nicht veröffentlichungsfähig, aber jeder der Lesen und Wahrnehmen möchte, weiss ja um was bzw. um wen es geht.“
Wie so oft schreiben Sie an der Fragestellung vorbei.
Vielleicht haben Sie ja noch nie eine Bedrohungsanalyse gelesen und wissen gar nicht was ich damit meine.
Lassen wir es dabei
MfG
@Pete:
Ihre wiederholte These es gebe keine Bedrohungsanalyse ist nunmal schwer zu widerlegen, da entsprechende Dokumente der NATO (insbesondere von SHAPE) sehr hoch eingestuft sind.
Ich gebe Ihnen aber insoweit Recht, dass es hierüber zu wenig Diskussionen gibt.
Dies ist aus meiner Sicht vorallem auf verschiedene Perzeptionen (insbesondere seit der NATO-Osterweiterung) von Risiken, Gefahren und Bedrohungen in den Mitgliedstaaten gibt. Deutschland positioniert sich dabei auch sehr oft sehr unscharf.
Der NDPP ist jedoch nicht der Ausgangspunkt, sondern der Endpunkt von konsensualer Bedrohungsanalyse, Definition von Fähigkeiten und der Lastenverteilung im Bündnis.
Dieser Konsens wird von Deutschland in der Umsetzung (!) nicht mitgetragen.
Das wird sie vermutlich erneut nicht überzeugen, ihre Sichtweise es gebe gar keine Bedrohungsanalyse ist aus meiner Sicht jedoch unzutreffend. Antworten hierauf finden sich in der von Ihnen erwarteten Klarheit auch auch nicht im Weißbuch. Dort ist man immer bemüht möglichst abstrakt zu sein. Darauf achten insbesondere das AA und das BMF.
Daraus abzuleiten man müsse die NATO-Planung national (!) nicht umsetzen ist aus meiner Sicht nicht überzeugend.
@Memoria sagt: 24.11.2019 um 20:44 Uhr
„Ihre wiederholte These es gebe keine Bedrohungsanalyse ist nunmal schwer zu widerlegen, da entsprechende Dokumente der NATO (insbesondere von SHAPE) sehr hoch eingestuft sind.“
+1
„Der NDPP ist jedoch nicht der Ausgangspunkt, sondern der Endpunkt von konsensualer Bedrohungsanalyse, Definition von Fähigkeiten und der Lastenverteilung im Bündnis.“
Danke für diese Klarstellung/Ergänzung.
@Memoria
„Das wird sie vermutlich erneut nicht überzeugen, ihre Sichtweise es gebe gar keine Bedrohungsanalyse ist aus meiner Sicht jedoch unzutreffend.“
– Danke, dass Sie die Erwiderung von @ Koffer ergänzt haben. Eine Quelle (einen Link) bieten Sie mir allerdings auch nicht an.
– Sehen Sie ich habe mich viele Jahre mit der Analyse von Bedrohungen beschäftigt. Ich weiß sehr genau wovon ich rede. Selbstverständlich gibt es immer Analysen von „NfD“ bis „Streng Geheim“ bzw. „Restricted“ bis „Cosmic Top Secret“. Das ist doch gesunder Menschenverstand. Das war auch im Kalten Krieg so. Deswegen habe ich ja das sehr konkrete Beispiel der Weißbücher des Kalten Krieges gebracht welches den BürgerInnen zur Verfügung gestellt wurde.
– Es war damals im Interesse der westlichen Regierungen – auch wegen der teilweise kritischen Einstellung der Öffentlichkeit im Westen- auch auf der Ebene „Offen“ den BürgerInnen eine grobe „Bedrohungsanalyse“ der Absichten und Fähigkeiten des Warschauer Paktes anzubieten. Das ist es was ich heute vermisse. Es bleibt bei Allgemeinplätzen, die keine wirkliche Analyse darstellen. Daher komme ich zu der Schlußfolgerung: es gibt keine Erkenntnisse, dass Russland fähig und willes ist die NATO anzugreifen. Dass Russland grundsätzlich ein „potenzieller Gegner“ auf Grund seiner Fähigkeiten ist steht auf einem anderen Blatt. Genauso ist aber auch die NATO in der russischen Perzeption auf Grund ihrer Fähigkeiten ein „potenzieller Gegner“. Wer dies nicht ganz nüchtern und professionell feststellen kann, der bleibt in einem rein emotionalen Narrativ von „gut und böse“ verhaftet. Das hilft aber nicht bei der Konfliktverhinderung.
„Ich gebe Ihnen aber insoweit Recht, dass es hierüber zu wenig Diskussionen gibt.“
Danke, genau das wollte ich ausdrücken. Es ist höchste Zeit dafür!
„Antworten hierauf finden sich in der von Ihnen erwarteten Klarheit auch auch nicht im Weißbuch.“
Stimmt! Und genau das kritisiere ich! Da würde es nämlich reingehören! Das erfordert aber substanzielle Grundlagenarbeit und ist etwas ganz Anderes als das übliche oberflächliche „Geschwätz“.