Die neuen NATO-Zahlen: Mickrig ohne die USA – und pro Kopf Deutschland im Mittelfeld
Die NATO hat ihr jährliches Zahlenwerk zu den Verteidigungsausgaben ihrer Mitgliedsländer vorgelegt. Insgesamt wenig überraschend, vor allem im Hinblick auf die Erfüllung der laut Vereinbarung von allen Bündnispartnern angestrebten NATO-Quote von zwei Prozent hat sich wenig verändert.
Zwei Aussagen in der am (heutigen) Freitag veröffentlicht Übersicht Defence Expenditure of NATO Countries (2013-2019) sind mir allerdings aufgefallen; neben den in den vergangenen fünf Jahren sichtbaren Steigerungen.
Zum einen: Wer noch mal die Frage stellen möchte, wie die NATO ohne die USA aussähe, braucht nur einen Blick auf die Grafik oben zu werfen. Der Abstand zwischen dem größen Mitglied der Allianz und dem Rest ist so brutal, dass eine Debatte über das Bündnis ohne die USA keine Debatte ist, sondern nur das Feststellen von Fakten – und daran wird sich, egal wie die politischen Diskussionen laufen, kaum etwas ändern.
Zum anderen: Ein Maßstab, der sich in der Debatte über Verteidigungsausgaben selten findet, aber in der Übersicht auch dokumentiert ist, sind die Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung.
Und da fällt auf: Selbst wenn man die USA mit ihren abnorm hohen Militärausgaben außen vor lässt, liegt Deutschland gerade mal am unteren Rand des oberen Feldes. Die (öl)reichen Norweger nehmen den Spitzenplatz ein und fallen vielleicht auch aus der Systematik raus – aber mit den umgerechnet 597 US-Dollar pro Kopf 2019 liegt die Bundesrepublik hinter Großbritannien und Frankreich, aber auch hinter Dänemark und den Niederlanden. Es geht also keineswegs allein um wirtschaftliche Leistungskraft.
Eine andere Statistik in dem NATO-Tabellenwerk muss man sich noch mal näher auf ihre Aussagekraft anschauen: die europäischen Allianzmitglieder plus Kanada geben danach, in bereinigten Zahlen auf dem Stand von 2015, im Jahr 2019 etwa so viel für ihre Verteidigung aus wie 1989. Allerdings: Damals war die NATO deutlich kleiner – und alle die heutigen osteuropäischen Mitglieder standen auf der anderen Seite.
Die reine Diskussion um die Höhe der Ausgaben greift zu kurz. Die Höhe der Ausgaben sollte an der Höhe der erforderlichen Mittel gespiegelt werden. Zu den erforderlichen Mitteln war in den vergangen wenig zu erfahren. Die liegt sicher darin begründet, dass die NATO Mitglieder ein unterschiedliches Verständnis zur Bedrohung und zur Höhe des Risikos haben. Polen, da wenig Vertrauen zur NATO hat, möchte ein Fort Trump. Die Türkei, die wesentliche Waffenlieferungen nicht mehr aus den USA (F-35 und Patriot) erhalten, während gleichzeitig Wirtschaftssanktionen das Land schwächen, weichen auf Russland als Lieferanten aus.
Die USA verfolgen mit ihrem großen Militärhaushalt globale wirtschaftliche Ziele außerhalb des NATO Bündnisgebiets. Die seit Jahrzehnten fehlende politische Abstimmung in der ursprünglich politischen Allianz NATO macht sie obsolet und brain-dead. Daher ist aus meiner Sicht auch die Diskussion über die Ausgaben obsolet und brain-less.
Wir haben mit der EU und der zukünftigen EU27 eine einheitlichen Wirtschaftsraum, mit einheitlicher Gesetzgebung, einheitlicher Rechtsprechung, einheitlichen Organen für die innere Sicherheit und gemeinsamer Währung. Nun ist es an der Zeit, Außenpolitik und deren Durchsetzung, Grenzschutz und Verteidigung, in Brüssel zu konsolidieren. Hier liegt eine große Aufgabe vor der neuen Kommission. Die Summe der bisherigen nationalen Ausgaben sollte sicher ausreichend sein, die territoriale Integrität der EU27 sicherzustellen. In wie weit dann noch Kräfte der USA, ob bilateral EU27-USA oder im organisatorischen NATO Rahmen einzubinden sind, hängt sicher auch davon ab, in wie weit die USA ihren Wirtschaftskrieg gegen die EU ausweiten oder reduzieren.
@second thougt:
Wenn Sie mit Mitteln die notwendigen Fähigkeiten meinen, dann gibt es eine entsprechende Planung der NATO.
Siehe hier weiter oben und bereits in einigen weiteren Diskussionen:
https://augengeradeaus.net/2019/04/sicherheitshalber-der-podcast-folge-11-nato-geburtstag-und-bundeswehr-werbung/
Eine Europäisierung der Verteidigung wäre das Ende der nationalen Souveränität. Kurz- und mittelfristig eine Illusion. Insbesondere bei unseren westlichen und östlichen Nachbarn.
@Edelweiß
Es geht hier nicht um die Frage was attraktiv ist, sondern welche tatsächlichen Verteidigungsleistungen in das NATO 2% Ziel eingerechnet werden.
Und leider sind viele NATO-Staaten recht kreativ, wenn es darum geht, die 2% zu erfüllen.
Im Bereich der Verbesserung der Fähigkeiten der NATO und einer anderen Lastenverteilung gilt ja die NATO Readiness Initiative (adapted NRF ab 2020) als wesentlicher Gradmesser – auch wegen der teilweise schiefen 2%-Debatte.
Bei NRI ist man vor dem Jubiläumsgipfel in London deutlich voran gekommen, jedoch noch nicht ganz am Ziel („Nato fehlen noch immer Einheiten für «Readiness Initiative», dpa, online verfügbar).
Die deutschen Beiträge sind erheblich, wie realistisch diese mit Blick auf die geforderten Bereitschaftsgrade sind bleibt abzuwarten.
@ Pete
Für ihre Propaganda bezüglich Rüstungsausgaben vs. Bildungsausgaben sollten sie wirklich von Putin einen Klaps auf die Finger bekommen. Nur damit es mal richtig gestellt wurde: 2018 wurden etwa 139 MRD € entsprechend 3,9% des BIP, das ist das dreifache von dem Geld das wir für die Rüstung ausgeben.
@all
Ich bin immer wieder begeistert über Diskussionen hier. Da werden die 2% als an den Haaren herbeigezogen, deklariert und Planungen gefordert. Da diese nicht wirklich mit einer Bildzeitungsüberschrift darstellbar sind, werden sie geflissentlich ignoriert.
Gerne wird auch in Abrede gestellt, dass 3 BW Divisionen für irgendwas nützlich sein könnten.
Dazu zwei geschichtliche Beispiele:
1. Der kalte Krieg, da hat die Abschreckung so gut funktioniert das wir in der längsten Friedensperiode überhaupt leben.
2. Im Krim Krieg gab es ernsthafte Absichten Russlands die Donau Fürstentümer zu besetzen. Österreich-Ungarn hat dies abgelehnt und zur Bekräftigung Militärmanover abgehalten. Daraufhin wurden die russischen Pläne auf Eis gelegt. Gleichzeitig gab englische Überlegungen mit der RN Landungen in der Ostsee durchzuführen um St. Petersburg anzugreifen, diese wurden nach preußischen Protesten nicht ernsthaft weiter verfolgt.
Hätten europäische Truppen, nach Hinweisen aus London, Paris und Berlin an Moskau ähnliche Manöver an der ukrainischen Grenze durchgeführt, wäre der Krieg sehr schnell zu Ende gewesen.
Hat man nicht, weil man nicht konnte. Deshalb gibt es nur Verträge an die sich niemand hält.
Ähnlich verhält es sich im Baltikum, solange Putin glaubt wir würden Esten, Letten und Litauer ernsthaft verteidigen, wird er sie nicht angreifen.
Das vergessen einige hier immer wieder.
[Ich sag’s jetzt noch einmal und dann nicht mehr: Persönliche Anwürfe sind hier nicht Stil der Debatte, das nächste Mal wird’s ein Rauswurf. T.W.]
Wäre eine Teilnahme nicht eine gute Gelegenheit, die F 125 „einzufahren“ und zur Vorbereitung auf eine mögliche, angedachte Fahrt in die südchinesische See?
@Me, myself and I
Falscher Faden, gehört zur „Marinemission“. Wobei: die EU hat ja selbst militärische Strukturen und führt Missionen durch und hat auch einen entsprechenden Anspruch (EUBG, PESCO, E2I).
Ich könnte mir gut vorstellen, eFP unter dem Schirm der EU durchzuführen. Allein, insbesondere die Polen trauen da der EU nicht (wurde bereits angesprochen) und wollen die USA im Boot haben.
Frage: kann man die EU als System kollektiver Sicherheit klassifizieren? Es gibt im EU Vertrag ja eine Beistandsklausel.
https://www.csis.org/analysis/natos-brain-death-burdensharing-blunders-focusing-right-investment-force-strength-and
@T.W.
– Vielen Dank für den Link zu dem obigen Report. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen und ganz viele meiner eigenen Argumente – die hier so häufig als unsachlich angegriffen wurden – wiedergefunden. Einige Zitate aus dem Bericht:
„…NATO is now caught up at the ministerial level in meaningless burden sharing exercises that do not serve its security interests, and that are mathematically and functionally ridiculous…“
„…NATO’s current burden sharing goals totally ignore military needs and effectiveness, and merely call for spending 2% of GDP on total defense spending levels,…“
„…in actual practice, NATO –as well as NATO Europe alone –arealready spending far more on militaryforces than Russia, and NATO’s problems are shaped far more by the wasteful difference and lack of coordination in what member statesbuy than by a lack of funding…“
Die Schlußfolgerung fasst den Unsinn des 2-Prozentziels der NATO sehr schön zusammen:
„…Spending more should not be the priority. Spending wisely should be. Accordingly, the report highlights the need for a new NATO Force planning exercise that examines how NATO country spending compares to that of Russia, and that asks why NATO spends so much more than Russia…“
Nochmals Danke für diesen Link!
@Memoria Die Idee der nationalen Souveränität der EU Staaten ist ein alter Glaube, der nicht mehr die heutige Realität widerspiegelt. Wesentliche Gesetze werden vom EU Parlament beschlossen, die dann nur noch in nationales Recht übertragen werden. Der Handel wird komplett und höchst erfolgreich von der EU strukturiert. Die höchste Gerichtsbarkeit ist auf EU-Ebene angesiedelt. Wesentliche Regulierungen in der Luftfahrt, im Finanzsektor, im Gesundheitsbereich, etc. erfolgen durch die EU. Die primären Elemente des Staatswesens, welche noch nicht in Brüssel konsolidiert sind, sind Budget – wo es erste positive Ansätze gibt – sowie Außen- und Sicherheitspolitik. Diese Bereiche sowie strategische Sicherheit nehmen jedoch erfreulich an Fahrt auf; Deutschland macht hier keine Ausnahme, auch wenn sich die Politik mit großen öffentlichen Grand Strategy Erklärungen zurückhält.
Also – hinsichtlich der nationalen Souveränität: Let’s face reality as it is and not as we thought it might be. Wir sind Europäer in noch nationalstattlicher Verwaltung des letzten Jahrhunderts.
Pete sagt:
01.12.2019 um 10:44 Uhr
“ Wenn Russland das wirklich wollte, könnte es die Baltischen Staaten innerhalb von 24 Stunden militärisch besetzen. Und dann? Was macht die NATO? Die russischen Truppen in den Baltischen Staaten angreifen und vernichten und damit die Bevölkerung dieser Staaten auch? Oder was sonst?“
In 24 Stunden? Das geht nur bei einem gigantischen Truppenaufmarsch. Der sollte hoffentlich auffallen.
„Es ist schlicht unmöglich die geografisch kleinen Baltischen Staaten soweit aufzurüsten, dass sie sich gegen eine russische militärische Besetzung mit Truppen auf ihrem Territorium erfolgreich zur Wehr setzen könnten. Deswegen ist ABSCHRECKUNG das einzige Mittel, welches erfolgreich sein kann. Und das ist der Grund warum die Baltischen Staaten in die NATO aufgenommen wurden und nun unter dem Artikel V eine Sicherheit erhalten haben, die sie vorher nicht hatten.“
Ich sag nur Vietnam, Afghanistan, Irak usw. Das kann extrem unangenehm werden.
Man kann da für beide Fälle vorbeugen, man muss es nur wollen. Entsprechende Planungen und Beschaffungsinitiativen wären mehr wert als die bescheuerte 2% Diskussion.
@SvD
Luftlandung geht auch, es müssen ggf. auch nur strategisch wichtige Punkte besetzt werden. Und ein Ausfall aus Kaliningrad wäre ebenfalls möglich. Zur Zeit ist das aber abwegig („highly unlikely“).
@Thomas Melber
Wieviel Dutzend „strategisch wichtige Punkte“ zwischen Brest-Litowsk und Berlin mit zugehöriger, erforderlicher Entsatzfähigkeit durch Bodentruppe vermuten Sie?
Wesentlich in der Oblast sind der Stützpunkt der Ostsee-Flotte und mit JaBo, Kampf-Hubschraubern ausgestattete Fliegerkräfte, daneben vermutlich GRUSpeznas sowie Landstreitkräfte. Diese Kräfte erfüllen a) eine strategische Funktion (Mar/Lw) und b) eine operative zur Bindung von Kräften in Nord-Polen und Litauen, zu mehr sind sie nicht befähigt.
@SvD
„Ich sag nur Vietnam, Afghanistan, Irak usw. Das kann extrem unangenehm werden.“
Den Zusammenhang mit dem, was ich geschrieben habe, habe ich nicht verstanden. Was wollten Sie damit ausdrücken?
Aus russischer Sicht ist Kaliningrad in Bezug auf das Baltikum sowohl Vor- als auch Nachteil. Im Falle einer (teilweise) missglückten Operation werden in Kaliningrad keine russischen Soldaten mehr stationiert sein, egal ob als demilitatisiertes russisches Gebiet, Protektorat der UN oder Bestandteil von Polen.
Das wird im Kreml sicher mit einkalkuliert.
@Pete:
Er meinte damit, dass selbst militärisch materiell unterlegene Gegner ziemlich effektiv Widerstand leisten können.
Voraussetzung dafür ist natürlich ein entsprechendes politisches und gesellschaftliches Durchsetzungsvermögen bzw. der Wille, sich auch mit Verlusten weiter zu verteidigen.
@Thomas Melber
Dafür müssten eine Menge IL-76 und An-124 eine massive Landungsoperation durchführen. Auch wenn die Russen Artillerie und Mörserfahrzeuge, sowie sehr leichte Schützenpanzer (eher IFV/Waffenträger mit Ketten) und Panzerjäger haben, wird das wohl kaum so einfach werden.
Wie man mit so leichten Kräften „strategisch wichtige Punkte“ halten will erschließt sich mir nicht. Auch nicht, was das für Punkte seien sollen.
Die Truppen in Kaliningrad sichern die Südfront von Kaliningrad und die Suwalki-Lücke (60 km Breite).
Die 6. Armee des Militärbezirk West (St. Petersburg) geht Richtung Estland (160 km bis zur Grenze) und danach nach Süden.
Zur gleichen Zeit wird die 1. Gardepanzerarmee (Moskau) Richtung Westen geschickt. Ankunft weniger als 24 Stunden an der Grenze Russland/Lettland (600 km Entfernung).
76. Garde-Luftsturm-Division aus Pskov (50 km zur Estland/Lettland/Russland Grenze) unterstützt eigene Kräfte.
Weißrussland sichert seine Westgrenze (Polen) und Südgrenze (Ukraine).
Litauen: 10.000 Heeresstreitkräfte (davon die Hälfte in Freiwilligenverbänden)
Lettland: 4300 Heeresstreitkräfte
Estland: 3000 Heeresstreitkräfte (+ 2000 Wehrpflichtige)
Die Luftstreitkräfte und Marineeinheiten in diesem Bereich sind nicht der Rede wert, daher erspare ich mir das.
Die NATO Battlegroups stellen zwar militärisch kein Problem dar, aber wenn diese geschlagen werden, hat man natürlich die NATO und Europa gegen sich (sind ja sehr viele Staaten beteiligt).
Dann würde Europa sich langfristig mehr von Russland abwenden (Erdgas, Rohstoffe) und den USA/Kanada hinwenden (Flüssiggas, Rohstoffe).
Das Baltikum würde dann die nächsten Jahrzehnte wie die Krim/Ostukraine werden und die Grenze Suwalki/Kaliningrad wie die Grenze BRD/DDR oder Südkorea/Nordkorea.
Nach und nach verliert Russland aber einen wichtigen Handelspartner und damit auch Einnahmen und das nicht zu knapp.
Da das Baltikum nichts von Interesse hat (keine Rohstoffe, geringer Binnenmarkt, wenig Landfläche) wird Russland das aber nicht machen, da es die Mühen nicht wert sind und man am Ende mehr verliert als gewinnt.
@Fussgaenger
„@Pete:
Er meinte damit, dass selbst militärisch materiell unterlegene Gegner ziemlich effektiv Widerstand leisten können.
Voraussetzung dafür ist natürlich ein entsprechendes politisches und gesellschaftliches Durchsetzungsvermögen bzw. der Wille, sich auch mit Verlusten weiter zu verteidigen.“
Vielen Dank für den Hinweis!
@Luftikus
„Da das Baltikum nichts von Interesse hat (keine Rohstoffe, geringer Binnenmarkt, wenig Landfläche) wird Russland das aber nicht machen, da es die Mühen nicht wert sind und man am Ende mehr verliert als gewinnt.“
– Ich stimme Ihnen zu.
@Pete:
Die CDs-Studie ist durchaus interessant und stellt aus meiner Sicht zu Recht die Logik des 2%-Zieles in Frage. Das wurde ja oft genug diskutiert, dies ist natürlich ein abstraktes politisches Ziel oder auch nur ein grober Anhalt.
Was jedoch nicht betrachtet wird ist die bisherige Funktionsweise der NATO-Planungsziele anhand von Fähigkeiten im NDPP. Cordesman argumentierte auch bei seinen Afghanistan-Studien meist mit rein quantitativen Daten.
Was insgesamt fehlt ist eine gemeinsame Analyse und Gewichtung der Gefahren, Risiken und Bedrohungen aller Mitglieder. Das längere Zitat von Macron zeigt das ja recht deutlich.
Eigentlich müsste hierfür das strategische Konzept der NATO neu gefasst werden.
Da wagt man sich wohl auch in London nicht heran – da damit die tiefen Unterschiede noch offensichtlicher werden.
Die angedachte Kommission bzw Rat der Weisen könnte ja vielleicht einen neuen Harmel-Bericht erstellen. Ich habe da aber wenig Hoffnung, da wir eben heute eine allein aus geostrategischen Gründen deutlich unterschiedliche Perzeption in den einzelnen Mitgliedsstaaten haben als im kalten Krieg.
Gleichzeitig bleibt die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr weiterhin unzureichend.
Die geplanten Schritte zum Erhalt oder der Wiedererlangung von elementaren Fähigkeiten bis zu einem neuen Konsens in der NATO die nächsten 5 Jahre oder mehr zurück zustellen wäre aus meiner Sicht der falsche Weg.
Mir fehlen auch wirklich mutige konzeptionelle Vorschläge Deutschlands zu einer Weiterentwicklung der Abschreckungsfunktion der NATO – anhand eines aktuellen und absehbaren Kriegsbildes.
Dazu fehlt insbesondere der aktuellen Regierung der Mut. 40 Jahre nach dem Impuls von Helmut Schmidt zum NATO-Doppelbeschluss.
Präsident Trump wiederum sprach erneut bei der heutigen Pressekonferenz mit dem Generalsekretär Stoltenberg viel über die 2% und Deutschland und hält eher 4% für angebracht:
„Q And would you want to see —
PRESIDENT TRUMP: You’re talking about numbers that are astronomical. And yet, you still have many delinquent — you know, I call them “delinquent” when they’re not paid up in full.
And then, I asked the other question: When they don’t pay up in full, what happens to the past year? So let’s say Germany is at 1 percent and they stay at 1 percent and another 1. Well, does that mean it disappears over the last five years or if they haven’t paid? You know, nobody has ever asked that question.
It’s not a bad question for you to be asking. Because, you know, it’s not like, “Oh, gee. Let’s start a brand-new year.” A lot of countries haven’t paid. And you could make the case that they haven’t paid. They’re, really, delinquent for 25, 30 years. And then you add all that up, and NATO is a very rich system. You know that, right?
So, you know, they haven’t chosen to go that way. But when Germany is at 1 to 1.2 percent, and when they don’t pay up to the 2 — and, let me tell you, the 2 is a very low number. You know, it really should be 4. It shouldn’t be 2; it should be 4. But that’s the way it is.“
https://www.whitehouse.gov/briefings-statements/remarks-president-trump-nato-secretary-general-stoltenberg-11-meeting-london-united-kingdom/
Er scheint weiterhin nicht zu verstehen, dass es sich nicht um eine Art Mitgliedsbeitrag in der NATO handelt.
Interessanter finde ich weiterhin die nun anstehende Umsetzung der NATO Readiness Initiative. Da hat Deutschland zugesagt zu liefern, nur ist – zumindest mir – nicht ganz klar wie dies funktionieren soll. Ab 2022 muss dann parallel sogar VJTF und NRI sichergestellt werden, wobei die VJTF ja schon erneut ein Kraftakt wird – bei stagnierender materieller Einsatzbereitschaft.
@Luftikus
Leider kann man auch nicht behaupten, dass die russichen Militärabenteuer in Abchasien, Südossetien, Krim oder Ostukraine irgendwie auf einer rationalen Gewinn-Verlust-Rechnung basieren. Daher ist es schwierig, die Abschreckung einer Aggression im Baltikum zu definieren ohne den Russen zu vermitteln, dass sie militärisch scheitern würden.
Anders als in Sachen Westberlin kann man jetzt nicht davon ausgehen, dass die Russen einen Nuklearschlag auf ihre Städte befürchten im Falle einer konventionellen Aggression ihrerseits.
Das hier hatte ich mal verbrochen zum Thema kollektive Sicherheit im Baltikum:
https://defense-and-freedom.blogspot.com/2016/09/summary-enhanced-deterrence-and-defence.html
@Memoria
„@Pete:
Die CDs-Studie ist durchaus interessant und stellt aus meiner Sicht zu Recht die Logik des 2%-Zieles in Frage. Das wurde ja oft genug diskutiert, dies ist natürlich ein abstraktes politisches Ziel oder auch nur ein grober Anhalt.“
– Vielen Dank für Ihre Antwort.
– Die Kernfrage für die NATO ist: Why NATO?
Diese Frage wurde, wie bekannt, vom 1. NATO Generalsekretär Lord Ismay in den 50er Jahren wie folgt beantwortet: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“
https://de.wikipedia.org/wiki/Hastings_Ismay,_1._Baron_Ismay
Ich finde, dass das eine brilliante Antwort war, die in einem prägnanten Satz den damaligen Zweck dieser Organisation auf den Punkt brachte.
Eine solche Antwort brauchte die NATO heute auch, hat sie aber nicht! Es werden langatmige Erklärungen verlesen, die keinem Klarheit bringen. Daher stimme ich Ihnen zu wenn Sie schreiben:
„Was insgesamt fehlt ist eine gemeinsame Analyse und Gewichtung der Gefahren, Risiken und Bedrohungen aller Mitglieder…Eigentlich müsste hierfür das strategische Konzept der NATO neu gefasst werden…“
Macron geht zu Zeit den richtigen Weg. Er stellt die grundsätzliche Frage nach dem „Why NATO“! Bevor diese Frage nicht beantwortet ist, sind Debatten über Ausgabenziele (2Prozent) oder Strukturen oder Fähigkeitsprofile nicht wirklich sinnvoll. Und gerade die USA haben uns ja eigentlich gelehrt, dass Strategie aus „Ends, Ways and Means“ , und zwar in dieser Reihenfolge, besteht. Und die erforderlichen Ausgaben für die „Means“ können erst am Ende des Prozesses, wenn die erforderlichen „Means“ wirklich definiert wurden, evaluiert werden.
Für diejenigen, die diese Vorgehensweise nicht kennen, hier eine kurze Erläuterung:
“…Strategy = Ends + Ways + Means.” Ends are the objectives or desired outcomes of a given strategy. The term end-state is synonymous with ends. An end or ends comprise the goal of the strategy. Ways are actions. They are the methods and process executed to achieve the ends. More simply, they answer the question, How are you going to get to the end-state? Means are the resources required to execute the way…“
https://www.armyupress.army.mil/Portals/7/military-review/Archives/English/MilitaryReview_20071031_art009.pdf
Diese logische Ableitung ist es was die NATO liefern muß. Mit einer solchen logischen Ableitung wäre auch ich mit Ausgaben von 2 Prozent des BIP einverstanden. Aber Ausgaben von 2 Prozent BIP bloß weil wir das mal so festgelegt haben sind eigentlich ziemlich albern. Das kann man auch einem Herrn Trump sagen. Vielleicht würde er es sogar kaufen. Denn 2 Prozent auszugeben, nur um 2 Prozent auszugeben, ist ja eigentlich ein ziemlich dummer „deal“. Das würde jeder klar denkende „Dealmaker“ nachvollziehen können.
@Memoria
„… Gewichtung der Gefahren, Risiken und Bedrohungen aller Mitglieder …“
Jetzt rückt ja China als Bedrohung in den Focus. ‚mal sehen, wie das der deutschen Bevölkerung nahe gebracht werden wird. Vielleicht muß die NATO (NA steht für North Atlantic) tatsächlich neu aufgesetzt werden.
„Die Nato-Staaten haben sich offenbar auf den Text für die Abschlusserklärung des Gipfels geeinigt. China soll als mögliche neue Bedrohung erwähnt werden.“
(WELT Online)
Gut, FON ist sicher ein Thema, aber eine – militärische – Bedrohung?
@Pete
Die schöne Welt des Herrn Cordesman.
„…Spending more should not be the priority. Spending wisely should be.“ Na dann ist ja alles klar.
Und dann bitte noch „effective NATO force planning effort should set clear priorities for improving the mission capabilities of each individual member Country“
Super! Besser (weiser) und effektiver Geld ausgeben. Wenn’s weiter nichts ist. Und natürlich abgestimmt für jedes Mitglied.
Leider geht das in einem Orchester wie diesem nicht so einfach. Und darüber hinaus wird diesbezüglich einiges getan. Dazu sind mindestens 2/20 eine relativ einfache und sicher ermittelbare Richtschnur, um zu erkennen, wer denn seine tatsächlichen Ziele für militärische Fähigkeiten wirklich erreichen kann. Denn die sind zugewiesen.
Und wer trägt denn tatsächlich zum Mißtrauen in der NATO bei? Derjenige, der Ziele deutlich mitbeschließt und danach noch ihre Richtigkeit betont, sie aber nicht einhält, oder der, der die Einhaltung der einfachsten Rahmenrichtlinien einfordert- und das beileibe nicht erst seit Trump.
Deutschland will nicht und sagt es nicht offen. Wer heute morgen dazu das Gespräch von MdB Felgentreu in WDR 5 gehört hat, faßt sich nur an den Kopf, wie da die Realität lückenweise dargestellt wird und der Herr Moderator auch nicht aus der üblichen Trump-Schelte herausfindet.
Aber so lange die Diskussion letztendlich hintergründig weiter auf der Ebene läuft, daß ohnehin nichts passieren wird oder nicht so schlimm (für Deutschland) oder erst nach der nächsten Wahl oder dem Ausscheiden aus dem Amt, ist das Ganze nur eine Posse.
Ganz genau! Da hätten wir schon einen Baustein um die Frage Why Nato? zeitgemäß zu beantworten. Nämlich „to keep the Chinese down“.
@ Jan Hoffmann sagt:
„@Pete
Die schöne Welt des Herrn Cordesman.
„…Spending more should not be the priority. Spending wisely should be.“ Na dann ist ja alles klar.“
Ist doch vernünftig. Mache ich im Privatleben auch so. Ich lege als Ziel nicht fest 20.000 Euro für ein neues Auto auszugeben, sondern ich lege zuerst die Kriterien fest, die das Auto erfüllen soll und zwar gemessen an meinen konkreten Bedürfnissen, zB. Ob Kinder oder nicht. DANACH lege ich fest wieviel er höchstens kosten soll. Bei der NATO ist es umgekehrt. Ziel ist es, dass jede Nation MINDESTENS 2 Prozent vom BIP ausgibt, egal wie die Nation das Geld ausgibt. Hauptsache 2 Prozent vom BIP werden für Militär ausgegeben.
„Leider geht das in einem Orchester wie diesem nicht so einfach.“
Das hat auch Keiner behauptet. Wenn es einfach wäre brauchten wir den riesigen Koloss des NATO HQ in Brüssel mit unzähligen Arbeitsgruppen und jede Menge nachgeordneten Kommandobehörden nicht. HQ SACT in Norfolk ( 4-Sterne Kommando) beispielsweise hat mit seinem riesigen Mitarbeiterstab nichts Anderes zu tun als sich um eine sinnhafte Weiterentwicklung der NATO zu kümmern. Viele schöne Fotos und Erfolgsmeldungen auf der webpage des Kommandos behaupten das jedenfalls:
https://www.act.nato.int/#main-home-search
„Wer heute morgen dazu das Gespräch von MdB Felgentreu in WDR 5 gehört hat, faßt sich nur an den Kopf, wie da die Realität lückenweise dargestellt wird…“
– Ich habe nicht die deutsche Innenpolitik im Auge wenn ich die fehlende strategische Ausrichtung der NATO kritisiere. Von der deutschen Politik erwarte ich relativ wenig sinnvolle Impulse für eine sinnhafte Weiterentwicklung der NATO, weder von den beiden Regierungsparteien, noch der Opposition. Wir werden wie immer dem Kompromiß der anderen zustimmen und um ganz besonders „lieb“ zu sein, noch höhere NATO-Beiträge für Deutschland akzeptieren.
– Wertvolle Impulse gab Herr Macron bereits bei seinen Statements anläßlich dieser NATO-Tagung. Im Kern stellt er genau die richtigen Fragen nach der Sinnhaftigkeit und weißt auf die richtigen Risiken für Europa (z.B. Kündigung INF-Vertrag) in sehr deutlichen Worten hin.
Und dann bitte noch „effective NATO force planning effort should set clear priorities for improving the mission capabilities of each individual member Country“
Super! Besser (weiser) und effektiver Geld ausgeben. Wenn’s weiter nichts ist. Und natürlich abgestimmt für jedes Mitglied.
Nachtrag:
Sorry, dieses Zitat von @Jan Hoffmann –
„…Und dann bitte noch „effective NATO force planning effort should set clear priorities for improving the mission capabilities of each individual member Country“ Super! Besser (weiser) und effektiver Geld ausgeben. Wenn’s weiter nichts ist. Und natürlich abgestimmt für jedes Mitglied…“ –
ist in meinem Kommentar versehentlich „reingerutscht“……bitte nicht beachten.
In Sachen Einsatzbereitschaft der NATO wurde heute erklärt, dass die letztes Jahr initiierte NATO Readiness Initiative wie geplant ab 2020 beginnen soll (30 Btl, 30 Staffeln, 30 Schiffe in 30 Tagen einsatzbereit). Deutschland hat laut Presseberichten 7000 Soldaten, 50 Luftfahrzeuge und 3 Schiffe zugesagt (sueddeutsche.de, „Nato-Staaten erhöhen Einsatzbereitschaft von Truppen“).
Das ist dann ja durchaus eine beachtliche Dimension mit Blick auf andere Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen und die materielle Einsatzbereitschaft.
[Hm, ja, aus dem genannten SZ-Artikel: „Die dpa berichtet mit Berufung auf Bündniskreise in Brüssel, dass Deutschland rund 7000 Soldaten mit 50 Luftfahrzeugen und drei Schiffen gemeldet hat.“ Da hätte ich gerne mal die genauere Aufschlüsselung, ehe ich wirklich davon ausgehe, dass es keine Doppelassignierungen gibt. Bislang mangelt es da doch arg an harten Fakten. T.W.]
@Pete
„egal wie die Nation das Geld ausgibt. Hauptsache 2 Prozent vom BIP werden für Militär ausgegeben.“
Diese Aussage stimmt nicht! Wer den NATO Defence Planning Process kennt, weiß das.